Protokoll der Sitzung vom 29.06.2016

(Beifall bei der SPD)

Gerade angesichts der öffentlichen Debatte, die Ihre Hintergrundgespräche ausgelöst haben, sollten Sie den Bayerischen Landtags unverzüglich über ihre Pläne aufklären. Sie sollten darlegen, warum Sie von den Empfehlungen des Obersten Rechnungshofes

abrücken und statt einer mutigen Reform nur eine mutlose Minireform planen. Sie sollten aber vor allem über die 13 Punkte sprechen, die Ihnen der Oberste Rechnungshof als drängende und kurzfristige Hausaufgabe aufgegeben hat. Ich möchte Sie an einige relevante Punkte erinnern: Da sind die Defizite bei Anzahl und Turnus der Kontrollen. Was ist mit der Schweinemast, bei der Sie mit ihren Behörden noch nicht einmal die Hälfte des Solls erreichen, die der ORH in seinem Gutachten festgestellt hat? Haben Sie das Problem inzwischen abgestellt? – Dazu haben wir von Ihnen in den letzten Monaten überhaupt nichts gehört. Wann liefern Sie hier eine Lösung?

Noch ein Stichwort, nachdem Sie gerade erst mit den Landräten zusammengesessen sind und diskutiert haben. Der Oberste Rechnungshof hat auch moniert, dass es bereits vor 16 Jahren die Empfehlung gab, die Veterinäre, die Lebensmittelkontrolleure und den Vollzug an den Kreisverwaltungsbehörden in einer Organisationseinheit zu bündeln. Heute, 16 Jahre später, wird das noch nicht einmal in einem Viertel der Landratsämter praktiziert. Haben Sie dieses Defizit zur Sprache gebracht? Wenn ja, zu welcher Lösung des Problems sind Sie gekommen?

In diesem Zusammenhang darf auch ein weiterer wesentlicher Aspekt nicht unerwähnt bleiben. Der Rechnungshof hat auch darauf hingewiesen, dass es bei der Meldung der Ergebnisse der Eigenkontrollen, die gerade in letzter Zeit immer wieder kritisiert worden sind, Unregelmäßigkeiten gegeben hat. Der Eingang dieser Meldungen wird von den Kreisverwaltungsbehörden nicht einheitlich überwacht. War das Inhalt Ihrer Gespräche mit den Landräten? – Wir möchten gerne wissen, was Sie erreicht haben, um dieses Defizit abzustellen.

Im Februar dieses Jahres haben wir Ihnen hier gesagt, dass wir nicht das übliche CSU-Vorgehen erleben wollen. Das hat es bisher nach jedem Lebensmittelskandal gegeben: Es wird mit großspurigen Vorschlägen und Maßnahmenkatalogen an die Öffentlichkeit gegangen, doch dann kommt wenig bis gar nichts dabei heraus. Ich darf Ihnen heute sagen; es überzeugt uns genauso wenig, wenn Sie Masterpläne und Konzepte ankündigen, dann aber nur mickrige Vorschläge und faule Kompromisse herauskommen. Wir fordern Sie deshalb heute noch einmal eindringlich dazu auf, dem Bayerischen Landtag umgehend und umfassend über die Ergebnisse zu berichten. Legen Sie uns die Konzepte vor, die Sie bisher schuldig geblieben sind. Kurzum, wir verlangen von Ihnen Transparenz und echten Reformwillen statt heißer Luft und faulen Kompromissen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. Als Nächste hat Frau Kollegin Steinberger vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident, Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das System der Lebensmittelkontrolle in Bayern muss reformiert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das steht außer Frage. Das ist aber auch ein Erfolg der Opposition im Bayerischen Landtag. Wenn wir nicht gewesen wären, hätte der Bayern-Ei-Skandal keine Folgen gehabt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von der CSU: Oh mei!)

