Protokoll der Sitzung vom 12.04.2016

der Dosierung. Jeder wird schon einmal Aspirin genommen haben – ein Wundermittel, richtig angewandt. Aber wenn sich jemand zehn Aspirin auf einmal einwirft, bekommt er sicherlich ein Problem. – Morgen wird das Thema in Brüssel behandelt – das haben wir schon gehört – und am 18. Mai dann im Europarat in Brüssel.

Ganz wichtig ist uns, dass wir gegen die Punkte sind. Deswegen besteht auch Handlungsbedarf. Warum? – Nach wie vor kann jeder im Internet bei eBay dieses Mittel kaufen, ohne Sachkundenachweis, sehr leicht und sehr günstig.

Wir werden sowohl dem Antrag der GRÜNEN als auch dem Antrag der SPD zustimmen, weil darin kein Totalverbot gefordert ist. Sie sind sehr human und moderat formuliert. Deswegen können wir damit leben. Wir möchten allerdings auch betonen, dass Glyphosat wirklich nur zur Stoppelbehandlung auf landwirtschaftlichen Flächen zugelassen werden darf, solange es keine Alternativen gibt. Eine Alternative dazu wäre der Wirkstoff Glyphosinat – ich betone: Glyphosinat –, der noch giftiger und schädlicher ist als Glyphosat. Ich bitte auch, dass sich die Ministerin dafür einsetzt, dass das Privatverbot, wie schon ein paarmal erwähnt, so schnell wie möglich erlassen wird und dass unsere Kommunen, an die ich schon Anfragen gerichtet habe, ob sie es verwenden, es nicht mehr verwenden; denn im öffentlichen Bereich kann man durchaus auf solche Dinge verzichten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Der Kollege Scheuenstuhl hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.

Nur eine kleine Ergänzung: Hier ist immer von Grenzwerten gesprochen worden. Für die Auslösung von Krebs gibt es keine Grenzwerte. Eigentlich ist allseits bekannt, dass für die Krebsentstehung ein einmaliges Ereignis ausreichen kann. Deswegen gibt es das Minimierungsgebot bzw. das Verbot. Das erwähne ich, weil hier die großen Litermengen genannt worden sind. Tausend Liter Bier trinke ich gerne im Laufe einer gewissen Zeit, wenn es schmeckt; aber ansonsten sollten wir von den Litervergleichen Abstand nehmen.

Danke schön, Herr Scheuenstuhl. – Herr Kraus, Sie haben das Wort.

Das war jetzt keine Frage, und deswegen wird auch keine Antwort erwartet, oder?

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Nein, nur eine Klarstellung!)

Danke schön, Herr Kraus. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung, die in namentlicher Form stattfinden soll. Der federführende Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz empfiehlt beide Anträge zur Ablehnung.

Wir beginnen mit der Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/10033. Der federführende Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz empfiehlt den Antrag zur Ablehnung. Für die Stimmabgabe sind Urnen auf beiden Seiten des Sitzungssaals und auf dem Stenografentisch bereitgestellt. Mit der Stimmabgabe kann begonnen werden. Hierfür stehen drei Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 17.17 bis 17.20 Uhr)

Die Stimmabgabe ist geschlossen. Ich bitte, das Ergebnis außerhalb des Saales zu ermitteln.

Jetzt folgt die Abstimmung über den Antrag von Abgeordneten der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/9792 betreffend "Glyphosat: Risiken schnell ermitteln …" – das war Punkt 8 der Tagesordnung –, ebenfalls in namentlicher Form. Der federführende Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz empfiehlt den Antrag ebenfalls zur Ablehnung. Die Urnen sind wieder bereitgestellt, und wiederum sind drei Minuten vorgesehen. Die Stimmabgabe hat begonnen.

