Protokoll der Sitzung vom 29.06.2016

(Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜNE))

Liebe Kollegin, wenn Sie sagen, dass wir umsteuern und eine Erstaufnahmeeinrichtung oder eine Gemeinschaftsunterkunft in einer Traglufthalle unterbringen wollen, dann weise ich das zurück. Das ist schlichtweg falsch. Nennen Sie mir einen einzigen Standort, wo wir umgesteuert haben! Es gibt vielleicht noch eine Handvoll Einrichtungen in Traglufthallen. Die darin wohnenden Menschen bringen wir jetzt in ordentlichen Unterkünften unter. Aber es verhält sich nicht umgekehrt. Also unterlassen Sie solche Behauptungen, die schlichtweg nicht stimmen.

Meine Damen und Herren, ich unterstütze die Helferkreise. Ich spreche die größte Anerkennung für die Helferkreise aus. Aber Helferkreise können doch auch bei der Abwägung der einzelnen Kriterien und Gesichtspunkte nicht fordern: Ihr könnt doch die Einrichtung in der Turnhalle nicht auflösen und uns damit die Aufgabe wegnehmen. So weit kann es nicht gehen, um auch dies in aller Deutlichkeit und Klarheit zu sagen.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜNE) – Weiterer Zuruf von der SPD)

Ich kann Ihnen dazu nachher etwas zeigen. – Eine weitere Frage lautet: Wie soll es denn weitergehen? Ich weise die Behauptung zurück, dass Gemeinschaftsunterkünfte die großen zentralen Unterkünfte sind. Das stimmt überhaupt nicht. Wenn heute Beherbergungsverträge mit wirklich unkeuschen Vereinbarungen auslaufen, die in der großen Notsituation im Oktober oder im November letzten Jahres abgeschlossen worden sind und nach denen ich pro Kopf mehrere Hundert Euro – deutlich über den Durch

schnittswerten – bezahlen muss, habe ich jetzt auch die Verantwortung, zu schauen, wo ich die Menschen planungssicher, aber auch wirtschaftlich und haushälterisch vernünftig versorgen und unterbringen kann. Wichtig ist für mich – und das spielt bei allen Maßnahmen eine entscheidende Rolle –, dass wir für anerkannte Asylbewerber Wohnungen brauchen. Dies ist der entscheidende Punkt für die nächsten Monate oder die nächsten ein oder zwei Jahre.

(Widerspruch der Abgeordneten Angelika Weikert (SPD))

Dann wissen Sie es doch. Dann frage ich mich aber, warum Sie es nicht sagen, liebe Kollegin Weikert.

(Angelika Weikert (SPD): Das habe ich doch gesagt!)

Warum sagen Sie dann das Gegenteil? Wenn ich weiß, dass 460.000 Asylanträge vorliegen und bei einer Anerkennungsquote von 60 % oder mehr in den nächsten Wochen und Monaten in Bayern 80.000 Anerkennungen anstehen, müssen wir umsteuern und die heutigen dezentralen Unterkünfte, auch die Gemeinschaftsunterkünfte, so ausgestalten, dass sie morgen als Wohnungen verwendet werden können. Dies müssen wir in Abstimmung mit den Kommunen tun. Deshalb war es so wichtig, dass sich der Ministerpräsident in Berlin durchgesetzt und erreicht hat, dass die Kosten für Unterbringung und Heizung zumindest für die nächsten drei Jahre zu 100 % für die Kommunen vom Bund übernommen werden.

Meine Damen und Herren, mit Blick auf die Zeit will ich nur noch Folgendes sagen.

Das ist eine gute Erkenntnis.

