Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

Wollen Sie uns wirklich Heuchelei vorwerfen für diesen Antrag? Werfen Sie das auch dem Landesbischof Bedford-Strohm vor? Werfen Sie das auch Herrn Burkhard Hose vor, Leuten aus der Kirche, die sich sehr dezidiert gegen diese Kreuz-Aktion Ihres Ministerpräsidenten geäußert haben? Es kann doch nicht sein, dass wir hier im Bayerischen Landtag als bayerische Abgeordnete über Bekenntnisse und Heuchlertum reden. Was ist denn das für ein Staatsverständnis?

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD und der FREIEN WÄHLER)

Dann reden Sie von unserer Verfassung. Ja, der christliche Einfluss, die christliche Prägung sind wichtig. Aber nach dem Christentum kam die Aufklärung in unser Land, nach dem Christentum kam der Humanismus. Das beruht zum Teil auf christlichen Wurzeln, aber natürlich auch auf der Auseinandersetzung vor

allem auch mit der Rolle der Kirchen und der tagtäglichen Praxis des Christentums in unserem Land. Sie wissen genauso gut wie ich, dass in diesen 2.000 Jahren unter dem Zeichen des Kreuzes leider auch schlimme Dinge gemacht worden sind, nicht zuletzt von den Kreuzfahrern, die unter dem Kreuz Krieg geführt haben. Deswegen sind Symbole immer etwas, was wir belegen, indem wir Symbolen etwas geben.

Unser Zusammenleben in dieser Gesellschaft und unsere Verfassung macht doch aus, dass wir zusammenleben, egal, welchen Glauben wir haben, dass wir uns auf das Zusammenleben verpflichtet haben, ob wir an das Kreuz glauben oder nicht, ob wir es als Symbol sehen oder als kulturelles Symbol. Das müssen wir betonen.

Mit dem Aufhängen des Kreuzes betreiben Sie tatsächlich Symbolpolitik. Wenn Sie das nur zum kulturellen Werkzeug herabwürdigen, dann wird das folkloristisch, und dann reden wir nicht über Glaube. Wir müssen hier aber auch nicht über Glaube reden.

Herr Kollege Blume, bitte. – Die Zeit ist um, Herr Kollege.

(Vom Redner nicht auto- risiert) – Einen Satz noch! – Wenn Sie uns hier Antisemitismus vorwerfen oder dass wir uns nicht klar dagegen bekennen,

(Zurufe von der CSU: Das hat keiner gesagt!)

fordere ich Sie auf, sich dafür zu entschuldigen. Das ist nicht die Position der GRÜNEN. Gestern hat sich Cem Özdemir sehr deutlich dazu geäußert. Ich fordere Sie auf, sich dafür zu entschuldigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lieber Herr Kollege, wenn Sie hier so viel mitzuteilen haben, dann würde ich vorschlagen, dass Sie in Zukunft für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei einer solchen Debatte reden. Das hätte dann vielleicht auch die Qualität des Beitrags insgesamt noch gehoben.

Was die Debatte angeht, lieber Herr Kollege, sollten Sie uns nicht vorwerfen, dass wir die Debatte führen. Wir reden über Ihren Dringlichkeitsantrag; es ist Ihr Antrag, es ist nicht unser Antrag, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Was die Sache des Kreuzes angeht und den Glauben – Herr Kollege, ich bin völlig bei Ihnen –: Glaubenssa

che ist individuell, ist persönlich, ist die persönliche Lebensentscheidung jedes Einzelnen. Das ist grundgesetzlich verbürgt in einem Land, in dem Religionsfreiheit zu Recht großgeschrieben wird. In der Frage der Identitätsstiftung des Kreuzes, und zwar als Grundlage unseres Zusammenlebens, was sich durch die gesamte Gesellschaft und Rechtsordnung zieht, geht es nicht um eine Glaubensfrage, sondern da geht es um eine Haltungsfrage, die völlig unbestritten sein kann; denn daraus leiten sich Menschenwürde und das gesamte Grundrechtskonzept unserer Verfassung ab. Vor dem Hintergrund, lieber Herr Kollege, werden wir an der Stelle nicht weiter debattieren, weil wir glauben, dass hier eine klare Grundhaltung notwendig ist, die gerade auch mit dem Kreuz zum Ausdruck kommt.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Stachowitz das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Frau Präsidentin! Zunächst muss ich auf die Äußerungen von Herrn Kollegen Blume eingehen, die mich sehr betroffen gemacht haben. In dieser Debatte geht es um die Grundrechte und die Grundwerte unserer Verfassung. Sie führen diese Debatte in einem Ton, der nicht den Werten und – jetzt werde ich doch theologisch – dem Kreuz entspricht. Bei der Kreuzigung geht es sehr wohl um Demut, um Respekt und um Toleranz. Es geht darum, ein Leid zu tragen. Die Sache des Glaubens ist eine ernste in unserem Land. Uns Gläubige hat miteinander aufgeschreckt, dass dieser Ton angeschlagen wird. Ich bin wirklich erschrocken, weil ich weiß, dass Sie sehr wohl in unserer evangelischen Kirche engagiert sind. Schlau dahergeredet haben Sie in diesem Tonfall. Aufgeregt haben Sie sich. Deswegen bitte ich Sie, noch einmal in sich zu gehen und sich gut zu überlegen, welches Symbol die Kreuzigung darstellt. Im Hinblick auf die Auferstehung sollten wir Protestanten wirklich darüber nachdenken. Das ist die Grundlage.