(Namentliche Abstimmung von 17.21 bis 17.24 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die drei Minuten sind um. Damit ist die Stimmabgabe abgeschlossen. Die Abstimmungsergebnisse werden außerhalb des Plenarsaals ermittelt; die Ergebnisse gebe ich dann später bekannt. Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich Sie bitten, wieder die Plätze einzunehmen. –

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich gebe das Ergebnis der vorher durchgeführten namentlichen Abstimmung zum Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Christine Kamm und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) betreffend "Verwaltungskostenmehraufwand bei Wiedereinführung des Sachleistungsvorrangs" auf Drucksache 17/9207 bekannt: Mit Ja

haben 68 Abgeordnete gestimmt, mit Nein haben 81 Abgeordnete gestimmt, Stimmenthaltungen gab es keine.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Antrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Kathrin Sonnenholzner, Ruth Müller u. a. und Fraktion (SPD) Gerechte Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung wiederherstellen! (Drs. 17/10034)

Bevor ich die Aussprache eröffne, gebe ich bekannt, dass die SPD-Fraktion für ihren Antrag namentliche Abstimmung beantragt hat. Ich eröffne nun die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 24 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Sonnenholzner von der SPD. – Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland hat eine über 130-jährige Geschichte, und sie ist ein Erfolgsmodell, das weltweit oft kopiert, aber nie wirklich erreicht worden ist. Schon bei ihrer Einführung sind die Lasten weitsichtig und gerecht verteilt worden. Am Anfang trugen die Arbeitgeber ein Drittel und die Arbeitnehmer zwei Drittel der Beiträge. Nach dem Krieg, im Jahre 1951, sind die Lasten dann paritätisch auf die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer verteilt worden.

Ich darf an dieser Stelle sagen: Es geht auch noch mehr. Beispielsweise hat sich Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Jahr 2006 auf den Weg zu einer gesetzlichen Krankenversicherung gemacht. Dort zahlen die Arbeitgeber, man höre und staune, 100 % der Beiträge für die Arbeitnehmer in den niedrigeren Einkommensgruppen. So weit wollen wir hier gar nicht gehen. Der Sündenfall ist leider im Jahr 2003 passiert – ich sag‘s hier wie im Ausschuss, damit Sie‘s mir nicht vorwerfen müssen: Unter sozialdemokratischer Beteiligung ist ein zusätzlicher Anteil von 0,5 % auf die Arbeitnehmer gelegt worden. Im Jahr 2004 wurde es leider noch schlimmer; seither sind es 0,9 %.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Auch da hat die SPD zugestimmt. Damals galt es aber, die Idee der Union zu verhindern, die Leistung

für den Zahnersatz insgesamt aus der gesetzlichen Krankenversicherung herauszunehmen. Demgegenüber haben wir 0,9 % zusätzliche Belastung bei den Arbeitnehmern vorgezogen. – Unter der schwarz-gelben Koalition gab es dann den Tiefpunkt mit den einkommensunabhängigen Zusatzbeiträgen, die die niedrigen und mittleren Einkommen selbstverständlich ganz besonders belastet haben. Die Große Koalition ist zu den mindestens einkommensabhängigen Zusatzbeiträgen zurückgekehrt. Dies hat das System ein bisschen besser, aber immer noch nicht gut gemacht, weil auch das die Arbeitnehmer mit kleineren und mittleren Einkommen mehr belastet als die mit höheren Einkommen. In der jetzigen Großen Koalition wurde der Arbeitgeberbeitrag bei 7,3 % festgeschrieben; er soll sich auch in Zukunft nicht mehr erhöhen. Für die Zukunft halten wir das für fatal, weil das zu einer massiven Schieflage führen wird. Schätzungen des GKV-Spitzenverbandes für das Jahr 2019 sagen einen Beitragssatz in Höhe von 16 % oder sogar von 16,4 % voraus. Die Arbeitnehmer würden einseitig die Steigerung tragen müssen. Deswegen müssen wir jetzt gegensteuern.

