Protokoll der Sitzung vom 22.03.2018

Es gibt aber neben der Schaffung von fairen Bedingungen im Wettbewerb weitere Ziele bei Tariftreueregelungen, welche auch höchstrichterlich festgeschrieben sind. Sie sind arbeitsmarktpolitischer Natur, und selbstverständlich geht es auch darum, finanzielle Stabilität in die Systeme der sozialen Sicherung zu bringen. Ich empfehle Ihnen noch einmal sehr, zum Beispiel das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Berliner Tariftreueregelung, zum damaligen Vergabegesetz, zu lesen. Ich darf zitieren. Das Bundesverfassungsgericht hat geschrieben:

Die rechtfertigenden Gründe, die den Gesetzgeber zu der … Regelung veranlasst haben, haben … erhebliches Gewicht.

Die Erstreckung der Tariflöhne auf Außenseiter soll einem Verdrängungswettbewerb über die Lohnkosten entgegenwirken … und die Ordnungsfunktion der Tarifverträge unterstützen.

Sie dient dem Schutz der Beschäftigung solcher Arbeitnehmer, die bei tarifgebundenen Unternehmen arbeiten, und damit auch der Erhaltung als wünschenswert angesehener sozialer Standards.

… Gemeinwohlbelang, dem die Tariftreueregelung … Rechnung zu tragen versucht, besitzt eine überragende Bedeutung ….

Sie sagen: Reflexartig wird auf irgendwelche Vorkommnisse reagiert, deshalb ein neues Gesetz. Das lehnen wir ab. Wir hatten doch längst, wie gesagt, seit über 20 Jahren, Regelungen in Bayern. Sie, Herr Holetschek, haben sich dafür feiern lassen. Sie sind über viele Initiativen, Anträge, Gesetzentwürfe und Ähnliches von uns und der SPD angestoßen worden. Aber Sie haben es dann gemacht und haben es dann mit großer Begeisterung vorgetragen. Die erste Initiative ging von der Staatsregierung aus. Das war 1996 der Beschäftigungspakt Bayern. Da gab es das Beschäftigungsprogramm und die Tariftreueregelung. Sie haben sich dafür groß feiern lassen. Dann gab es 2000 das Bayerische Vergabegesetz, 2007 haben wir es reformiert.

(Angelika Weikert (SPD): 2010 abgeschafft!)

Da haben wir nicht nur den Hochbau, sondern auch den Tiefbau mit hereingenommen. Ich erinnere Sie – Herr Holetschek, Sie waren damals noch nicht dabei –, der Artikel 97 Absatz 4 GWB ist auf Initiative des Bayerischen Landtags geändert worden. Eignungskriterien waren vorher die Leistungsfähigkeit, die Zuverlässigkeit und die Fachkunde. Dazu gekommen sind ökologische Kriterien, soziale Kriterien und die Innovation. Ich habe dem damaligen Landtagspräsidenten gesagt: Wir reichen Ihnen gerne noch viele Federn, damit Sie sich mit ihnen schmücken können. Denn ich war auch in der Debatte in Berlin dabei.

Dann hatten wir das bekannte Rüffert-Urteil in Niedersachsen. Da ging es um das niedersächsische Landesvergabegesetz, welches dem bayerischen sehr ähnlich war. Konkreter Sachverhalt war ein "Suberer". Der Insolvenzverwalter des "Suberers" hatte geklagt. Es ging bezeichnenderweise um den Bau eines Gefängnisses. Er hat dann recht bekommen, weil es hieß: Es gibt beim Tarif keine Allgemeinverbindlichkeit, und dann ist diese gesetzliche Regelung hinfällig. Mit dem bezeichnenderweise so genannten Gesetz zur Änderung des Pressegesetzes und anderer Gesetze ist dann die bayerische Regelung ersatzlos aufgehoben worden.

Wenn Sie sagen, es lief alles wunderbar, dann reden Sie doch mal mit den Leuten vom Zoll, Arbeitsgruppe Schwarzarbeit. Es gibt leider auch Großbaustellen der Landeshauptstadt mit übelsten Fällen der Schuldknechtschaft und Ähnliches mehr.

(Angelika Weikert (SPD): Das war nur ein Beispiel!)

Schauen Sie doch einmal, wie die Korruptionsbekämpfungsrichtlinie greift oder nicht. Es gibt immer wieder massive Verstöße gegen die Vorgaben für Arbeitnehmerentsendung und Arbeitnehmerüberlassung. Trotzdem passiert da de facto nichts. Das heißt, eine Neuregelung ist wünschenswert und angesagt; denn damit helfen Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Sie helfen den Systemen der sozialen Sicherung, und Sie helfen vor allem auch bayerischen Unternehmern und Unternehmerinnen. Deswegen ist der erneute Vorstoß – dieses Mal wieder von der SPD – begrüßenswert, und wir freuen uns schon auf substanzielle Beratungen. Wenn Sie sagen, es funktioniert alles, noch einmal die Empfehlung: Reden Sie mit den Kolleginnen und Kollegen vom Zoll, Arbeitsgruppe Schwarzarbeit, darüber, was alles funktioniert und was nicht funktioniert und was sie gerne anders hätten.

