Die Relevanz politischer Teilhabe ist auch ein Bekenntnis zu unserem demokratischen System. Das bedeutet eine Abwehr von extremistischem und radikalem Gedankengut, das genau in dem Vakuum entstehen kann, das wir zulassen, wenn wir die jugendliche Partizipationsbereitschaft nicht in echte Teilhabe in Form von Wahlen münden lassen. Das bestätigt auch die Bertelsmann-Studie vom Dezember 2015, über die wir bereits in der Ersten Lesung der Gesetzentwürfe gesprochen haben. Kollege Lorenz, Sie kennen diese Studie. Mit Begeisterung zitieren Sie einen Part aus dieser Studie, wonach 80 % der Befragten gegen eine Absenkung des Wahlalters sind. Sie vergessen dabei aber zu erwähnen, dass dies 80 % der gesamten deutschen Bevölkerung waren. Das sind also die älteren Menschen.
Wie auch die Mehrheit dieses Hauses! Die jungen Leute wünschen zu mehr als 50 % mehr Mitsprache. Die sollten wir ihnen auch geben.
Junge Menschen werden in vielen Bereichen wie Erwachsene behandelt. Sie müssen Steuern zahlen. Sie können einer Beschäftigung nachgehen und haben gesetzliche Pflichten. Sie können entscheiden, welche Schulart sie wählen. Diese Argumente will ich aber schon wegen der Zeit gar nicht wiederholen. Ebenso wenig will ich die neuen entwicklungspsychologischen Erkenntnisse erwähnen. Ich könnte jetzt zwei Seiten mit Studien und Zitaten von Professoren und Institu
ten vorlesen, die einfach sagen: Junge Menschen sind bei uns schon ab 12, spätestens aber ab 14 sehr wohl in der Lage, entsprechende Entscheidungen zu treffen.
Auch die Ergebnisse unserer Jugend-Enquete, die Sie auf Teufel komm raus nicht behandeln wollen, haben klar nachgewiesen: Junge Menschen in Bayern wollen früher wählen. Bitte nehmen Sie doch endlich die Ergebnisse unserer eigenen Forschungen und Materialsammlungen im Landtag ernst; stimmen Sie für den Gesetzesantrag auf Absenkung des Wahlalters! Ich ende mit einem Zitat des Bayerischen Jugendrings:
Politik interessiert sich heute zu wenig für junge Menschen – und nicht umgekehrt. Junge Menschen wollen unsere Gesellschaft mitgestalten. Und das Interesse an gesellschaftlicher Teilhabe wächst mit den Möglichkeiten, an Entscheidungen mitzuwirken.
(Vom Redner nicht autori- siert) Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kollegen! Zunächst möchte ich mich bei Kollegen Förster dafür bedanken, dass er mich mit meinen 44 Jahren noch als jung bezeichnet hat. Herzlichen Dank für dieses Kompliment!
Ansonsten darf ich Sie aber korrigieren, Sie haben gesagt, dass wir dieses Thema im zweijährigen Rhythmus behandeln. Es ist sogar fast wesentlich häufiger; wir behandeln es etwa im jährlichen Rhythmus. Da es immer Beratungen in Erster und Zweiter Lesung gibt und die Angelegenheit in einem beratenden und einem mitberatenden Ausschuss behandelt wird, hatten wir das Thema in den letzten drei bis vier Jahren quasi im Vierteljahresturnus. Wir haben uns etwa ein Dutzend Mal über das Thema "Wahlalter 16 Jahre" unterhalten.
Sie nennen als einen der Gründe, warum Sie das Wahlalter von 16 so forcieren, dass die Jugendlichen begeistert werden sollen und partizipieren sollen. Wenn man ein Thema in den letzten drei, vier Jahren zwölfmal behandelt und keinen neuen Vorschlag bringt, begeistert mich das nicht, und es reißt mich auch nicht vom Hocker. Was Sie da leisten, ist wirklich ein Beitrag zur Langeweile, ein Beitrag zur Politikverdrossenheit. Ich würde mir wünschen, dass Sie einmal neue Ideen und ein anderes Thema hätten, statt
das gleiche Thema, wie in den letzten drei, vier Jahren in etwa zwölfmal, also immer wieder zu beraten.
(Beifall bei der CSU – Dr. Linus Förster (SPD): Eine gute Idee muss man nicht durch eine schlechte ersetzen!)
Ein witziges Argument, das Sie gebracht haben, ist die Vereinheitlichung bei der Europawahl. Ich stelle fest: Eines der 28 Länder hat das Wahlalter 16; 27 Länder haben das Wahlalter 18. Wenn Sie von einer Vereinheitlichung sprechen, frage ich mich, was sinnvoll ist.