Wenn es nach der CSU gegangen wäre, hätte man die Missstände in der Lebensmittelkontrolle einfach ignoriert. Das muss einmal gesagt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Aber nun soll es deutlich besser werden. Das wurde im Parlament festgestellt. Deshalb möchte das Parlament dabei auch mitreden. Aus diesem Grund wurde in der Plenarsitzung am 17. Februar 2016 eine Anhörung beschlossen. Diese Anhörung wird am 27. Oktober dieses Jahres stattfinden. Zugegeben, das dauert sehr lange, aber im Umweltausschuss wurde leider kein besserer Termin gefunden. Die Fraktionen sind gerade dabei, den Fragenkatalog zu entwerfen und Sachverständige einzuladen. In diesen Abstimmungsprozess platzte nun wie eine Bombe die Nachricht, die Staatsregierung habe sich mit den Landräten bereits geeinigt. Die Lebensmittelüberwachung für lokale Erzeuger soll weiter bei den Landratsämtern bleiben. Nur Risikobetriebe sollen in die Kontrolle der Bezirksregierungen übergehen. Wer aber diese Risikobetriebe benennt, das ist nicht klar. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das bezeichne ich als eine deutliche Missachtung des Parlaments.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben die Reformen angestoßen. Wir wollen deshalb auch bei der Umsetzung ein Wort mitreden. Ich verstehe, dass die Landräte keine Kompetenzen abgeben wollen. Es macht vielleicht auch Sinn, nicht alle Betriebe von Zentraleinheiten kontrollieren zu lassen. Die Entscheidung darüber, welches System das Beste ist, kann aber nicht in einer Absprache zwischen der

Staatsregierung und den Landräten getroffen werden. Liebe Frau Ministerin, so geht das nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wehren uns auch dagegen, dass das Parlament vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Unser Antrag für einen Zeitplan wurde im Umweltausschuss leider abgelehnt. Die GRÜNEN wollten einen Zeitplan vorgelegt bekommen, wann mit der Umsetzung des ORH-Gutachtens zu rechnen ist. Es wurde uns bereits ein Masterplan angekündigt. Den möchten wir nun auch gerne sehen. In diesen Zeitplan soll auch die Anhörung des Umweltausschusses eingebettet sein. Eine grundlegende Neuorganisation der Lebensmittelüberwachung in Bayern ist schließlich kein Pappenstiel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir sind bereit, unseren Beitrag zu dieser Reform zu leisten. Wenn Sie nun aber im Alleingang ein Reförmchen auf den Weg bringen, mit dem Sie keinem wehtun wollen, am wenigsten den Landräten, dann habe ich die Befürchtung, dass gute Ansätze im Keim stecken bleiben. Dabei will ich den Landratsämtern durchaus nicht ihre Kompetenz absprechen. Das bisherige System hat aber grundlegende Mängel, die durch die Auslagerung einiger weniger Großbetriebe nicht behoben werden. Das ORH-Gutachten hat in relativ kurzer Zeit eine ganze Reihe von Mängeln aufgezeigt. Diese Mängel müssen abgestellt werden. Ich möchte nur erwähnen: die Anzahl der Kontrollen, die Koordination der Kontrollbehörden, die Rotation der Amtstierärzte, die Überwachung der Eigenkontrollen usw. Es kann nicht sein, dass es nach der Auslagerung von ein paar Risikobetrieben, die die Landräte natürlich selber gerne loswerden wollen, mit dem Rest so weitergeht wie bisher. Deshalb fordern wir: Lassen wir uns den Zeitplan vorlegen! Machen wir eine Reform aus einem Guss, und nehmen Sie, Frau Scharf, das Parlament mit! Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Leider müssen wir das aber immer wieder einfordern.

Natürlich ist es notwendig, seitens der Staatsregierung bereits jetzt Vorschläge zu erarbeiten, die dann in der Anhörung besprochen und von den geladenen Experten bewertet werden können. Aber das dürfen eben nur Vorschläge sein, keine Festlegungen, sonst ist die Anhörung sinnlos, und der Landtag wird übergangen.

Ich bitte deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag. Es wurde ja schon Zustimmung signalisiert. Das freut mich sehr. Damit zeigt das Parlament etwas mehr Selbstbewusstsein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nur noch eine kleine Anmerkung: Unser Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/11078 wird abgeändert. Es heißt im Text nicht mehr "… schnellstmöglich einen konkreten Zeitplan vorzulegen, …", sondern "… schnellstmöglich den geplanten Zeitplan vorzulegen, …". Das hat die CSU-Fraktion so gewünscht. Dem entsprechen wir gerne.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat nun der Kollege Beißwenger von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der ORH hat für sein Gutachten eine Bestandsaufnahme der Veterinär- und Lebensmittelüberwachung durchgeführt. Er hat geprüft, ob die Strukturen und die Organisation in diesem Bereich verbessert werden können, auch im Hinblick auf die in den vergangenen Jahren stark gestiegenen Anforderungen an die Überwachungstätigkeit. Damit befasst sich auch die interministerielle Arbeitsgruppe "Veterinärüberwachung und Lebensmittelsicherheit". Sie soll Vorschläge vorlegen, mit denen sich anschließend das Kabinett befassen wird. Hierbei geht natürlich Gründlichkeit vor Schnelligkeit.

