Protokoll der Sitzung vom 22.04.2015

Jutta Widmann von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Zellmeier, mit dieser klaren Aussage haben Sie mir persönlich eine große Freude bereitet; das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Ich kann Ihnen gleich vorweg sagen: Wir FREIEN WÄHLER werden dem Dringlichkeitsantrag der CSU zustimmen; denn damit wird ein Schritt in die richtige Richtung gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Wir möchten natürlich noch etwas hineinpacken. Zunächst möchte ich sagen, dass wir vor den Worten "Absenkung der Promillegrenze" das Wort "geplante" ersatzlos streichen. Damit entfernen wir diese Hürde, sodass Sie auch unserem Antrag zustimmen können.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der CSU)

Meine Damen und Herren, Volks-, Gemeinde- und Stadtfeste sind ein fester Bestandteil unserer bayerischen Traditionen und gehören zu unserem Kalender. Sie werden Dult, Kirchweih, Oktoberfest oder Gäubodenfest genannt und haben einen religiösen oder historischen Hintergrund. Es gibt sie bei uns in Bayern schon seit vielen Hundert Jahren. Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Veranstaltungen oftmals in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten stattfinden. Daher ergeben sich oft Konflikte.

Fakt ist aus meiner Sicht und aus Sicht der bayerischen Bürgerinnen und Bürger, dass die Interessen Einzelner, die sich über Lärm beschweren, zurücktreten müssen und das Gemeinwohl und die Gemeininteressen Vorrang haben. Das ist wichtig; denn unsere bayerische Kultur, unsere bayerischen Traditionen und Feste gehören gestärkt und mittlerweile auch geschützt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Aus Sicht der FREIEN WÄHLER reicht es allerdings nicht aus, nur die Freizeitlärm-Richtlinie neu zu fassen, sondern wir müssen uns mit einem großen, bunten Blumenstrauß an Maßnahmen dafür einsetzen, dass unsere bayerischen Traditionen und unsere bayerischen Volksfeste geschützt werden. So darf ich Sie ganz deutlich an den Hilferuf der Gastronomie, der Marktkaufleute und Schausteller bei einer Demonstration am vergangenen Montag erinnern. Das war ein Hilferuf an die Politik, damit diese Maßnahmen ergreift. Hier kann eindeutig die Politik tätig werden, um Bürokratismus von diesen Firmen abzuwenden.

Dazu gehört auch die Verhinderung einer Absenkung der Promillegrenze für Radfahrer. Herr Zellmeier, Sie haben das angesprochen. Eine Absenkung der Promillegrenze für Radfahrer würde eine Verschärfung bedeuten, die die Wirtshäuser, die Volksfeste und gerade Veranstaltungen im ländlichen Raum treffen würde. Unsere Kollegen von den FREIEN WÄHLERN Glauber und Häusler haben sich im Wirtschaftsausschuss ganz klar gegen diese Forcierung gewehrt. Ich bin froh, dass Sie der gleichen Meinung sind wie wir und dass eine Absenkung der Promillegrenze für Radfahrer jetzt vom Tisch ist.

Allerdings gibt es noch weitere Vorschriften und Maßnahmen, die Betreiber von Volksfesten einschränken würden. Sie haben sie angesprochen: eine eventuelle Verschärfung der TÜV-Regeln, eine Verschärfung von DIN-Vorschriften, Allergenverordnungen und Verschärfungen auf anderen Gebieten. Hier gibt es einen großen Maßnahmenkatalog. Ich werde Sie heute von diesen Aspekten verschonen. Ich sage explizit: heute. An anderer Stelle werden wir mit Sicherheit mit diesen Themen auf Sie zukommen. Deshalb: Lassen Sie uns die bayerische Kultur erhalten! Lassen Sie uns parteiübergreifend die bayerischen Volksfeste erhalten!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Danke schön, Frau Kollegin. - Als Nächster hat der Kollege Klaus Adelt von der SPD das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion begrüßt die Diskussion über die Schließzeiten von Volksfesten, Kirchweihen und, wie ich betone, auch von Heimat- und Wiesenfesten. Ob diese dringliche Diskussion allerdings angesichts der menschlichen Tragödie im Mittelmeer zum jetzigen Zeitpunkt notwendig ist, sei dahingestellt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Der Anlass für die Diskussion ist hinreichend bekannt. Zwei Anwohner haben in Kahl am Main gegen die Durchführung von Volksfesten auf dem Platz vor der Festhalle geklagt. Dort findet seit 1911 am letzten Juli-Wochenende die Kahler Kirchweih statt. Der Verwaltungsgerichtshof Würzburg hat ein Urteil gesprochen. Demnach würde der Vorsitzende und damit Verantwortliche des Vereins mit einer hohen Ordnungsstrafe belegt, wenn die Kirchweih stattfindet. Deshalb wird die Kahler Kirchweih in diesem Jahr wohl ausfallen.

