Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

Danke schön. – Jetzt bitte ich die Kollegin Claudia Stamm ans Rednerpult.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bestenfalls kann man die Debatte um die Kreuze als weiteren Show Act des Ministerpräsidenten bezeichnen. Tatsächlich ist es Symbolpolitik und leider ein Paradebeispiel, ein schlechtes noch dazu; denn wer ein Kreuz vor sich herträgt bzw. an die Wand jeder Behörde in Bayern hängen will, sollte christliche Werte auch wirklich vorleben und nicht im Gegenteil spalten und Menschen mit Bedarfen gegen andere Menschen mit Bedarfen ausspielen.

In Artikel 1 des Grundgesetzes – "Die Würde des Menschen ist unantastbar" – steht nicht: Die Würde des deutschen Menschen ist unantastbar.

(Jürgen W. Heike (CSU): Das hat niemand gesagt!)

Und wenn Sie nicht auf mich hören wollen, könnten Sie wenigstens auf die Worte sowohl von katholischer als auch von evangelischer Seite hören. Der Landesbischof zum Beispiel hat klar gesagt, das Entscheidende sei, dass das Kreuz nicht nur an der Wand hänge, sondern auch mit Leben erfüllt werde.

(Peter Winter (CSU): Da hat er recht! – Weitere Zurufe)

Abgesehen davon, Herr Ministerpräsident, ist das Kreuz nicht ein kulturelles Symbol, wie Sie gesagt haben. Das Kreuz ist ein religiöses Symbol, und das sollte auch Ihnen heilig sein, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Danke schön. – Nächster Redner ist der Kollege Muthmann, ebenfalls für zwei Minuten.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Beitrag richtet sich auch an den Kollegen Blume, der von Toleranz und Achtung als Grundlagen des Zusammenlebens gesprochen hat und im nächsten Satz den Redebeitrag der Vorrednerin als Beitrag von größter anzunehmender Dummheit bewertet hat. Das passt nicht zusammen. Wenn auf der einen Seite von Symbolik gesprochen wird und dahinter nicht der Nachweis von Substanz steht, kommt es zu dem Problem, über das heute diskutiert wird.

In Zeiten, in denen wir uns um ein tolerantes, weltoffenes und modernes – ich würde sagen: auch friedliches – Bayern und um ein gutes Miteinander der verschiedenen Religionsgemeinschaften bemühen, ist Symbolik einfach zu wenig. Da sind Verständnis, Gespräche und Empathie wichtig und gefragt. Die Politisierung eines solchen christlichen Symbols – das wurde bereits ausgeführt, ich will es nicht wiederholen – halte ich für falsch, und zumal diese aufdringliche Inszenierung ist abzulehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Danke schön. – Nächster Redner ist Herr Staatsminister Herrmann.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Katastrophe des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs haben die Väter und Mütter der Bayerischen Verfassung im Jahre 1946 an die Spitze unserer Verfassung, in die Präambel unserer Verfassung die Worte gestellt: "Angesichts des Trümmerfeldes, zu dem eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen die Überlebenden des zweiten Weltkrieges geführt hat …". Ich brauche die weiteren Sätze nicht zu zitieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist als eine der großen Ursachen – jedenfalls als eine der Kernursachen – dafür, dass diese Katastrophe des Nationalsozialismus möglich wurde, die Abwendung von den christlichen Grundsätzen und vom Glauben an Gott erkannt worden.

Schon damals fand sich in Artikel 131 der Bayerischen Verfassung zu den obersten Bildungszielen in unseren Schulen und in unserer Gesellschaft wieder die klare Aussage: "Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen". Ja, das sollte auch heute unser Zusammenleben prägen. Nicht von ungefähr hat man dann als allererste Worte der Präambel unseres Grundgesetzes formuliert: "Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen … hat sich das Deutsche Volk … dieses Grundgesetz gegeben." – Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen!