Bei einer Neustrukturierung der Veterinär- und Lebensmittelüberwachung müssen aber auch Gesichtspunkte in Betracht gezogen werden, die im ORH-Gutachten gar nicht erwähnt werden, und zwar die Aufgaben, die die Veterinäre vor Ort erfüllen: tierschutzrechtliche Fragen beantworten, Anzeigen von Tierschutzverstößen nachgehen, Fragen zur Landwirtschaft beantworten, Beratung und vieles mehr.

Die geplante Struktur der Veterinärverwaltung sollte wie folgt aussehen: Das Normalgeschäft bleibt bei den Landratsämtern, das Spezialgeschäft wird stärker konzentriert. Die Spezialeinheit am LGL bleibt für die schwierigen Fälle, wenn ich sie so nennen darf, erhalten. Das heißt, die Landratsämter werden das Normalgeschäft behalten, das Spezialgeschäft aber abgeben. So hat sich das auch bei konstruktiven Gesprächen mit den Landratsämtern und den Landräten ergeben. Die CSU-Fraktion hat ebenso auf diese Lösung hingearbeitet: eine Mischung aus erforderlicher Präsenz vor Ort, einer Verwaltung so nah wie möglich an der Basis, und Betreuung und Kontrolle von Großbetrieben mit einem überregionalen Verbreitungsgebiet oder entsprechender Größe.

Eine Unterscheidung bei der Kontrolle von Groß- und Risikobetrieben auf der einen Seite und von Kleinbetrieben auf der anderen Seite hat meiner Meinung nach absolut Sinn. Die Kontrolle sogenannter Risikobetriebe, zum Beispiel großer Legehennenhaltungen oder Geflügelmastbetriebe, von Großbäckereien und großen Schlachtbetrieben, im Grunde von Großbetrieben mit einem überregionalen Verbreitungsgebiet, sollte zukünftig mit größeren spezialisierten, interdisziplinär zusammengesetzten Teams erfolgen.

Ich will mich hier nicht auf einen Namen festlegen. Das wurde schon erwähnt. Die Bezeichnung als Risiko- oder Spezialbetrieb ist nur ein Arbeitstitel. Auch an der Größe und der Zahl der Mitarbeiter kann nicht festgemacht werden, was künftig ein Spezial- und was ein Normalbetrieb ist. Bei aller Abgrenzung sollte man flexibel bleiben; denn ein Betrieb, der in einem Jahr in eine bestimmte Sparte fällt, kann durch Veränderungen, zum Beispiel in der Größe, in einem anderen Jahr in eine andere Sparte fallen.

Die Überwachung von Normalbetrieben vor Ort, zum Beispiel von Metzgereien und Bäckereien, aber auch die arbeitsintensive Vor-Ort-Betreuung und Beratung landwirtschaftlicher Betriebe nach dem Tierseuchenrecht, Arzneimittelrecht etc., die qualifizierte Betreuung landwirtschaftlicher Direktvermarkter, die zeitnahe Sicherstellung der Tierschutzbelange vor Ort, die Kontrolle bei Vereinsfesten usw. sollte weiterhin von den in die Landratsämter integrierten Veterinärämtern sichergestellt werden. Dies ist der Wunsch unserer Fraktion. Die kleinen Betriebe sollen mit Augenmaß behandelt und nicht mit zusätzlicher Bürokratie belastet werden. Die Kontrolleure sind vor Ort. Sie haben Detailkenntnisse über die Betriebe und können so am schnellsten einschreiten. Kontrollen müssen auch in Zukunft mit Maß und Ziel erfolgen. Dabei muss immer im Sinne des Verbraucherschutzes und der Lebensmittelsicherheit so effizient wie möglich gehandelt werden. Schließlich besteht ein Unterschied, ob der Betreiber einer kleinen Imbissbude oder ein Betrieb mit einer Million Legehennen kontrolliert wird. Beide müssen selbstverständlich die gesetzlichen Vorgaben einhalten.

