Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

(Allgemeine Unruhe)

Herr Kollege Blume, bitte einen Augenblick. Ich bitte, dass wir bei dieser Debatte zumindest ein Stück weit Haltung annehmen, ohne diese Zwischenrufe.

(Beifall bei der CSU – Florian Ritter (SPD): Haltung? Von uns aus gerne, dann fangen wir aber da vorne an! – Unruhe)

Herr Kollege Blume – –

(Unruhe)

Ich bitte darum, diese Zwischenrufe zu unterlassen. Das gilt für alle hier im Haus. – Bitte schön.

Der Antrag ist nach unserem Dafürhalten heuchlerisch, weil Sie vorgeben, die christlichen Kirchen schützen zu wollen, weil der Staat angeblich das Kreuzzeichen usurpiert. Ich sagen Ihnen, was tatsächlich der Fall ist: Sie sind religionsfeindlich und wollen einen laizistischen Staat. Sie möchten Bayern zu einer religionsfreien Zone machen. Meine Damen und Herren, wir sagen ganz klar: nicht mit der Christlich-Sozialen Union!

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Ich behaupte, Ihr Antrag ist auch gefährlich; denn so wie Sie kann nur jemand argumentieren, dem egal ist, was unser Land geprägt hat und auch in Zukunft prägen wird. Außerdem ist Ihr Antrag falsch, weil Sie behaupten, hier würde jemand das Kreuz zu einem Bekenntnis zu den Grundwerten unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung umdeuten. Ich sage Ihnen, das Kreuz ist das Bekenntnis zu den Grundwerten unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung!

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Natürlich ist das Kreuz das Zeichen des Christentums. Unter dem Einfluss von Humanismus und Aufklärung ist es aber eben auch zu einem konstitutiven Element unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung geworden.

Sie zitieren die Bayerische Verfassung. Ich sage Ihnen, hätten Sie lieber vorne angefangen, ganz vorne bei der Präambel. In der Präambel heißt es:

Angesichts des Trümmerfeldes, zu dem eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen die Überlebenden des Zweiten Weltkriegs geführt hat …

Das war der historische Hintergrund, vor dem diese Bayerische Verfassung entstanden ist.

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Zurufe von der CSU: Bravo!)

Zu behaupten, dass diese Bayerische Verfassung frei von christlicher Prägung wäre, frei von christlichen Werten und diesem Erlebnis des Zweiten Weltkriegs, ist historisch falsch, meine Damen und Herren.

(Karl Freller (CSU): Das ist grundfalsch!)

Es ist historisch falsch, es ist auch faktisch falsch. Es ist in jeder Hinsicht falsch, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Lassen Sie mich einen Sozialdemokraten zitieren, den Reichstagsabgeordneten Carlo Mierendorff. Er hat nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager zu einem Freund gesagt:

Wissen Sie, als Atheist bin ich in das Konzentrationslager gekommen, und nach dem, was ich dort erlebt habe, verließ ich es als gläubiger Christ. Es ist mir klar geworden, dass ein Volk ohne metaphysische Bindung, ohne Bindung an Gott, weder regiert werden noch auf Dauer blühen kann.

Meine Damen und Herren, wer sich zum Kreuz bekennt, wer Kreuze aufhängt, der muss sich dafür nicht rechtfertigen; denn er bekennt sich gerade zu den notwendigen Wertegrundlagen unserer freiheitlichen, unserer pluralen, unserer offenen Gesellschaft.

(Beifall bei der CSU)

Lassen Sie mich etwas zu den Werten sagen. Unser Ministerpräsident hat das bei der Tagung der Landessynode deutlich an die Synodalen gerichtet: Das Kreuz steht für Menschenwürde. Es steht für Toleranz, und es steht für Nächstenliebe. – Ich sage ganz deutlich: Wer Kreuze abnimmt, der nimmt auch die Toleranz ab. Der hängt im Gegenzug Intoleranz auf in diesem Land. Meine Damen und Herren, das wollen wir nicht.

(Beifall bei der CSU)

Wir hängen Kreuze auf, weil wir damit Haltung zeigen, übrigens auch gegen die, die ein anderes Land wollen, die in diesem Land Intoleranz säen wollen und die vielleicht sogar Antisemitismus hoffähig machen wollen.

Ich darf an dieser Stelle einmal auf die Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN im Deutschen Bundestag Göring-Eckardt abstellen. Sie hat heute gesagt, das Kreuz aufzuhängen sei Wahlkampfgetöse und beschämend. Ich sage Ihnen, was wirklich beschämend ist: Aus der grünen Multikulti-Ecke

(Katharina Schulze (GRÜNE): Jetzt reicht es aber!)

empört man sich über die, die hier ein Kreuz aufhängen, aber zu dem neuen Antisemitismus, der sich in unserem Land breitmacht, kommt kein hartes Wort. Das zeigt Ihre verquere Weltsicht.

(Beifall bei der CSU – Thomas Gehring (GRÜNE): Unverschämtheit!)

Wer nicht in der Lage ist, seine eigenen Werte zu vertreten, der ist der wahre Feind der offenen Gesellschaft.

