Protokoll der Sitzung vom 11.07.2018

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Es geht um diesen dauerhaften Nachteilsausgleich für diese Personengruppe. Das Problem besteht nicht erst seit gestern, sondern seit vielen Jahren. Wenn man mit von Hörbehinderung betroffenen Menschen zusammenkommt, dann wird dieses Anliegen vorgetragen. Die Menschen haben sich an uns gewandt, an einzelne Abgeordnete und an die Fraktionen hier im

Landtag. Über ihre Organisationen und Verbände, die im Netzwerk Hörbehinderung zusammengeschlossen sind, wurden wir alle, die wir uns mit solchen Themen befassen, umfassend informiert. Die Appelle, dass wir uns bewegen und vorankommen sollen, wurden an uns alle gerichtet.

Die gesamte Opposition unterstützt diesen Gesetzentwurf. Auch Sie, Herr Huber, haben Verständnis signalisiert. Sie sagten wörtlich, grundsätzlich stimme die CSU zu. Aber was ist ein solches Verständnis wert, wenn die CSU am Ende alles wieder ablehnt? Dann werden Worte über Werte inhaltsleer, und es machen sich Verständnislosigkeit und natürlich auch Enttäuschung breit.

Ich erinnere an die Worte, die wir heute von unserem Ministerpräsidenten gehört haben. Er möchte, dass wir uns ernst nehmen. Das heißt aber auch, dass wir dann diese Worte, die Verständnis äußern, ernst nehmen müssen. Jetzt hätte Ihre Fraktion die Chance, nicht nur Verständnis zu bekunden und nicht nur irgendetwas zu versprechen, was irgendwann in der goldenen Zukunft stattindet. Es geht darum, dass man nicht immer nur weitere Expertisen einfordert, sich aber eigentlich hinter diesen Expertisen versteckt. Sie stellen zwar immer wieder gute Fragen, diese aber werden eigentlich nur vorgeschoben, um das Handeln hinauszuzögern. Bei dem, was wir uns von Ihnen auch vor dem Hintergrund der Worte von Herrn Söder wünschen, geht es darum, dass man endlich Taten vollzieht, und zwar zugunsten von Menschen mit Hörbehinderung. Wir sollten den Baustein, den das Teilhabegeld darstellt, realisieren.

Innovation da, wo es nötig ist – diesen Spruch habe ich mir notiert. Ja, schließen Sie sich hier und heute der Opposition an. Sie haben dazu die Chance. Machen wir ein gemeinsames Gesetzeswerk und ermöglichen wir, dass Menschen mit Hörbehinderung die wichtige Chance erhalten, diese Form des Teilhabegeldes als Nachteilsausgleich für ihre Behinderung zu bekommen. Wir als SPD werden zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Fahn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Qualität einer Gesellschaft erkennt man daran, wie sie mit den Schwächsten umgeht. Die gehörlosen Menschen, um die es hier geht, gehören zu den Schwächsten. Daher werden wir dem Gesetzentwurf der GRÜNEN zustimmen, ganz einfach. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt ist die Erinnerung, nämlich die Erinnerung daran, wie lange es bei den hochgradig Sehbehinderten gedauert hat, bis wir endlich erreicht haben, dass sie auch in Bayern Geld bekommen. Es wurde immer wieder gesagt: Wir warten, bis das Bundesteilhabegesetz umgesetzt ist. – Wir haben gewartet: ein Jahr, zwei Jahre, drei Jahre. Aber es ist nichts gekommen. Endlich hat die CSU gesagt: Jawohl, wir machen das. – Jetzt sollen wir wieder so lange warten. Herr Huber hat sich so bemüht, sieben Punkte zusammenzusuchen, warum die CSU heute nicht zustimmen kann. Ich denke, diese Mühe brauchten Sie sich gar nicht zu machen. Sie haben nur überlegt, was Sie tun müssen, damit Sie nicht zustimmen müssen. Es ist doch viel einfacher. Es geht hier um die Schwächsten in unserer Gesellschaft, und diese Gruppen gehören dazu. Deshalb ist es wichtig, hier zuzustimmen. Frau Deckwerth hat bereits gesagt, für welche Dinge sonst in Bayern Geld vorhanden ist. Dann muss man auch für die Gehörlosen Geld haben. Das muss man ganz klar sagen, auch wenn das in Bayern im Vergleich zu anderen Bundesländern nicht ganz billig ist. Das sehen auch wir, aber man muss die Relation sehen. Das ist ein wichtiger Punkt.