Jetzt gibt es eine neue Freizeitlärm-Richtlinie, mit der eine Einzelfallbeurteilung vorgenommen wird. Ich gebe zu, dass ich die neue Freizeitlärm-Richtlinie lange suchen musste. Mit der Einzelfallbeurteilung bin ich auch nicht ganz einverstanden, weil dies zu einem bürokratischen Monster führt. Es muss zu einer vernünftigen Regelung kommen, zu Erleichterungen bei unseren Heimat- und Volksfesten und vor allen Dingen zu einer Verschiebung der Nachtzeit um zwei Stunden bis auf maximal 24.00 Uhr.

Das muss man aber differenziert sehen. Ich will an dieser Stelle einige Beispiele nennen. Das Kronacher Freischießen lockt jährlich 300.000 Besucher an. Aufgrund einer Klage soll das Kronacher Freischießen jeden Tag um 23.30 Uhr geschlossen werden. Für einen Frankenwäldler ist es undenkbar, um 23.30 Uhr nach Hause zu gehen; das ist sein höchstes Fest.

(Beifall bei der SPD)

Man hat sogar fünf lange XXL-Nächte eingeführt, die bis nachts 2.00 Uhr gehen. Das hat die Polizei sehr begrüßt; denn die Menschen werden auf dem Festplatz kanalisiert und wandern anschließend nicht in die Innenstadt von Kronach, um dort weiterzumachen.

Bei der Bergkirchweih in Erlangen ist es ähnlich. Die Bergkirchweih ist von 10.00 bis 23.00 Uhr offen. Jedem ist bekannt, welches Halligalli in der Innenstadt von Erlangen stattfindet. Geschäfte müssen mit Brettern vernagelt werden. Eine Ausweitung der Nachtzeiten wäre besser.

(Staatsminister Joachim Herrmann: Na, wann waren Sie das letzte Mal bei der Bergkirchweih?)

- Herr Minister, letztes Jahr dreimal. Schade, dass wir uns nicht getroffen haben. Ich war bis zum Schluss da.

(Volkmar Halbleib (SPD): Herr Adelt, das war eine Einladung!)

Lasst uns miteinander mal ein Mäßle trinken.

Eine Zwiesprache zwischen Regierungsbank und Rednerpult wollen wir nicht haben. – Bitte schön, Sie dürfen weiterreden.

Herr Präsident, das ist schon klar. – Bei der Fürther Kirchweih ist es das Gleiche. Diese schließt schon um 23.00 Uhr, obwohl die gefühlte Zeit erst 22.00 Uhr ist. Auch dort wäre eine Ausweitung der Nachtzeit notwendig. Auf das Gäubodenfest, auf Gillamoos, auf Oberstimm, auf Karpfham und das Oktoberfest will ich gar nicht eingehen. Wir

brauchen längere Öffnungszeiten auf den Volksfesten. Um 24.00 Uhr müssen jedoch alle dichtmachen – Gefahr in Verzug. Mein Heimat- und Wiesenfest schließt Samstagnacht um 2.00 Uhr oder 3.00 Uhr. Um 3.00 Uhr ist der Platz leer. Das lassen wir uns von keiner Lärmschutzverordnung nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb ist eine differenzierte Beurteilung notwendig. Der Landtagsabgeordnete geht als Letzter heim – nur dass ihr Bescheid wisst.

(Beifall bei der SPD)

Ob der Dringlichkeitsantrag die Kahler Kirchweih in diesem Jahr retten wird, ist mehr als fraglich. Deshalb halte ich eine ausführliche Beratung mit den kommunalen Spitzenverbänden, dem Süddeutschen Schaustellerverband und dem Bayerischen Landesverband der Marktkaufleute und Schausteller für notwendig.

Wir haben auf einen eigenen Antrag verzichtet. Wir werden einen fundierten Antrag in das normale Verfahren einbringen. Ich freue mich, dass die FREIEN WÄHLER einen Antrag eingebracht haben. Diesen Antrag werden wir jedoch ablehnen, weil dieser ein Sammelsurium zu Volksfesten enthält – egal ob das den Landtag betrifft oder nicht. Es fehlt nur noch die Trinkwasserschlauchverordnung. Diese habt ihr vergessen zu erwähnen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Diese Verordnung betrifft ebenfalls die Schausteller.

