Protokoll der Sitzung vom 06.06.2018

Noch eines: Sie haben von einer Hopplahopp-Aktion gesprochen. Kolleginnen und Kollegen, mein Haus hat den vorliegenden Gesetzentwurf über einen mehrmonatigen Zeitraum vorbereitet und, wie ich meine, eine gute, tragfähige und zukunftsorientierte Lösung erarbeitet.

Das Vorhaben dient auch nicht der politischen Profilierung, sondern der Stärkung der dritten Gewalt. Besonders aus den Reihen unserer Richterinnen und Richter erfährt das Projekt große Zustimmung. Eine Blockade, Kolleginnen und Kollegen, aus wahlkampftaktischen Überlegungen, wie es vielleicht in den Ausführungen der Kollegin Gote in der letzten Geschäftsordnungsdebatte zu spüren war, wäre kein gutes Zeichen an unsere Justiz.

Kolleginnen und Kollegen, ich bin überzeugt, dass das neue Bayerische Oberste Landesgericht ein be

sonders bedeutsames Projekt für unsere Justiz ist. Dies zeigen, wie erwähnt, auch die Rückmeldungen aus der Verbändeanhörung. Diese waren ausgesprochen positiv und haben die in dem Projekt zum Ausdruck kommende Wertschätzung für die dritte Gewalt gewürdigt.

Die Einrichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts wird die bayerische Justiz weiter voranbringen. Ich freue mich auf die weitere Diskussion über dieses Vorhaben und bitte Sie darum, den Gesetzentwurf positiv zu begleiten.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Staatsminister. – Als Nächster hat Herr Kollege Schindler von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Staatsminister! Wenn Sie davon sprechen, dass die Neuerrichtung eines Bayerischen Obersten Landesgerichts zur Stärkung der dritten Gewalt beiträgt, stimme ich Ihnen zu. Dann müssen Sie aber bitte auch zugeben, dass die Abschaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichts im Jahr 2004 durch Ihre Fraktion eine Schwächung der bayerischen Justiz dargestellt hat.

(Lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Meine Damen und Herren, schon der Titel "Gesetzentwurf zur Errichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts" – nicht zur Neuerrichtung, auch nicht zur Wiedererrichtung, sondern zur Errichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts – kann nur als Frechheit, als Chuzpe, bezeichnet werden, weil es gerade nicht um die erstmalige Errichtung eines Bayerischen Obersten Landesgerichts geht. Das wurde nämlich in seinen Grundstrukturen schon im Jahr 1625, lange vor dieser Staatsregierung und vor der CSU, als sogenanntes Revisorium errichtet, im Jahr 1808 zum Oberappellationsgericht bzw. Obersten Gerichtshof weiterentwickelt und hatte auch nach dem Inkrafttreten der Reichsjustizgesetze im Jahr 1879 unter der neuen Bezeichnung "Bayerisches Oberstes Landesgericht" weiter Bestand.

Es konnte auch nach Abschaffung der Monarchie, der Revolution und der Ausrufung des Freistaates Bayern unbeschadet weiter bestehen, meine Damen und Herren, bis es im Jahr 1935 zum ersten Mal von den Nazis aufgehoben worden ist. Nach dem Ende der Nazi-Herrschaft war es für die damals in Bayern poli

tisch Verantwortlichen eine Selbstverständlichkeit, das Gericht wieder zu errichten.

Wilhelm Hoegner, damals Justizminister und stellvertretender Ministerpräsident, hat in der Kabinettssitzung vom 12. November 1947 den Gesetzentwurf über die Wiedererrichtung – die haben damals ihre Gesetze ehrlich bezeichnet: Wiedererrichtung! – des Obersten Landesgerichts

(Zurufe von der SPD: Bravo! – Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

damit begründet, dass das Gericht auf ungewöhnlicher Höhe gestanden und seine Aufgabe sehr gut erfüllt habe, bis es durch den Nationalsozialismus beseitigt worden sei. "Es sei eine dringende Notwendigkeit, wieder eine einheitliche Rechtsprechung zu haben", so Wilhelm Hoegner im Jahr 1947, und Ministerpräsident Hans Ehard hat ihm zugestimmt.