Danke schön, Herr Kollege Dr. Runge. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Karl. Bitte schön, Frau Karl.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir in der SPD-Landtagsfraktion denken Arbeit und Wirtschaft zusammen. Deshalb stehe heute auch ich hier. Die Grundlage dafür ist die soziale Marktwirtschaft. Soziale Marktwirtschaft bedeutet zum einen gute Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer, aber auch gute Rahmenbedingungen für Unternehmer. Beides gemeinsam macht den Erfolg in der Wirtschaft in Deutschland und in Bayern seit vielen Jahrzehnten aus.

Zu guten Rahmenbedingungen gehören auch Leitplanken für einen fairen Wettbewerb bei Vergaben. Wir wollen Arbeitnehmer vor Lohndumping und sozialen Verwerfungen schützen, aber vor allen Dingen auch Unternehmen, die sich an Tarifverträge halten, davor bewahren, bei Vergaben benachteiligt zu werden. Der gute Kaufmann darf nicht auch noch für sein Handeln bestraft werden.

(Beifall bei der SPD)

Ein bayerisches Tariftreue- und Vergabegesetz kann auf aktuelle Entwicklungen reagieren. Wir haben zum einen eine immer geringere Tarifbindung von Unternehmen. Wir haben zum anderen einen Preiskampf bei Vergaben, vor allen Dingen über Lohndrückerei, und wir haben zunehmend die Vergabe von einzelnen Teilen der Aufträge an Unterauftragnehmer und Unterauftragnehmer von Unterauftragnehmern. Hier sind Arbeitsbedingungen und Lohnhöhe teilweise nicht mehr nachkontrollierbar und nachvollziehbar. Wir sind der Meinung, der Auftragnehmer muss hier auch in

die Verantwortung für seine Subsubsub- und Subunternehmer genommen werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir erleben die Vergabe an Subunternehmer zunehmend auch im SPNV, im Schienenpersonennahverkehr, auch und gerade im grenzüberschreitenden Verkehr. Das Drücken von Löhnen führt aber gemeinsam mit schlechten Arbeitsbedingungen auch zum Fachkräftemangel. Man muss sich einmal umsehen, wie momentan die Situation bei Lokführern ist. Es ist einfach nicht mehr attraktiv, einen solchen Beruf zu immer schlechteren Bedingungen auszuüben.

Die Regelungen im Gesetzentwurf für Unterauftragnehmer und zur Vergabe von grenzüberschreitenden Leistungen sind deshalb wichtig und richtig. Wir sehen in unserem Gesetzentwurf vor, dass bei der Vergabe auch soziale Kriterien im Zusammenhang mit der konkreten Leistung möglich sein sollen. Das ist sehr wichtig, zum Beispiel – und da bin ich wieder beim SPNV – beim Übergang des Betriebes von einem Anbieter auf den nächsten. Hier möchten wir sicherstellen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterhin zu den gleichen Bedingungen beschäftigt werden wie beim vorhergehenden Betreiber.

Es geht hier eben nicht um mehr Bürokratie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sondern es geht um klare Spielregeln in unserer sozialen Marktwirtschaft – um es neudeutsch zu sagen: Es ist das level playing field, wie wir es uns vorstellen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Karl. Gibt es noch reguläre Wortmeldungen?

(Zuruf von der CSU: Ja)

Eine weitere Wortmeldung liegt vom Kollegen Holetschek vor. Bitte sehr.

Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil wir noch etwas Redezeit haben. Es ist gut, diese Zeit zu nutzen, um zwei oder drei Dinge richtigzustellen. Herr Kollege Runge, Sie reden immer von Dingen, die sowieso sanktioniert werden. Sie reden von strafbaren Handlungen, für die der Zoll da ist und die geahndet werden müssen. Das ist aber nicht die Normalität; denn in der Normalität sind die Dinge geregelt. Wenn etwas nicht passt, muss es – wie überall – auch sanktioniert werden. Dafür gibt es den Vollzug und die Behörden. Das möchte ich eindeutig feststellen.

Die meisten Aufträge kommen von den Kommunen. Auch da gibt es diese Regulierungsmomente. Das kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung sagen. Wenn dort einer einmal schiefliegt, wird er ausgeschlossen und kommt nicht mehr zum Zuge.