Warum ist das so? – Deswegen, weil im Moment die Wirtschaft boomt und die Belastung für die Arbeitgeber ganz besonders gering ist. Je länger wir zuwarten, desto größer wird die Divergenz, also die Lücke zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitrag, und umso größer wäre dann die Anhebung, die die Arbeitgeber zu tragen hätten. Das wäre auch psychologisch falsch. Deswegen ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt.

Damit Sie konkreter verstehen, von welchen Zahlen wir sprechen, hier ein Beispiel: Bei einem angenommenen durchschnittlichen Handwerkerlohn würde die Erhöhung von den 7,3 %, die die Arbeitgeberseite jetzt zahlt, auf die 7,75 %, die die Arbeitgeber zahlen müssten, um die Parität beim jetzigen Beitragssatz herzustellen, 6 Cent pro Handwerkerstunde bedeuten. Keiner von Ihnen wird mir hier glaubhaft erzählen, dass das eine überproportionale Belastung ist. An dieser Stelle sei auch gesagt, dass das Märchen von den hohen Arbeitskosten in Deutschland schon deswegen nicht stimmt, weil wir EU-weit auf Platz sieben sind. Für das Land mit der höchsten Wirtschaftskraft ist das sicherlich keine Überlastung. Bei den Lohnnebenkosten sind wir im europäischen Durchschnitt. Deswegen ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, die Gerechtigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung wiederherzustellen.

Der Ministerpräsident, der selbst viele Jahre lang Gesundheitsminister war, hat in den letzten Tagen eine große Rentenreform angekündigt. Wir haben wenig Hoffnung, dass sie tatsächlich groß sein wird. Was

nützt denn bitte eine Rentenreform, bei der es nur darum gehen kann, die Bezieher niedriger Renten zu entlasten bzw. ihnen eine höhere Rente zu gewähren, wenn die angedachte Erhöhung sofort wieder in steigende Krankenversicherungsbeiträge investiert werden muss? Das kann nicht sinnvoll sein.

Deswegen ist es vernünftig, die Arbeitgeberseite jetzt zu belasten. Wir müssen ganz klar feststellen: Wir werden wegen des Fortschritts der Medizin steigende Beiträge haben, an der einen oder anderen Stelle auch wegen der demografischen Entwicklung. Steigende Beiträge sind von den Arbeitnehmern nicht grenzenlos zu verkraften. Als zwangsläufige Konsequenz bekommen wir dann eine Diskussion über Leistungseinschränkungen. Das können wir alle nicht wollen.

(Beifall bei der SPD)

Kollege Holetschek hat im Ausschuss gesagt: Wir werden das im Auge behalten. – Diese Ausschusssitzung war am 23.02. Herr Kollege, Sie hatten jetzt fast zwei Monate Zeit, das im Auge zu behalten und wohlwollend zu prüfen. Jetzt ist die Zeit gekommen, unserem Antrag zuzustimmen. Die Gründe dafür habe ich Ihnen erläutert. Ich appelliere an Ihr soziales Gewissen: Stimmen Sie diesem Antrag zu! Der Bruch des Koalitionsvertrags wird nicht schmerzhaft sein; die SPD wissen Sie auch im Bund an Ihrer Seite.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Kollege Holetschek von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Sonnenholzner, erst einmal herzlichen Dank dafür, dass Sie einen erheblichen Teil Ihrer Redezeit darauf verwendet haben darzustellen, wo die Verantwortung für dieses Thema liegt und wie es damals dazu gekommen ist.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Wir lernen aus unseren Fehlern, Herr Kollege!)

Dafür sage ich Danke. Sie ersparen mir damit, noch einmal darauf hinzuweisen, dass die SPD damals den Stein ins Rollen gebracht und mit ihrer Agenda die Weichenstellungen vorgenommen hat, die zugegebenermaßen für unser Land nicht schlecht waren. Das will ich an dieser Stelle einräumen. Ich glaube, dass wir damit die Basis dafür gelegt haben, um sehr gut durch die Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009 zu kommen. Insofern hat Kanzler Schröder damals eine Richtung vorgegeben, die uns geholfen hat. Das wol

len wir anerkennen. Wir sind also durchaus in der Lage, Dinge positiv zu bewerten, die positiv sind.

