Protokoll der Sitzung vom 12.07.2016

Wir haben ein Modell geschaffen, das die Integration von jungen Flüchtlingen, die entsprechendes Begabungspotenzial haben, in der Fläche ermöglicht. Dazu werden wir zusätzlich zu den aus der demografischen Rendite resultierenden 238 Stellenäquivalenten noch einmal 28 einsetzen, um letztlich in ganz Bayern ein solches Angebot vorhalten zu können.

(Margit Wild (SPD): Das freut uns doch auch!)

Wir haben mit der strategischen Initiative Realschule21, die eine sehr gute Entwicklungsperspektive eröffnet, die Profile, die die Realschule so stark machen – Ausbildung in MINT und in der zweiten Fremdsprache –, ausgebaut und fortentwickelt.

Es trifft zu, dass die Einstellungssituation nicht einfach ist. Das liegt aber auch daran, dass wir intensiv versuchen, die jungen Menschen zu beraten, wenn sie vor der Frage stehen, auf welches Lehramt sie studieren sollen. Grundlage für unsere Beratung ist die Lehrerbedarfsprognose, deren Treffsicherheit erheblich ist. Mit Sonderprogrammen bieten wir jungen Menschen die Möglichkeit, sich für eine Planstelle an der Mittelschule zu qualifizieren.

Ich komme zum Einsatz der demografischen Rendite. Wenn wir zu den Zahlen der vergangenen fünf Jahre noch die demografische Rendite des kommenden Schuljahres hinzunehmen, kommen wir für die bayerische Realschule auf einen Plussaldo von 250 Stellen. Ich erwähne dies, damit endlich mit der Mär auf

geräumt wird, der Realschule werde etwas genommen und nichts zurückgegeben. Ich wiederhole: Wir haben einen Plussaldo von 250 Stellen. Wenn die Stellen zugewiesen sind – die Zusagen sind den Mitgliedern des Bildungsausschuss zugegangen –, dann werden die Realschulen mehr zur Verfügung haben, als sie in den vergangenen Jahren in das Sammelkapitel eingebracht haben. Daran wird deutlich, dass die Behauptung der Opposition eine Chimäre ist. Sie tragen nur zur Verunsicherung bei.

Wir stehen vor großen Herausforderungen. Die bayerische Realschule ist dafür in besonderer Weise gerüstet. Sie bietet auf der einen Seite beste Voraussetzungen, um auch Spitzenherausforderungen durch duale Bildung und Ausbildung gerecht werden zu können. Sie eröffnet auf der anderen Seite – über die Berufliche Oberschule – den Weg zur Hochschule. Sie ist damit die zweite Säule des bayerischen Bildungswesens.

Dass die Familien in Bayern unser Modell längst angenommen haben, sieht man daran, dass Bayern das einzige Land ist, das zum sechsten Mal hintereinander bei der Schullaufbahnwahl der Eltern stabile Zahlen zeigt: Etwa 40 % wählen das Gymnasium, stabile 30 % die Realschule und knapp 30 % die bayerische Mittelschule. Das ist Ergebnis unserer Bildungspolitik. Wir fördern ein differenziertes Bildungswesen, das organisierte Übergänge ermöglicht. Wir wollen den jungen Menschen in unserem Land mit guten Angeboten einen guten Abschluss ermöglichen. Für diese Bildungspolitik stehen wir.

(Beifall bei der CSU)

Herr Staatsminister, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Herr Kollege Güll hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.

(Margarete Bause (GRÜNE): Das geht doch gar nicht in der Aktuellen Stunde!)

Herr Güll, ich werde darauf aufmerksam gemacht, dass es in der Aktuellen Stunde keine Zwischenbemerkung gibt.

Ich hätte sie in der nötigen Demut angenommen.

Mit der Zwischenbemerkung hätten wir die Aktuelle Stunde noch etwas verlängern können. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen mehr. Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Franz Schindler, Dr. Linus Förster u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Bezirkswahlgesetzes Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts für Bürger eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union bei der Wahl der Bezirksräte in Bayern (Drs. 17/12345) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Erster Redner ist Herr Kollege Dr. Wengert von der SPD. Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum wiederholten Mal legt die SPD-Fraktion einen Gesetzentwurf zur Beseitigung des diskriminierenden Ausschlusses von EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern bei Kommunalwahlen vor. Damit nehmen wir den Ministerpräsidenten beim Wort; denn er hat in seiner Regierungserklärung am 12. November 2013 hier im Landtag gesagt:

Unsere Integrationspolitik orientiert sich an der Würde des Menschen. Integration gelingt in Bayern am besten von allen Ländern.