Es ist notwendig und selbstverständlich, dass wir nach der in einer Notsituation erfolgten Unterbringung adäquat im Sinne der Menschen, im Sinne der Steuerzahler und im Sinne einer planungssicheren Unterbringung der flüchtenden Menschen umsteuern. Das ist unser Auftrag, und den werden wir immer in enger Abstimmung mit unseren Kommunen erfüllen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Staatssekretär. Bleiben Sie bitte am Rednerpult. Frau Kollegin Kamm hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Staatssekretär, es ist ein Markenzeichen Bayerns, dass es viele Helferkreise gibt. Und dazu gehören auch die vielen dezentralen Unterbringungen. Wir wehren uns dagegen, dass diese dezentralen Unterbringungen zurückgeführt werden. Ich weiß nicht, warum Sie dauernd davon reden, dass Sie die Turnhallen leeren müssen. Niemand ist dafür, dass Flüchtlinge in Turnhallen untergebracht werden. Wir sind die Allerletzten, die dafür wären. Uns geht es darum, dass die dezentralen Unterbringungen von der Staatsregierung nicht deswegen zurückgeführt werden, um größere Sammelunterkünfte zu schaffen, sondern darum, dass dadurch die Integrationsarbeit der Ehrenamtlichen, aber auch der Flüchtlinge erschwert und zum Teil verhindert wird.

Sie wollten ein Beispiel für Flüchtlinge haben, die aus einer dezentralen Unterbringung in eine Traglufthalle verlegt werden. Dazu hat mir ein Helferkreis geschrieben: In Grafing gibt es nicht mehr genutzte Schulcontainer, in denen Flüchtlinge untergebracht waren. Die sollen jetzt im Landkreis Ebersberg in einer Traglufthalle untergebracht werden. Das nur als Beispiel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Liebe Kollegin Kamm, ich habe es deutlich gesagt: Wir wollen und werden umsteuern und uns der Situation anpassen, um Planungssicherheit zu bekommen, um kostenmäßig verantwortlich zu handeln und um für die flüchtenden Menschen eine sichere Unterbringung zu ermöglichen. Die von Ihnen genannten zentralen Unterkünfte sind oft nicht größer als die sogenannten dezentralen Unterkünfte. Sie fallen aber nicht den Kommunen zur Last, sondern werden von den Regierungen betrieben. Daher bedeuten sie auch eine massive Entlastung der Kommunen. Ansonsten weise ich alle Ihre pauschal erhobenen Vorwürfe zurück. Wenn Sie Einzelfälle kennen, kann ich Sie nur einladen, mir diese zu nennen. Wir werden jedem Einzelfall nachgehen. Grundsätzlich aber ist es eine verantwortliche Politik – ich wiederhole mich –, aus einer in einer Notsituation erfolgten Ad-hoc-Organisation jetzt in eine planungssichere Unterbringung umzusteuern.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Staatssekretär. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend,

Familie und Integration empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Die CSU und die FREIEN WÄHLER. Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, gebe ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Kreuzer, Bocklet, Schreyer-Stäblein und anderer und Fraktion (CSU) betreffend "Konsequenzen aus dem Brexit besonnen ziehen – Für eine bessere EU-Politik!", Drucksache 17/12132, bekannt. Mit Ja haben 88 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 55 Abgeordnete. Es gab 14 Stimmenthaltungen. Damit ist der Antrag angenommen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Wir kommen jetzt zur gemeinsamen Beratung des Tagesordnungspunktes 11 und der Nummer 26 der Anlage zur Tagesordnung.

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Florian von Brunn, Klaus Adelt u. a. und Fraktion (SPD) Wann folgen Konsequenzen aus dem ORHGutachten? Bericht über die Ergebnisse der Projektgruppe und interministeriellen Arbeitsgruppe zur Verbesserung des Verbraucherschutzes (Drs. 17/11043)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Rosi Steinberger u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zeitplan für die Neuorganisation der Veterinärund Lebensmittelüberwachung (Drs. 17/11078)

(Wortmeldung des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD) zur Geschäftsordnung)

Herr Kollege Pfaffmann, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten ein sehr wichtiges Thema, nämlich das ORH-Gutachten. Wir sind schon der Meinung, dass bei der Bedeutung dieses Themas die zuständige Fachministerin anwesend sein sollte. Deswegen beantragen wir nach § 176 der Geschäftsordnung die Herbeirufung der Ministerin. Sie sollte dieser Debatte beiwohnen; denn sie sollte schon wissen, was dieses Haus zu diesem Thema zu sagen hat.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER)

Gibt es eine Gegenrede?

(Thomas Kreuzer (CSU): Wir widersprechen!)