Wir stimmen der Grundidee der CSU zu. Die FREIEN WÄHLER fordern eine erneute Beratung. In diesem Zusammenhang können wir dann die Trinkwasserschlauchverordnung einbringen und beraten. Vor allen Dingen freut es mich, dass die CSU ihre starre Haltung aus dem Umweltausschuss zu den Sperrzeiten für die fränkischen Freischankflächen aufgibt. Das ist ein erster Schritt; lasst uns den zweiten tun. Ich freue mich auf weitere Diskussionen. Die SPD wird dem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, Danke schön, vor allen Dingen für die ausführliche Darstellung diverser Volksfeste in unserem Lande. – Als nächster Redner hat Kollege Thomas Mütze von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fraktion hat mich beauftragt zu sagen,

dass Kollegin Gote die Volksfestbeauftragte ist. Trotzdem darf ich reden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht das erste Mal, dass ein Fest nicht mehr stattfindet, weil Anwohner klagen. In meiner Heimatgemeinde Schweinheim in Aschaffenburg findet ein bestimmtes Volksfest nicht mehr statt, weil die Einwohner, kurz nachdem sie an den Volksfestplatz gezogen sind, gegen diesen geklagt haben. Das ist der Klassiker. Die Anwohner berufen sich aber auf geltendes Recht. Dann wird es interessant, weil der Antrag der CSU greift, selbst wenn dieser die Kahler Kirchweih – an dieser Stelle hat Herr Kollege Adelt recht – in diesem Jahr nicht retten wird. Der Antrag der Kollegen der CSU greift jedoch an dieser Stelle genau richtig. Deshalb werden wir diesem Antrag zustimmen. Der Antrag setzt dort an, wo Änderungsbedarf besteht und wo Anpassungen vorgenommen werden müssen, nämlich bei der FreizeitlärmRichtlinie.

Der Verwaltungsgerichtshof in Würzburg hat auf der Grundlage geltenden Rechts entschieden. Von daher müssen wir dort unsere Entscheidung ansetzen. Dabei soll es sich um eine Einzelfallentscheidung handeln, die von sozialer Adäquanz und Akzeptanz geprägt ist. Die 1.000 Bürgerinnen und Bürger in Kahl, die für ihr Fest auf die Straße gehen, zeigen, dass die Akzeptanz für das Fest sehr groß ist.

Warum sind diese Feste wichtig? – Sie sind nicht nur wichtig für die Gemeinschaft des Ortes, sondern auch für die Vereine und die Engagierten dieses Ortes. Oft genug stehen wir hier und reden davon, wie wichtig das Ehrenamt ist. Das Ehrenamt finanziert sich jedoch auch über diese Art von Festen. Viele Vereine sind abhängig von dieser Förderung. Ich habe ein paar Statements von Vereinsvertreterinnen und Vereinsvertretern gelesen, die dort ausgeführt haben: Mit dem Fest finanzieren wir über das Jahr gesehen unsere ehrenamtliche Arbeit; wie das in diesem oder im kommenden Jahr weitergehen wird, wissen wir nicht. Von daher sind die Volksfeste ein Teil der Finanzierung für Vereinsarbeit. Sie und wir alle wissen, wie wichtig diese Arbeit ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mir die Kommentare auf der Seite unserer Regionalzeitung angeschaut. Dort schreibt jemand: Für die FußballWM 2006 war der Bundestag innerhalb von fünf Minuten bereit, die Sperrzeit aufzuheben. Die Fußball-WM hat in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen innerhalb eines Monats stattgefunden. Ich denke, es sollte möglich sein, für Hunderte von Festen wie die

Kerb in Kahl eine Lockerung zu erreichen. Wir können nicht nur danebenstehen.

Die FREIEN WÄHLER haben einen Dringlichkeitsantrag nachgezogen, zu dem ich sagen muss: Liebe FREIEN WÄHLER – Herr Kollege Adelt hat schon darauf hingewiesen –, Sie haben alles in einen Antrag gepackt. So geht es nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn (FREIE WÄHLER))

Dem ersten Satz Ihres Antrags könnten wir zustimmen, dem Rest nicht. Daher werden wir uns bei dem Antrag der Stimme enthalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sehr froh, dass die Debatte geführt wird. Es gibt eine Petition, die im Landtag landen wird. In diesem Rahmen sind wir, die Ministerien und die Verwaltung, gefragt, dieses Problem zu lösen. Wir wünschen uns eine Verbesserung für die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger und den Erhalt der Feste.

(Beifall bei den GRÜNEN)