Die Realität lässt uns allerdings manchmal daran zweifeln. Tatsache ist jedenfalls: In Bayern dürfen EUBürgerinnen und EU-Bürger, die nicht deutsche Staatsangehörige sind, zwar die Mitglieder des Gemeinderates, des Stadtrates und des Kreistages wählen und sich in diese Kommunalgremien als Gemeinderäte, Stadträte und Kreisräte wählen lassen. Sie dürfen auch den Ersten Bürgermeister, den Oberbürgermeister und den Landrat mitwählen, aber leider nach wie vor nicht selbst Bürgermeister oder Landrat werden.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Sie dürfen auch nicht – darum geht es uns heute – an der Wahl des Bezirkstags mitwirken. Dieser Ausschluss ist nicht nur diskriminierend unseren EU-Mitbürgerinnen und EU-Mitbürgern gegenüber, sondern zeugt auch nicht gerade von einer ausgeprägten Willkommenskultur gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern aus den EU-Mitgliedstaaten.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind nach reiflicher Überlegung zu der Überzeugung gelangt: Das Europarecht lässt es zu, dass EUBürgerinnen und EU-Bürger den Bezirkstag wählen. Auch deutsches Verfassungsrecht steht dem nicht entgegen. Ich stehe dazu, dass wir in dieser Frage vor einigen Jahren in der Debatte über einen entsprechenden Gesetzentwurf der GRÜNEN noch Zurück

haltung geübt haben. Aber es ist ja nicht verboten, seine Rechtsposition zu ändern, wenn es dafür gute Argumente gibt. Es wäre erfreulich, wenn auch die Regierungsfraktion diesen Weg mitgehen würde.

Maßgebliche Rechtsgrundlage für das kommunale Wahlrecht von Unionsbürgern ist Artikel 22 Absatz 1 Satz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, wonach jeder Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, das aktive und das passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen hat, wobei für ihn dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaates. Näheres regelt die Richtlinie 94/80 des Rates vom 19. Dezember 1994 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Kommunalwahlen für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger.

Nun mag eingewandt werden, dass der Anhang zu der oben genannten Richtlinie in Bezug auf Deutschland eine abschließende Aufzählung von Verwaltungseinheiten enthalte, in der zwar Stadt, Gemeinde oder Ortsbezirke genannt sind, nicht aber die Bezirke bayerischer Provenienz. Wir alle wissen aber, dass es die Bezirke, wie man sie in Bayern findet, nirgends sonst in Deutschland gibt. Es kann aber nicht sein, dass lediglich aufgrund einer fehlenden Mitaufzählung dieser bayerischen kommunalen Verwaltungsebene in der Anlage zu einer Richtlinie ein grundsätzliches und wichtiges Recht von EU-Bürgern eingeschränkt wird, nämlich ihre Teilnahme an den Wahlen auf der kommunalen Ebene.

Der Wille des EU-Gesetzgebers, dass alle Unionsbürger über das kommunale Wahlrecht verfügen sollen, kann und darf dadurch nicht ausgehebelt werden. Niemand hier im Hohen Hause wird bestreiten, dass die Bezirke zur kommunalen Ebene gehören. Sie werden von jeher als "dritte kommunale Ebene" bezeichnet und nehmen selbstverständlich kommunale Aufgaben wahr, die ihnen zugewiesen wurden, zum Beispiel weil Gemeinden und Landkreise mit deren Wahrnehmung überfordert wären.

Noch klarer wird es, wie selbstverständlich es ist, dass hier eine kommunale Ebene vorliegt und dort das Wahlrecht auch für EU-Bürgerinnen und EU-Bürger bestehen muss, wenn man sich die Frage stellt, wo sonst, wenn nicht auf der kommunalen Ebene, die Bezirke eingeordnet werden sollten. Zur Legislative gehören sie jedenfalls nicht, auch wenn die Wahl der Bezirkstage regelmäßig am Tag der Landtagswahl stattfindet und ihre Mitglieder nicht auf sechs Jahre, sondern aus technischen Gründen ebenso wie die

Landtagsabgeordneten auf fünf Jahre gewählt werden.

Diese Festlegungen haben jedoch keinen normativen Charakter für die Zuordnung der Bezirke zur Verwaltungsebene der Kommunen. Ich meine daher, dass es keine europarechtlichen Hindernisse gibt, durch eine relativ kleine redaktionelle Änderung des Bezirkswahlgesetzes EU-Ausländerinnen und -ausländern das Wahlrecht zu den Bezirkstagen einzuräumen, wie wir es mit unserem Gesetzentwurf vorschlagen. Lassen Sie uns diese Frage in den Ausschüssen bitte kreativ und zukunftsgerichtet beraten.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. – Nächster Redner ist Herr Kollege Lorenz.

Verehrte Frau Landtagsvizepräsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion fordert in ihrem Gesetzentwurf das Wahlrecht für EU-Bürger auch bei Bezirkswahlen. Diese Forderung kann man selbstverständlich erheben; aber was Sie hier schreiben, grenzt wirklich an Dreistigkeit. Sie verwenden im Zusammenhang mit dem bestehenden Wahlrecht Begriffe wie "rechtswidrig", und in Ihrer Rede haben Sie gar von "Diskriminierung" gesprochen. Bei allem Respekt – da wird es langsam schon ein bisschen dreist.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Paul Wengert (SPD))

Das Thema wurde in dieser Legislaturperiode schon einmal ausführlich behandelt, nämlich in einer Schriftlichen Anfrage der GRÜNEN. Die Rechtslage ist Ihnen seinerzeit ausführlich erläutert worden. Es wäre wirklich an der Zeit, dass auch Sie die Rechtslage anerkennen und nicht für sich einfach mal feststellen, dass das Ganze rechtswidrig oder diskriminierend sei.