Gründlichkeit geht aber, wie erwähnt, vor Schnelligkeit. Daher haben wir damals die Anträge im Ausschuss abgelehnt. Zunächst einmal sollte in Ruhe gearbeitet werden können. Die Sachlage hat sich schließlich geändert. Verschiedene Informationen – so nennen wir es einmal – wurden bereits an die Presse weitergegeben. Es wurde auch viel gearbeitet, und wir sind weiter gekommen. Wir werden deshalb beiden Anträgen zustimmen.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Wird zuerst die Presse informiert und dann der Landtag? Ist das die Reihenfolge?)

Der gesundheitliche Verbraucherschutz gehört zu unseren zentralen Verpflichtungen. In Bayern soll ein bestmögliches Maß an Lebensmittelsicherheit, Tiergesundheit und Verbraucherschutz gewährleistet werden. Das ist unser aller Ziel. Im Übrigen bin ich trotz allem der Meinung, dass Bayern nicht nur sehr sichere, sondern auch qualitativ sehr hochwertige Lebensmittel hat. – Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich nicht nur unseren Landwirten und Bauern, sondern auch den Veterinären und den Behörden für ihre tägliche Arbeit danken.

(Beifall bei der CSU)

Auf diverse Zwischenrufe möchte ich noch eingehen. Derjenige, der dazwischen gerufen hat, war Herr Gehring von den GRÜNEN; er unterhält sich aber bereits anderweitig. Ich habe nichts an die Presse weitergeleitet, das möchte ich hier feststellen. Aber wenn es so weit ist und man Fortschritte gemacht hat, dann kann man auch informieren.

Herr von Brunn hat in seinem Plädoyer viel über Transparenz, Offenheit usw. gesprochen. Allerdings hat er in der letzten Ausschusssitzung vom Zwiespalt gesprochen, in dem er bzw. in dem die SPD sich befindet. Gehen wir in Sachen Transparenz und Zwiespalt einen Schritt weiter; ich habe gehört, der Zwiespalt sei so groß, dass sogar mindestens einer der Landräte der SPD dem Fraktionsvorsitzenden der SPD einen Brief geschrieben hat. Mich würde interessieren, ob Sie den auch schon transparent gemacht haben. Er soll einen sehr interessanten Wortlaut haben. Das würde uns doch sehr freuen. Bei Ihren guten Kontakten zur Presse können Sie es gerne weitergeben.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat nun der Kollege Zierer von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrtes Präsidium, Frau Ministerin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Februar haben wir FREIEN WÄHLER einen Dringlichkeitsantrag eingebracht mit dem Titel "Keine Schnellschüsse! Strukturen in der Lebensmittelüberwachung gezielt weiterentwickeln". Frau Ministerin, das hätten Sie beherzigen sollen. Dann hätten Sie sich die Blamage mit Ihren Landräten und die negativen Schlagzeilen ersparen können.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Dass die Landkreise die Komplettverlagerung der Zuständigkeiten ablehnen, war ja bekannt und auch richtig, spätestens seit der Stellungnahme des Landkreistages zum ORH-Bericht vom März. Die Landkreise haben gute Argumente für ihre Positionen – aber dazu komme ich später. Frau Ministerin, Sie hätten sich mit den Fachbehörden und den Landräten abstimmen sollen, bevor Ihr Haus in diesem entscheidenden Punkt den Empfehlungen des ORH gefolgt ist.

Wir haben uns die Argumente der Landräte angehört. Wir haben uns die Argumente der Veterinäre angehört und sie bewertet. Das Ergebnis war unser Antrag, der in der letzten Sitzung des Umweltausschusses behandelt worden ist. Aber, Herr Beißwenger, Sie und Ihre Kollegen haben unseren guten Antrag abgelehnt. Das ist nichts Neues. In diesem Fall wären Sie aber besser beraten gewesen, wenn Sie sich bei den Praktikern vor Ort umgehört hätten;

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

denn oft schreibt die CSU unsere Anträge ab.

(Lachen und Widerspruch bei der CSU)

Aber Respekt, Frau Ministerin Scharf, Sie haben es als Erste geschafft, unseren Antrag Wort für Wort umzusetzen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)