Im Anschluss bitte. – Ist es sinnvoller, dass sich 27 Länder an eines anpassen, als dass sich das eine Land an die 27 anpasst? Der Vorschlag einer Vereinheitlichung liegt also wirklich völlig daneben. Die absolute Mehrheit der europäischen Staaten – 27 von 28 – hat das Wahlalter 18.
Auch die Mehrheit der Bevölkerung – Sie haben es selbst gesagt – ist gegen das Wahlalter 16. Knapp 80 % haben nach der von Ihnen selbst zitierten Studie das Wahlalter 16 abgelehnt. Nachdem Sie immer wieder den gleichen Antrag stellen, bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn auch immer wieder mit den gleichen Argumenten abzulehnen.
Wir sind der Meinung, dass das Wahlrecht ein wichtiges demokratisches Recht ist. Die Bürger haben da im Übrigen indirekt auch eine sehr hohe Verantwortung für die Parteien und Personen, die sie wählen und die beispielsweise in kommunalen Angelegenheiten selbst Entscheidungen treffen. Da wird über millionenschwere Bauprojekte abgestimmt. Nehmen Sie zum Beispiel die drei Tunnels am Mittleren Ring bei uns. Wenn man bei seinen eigenen Entscheidungen nicht eigenverantwortlich handelt, macht es aus unserer Sicht keinen Sinn, bei sehr wichtigen Entscheidungen, die man für andere Personen trifft, auf das Wahlrecht zu kommen.
Das Wahlrecht ist kein minderes Recht. Jemand, der das Wahlrecht hat, soll eine gewisse Reife und eine politische Urteilsfähigkeit haben. Er muss die Verantwortung erkennen und muss bei sonstigen Handlungen und bei Rechtsgeschäften, die er tätigt, bei Verträgen, die er abschließt, usw., wenn er etwas kauft, genügend Erfahrung haben. Das Wahlrecht kann man nicht einfach als minderes Recht betrachten.
Sie haben ferner von Bürgerversammlungen und Einwohnerversammlungen gesprochen. Wir haben da halt einfach grundsätzlich ein anderes Staatsverständnis. Die Staatsgewalt geht vom Bürger aus. Sie möchten – das betrifft die GRÜNEN –, dass quasi auch Ausländer, die vor Kurzem zugezogen sind, und Minderjährige abstimmen können. Selbstverständlich können sich alle – das ist auch der Regelfall – an Bürgerversammlungen beteiligen; aber abstimmen – es geht ja hier auch um Entscheidungen – können selbstverständlich nur die Bürger.
Kurzum, uns bleibt nichts anderes übrig, als den Antrag erneut abzulehnen. Ihnen ist selbstverständlich unbenommen, ihn im Rest der Legislaturperiode im jährlichen Turnus erneut zu stellen. Spannender wird das Thema dadurch nicht. Ich hoffe einfach auf Ihre Einsichtsfähigkeit und darauf, dass das Thema nicht im Vierteljahresrhythmus wieder behandelt wird.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst eine kleine Kritik an Ihnen, Herr Lorenz: Langweilig ist das Thema nicht; denn das Thema ist wichtig, und es ist auch gut, dass wir darüber immer wieder in regelmäßigem Rhythmus sprechen.
Denn es geht letztlich darum, wie Frau Stamm sagte, die Demokratie zu stärken und das Bewusstsein für die Demokratie so anzuheben, dass den Bürgerinnen und Bürgern wieder stärker bewusst wird, dass sie diejenigen sind, die die Republik gestalten. Das ist im Grunde das, was dahintersteht, und darum geht es hier.
Nur ist die Frage, ob wir dadurch, dass wir das Wahlalter auf 16 senken, schon den Schlüssel gegen Politikerverdrossenheit und Wahlmüdigkeit gefunden haben. Ich bezweifle das; denn es geht hier schon auch um die politische Teilhabe. Aber es muss noch mehr dahinter stehen. Im Grunde muss viel mehr in die politische Bildung und auch in die politische Erwachsenenbildung investiert werden. Es muss mehr Sozialkundeunterricht an den Schulen geben. Eine Stunde pro Woche ist viel zu wenig, um das Bewusstsein dafür zu wecken, was der Staat oder was Demokratie bedeutet. Das geschieht im Grunde viel zu wenig, und hier muss mehr gemacht werden.
Das gilt auch für das ganze Thema der Bürgerbeteiligung. Wir müssen die Bürger viel mehr an politischen Prozessen und Entscheidungen beteiligen. Da sind wir bei der Bürgerinformation. Die Bürger müssen besser und ausreichender informiert werden. Wir bräuchten ein Informationsfreiheitsgesetz, das den Zugang zu den Informationen regelt. Das sind alles Instrumente, die eingesetzt werden müssen.