Ja, wir bekennen uns zu weltanschaulicher Neutralität. Wir stehen ein für die Religionsfreiheit, und weil die Religionsfreiheit in Deutschland garantiert wird, kommen Menschen aus vielen anderen Ländern zu uns und suchen hier Zuflucht, weil diese Religionsfreiheit in anderen Ländern nicht gewährleistet ist. Aber dies bedeutet nicht, dass wir eine total laizistische Verfassung hätten. Es ist keine Verfassung, in der sich die Wörter "Gott" und "Glaube" nicht wiederfinden

würden, sondern ganz im Gegenteil. Sowohl in der Bayerischen Verfassung als auch im Grundgesetz wird ausdrücklich der Glaube an Gott als eines der zentralen Themen des Zusammenhalts unserer Gesellschaft, als etwas, was die Mehrheit der Menschen in unserem Land ganz wesentlich selbst prägt, angesprochen, ja, als selbstverständlich vorausgesetzt.

Meine Damen und Herren, das Kreuz bezeugt die prägende Kraft des Christentums für unsere kulturelle Identität und erinnert auch an die Wurzeln unserer Gesellschaft. Den Werten, die unsere Gesellschaft zusammenhalten, sichtbaren Ausdruck zu verleihen, das ist kein Missbrauch religiöser Symbole. Es sollte vielmehr unser gemeinsames Anliegen sein, das zum Ausdruck zu bringen.

(Beifall bei der CSU)

An unsere kulturelle Identität und an die gemeinsamen Werte zu erinnern, gilt gerade in Zeiten wie diesen, in denen wir alle einen grundlegenden Wandel in vielen Lebensbereichen erleben und in denen offensichtlich auch viele Menschen nach Orientierung suchen. Wer diesem Bemühen wie im Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN die Religionsfreiheit entgegenhält, der verkennt deren Gehalt ganz grundlegend. Die Religionsfreiheit gebietet in der Tat staatliche Neutralität in religiösen Fragen. Sie ist jedoch kein Gebot zur Eliminierung des Religiösen aus dem öffentlichen Bereich und bedeutet gerade keine völlige Beliebigkeit in religiös-weltanschaulichen Fragen. In Deutschland gibt es traditionell keine laizistische Trennung von Staat und Kirche. Dies hat übrigens auch das Bundesverfassungsgericht bereits 1995 ausdrücklich klargestellt. Ich zitiere wörtlich:

Auch ein Staat, der die Glaubensfreiheit umfassend gewährleistet und sich damit selber zu religiös-weltanschaulicher Neutralität verpflichtet, kann die kulturell vermittelten und historisch verwurzelten Wertüberzeugungen und Einstellungen nicht abstreifen, auf denen der gesellschaftliche Zusammenhalt beruht und von denen auch die Erfüllung seiner eigenen Aufgaben abhängt. Der christliche Glaube und die christlichen Kirchen sind dabei, wie immer man ihr Erbe heute beurteilen mag, von überragender Prägekraft gewesen. Die darauf zurückgehenden Denktraditionen, Sinnerfahrungen und Verhaltensmuster können dem Staat nicht gleichgültig sein.

So weit das Bundesverfassungsgericht. Meine Damen und Herren, dies wird verkannt und bewusst außer Acht gelassen, wenn im Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN auf Bestimmungen der Bayerischen Verfassung zur Religionsfreiheit, zu den Landesfarben und

das Landeswappen verwiesen wird. Meine Damen und Herren, wir bekennen uns natürlich zu unseren Landesfarben und zu unserem Landeswappen. Auch bei uns im Plenum steht die bayerische Flagge. Aber die bayerische Flagge ist doch kein Ersatz für bzw. keine Alternative zum Kruzifix, das seit Jahren zu Recht im großen Treppenaufgang des Maximilianeums hängt.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte ganz kurz eine weitere Gerichtsentscheidung zitieren, die das sehr trefflich zum Ausdruck bringt. Sie haben meines Erachtens ein viel zu enges und zu einseitiges Verständnis von Religionsfreiheit. Im Jahr 2011 hat sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit einer Klage gegen das Anbringen von Kruzifixen in Klassenzimmern in Italien beschäftigt. Ich zitiere jetzt lediglich einen Absatz daraus, selbst wenn man vieles vorlesen könnte. Die Klage wurde damals abgewiesen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kommt zu dem klaren Ergebnis:

Das Anbringen von Kruzifixen macht die Mehrheitsreligion des Landes in der Schule besonders sichtbar. Das allein ist keine Indoktrinierung. Das Kruzifix ist ein wesentlich passives Symbol. Die italienischen Behörden und Gerichte haben bei ihrer Entscheidung, es in Klassenzimmern zu belassen, den ihnen zustehenden Ermessensspielraum nicht überschritten.

Meine Damen und Herren, wir erwarten nicht von jeder staatlichen Institution in Europa, dass sie das genauso sieht wie wir. Aber wir sehen uns im Einklang mit dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Wir haben im Freistaat Bayern das Recht, uns zur christlichen Prägung unseres Landes zu bekennen und sie mit dem Symbol des Kreuzes auch in den Dienstgebäuden unseres Landes sichtbar zu machen. Dazu stehen wir.

(Beifall bei der CSU)

Das gehört zur christlichen Prägung unseres Landes. Wer die Mehrheitsreligion in unserem Land richtig versteht, der weiß, dass gerade diese christliche Religion niemanden ausgrenzt, sondern sich grundsätzlich um Nächstenliebe bemüht. Das war in der Geschichte, auch der christlichen Kirchen, nicht immer von Fehlern frei. Wir verstehen die Interpretation des christlichen Glaubens im Einklang mit dem, was heute die Achtung der Menschenwürde und die Garantie der Religionsfreiheit in unserem Land bedeuten. Das ist auch heute das Religionsverständnis der allermeisten Christen in unserem Land. Deshalb ist das Kreuz nicht nur ein historisches Symbol, sondern auch das

richtige Symbol für die Zukunft unseres Landes. Davon sind wir fest überzeugt. Deshalb stehen wir zu diesem Symbol. Deshalb stehen wir zur christlichen Prägung unseres Landes. Diese wollen wir mit großem Engagement auch für die Zukunft gestalten.

(Beifall bei der CSU)

Herr Minister, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Hätten Sie eine Zwischenfrage angenommen? – Nein. Dann werde ich als Nächstes der Kollegin Stachowitz für eine zweiminütige Zwischenbemerkung das Wort erteilen.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Sehr geehrter Herr Staatsminister! Ich habe eine kleine Anmerkung. Das weiß-blaue Rautenmuster kommt ja aus dem Böhmischen. Das wissen Sie. Das hat eine Gräfin damals eingebracht. Ich möchte damit verdeutlichen, wie multikulturell Bayern eigentlich ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine Anmerkung zielt aber auf etwas anderes ab. In der Verfassung ist von Gott, nicht aber von einem christlichen Gott die Rede. Wenn wir davon ausgehen, dass wir das Thema Gott so beziehen, dann hängen wir noch eine Kippa daneben und die anderen Symbole derjenigen, die sich mit Gott identifizieren.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Frau Kollegin Stachowitz, ich habe großen Respekt vor Ihnen, weil Sie in einer ähnlichen Weise, wie ich mich bemühe, engagierte Christin sind. Ich glaube, es wäre ungut, wenn wir uns in Haarspalterei verlieren. Ich habe darüber nicht als Innenminister zu befinden. Ich sage Ihnen aus meinem Glauben heraus meine persönliche Meinung. Sie haben die Kippa und damit die Mitbürger jüdischen Glaubens angesprochen. Mein Verständnis ist, dass Christen und Juden an den gleichen Gott glauben. Das Alte Testament verbindet uns ohnehin. Ich habe – – Bitte?