Gehörlose sind Hörbehinderte, die vorzugsweise in Gebärdensprache kommunizieren. Circa 25 % der Betroffenen haben ihre Gehörlosigkeit ererbt, in den meisten Fällen ist diese allerdings erworben. Mittels Lichtsignal oder auch Vibrationsanlagen können Gehörlose ihren Alltag zu Hause sowie möglichst auch außerhalb alleine managen, vorausgesetzt, sie werden von den gesetzlichen Krankenkassen anerkannt. Das alles kostet Geld, das muss man sehen. Es gibt schon Bundesländer, die sich konkret für diese Gruppe einsetzen, zum Beispiel Berlin, Nordrhein-Westfalen oder Brandenburg.

Wir meinen, dass der Gesetzentwurf der GRÜNEN gut und richtig ist. Es geht um circa 9.000 Gehörlose in Bayern. Die sollen 60 % des vollen Blindengelds bekommen. Das entspricht 352 Euro im Monat. Es ist richtig, dass das im Vergleich zu anderen Bundesländern etwas mehr ist, aber ich meine, dass das der richtige Ansatz ist, um dieser Gruppe von Menschen konkret zu helfen. Ich glaube, dieser Gesetzentwurf ist ein politisches Signal, damit die Situation auch der Gehörlosen verbessert wird.

Ich habe es gesagt: Die Qualität einer Gesellschaft erkennt man daran, wie sie mit den Schwächsten umgeht. Das ist die genannte Gruppe. Deshalb stimmen wir dem Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/21510 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration empfiehlt die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion, die Fraktion der FREIEN WÄHLER und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen! – Das ist die CSU-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Eine Stimmenthaltung aus der CSU. Dann ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 30 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Dr. Hans Jürgen Fahn u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) für ein Bayerisches Seniorenmitgestaltungsgesetz (Drs. 17/21805) - Zweite Lesung

Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, über diesen Gesetzentwurf ohne Aussprache abzustimmen.

Wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf der Fraktion FREIE WÄHLER auf Drucksache 17/21805 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration empfiehlt die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen! – Das sind die CSU-Fraktion, die SPD-Fraktion und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Dann ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Nun komme ich zum letzten Tagesordnungspunkt für heute.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Angelika Weikert, Doris Rauscher u. a. und Fraktion (SPD) für ein Bayerisches Gesetz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestlohn bei öffentlichen Auftragsvergaben (Drs. 17/21033) - Zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache. – Erste Rednerin ist Frau Kollegin Weikert.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich muss diesen Gesetzentwurf nicht mehr langwierig begründen. Das haben wir im Wirtschaftsausschuss und im sozialpolitischen Ausschuss sehr intensiv gemacht. Wir wollen mit diesem Gesetzentwurf nichts anderes erreichen, als dass bei öffentlichen Aufträgen nur Unternehmen zum Zuge kommen, die sich tariftreu verhalten – Punkt, nicht mehr und nicht weniger.

Ich ziehe jetzt gleich, auch vor dem Hintergrund der späten Stunde, ein Fazit aus den Diskussionen in den Fachausschüssen. Ich stelle als erste Bemerkung fest: Keiner, der sich an der Diskussion beteiligt hat, hat festgestellt, dass es nicht Missbrauch auch bei öffentlichen Aufträgen gibt. Zweite Feststellung: Alle, die sich an der Diskussion beteiligt haben, haben betont, dass es mehr Kontrollen braucht. Diese Feststellungen haben wir gemeinsam getroffen.