Ein weiteres Thema ist ganz wichtig, und da müssen wir uns selber an die Nase fassen; denn es betrifft uns. Wir als Politiker müssen wieder anfangen, unsere eigenen Überzeugungen zu leben und darzustellen, statt nach vermeintlichen Mehrheiten zu schielen und frühere Überzeugungen tagtäglich immer wieder über den Haufen zu werfen. Das geht nicht.
Dadurch kommt es zu Politikerverdrossenheit. Wir brauchen wieder politische Charaktere. Wir brauchen wieder Köpfe, die ihre Überzeugung leben, an denen sich die Meinung der anderen reiben kann und mit denen man sich auseinandersetzen kann. Wir brauchen keine Ballone, in die man stechen kann und die nachher anders aussehen. Das geht nicht, meine Damen und Herren.
Wenn wir über das Wahlrecht sprechen, ist unsere Meinung: Eine Absenkung auf 16 Jahre ist zu wenig. Man müsste da einmal fragen, ob man an die Volljährigkeit herangeht. Das Auseinanderklaffen von Volljährigkeit und Wahlrecht ist eigentlich ein Systembruch; denn ich kann nicht sagen: Man darf wählen, aber keinen Vertrag abschließen; man darf keinen Mietvertrag und keinen Kaufvertrag abschließen. Er ist schwebend unwirksam, bis er von den Erziehungsberechtigten genehmigt wird. Eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre wäre in der Folge eher ein Abwerten des Wahlrechts, wenn man nicht auch das Zivilrecht anpasst. Von daher müsste man, wenn wir ein Wahlalter von 16 Jahren wollen, darüber nachdenken, das Volljährigkeitsalter von 18 auf 16 Jahre zu senken; denn wer wählen kann, soll eigentlich auch alle anderen Rechte und Pflichten haben.
Eventuell könnte man das Wahlrecht generell angehen und überlegen, was es bedeutete, wenn wir sagten, Wahlrecht für alle. Das bedeutete dann zum Beispiel auch ein höchstpersönliches Elternwahlrecht, bei dem die Eltern für ihre Kinder wählen könnten. Das wäre ein anderer Schritt.
All diese Überlegungen sollte man anstellen, wenn man diesen Schritt gehen will. Solche Überlegungen
sind hier im Hohen Hause aber nicht angestellt worden. Deshalb ist unsere Fraktion skeptisch. Wir könnten uns eine Absenkung des Wahlalters im kommunalen Bereich vorstellen. Aber im Grunde sollte man, wenn überhaupt, etwas aus einem Guss machen und überlegen, wie man unsere Bürgerinnen und Bürger wieder stärker für unsere Demokratie begeistern kann.
Das Absenken des Wahlalters bei Jugendlichen auf 16 oder das Absenken der Volljährigkeit auf 16 Jahre halte ich für kritisch. Ich warne davor. Wir neigen dazu, unsere Jugendlichen immer früher in die Verantwortung zu drängen und sie immer früher Entscheidungen treffen zu lassen, die das Leben unter Umständen schon sehr früh prägen, da damit Wege festgeschrieben werden. Meine Damen und Herren, die Jugend sollte die Zeit sein, in der man sorglos und weltoffen ins Leben hineingehen und seinen Lebensweg noch wertfrei suchen kann. Diese Chance sollten wir unserer Jugend lassen.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Nur einige kurze Anmerkungen: Frau Stamm, wir haben keine Angst. Das möchte ich zunächst einmal feststellen.
Sie haben das zum Ausdruck gebracht, und ich widerspreche Ihnen. Wir haben keine Angst. Wir wollen eine funktionierende Demokratie, und ob ein Thema langweilig ist oder nicht, will ich nicht werten. Wenn alte Platten immer wieder aufgelegt werden, können sie zwar interessant sein, aber möglicherweise werden sie für den einen oder anderen doch langweilig. Ich kritisiere, dass Sie keine neuen Erkenntnisse haben einfließen lassen, als Sie das Thema erneut diskutieren wollten. Ich habe schlicht und ergreifend vermisst, dass Sie die Bertelsmann-Studie erwähnten. Nach dieser Studie sind 79 % der Deutschen für die Beibehaltung des geltenden Wahlalters.
79 % der Deutschen wollen die Beibehaltung des geltenden Wahlalters. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch Folgendes sollte bei einer solchen Diskussion unbedingt angesprochen werden. In drei Ländern, nämlich Hamburg, Bremen und Brandenburg, ist das Wahlrecht auf 16 Jahre abgesenkt worden. Das muss man nun aber auch analysieren. Man hat festgestellt, dass die Wahlbeteiligung gerade in diesen Ländern wesentlich unterdurchschnittlich ist. Sie haben vorhin genau das Gegenteil behauptet. Sie sprachen davon, viel Enthusiasmus und Energie genau in diesem Lebensbereich zu verspüren. Das ist nicht so.