Jetzt komme ich zu dem Akt der Verordnung. Herr Ministerpräsident Söder, von Protestantin zu Protestant: Was wollten Sie mir als gläubiger Christin mit dieser Aktion eigentlich sagen? Oder war das gar nicht an mich gerichtet?

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Kreuz steht nicht für die Grundwerte der Rechts- und Gesellschaftsordnung eines Landes, eines Bürgers oder einer Parteipolitik. Das Grundgesetz garantiert uns die Religionsfreiheit – andersherum ist es richtig. Jeder Extremist, egal, welcher Religion und

welcher Kirche er angehört, der dieses Grundrecht der Verfassung bricht oder verletzt, wird auf der Grundlage unseres Rechtssystems, unserer Verfassung, rechtlich belangt. Wir befinden uns nicht mehr im Kirchenrecht wie noch vor einigen Jahrhunderten. Zum Glück sind Kreuze kein Kampfmittel mehr zur Ausgrenzung oder zur Abgrenzung. Das Kreuz steht nicht für die Identität eines Landes und seiner Bewohner oder die Identität einer Partei.

(Manfred Ländner (CSU): Das sagen wir doch gar nicht! – Peter Winter (CSU): Haben Sie die Rede von Herrn Blume nicht gehört?)

Ich habe die Rede sehr wohl gehört. Herr Blume hat von der Identität des Landes, der Identität der Grundwerte und der Identität unserer Verfassung gesprochen. Das hat er sehr wohl hergeleitet. Ich richte meine Worte jetzt an denjenigen, der diese Verordnung erlassen hat. Das ist Herr Söder. Das Kreuz ist ein Symbol des Glaubens. Ich habe versucht, das zu erklären. Vielleicht beschäftigen Sie sich auch noch einmal damit.

Mein Glaube ist nicht abhängig von einem Land. Mein Glaube ist nicht abhängig von einer Kultur. Meinen Glauben habe ich in mir, den kann ich überall hin mitnehmen. Mein Glaube ist meine Heimat. Ich wünsche mir eine Politik in Bayern, die zuhörend, zupackend und zukunftsorientiert ist. Dafür stehen wir als SPD. Wir stehen hinter den Kirchen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Streibl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Als Sie in Ihrer Regierungserklärung gesagt haben, dass Sie Kreuze aufhängen wollen, habe ich mich zuerst gefreut. Ich bin Oberammergauer. In meiner Heimat ist die Holzschnitzkunst zu Hause. Es gibt sehr viele Herrgottsschnitzer. Wir hoffen auf viele Aufträge aus der Staatskanzlei. Ich hoffe, dass Sie dies berücksichtigen.

(Allgemeine Heiterkeit)

Deshalb habe ich nichts dagegen, wenn Kreuze aufgehängt werden. Herr Ministerpräsident, die Art und Weise, wie Sie das zelebriert haben, und auch Teile der Begründung machen mich aber schon betroffen und stutzig. Man merkt, dass hier etwas im wahrsten Sinne des Wortes medienträchtig inszeniert wird – mit schönen Fotos oder auch nicht. Sie möchten etwas verkaufen. Das Kreuz wird dabei politisch instrumen

talisiert. Sie machen mit dem Kreuz Politik. Das ist nicht im Sinne des Kreuzes. Von diesem Vorwurf kann ich auch die Fraktion der GRÜNEN nicht freisprechen; denn auch dieser Antrag instrumentalisiert das Kreuz, aber in die andere Richtung. Meiner Meinung nach hat diese Debatte an dieser Stelle überhaupt nichts verloren. Dies ist der falsche Ort dafür.