Beim Schienenpersonennahverkehr – das ist mir wichtig – haben sämtliche in Bayern tätige Eisenbahnverkehrsunternehmen Tarifverträge mit einer bzw. mit mehreren Gewerkschaften. Das muss an dieser Stelle auch noch einmal angesprochen werden.

(Zurufe von der SPD)

Ja, man muss aber die Dinge sauber trennen und darf nicht den falschen Eindruck erwecken, wir lehnten dieses Gesetz deshalb ab, weil wir gegen soziale Gerechtigkeit sind. Vielmehr lehnen wir es deshalb ab, weil es neue Bürokratie bringt. Es bringt neue Mechanismen, die niemandem nutzen, sondern die die Dinge vielmehr in der anderen Richtung schlechter machen.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der CSU: Bravo!)

Deshalb lehnen wir es ab, und das ist auch der wahre Grund.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Holetschek. Bitte bleiben Sie am Mikrofon, es gibt jetzt zwei Zwischenbemerkungen. Die erste kommt vom Kollegen Dr. Runge. Bitte schön, Herr Dr. Runge.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Herr Holetschek, selbstverständlich haben wir Regularien zum Mindestlohn, zur Arbeitnehmerentsendung und zur Arbeitnehmerüberlassung. Aber viel zu oft wird dagegen verstoßen, leider auch in den Bereichen, in denen die öffentliche Hand der Auftraggeber ist.

(Widerspruch bei der CSU)

Da erfolgt eben nicht die entsprechende Sanktionierung.

Weil Sie gerade den öffentlichen Personennahverkehr angesprochen haben, frage ich Sie: Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass der Freistaat Bayern über Jahre die Kommunen angehalten hat, im allgemeinen ÖPNV für Tariftreue zu sorgen, sich aber gleichzeitig geweigert hat, da, wo er selber Auftraggeber ist, nämlich im SPNV, Gleiches einzufordern? Damit haben wir uns immer wieder auseinandergesetzt. Da gibt es einen eklatanten Widerspruch. Man predigt Wasser,

säuft aber selber Wein. Man hält sich nicht an das, was man für richtig hält. Von daher nochmals die Bitte, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Sie können den Entwurf ja selbst an der einen oder anderen Stelle noch korrigieren, aber Sie sollten das Anliegen unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Dr. Runge. – Herr Holetschek, bitte sehr.

Wir haben im Straßenpersonennahverkehr eine sehr weitgehende Tarifbindung. Das gilt auch für die Ausschreibung der kreisfreien Städte und der Landkreise für Busleistungen. Es ist vorhanden.

Herr Dr. Runge, nochmals: Wenn etwas schiefläuft, führe ich doch nicht ein neues Gesetz ein, bei dem ich noch einmal zusätzlich kontrollieren muss. Ich verbessere damit nicht die Situation. Da gibt es irgendwo einen Denkfehler. Wir müssen dort, wo etwas passiert, konsequent dagegen vorgehen und die Dinge abschaffen. Das wollen wir genauso. Ein neues Gesetz wird aber nichts verbessern. Der Meinung bin ich zu hundert Prozent. Es wird mehr Bürokratie geben, es wird teurer, und es wird die Situation im Grunde verschlechtern.

Danke schön. – Jetzt kommt die Zwischenbemerkung der Kollegin Weikert. Bitte sehr.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Herr Kollege, wenn alles so toll kontrolliert und sanktioniert wird, frage ich mich – ich beziehe mich auf meine Nachfrage bei der Staatsregierung zum Strafjustizzentrum Nürnberg, da ich diesen Fall sehr gut dokumentiert hatte –, warum monatelang keiner der staatlichen Auftraggeber, insbesondere das Staatliche Hochbauamt, jemals auf der Baustelle war und mitbekommen hat, dass diese Arbeiter in unbeheizten Containern schlafen mussten und keinerlei Lohn erhalten haben.

Meine Anfrage hat auch gezeigt, dass niemals einer der staatlichen Auftraggeber beim Hauptunternehmer nachgesehen hat, welche Subsubunternehmer der Hauptunternehmer überhaupt beauftragt hat. Keiner! Es hat also überhaupt keine staatliche Kontrolle stattgefunden. Wenn die staatlichen Aufträge des Freistaates Bayern so abgewickelt werden, dass man sich nur auf die Arbeitsgruppe vom Zoll verlässt, dann ist dem Missbrauch wirklich Tür und Tor geöffnet.

Danke sehr, Frau Weikert. – Herr Holetschek.

Frau Kollegin Weikert, Sie greifen jetzt ein Beispiel heraus, zu dem ich Ihnen vorhin erklärt habe, dass es dort einen Sanktionsmechanismus gab. Das Subunternehmen ist ausgeschlossen.

(Angelika Weikert (SPD): Es hat aber keiner nachgesehen!)

Die Möglichkeit der Kontrolle ist natürlich durch den Zoll gegeben.