Bitte schön, Herr Kollege Zellmeier.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Über das Thema ist bereits mehrfach diskutiert worden. Es geht jetzt um Anträge auf Berichte. Wir werden diesen Anträgen entgegen dem Ausschussvotum zustimmen. Wir sehen keinen Bedarf, dass die Ministerin anwesend ist. Es wird einen umfangreichen Bericht zu dieser Thematik geben. Wieso die Ministerin jetzt bei reinen Berichtsanträgen anwesend sein soll, verstehen wir nicht.

(Beifall bei der CSU – Volkmar Halbleib (SPD): Missachtung des Parlaments!)

Wir werden den Geschäftsordnungsantrag deshalb ablehnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch ein Hinweis: Wir sind in der Tagesordnung heute erfreulicherweise wesentlich schneller vorangekommen. Deshalb ist es verständlich, wenn die Ministerin nicht anwesend ist, denn man konnte nicht damit rechnen, dass der Antrag so früh aufgerufen wird.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, nach § 176 Absatz 1 der Geschäftsordnung lasse ich jetzt über diesen Antrag abstimmen. Wer dafür ist, die Ministerin herbeizurufen, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – Das ist die CSU-Fraktion. Damit ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

(Staatsminister Dr. Marcel Huber: Herr Präsident, sie kommt gleich!)

Die Ministerin ist da. Dann kann ich nochmal auf meinen Vortrag zurückkommen. Die Ministerin ist anwesend. Damit ist der Antrag ohnedies gegenstandslos. Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist Herr Kollege von Brunn von der SPD. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es sind fast fünf Monate vergangen, seit der Bayerische Oberste Rechnungshof – ORH – sein Gutachten zur Struktur und Organisation des amtlichen Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung vorgelegt hat. Die zuständige Staatsministerin hat dazu am

17. Februar 2016 öffentlich erklärt: "Wir werden zügig einen Masterplan für das weitere Vorgehen entwickeln. Wir werden handeln." – Sehr geehrte Frau Ministerin Scharf, was verstehen Sie eigentlich unter "zügig"? – Das sollten Sie dem Landtag und der Öffentlichkeit nach fünf Monaten hier und heute erklären.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion hat im Februar dieses Jahres im Plenum von der Staatsregierung die rasche Vorlage eines Zeitplans für die Umsetzung der vom Rechnungshof geforderten Reparaturen und Verbesserungen sowie einen Plan für die Organisationsreform, die der ORH vorgeschlagen hat, gefordert.

(Thomas Kreuzer (CSU): Der ist abgelehnt worden!)

Wir haben Sie außerdem dazu aufgefordert, dem Landtag mindestens zwei Mal im Jahr über ihr Fortkommen zu berichten. Seitdem haben Sie den Bayerischen Landtag aber nur hingehalten und hinter vorgezogenen Vorhängen gesprochen und verhandelt. Über die Ergebnisse dieser Gespräche haben Sie weder den Landtag noch die Öffentlichkeit in ausreichendem Maße informiert. Ich frage Sie: Halten Sie dieses Vorgehen für transparent?

(Beifall bei der SPD)

In den letzten Tagen haben wir dann bruchstückhaft aus der Presse erfahren, dass Sie den favorisierten Vorschlag des Obersten Rechnungshofes für eine Strukturreform, das sogenannte Modell 5 mit Komplettverlagerung, offensichtlich in den Papierkorb geworfen haben, obwohl Sie ihn im Umweltministerium ursprünglich selbst für die beste Lösung gehalten haben. In diesem Zusammenhang frage ich Sie: Soll dieses intransparente Hin und Her, dieser Zick-ZackKurs, diese Unfähigkeit, einen klaren Kurs zu halten, Ihren angekündigten Masterplan darstellen? – Der Bayerische Landtag und die bayerische Öffentlichkeit haben einen Anspruch darauf, von Ihnen endlich reinen Wein eingeschenkt zu bekommen und den großspurig angekündigten Masterplan hier im Haus vorgelegt zu bekommen. Wann hören wir von Ihnen endlich Klartext? Wann sagen Sie uns, was Sie von den Vorschlägen des ORH umsetzten wollen?

(Beifall bei der SPD)