Sie sagen, das Kreuz sei ein grundlegendes Symbol unserer bayerischen Identität und Lebensart. Ja, das ist es vielleicht. Aber das Kreuz ist auf der ganzen Welt ein Symbol. Das Kreuz ist nicht nur das Symbol Bayerns. Sie sagen, das Kreuz sei mehr als das Christentum. An dieser Stelle wird es schon gefährlich. Alles, was wir über Artikel 1 des Grundgesetzes gesagt haben, bezieht sich auf das Christentum. Worin besteht dieses Mehr, das Sie anführen? Was ist das Andere? Sie nehmen eine theologische Entleerung des Kreuzes vor. Sie profanieren das Kreuz letztendlich. Was bleibt übrig, wenn man das Kreuz profaniert? – Dann ist es im Grunde ein Galgen, den die römischen Soldaten verwendet haben. Diesen sollte man nicht unbedingt in die Eingänge von Behörden hängen. Deshalb überlegen Sie genau, was Sie tun!

Selbstverständlich hat das Kreuz auch eine Botschaft. Die Botschaft von Artikel 1 des Grundgesetzes lautet: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Den Rest lassen wir einmal weg. Das sollte für Sie Anlass genug sein, die Debatte und die Diskussion anders zu führen. Die Würde und der Glaube aller anderen sollten respektiert werden. Das Kreuz sollte nicht als Symbol für Ausgrenzung, sondern als Symbol für Inklusion und Integration verstanden werden. Das Christliche lebt – das haben wir schon gehört – von der Demut, aber auch von der Toleranz und ganz besonders von der Liebe. Bei Ihrem Vorhaben kann ich keinen Akt der Liebe erkennen – ganz im Gegenteil. Das Kreuz soll für einen Wahlkampf instrumentalisiert werden, damit die CSU sagen kann: Mia san mia. Mia san guad. Alle anderen sind es nicht. – Das ist jedoch überhaupt nicht christlich.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb ist es richtig, dass sich katholische und evangelische Verbände über das empören, was hier passiert. Ich muss Ihnen auch sagen, dass mich das persönlich in meinem Glauben betroffen macht. In einer gewissen Weise beleidigt und verärgert es mich auch. Hier würden mir einige Worte auf der Zunge liegen, die ich jetzt aber lieber nicht sage, um den Frieden des Hauses nicht zu gefährden.

Meine Damen und Herren, das Kreuz kann für vieles gebraucht und missbraucht werden. Das wissen wir

Christen am besten. In der Geschichte unseres Glaubens wurde auch viel Unrecht unter dem Kreuz begangen. Von daher sollte man als Staat immer sehr vorsichtig sein bei dem, was man damit tut. Das Kreuz sollte einen eigentlich eher mahnen und zu Vorsicht und Umsicht anleiten, aber nicht zu Großmannssucht und zum Darstellen der eigenen Person. Dafür ist es zu schade.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der GRÜNEN)

Danke schön. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Claudia Stamm.

(Widerspruch des Abgeordneten Ernst Weiden- busch (CSU))

Entschuldigung, das habe ich nicht gesehen. Jetzt war es eigentlich zu spät.

(Zurufe)

Bei mir hat es nicht geblinkt. Es tut mir leid, ich kann nur reagieren, wenn jemand am Saalmikrofon drückt. – Frau Stamm, Sie gestatten, dass Herr Weidenbusch noch seine Zwischenbemerkung macht, damit wir keinen Ärger haben? – Herr Weidenbusch, Sie haben das Wort. Zwei Minuten.

So lange brauche ich gar nicht. – Herr Kollege Streibl, ich habe aufmerksam zugehört, aber ich habe leider nicht herausgefunden: Sind Sie jetzt für Kreuze in Amtsstuben oder dagegen?

(Diana Stachowitz (SPD): Das hat er deutlich gesagt! – Weitere Zurufe)

Ganz einfach: dafür oder dagegen? Bitte sagen Sie mir das; denn darum geht es ja. Sie haben zuerst gesagt, Sie sind dafür, weil dann die Oberammergauer Kreuze bekommen. Und dann haben Sie gesagt, die Umsetzung gefällt Ihnen nicht, darum wollen Sie die Kreuze nicht drinnen haben. Ich glaube, wir zwei sind uns einig, dass das Kreuz für uns persönlich ein Symbol ist. Aber die Frage ist wirklich: Würden Sie es hineinhängen oder nicht, Sie persönlich?

(Unruhe)

Herr Weidenbusch, ich weiß, Sie sind ein aufmerksamer Zuhörer, und das ehrt Sie auch. Klar habe ich auch bei mir zu Hause ein Kreuz hängen, und das ist für mich auch wichtig. Ich kritisiere nicht das Aufhängen in den Behörden. Ich kritisiere die Art und Weise und die Begründung; denn diese ist falsch.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Diana Sta- chowitz (SPD): Genau!)

Danke schön. – Jetzt bitte ich die Kollegin Claudia Stamm ans Rednerpult.