Natürlich müssen wir das System der Krankenversicherung im Auge behalten. In der Sozialpolitik und in der Gesundheitspolitik ist das ein Thema. Ich bin auch Mitglied des Wirtschaftsausschusses. Wir können uns bestimmte Dinge im sozialen Bereich nur leisten, wenn Arbeitsplätze geschaffen werden und die Wirtschaft funktioniert. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Ich will an dieser Stelle erwähnen: Die Leistungen der Arbeitgeber und das Schaffen von Arbeitsplätzen müssen uns alle bewegen. Dazu müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Wir wollen sie weiter setzen. Dazu gehört, dass wir im Moment sicherlich zu keiner Änderung kommen können. Mit Blick auf die Flüchtlingsbewegungen und die Herausforderungen wäre heute der falsche Zeitpunkt, um das Thema wieder auf die Tagesordnung zu setzen.

Gestatten Sie mir, dass ich die Sozialversicherung einmal im Gesamtzusammenhang darstelle, wenn es um die paritätische Finanzierung geht. Der Beitragssatz von 7,3 % gilt für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Arbeitgeberseite trägt die Beiträge für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall komplett. Das waren im Jahr 2014 51 Milliarden Euro. Die Arbeitgeber tragen auch die Beiträge zur Unfallversicherung komplett, die Krankenversicherungsbeiträge für Minijobber und höhere Beiträge für Midijobber. Auf der anderen Seite tragen die Arbeitnehmer 7,3 % Krankenversicherungsbeitrag und 1,1 % Zusatzbeitrag. Wenn ich darunter die Summe ziehe, zahlen die Arbeitgeber 190,9 Milliarden Euro, die Arbeitnehmer 178 Milliarden Euro. Alleine die Beiträge für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wären 4,3 Prozentpunkte, wenn wir das paritätisch verteilen würden. Wir sehen also, dass auch die Arbeitgeber ihren Beitrag leisten.

Wir wollen das Thema nicht aus den Augen verlieren. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um es aufzurufen. Wir müssen schauen, dass unsere Wirtschaft funktioniert und weiter Arbeitsplätze geschaffen werden. Wir haben große Herausforderungen im Flüchtlingsbereich. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen müssen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Professor Dr. Bauer von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der SPD mit dem Titel "Gerechte Finanzierung der gesetzlichen

Krankenversicherung wiederherstellen!" birgt sozialpolitischen und gesundheitspolitischen Sprengstoff; denn die ausführliche Begründung zeigt die gesamte Folterkammer der Sozialpolitik und der gesundheitspolitischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte auf. Hier ist manches schiefgelaufen, wodurch die Arbeitgeber wenig belastet, die Arbeitnehmer aber einseitig belastet werden. Das muss man an dieser Stelle einmal deutlich machen.

An der umfangreichen Begründung, die Sie hier vorgelegt haben, zeigt sich auch die soziale Spaltung der Gesellschaft. Diese Spaltung wird erst deutlich, wenn man die heutige Situation mit der im Jahr 1951 vergleicht. Damals haben sich die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer zur paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung durchgerungen. Das war richtig. Das war ein Meilenstein in der Sozial- und Gesundheitspolitik. Ich frage die Vertreter der Wirtschaft: War damals, im Jahr 1951, die Wirtschaft stärker als heute? Wie konnten die das damals schaffen, die Parität herzustellen? – Sie sagen, wegen der Lohnnebenkosten schaffen wir das heute nicht mehr, wir können das nicht mehr stemmen. Das ist unglaubhaft und trifft nicht zu.