Jetzt komme ich zu den Unterschieden. Die Konsequenzen, die daraus gezogen werden, sind unterschiedlich. Die Mehrheitsfraktion und übrigens auch die FREIEN WÄHLER ziehen die Konsequenz, die Kontrollen auf den Zoll zu verschieben. Allein der Zoll sei zuständig. Es wird behauptet, man würde durch dieses Gesetz mehr Bürokratie aufbauen. Ich ziehe hierzu ein Fazit aus den Fachdiskussionen und den Diskussionen des heutigen Tages. Sie haben heute durch verschiedene Gesetzentwürfe viel Bürokratie eingezogen. Ich möchte nicht alles wiederholen. Das hat angefangen mit dem Haushaltsgesetz und ging weiter mit dem Gesetz über das Landesamt für Asyl und Rückführungen. Sie haben hier viel Bürokratie eingezogen, ohne zu fragen: Was bringt das? Sind hier Kosten und Nutzen in Einklang zu bringen?

Zu der Forderung, dem Lohndumping bei öffentlichen Auftraggebern Einhalt zu gebieten, mehr Kontrollen einzuführen und den Auftraggebern mehr Verantwortung zu übertragen, sagen Sie Nein. Ich bin nicht überrascht; denn Sie werden bei diesem Nein bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Holetschek.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Weikert, das ist ein sehr wichtiges Thema. Dies möchte ich am Anfang konstatieren. Sie haben diesen Gesetzentwurf nunmehr zum vierten Mal eingebracht. In der Zwischenzeit hat sich wahnsinnig viel getan, auch in der Koalition. Ich denke hier an den Mindestlohn.

Ich möchte ein kurzes Fazit ziehen. Ihr Entwurf bringt eine höhere Regelungsdichte. Unternehmen und Vergabestellen werden mit zusätzlichen Nachweis-, Prüf- und Kontrollpflichten belastet. Kurz: Das ist eine Mehrbelastung ohne nennenswerten Mehrwert. Wir werden den Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei der CSU – Ingrid Heckner (CSU): Eine sehr gute Rede!)

Danke schön. – Herr Kollege Häusler, bitte ans Rednerpult.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Weikert, Sie haben recht: Immer weniger Betriebe besinnen sich auf die Tarifbindung zurück. Bayern ist hier unterdurchschnittlich organisiert. Bayern hat aber auch eine andere Unternehmensstruktur. Insbesondere der ländliche Raum ist viel kleinstrukturierter. Ich möchte es genauso kurz machen wie Sie. In einem Punkt muss ich Ihnen aber deutlich widersprechen: Sie wollen zusätzliche Kontrollen. Wir wollen mit Sicherheit keine zusätzlichen Kontrollen. Wir haben genügend Kontrolleure. Wir brauchen mehr Facharbeiter. Wir brauchen mehr Manpower.

(Angelika Weikert (SPD): Das ist schlicht und einfach Quatsch! Sie reizen mich, meine Redezeit auszunutzen!)

Wer von Wirtschaft keine Ahnung hat, muss so argumentieren. – Tatsache ist, wir vergeben heute viele öffentliche Aufträge, für die es nur noch ein Angebot gibt. Teilweise bekommen wir gar keine Angebote mehr. Vor Kurzem stand in der "Augsburger Allgemeinen" ein Bericht über eine Gemeinde, die nur ein überteuertes Angebot erhalten konnte. Wir können genügend Angebote ausschließen, aber es macht keinen Sinn, zusätzliche Kontrollen und Hürden aufzuerlegen. Wir haben ein Problem in Bezug auf die Innovationen bei unserem Mittelstand, insbesondere bei den kleinen handwerklichen Betrieben. Diese Innovationen können wir nicht zusätzlich auf die Tagesordnung setzen. Dazu ist im Moment wirklich kein günstiger Zeitpunkt. Das wäre kontraproduktiv.