Fakt ist, dass nach Artikel 20 des Grundgesetzes alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Bei Ihnen von RotGrün ist das ganz anders: Sie haben wohl ein Problem mit Artikel 20 des Grundgesetzes. Bei den GRÜNEN geht das sogar so weit, dass Sie Einwohnerversammlungen statt Bürgerversammlungen haben wollen. Wenn also irgendeiner hier Probleme mit der Verfassung hat, dann sind das doch wohl Teile von Rot-Grün.

Die Rechtslage ist eindeutig. Bei den Verwaltungsgerichten ist bereits richterlich über das Thema entschieden worden. Im Übrigen gibt es seitens der Europäischen Union keinerlei Ansinnen an den Freistaat Bayern – auch nicht bei kürzlich behandelten The

men, bei denen das Thema Kommunalwahlen eine Rolle gespielt hat –, hier aktiv zu werden.

Fakt ist: Es gibt nun einmal eine abschließende Liste, wann das Kommunalwahlrecht für EU-Bürger anzuwenden ist. In dieser Liste sind die bayerischen Bezirke nicht aufgeführt. Im Übrigen ist es nicht so, dass Bayern das einzige Land ist, in dem es Regierungsbezirke gibt; insofern muss ich Ihnen widersprechen. Die Bezirke gibt es woanders zwar nicht in dieser Form – und wir sind auf unsere Bezirke recht stolz –,

(Dr. Paul Wengert (SPD): Es geht gar nicht um die Regierungsbezirke!)

aber Regierungsbezirke existieren beispielsweise auch in Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz. Der Begriff "Regierungsbezirke" ist daher nicht alleine für Bayern zu verwenden, aber selbstverständlich sind unsere Bezirke einzigartig.

Sie wollen das Kommunalwahlrecht für Ausländer. Das sieht das Gesetz jedoch nicht vor. Wir glauben überdies, dass das Ganze auch inhaltlich keinen Sinn macht. Vom technischen Verfahren her gibt es die Zeitgleichheit der Bezirkswahlen mit den Landtagswahlen; wir wählen in den gleichen Stimmkreisen und am gleichen Wahltag. Aus unserer Sicht würde es überhaupt keinen Sinn ergeben, am gleichen Wahltag zwei verschiedene Wählerverzeichnisse vorzuhalten. Das würde den Bürger nur zusätzlich verwirren.

Wenn Sie Ihr Vorhaben konsequent umsetzen wollen, dann müssen Sie auch für eine Abkehr vom bisherigen Wahlverfahren plädieren. Dann müssten Sie auch sagen – ich sage das bewusst im Konjunktiv –, dass die Bezirkswahlen zusammen mit den Kommunalwahlen stattfinden sollen. Wir möchten das nicht, aber wenn Sie das wollen, steht es Ihnen selbstverständlich frei, dies zu beantragen.

Langer Rede kurzer Sinn: Das Ganze ist nichts Neues. Sie können sich jetzt mit den Kollegen von den GRÜNEN, die in dieser Legislaturperiode bereits eine Schriftliche Anfrage gestellt haben, gerne darüber streiten, wer jetzt von wem abschreibt oder ob Sie gegenseitig voneinander abschreiben. Vermutlich ist Letzteres der Fall.

Aus unserer Sicht gilt nach wie vor Artikel 20 des Grundgesetzes: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Bei den Kommunalwahlen gibt es eben die Besonderheit, dass EU-Bürger wählen dürfen, und hierfür existieren Regelungen, wann genau dies der Fall ist. Das betrifft die Gemeinden und die Landkreise; die Bezirke sind eben nicht betroffen.

Wir sehen daher zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Erfordernis, Ihrem Ansinnen nachzukommen, und werden es vermutlich auch im Rahmen der weiteren Gesetzesberatungen ablehnen. In diesem Sinne können Sie den Entwurf auch im nächsten Jahr gerne wieder vorlegen. Wir lehnen das ab, und das wollte ich hier klarstellen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Wengert.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Lorenz, es wäre schön gewesen, wenn Sie auf Argumente eingegangen wären, statt hier Polemik zu verbreiten. Sie haben sich leider nicht allzu viel Mühe gemacht, auf das Thema einzugehen.

Die Rechtslage ist nämlich keineswegs eindeutig. Wir reden in unserem Gesetzentwurf nicht von "Regierungsbezirken"; das zeigt einmal mehr, wie wenig Sie sich mit dem Thema beschäftigt haben und wie oberflächlich Sie damit umgehen. Es geht überhaupt nicht um die Regierungsbezirke als Verwaltungsebene unterhalb der Ministerialebene – die gibt es in anderen Bundesländern natürlich auch –, sondern es geht um den Bezirk bayerischer Prägung, und den gibt es eben sonst nirgends mehr.