Wenige Monate später hat der Landtag – nach dem, was ich gelesen habe – einstimmig die Wiedererrichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts beschlossen.

Meine Damen und Herren, es waren dann noch einmal und schon wieder Nazis, die im Jahr 1969 als NPD-Fraktion hier im Landtag den Antrag gestellt haben, das Bayerische Oberste Landesgericht aufzulösen. Der Antrag stieß auf entschiedenen Widerstand der SPD und der CSU. Der damalige SPD-Landtagsabgeordnete Dr. Rudolf Schöfberger, später Bundestagsabgeordneter und SPD-Landesvorsitzender, hat in der Debatte unter anderem ausgeführt, dass wir unsere Oberlandesgerichte zur Rechtsprechungsprovinz des BGH degradieren würden, wenn man der NPDForderung nachkäme.

Meine Damen und Herren, im Jahr 2000 hat der damalige Ministerpräsident Dr. Stoiber anlässlich des 375-jährigen Bestehens des Bayerischen Obersten Landesgerichts unter anderem ausgeführt – ich zitiere –:

Unterbrochen wurde die 375-jährige Geschichte … bezeichnenderweise nur in der Zeit des NSRegimes. Damit wurde nicht nur ein Symbol der Eigenstaatlichkeit Bayerns, sondern auch ein wichtiger Garant einer unabhängigen Justiz zerschlagen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Hört, hört!)

Was er hier kritisiert hat, hat er drei Jahre später dann selbst gemacht: Mit 124 von 180 Abgeordneten im Rücken hat er in seiner Regierungserklärung ange

kündigt, wörtlich: "Abgeschafft wird das Bayerische Oberste Landesgericht", meine Damen und Herren. Die CSU-Fraktion hat nach einigem Theaterdonner und bei wenigen Enthaltungen trotz großer Proteste in der Fachwelt der Zerschlagung des Bayerischen Obersten Landesgerichts zugestimmt. Dass Sie damit der Rechtskultur in Bayern und der ansonsten immer wieder und zu Recht eingeforderten Eigenstaatlichkeit Bayerns Schaden zugefügt haben, will ich hier nur am Rande erwähnen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt kommen Sie – Herr Staatsminister, Sie haben die Gnade der späten Wahl – daher und glauben allen Ernstes, Applaus zu erhalten, wenn Sie gerade einen politischen Knaller brauchen und die Laune haben, ein Bayerisches Oberstes Landesgericht wieder – nicht erstmals! – zu errichten. Die CSU und die Staatsregierung, alle, die im Jahr 2003 schon dabei waren, sollten sich erstens schämen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Söder!)

Die anderen, die im Jahr 2003 noch nicht dabei waren, sollen sich bitte fremdschämen für ihre Fraktion und sich zweitens dafür entschuldigen, dass sie trotz der historischen Fakten, die ich genannt habe, das Bayerische Oberste Landesgericht und die dazugehörige Staatsanwaltschaft aufgelöst

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

und im Jahr 2008 einen Antrag der SPD-Fraktion auf Wiederrichtung abgelehnt haben.

Drittens sollten Sie, bitte schön, zugeben, dass das, was jetzt als Errichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts bezeichnet wird, bei genauerem Hinsehen allenfalls als Light-Version eines solchen Gerichts bezeichnet werden kann, weil es keinen einheitlichen Gerichtskörper – weder in München noch in Nürnberg noch in Bamberg – geben soll. Der Sitz soll zwar in München sein, aber ansonsten soll es zwei Filialen geben und das Ganze auch noch unter "Heimatstrategie" verkauft werden.

Meine Damen und Herren, wenn es Ihnen um Heimatstrategie geht, dann hätten Sie 31 Zweigstellen der Amtsgerichte behalten sollen. Das wäre Bürgernähe gewesen. Das kann man doch jetzt nicht ernsthaft meinen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zwar ist im Himmel mehr Freude über einen reuigen Sünder als über 99 Gerechte, aber nicht hier im Landtag und schon gar nicht, wenn es sich um scheinheilige Sünder handelt. Dennoch werden wir diesen Gesetzentwurf mit großer Sympathie weiter beraten.

(Harald Güller (SPD): Bravo! – Lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Guttenberger von der CSU-Fraktion das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin Guttenberger.