Lassen Sie mich etwas zur Rolle und zur Aufgabe des Staates sagen: Die weltanschauliche Neutralität des Staates darf nicht mit einem sittlich ungebundenen Staat gleichgesetzt werden. In Deutschland sind Staat und Kirche unterschieden, das ist richtig. Sie sind sich aber gegenseitig nicht egal. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat beispielsweise geurteilt, dass das Neutralitätsgebot nicht als Gebot zur Eliminierung des Religiösen aus dem öffentlichen Bereich zu verstehen sei, es bedeute eben keine völlige Indifferenz

in religiös-weltanschaulichen Fragen und eben auch keine laizistische Trennung von Staat und Kirche.

Ich sage Ihnen: Umgekehrt ist es Aufgabe des Staates, die Grundlagen unseres Zusammenlebens zu sichern: die natürlichen Lebensgrundlagen, die kulturelle Überlieferung, aber eben auch die christliche Prägung. Wir schützen unsere Identität, um auch künftig so weltoffen und freiheitlich sein zu können, wie wir das heute in diesem Freistaat Bayern sind, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Ich finde es interessant, liebe Kollegin Schulze, dass Sie auch zur christlichen Verantwortung und zum christlichen Symbol gesprochen haben. Es gibt in Ihrer Fraktion eine ganze Reihe von Kollegen, die sich offen zum Christentum bekennen. Ich würde Ihren Fraktionskollegen etwas mehr Mut wünschen, sich in einer solchen Debatte einzuschalten. Man kann schlau daherreden über christliche Symbole, über christliche Verantwortung. Ich sage Ihnen: Am Ende ist es doch ein Unterschied, ob man sich tatsächlich zum Christentum bekennt. Ich sage an der Stelle ganz deutlich: Ich bin stolz auf die CSU-Fraktion, von der von 101 Kollegen 101 Kollegen tatsächlich ein konfessionelles Bekenntnis zum christlichen Glauben ablegen.

(Beifall bei der CSU)

Vielleicht noch ein Letztes zu der Aufregung, die sich in diesem Land erneut breitmacht bei einem solchen Thema: Wir führen doch hier keinen Kulturkampf.

(Katharina Schulze (GRÜNE): Sie führen einen!)

Wir sind doch auch nicht auf einem neuen Kreuzzug aus Bayern heraus, sondern wir versuchen doch nur, uns der gemeinsamen Grundlagen unseres Zusammenlebens zu versichern. Mich irritiert, dass man sich in diesem Land viel mehr Gedanken über die anderen macht als über die eigenen Grundlagen.

Ich sage auch ganz deutlich: Die größte Bedrohung für christliche Werte in diesem Land ist nicht die Bedrohung von außen, sondern ist die Bedrohung und Schwäche von innen. Deswegen will ich ganz ehrlich sagen: Mich lässt mancher ratlos zurück, auch Vertreter der Kirchen, die sich in dieser Debatte zu Wort melden. Häufig hat man den Eindruck, dass lieber andere Religionen verteidigt werden, als dass man die eigenen Werte kraftvoll vertritt. Auch darüber sollte man in diesen Zeiten vielleicht einmal nachdenken.

(Beifall bei der CSU)

Ganz im Sinne von Martin Luther, im 501. Jahr nach der Reformation, wünsche ich uns allen mehr Mut zur eigenen Sache; denn wer sicher ist im eigenen Standpunkt, der leistet erstens einen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft und kann zweitens gleichzeitig offen und tolerant für andere sein, meine Damen und Herren. So geht Bayern, das ist Bayern, und deswegen werden in Bayern Kreuze nicht abgehängt, sondern aufgehängt.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Zwischenbemerkung: Herr Kollege Gehring, bitte.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Herr Kollege Blume, sind Sie sich sicher, dass Sie diese Debatte so führen wollen, wie Sie sie gerade geführt haben?

(Zurufe von der CSU: Ja!)

(Vom Redner nicht auto- risiert) Sind Sie sich sicher, dass wir hier anfangen sollen, Bekenntnisse abzulegen? Ich bin katholisch, aber ich habe keinen Grund, hier ein Bekenntnis abzulegen, ob ich es bin oder ob ich es nicht bin. Das ist nicht die Rolle dieses Landtags, das ist nicht die Rolle dieses Parlamentes und auch nicht die Rolle von uns Abgeordneten.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD und der FREIEN WÄHLER – Ingrid Heckner (CSU): Das hat auch keiner gesagt!)

Wollen Sie uns wirklich Heuchelei vorwerfen für diesen Antrag? Werfen Sie das auch dem Landesbischof Bedford-Strohm vor? Werfen Sie das auch Herrn Burkhard Hose vor, Leuten aus der Kirche, die sich sehr dezidiert gegen diese Kreuz-Aktion Ihres Ministerpräsidenten geäußert haben? Es kann doch nicht sein, dass wir hier im Bayerischen Landtag als bayerische Abgeordnete über Bekenntnisse und Heuchlertum reden. Was ist denn das für ein Staatsverständnis?