Der Ansatz ist verständlich und ehrenwert. Darum haben wir uns im Fachausschuss so verhalten, wie wir uns verhalten haben. Wir haben uns auf Enthaltung verständigt.

(Angelika Weikert (SPD): Sie haben dagegen gestimmt!)

Im federführenden Wirtschaftsausschuss haben wir uns enthalten, und im Sozialausschuss auch. Bei diesem Votum bleiben wir auch hier.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Dr. Runge.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich muss Sie enttäuschen. Meine S-Bahn geht nur mehr alle 40 Minuten. Ich habe noch viel Zeit. – Spaß beiseite. Ich verweise auf meine diversen Redebeiträge zu den Themen Vergabegesetz, Tariftreueregelung usw. Herr Kollege Häusler, eines möchte ich aber hier nochmals festhalten: Ihr Beitrag war alles andere als sachkundig. Selbst wenn es nur einen einzigen Bieter gibt und dieser gegen geltendes Recht verstößt, muss das sanktioniert werden.

(Angelika Weikert (SPD): So ist es!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Umgang der Kolleginnen und Kollegen von der CSU dokumentiert eines, nämlich ihre Beliebigkeit. Hier handelt es sich um eine Regelung, für die Sie sich vor vielen Jahren noch großartig haben feiern lassen. Jetzt sagen Sie auf einmal: Das brauchen wir nicht. Diese Regelung fördert bürokratische Hemmnisse. Ich erinnere noch einmal an das Jahr 1996 und den Beschäftigungspakt Bayern: Oh, wir sind ganz vorne, Tariftreue und Nachunternehmererklärung. – So war das damals. Ein paar Jahre später, im Jahr 2000, wurde das in Gesetzesform gegossen. Im Jahr 2007 wurde das Gesetz novelliert. Sie haben sich immer dafür gelobt und gesagt: Bayern ist ganz vorne.

Dann wurde das relativ klandestin abgeschafft. Dazu gab es eine Notwendigkeit, nämlich das sogenannte Rüffert-Urteil. Dieses Urteil betraf das niedersächsische Vergabegesetz. Es ging damals bezeichnenderweise um den Bau eines Gefängnisses. Der Insolvenzverwalter eines pleitegegangenen Subunternehmers hatte geklagt. Das bayerische Vergabegesetz war dem niedersächsischen Vergabegesetz sehr ähnlich. Man hätte es aber durchaus ändern können.

Es ist gerade angeklungen: Im öffentlichen Bau gibt es jede Menge Verstöße, zum Beispiel gegen die Vorgaben zur Arbeitnehmerüberlassung oder zur Arbeitnehmerentsendung, gegen den Mindestlohn, gegen Arbeitszeitregelungen, und es gibt Fälle klassischer Schuldknechtschaft. Damit komme ich zu der Forderung nach Tariflöhnen. Wir alle wissen, dass die Tarifbindung mehr und mehr zurückgeht. Ich zitiere aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Berliner Tariftreueregelung. Dieses Urteil ist zwar schon älter, aber die Zitate, die ich bringen werde, greifen trotzdem. Zitat:

Die rechtfertigenden Gründe, die den Gesetzgeber zu der zur Prüfung gestellten Regelung veranlasst haben, haben demgegenüber erhebliches Gewicht.

Die Erstreckung der Tariflöhne auf Außenstehende soll über die Lohnkosten einem Verdrängungswettbewerb entgegenwirken und die Ordnungsfunktion der Tarifverträge unterstützen. Sie dient dem Schutz der Beschäftigung solcher Arbeitnehmer, die bei tarifgebundenen Unternehmen arbeiten, und damit auch der Erhaltung als wünschenswert angesehener sozialer Standards.

Als letzter Satz im Zitat:

Dieser Gemeinwohlbelang, dem die Tariftreueregelung Rechnung zu tragen versucht, besitzt eine überragende Bedeutung.