(Thomas Gehring (GRÜNE): Für die Juden ist das Kreuz kein Symbol des Glaubens! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Nein, für die Juden ist das Kreuz kein Zeichen ihres Glaubens. Sie haben vielleicht wahrgenommen, was Frau Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, gesagt hat. Sie hat es begrüßt, dass das Kreuz als Zeichen für die mehrheitlich christliche Prägung unseres Landes gezeigt wird. Sie hat das ausdrücklich begrüßt und befürwortet. Ich glaube, die Kritik ist fehl am Plat

ze. Das Problem haben hier manche immer wieder: Wir vertreten unseren eigenen Standpunkt nicht mehr, allein aus Sorge davor, dass wir irgendjemandem zu nahe treten könnten.

(Beifall bei der CSU)

An den Äußerungen von Frau Knobloch, einer der renommiertesten Vertreterinnen der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger unseres Landes, erkennen Sie, dass sie dieses Problem überhaupt nicht hat. Sie weiß, dass die Gesellschaft hier mehrheitlich vom Christentum geprägt ist. Das gehört heute zu unserem Verständnis. Wir treten selbstverständlich voll für das Recht unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger und für deren Glaubensfreiheit in unserem Land ein. Darüber hinaus bekennen wir uns ganz klar dazu, dass die Existenz des Staates Israel zur Staatsräson, zum Selbstverständnis der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland gehört, und, und, und. Daraus muss man jedoch keinen Gegensatz konstruieren, sondern das gehört heute selbstverständlich zu unserem christlichen Glauben. Das habe ich vorhin gesagt.

Wenn sich hinsichtlich des ersten Satzes unseres Grundgesetzes in "Verantwortung vor Gott und den Menschen" auch ein muslimischer Mitbürger klar zur Präambel des Grundgesetzes bekennt und unter Gott für sich Allah im Einklang mit der gesamten Werteordnung unseres Grundgesetzes versteht, wird dagegen niemand etwas einzuwenden haben. Dies ist aber überhaupt kein Argument dagegen, dass die Mehrheit in unserem Land ihre christliche Prägung durch das Kruzifix an den Wänden repräsentiert sieht. Dazu stehen wir. Ich glaube, deshalb müssen wir aus dieser Einschätzung auch keinen Gegensatz konstruieren.

(Diana Stachowitz (SPD): Mir ging es nur darum, dass die anderen auch ihren Gott finden!)

Wir stehen jedenfalls zu unserem klaren Bekenntnis, liebe Frau Kollegin Stachowitz.

(Beifall bei der CSU)

Bitte bleiben Sie am Rednerpult, Herr Minister; wir haben noch zwei Zwischenbemerkungen von Kollegin Gottstein und Kollegin Claudia Stamm.

Herr Minister, glauben Sie, dass es vielleicht einen Unterschied gibt zwischen Mut, zu seinem Glauben zu stehen – Gott sei Dank brauchen wir in unserem Land keinen Mut mehr, zu unserem jeweiligen Glauben zu stehen –, und einer gewissen

Scheinheiligkeit, seinen Glauben vor sich herzutragen? Das ist meine erste Bemerkung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Bei diesem Punkt begeben Sie sich auf eine ganz schmale Gratwanderung. Ich glaube, entweder verstehen Sie und Ihre Vorredner Ihrer Partei es nicht oder Sie wollen es nicht verstehen, dass es im großen Teil dieser Debatte nicht darum geht, ob man dafür oder dagegen ist, das Kreuz aufzuhängen. Ich glaube, mein Kollege Streibl hat sehr wohl gesagt, dass das für uns keine Frage ist, dass das eine Bedeutung hat, dass das gerechtfertigt ist. Es geht um die Art, wie man – beschämend – eine Show daraus macht und es theologisch völlig falsch begründet.