(Zuruf von der SPD: Sie entschuldigt sich jetzt, oder was?)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist ein wichtiger Punkt, ein ganz wichtiger Punkt für alles andere. Er ist die Basis für wirtschaftliche Entwicklung und dafür, dass Menschen investieren und dass Menschen sich in einem Land geborgen, sich zu Hause fühlen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Deswegen haben Sie das Gericht 2003 abgeschafft!)

Dieses Vertrauen in den Rechtsstaat basiert auf einer hervorragenden Arbeit der Justiz, der wir an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank sagen.

Mit der Schaffung eines neuen Bayerischen Obersten Landesgerichts wird ein Meilenstein geschaffen, mit dem die bayerische Justiz erneut gestärkt wird. Herr Kollege Schindler, im Gegensatz zu Ihnen halte ich die Tatsache, dass es nicht nur einen Hauptsitz in München, sondern auch Außensenate gibt, genau für den richtigen Weg. Dadurch werden nämlich auch die Justizstandorte Bamberg und Nürnberg, diese beiden Oberlandesgerichtsbezirke, zusätzlich gestärkt. Wir halten das für den richtigen Weg für ganz Bayern.

(Beifall bei der CSU)

Sie haben von der Heimatstrategie gesprochen und gesagt, das Gericht müsste einen Sitz haben. Nein, wir wollen, dass die Menschen in ganz Bayern an einem Meilenstein wie dem Bayerischen Obersten teilhaben können. Deshalb begrüßen wir diese Außensenate ausdrücklich. Sie sind ein starkes Zeichen für einen starken Rechtsstaat. Sie sind auch ein starkes Zeichen für die Gleichmäßigkeit der Rechtsanwendung in ganz Bayern. Sie sind außerdem ein Zeichen für noch mehr Rechtssicherheit in wichtigen Fragen.

Richtig ist, dass wir hier an eine große Tradition anknüpfen. Der Vorteil ist, dass künftig ein Gericht über wichtige Fragen für ganz Bayern entscheiden wird. Eines ist uns sehr wichtig: Über bayerisches Landesrecht wird künftig nicht mehr in Karlsruhe, sondern in Bayern abschließend entschieden.

(Volkmar Halbleib (SPD): Frau Kollegin, warum haben Sie es dann 2003 abgeschafft?)

Im AGBGB sind wichtige Punkte, zum Beispiel Grenzen und Nachbarrecht, geregelt. Wir sind der Ansicht, diese Fälle gehören nach Bayern und nicht nach Karlsruhe.

Ein weiterer großer Vorteil der Vereinheitlichung der Rechtsprechung ist aber auch, dass die Gleichmäßigkeit der Rechtsanwendung für alle Bürgerinnen und Bürger in Bayern sichergestellt wird. Eine gleichmäßige Rechtsanwendung bedeutet auch, dass es eine bessere Vorhersehbarkeit bezüglich des Ausgangs einer Entscheidung gibt. Das ist ein weiterer wichtiger Beitrag zur Rechtssicherheit. Gerade diese Rechtssicherheit macht Bayern in ganz besonderer Weise aus. Die zeigt sich nicht zuletzt an den vielen wirtschaftlichen Erfolgen, die wir in Bayern vorzuweisen haben. Diese wären ohne eine gesicherte Rechtsbasis nicht möglich.

(Beifall bei der CSU)

Wir begrüßen ausdrücklich die Zuordnung der Themenbereiche, die ich jetzt nicht wiederholen will, da darauf der Herr Staatsminister sehr ausführlich eingegangen ist. Diese Themenbereiche, die nicht nur das bayerische Landesrecht betreffen, werden einem Gericht mit Außensenaten in Oberfranken und Mittelfranken zugeordnet. Wir werden diesem Gesetzentwurf mit dem guten Gefühl zustimmen, dadurch noch mehr Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit in Bayern zu schaffen.

(Beifall bei der CSU – Volkmar Halbleib (SPD): Sie korrigieren damit Ihren eigenen Fehler! Das müssen Sie doch einmal zugeben!)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Herr Kollege Meyer von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Den wortgewaltigen Ausführungen des Herrn Kollegen Schindler und seiner historischen Recherche ist wenig hinzuzufügen.

(Beifall bei der SPD)