Protokoll der Sitzung vom 24.01.2017

Der Bestand und die Zukunft des demokratischen Staates und der von ihm gewährleisteten Freiheit hängen von der rechten Einschätzung seiner

Werte durch die Staatsbürger und ihrem Willen, sie zu behaupten, ab.

Dem Staat erwächst daher die Pflicht, alle Maßnahmen zu unterstützen und zu ergreifen, die der Pflege der politischen Bildung dienen. Zu diesem Zweck wird eine Akademie für Politische Bildung errichtet.

Diese Akademie für Politische Bildung, die, wie Sie wissen, ihren Sitz in Tutzing hat, hat sich seit ihrer Gründung in vielfältiger Art und Weise um die politische Bildung sehr verdient gemacht. Ich möchte in diesem Zusammenhang den Ehemaligen, den Aktiven sowie der Leiterin Frau Prof. Münch sehr herzlich für ihre Arbeit danken.

(Allgemeiner Beifall)

In Tutzing fanden und finden Tagungen mit hochkarätigen Politikern und Experten statt. Die Akademie richtet sich mit ihren zahlreichen Angeboten zur politischen Bildung aber auch an alle Bürgerinnen und Bürger sowie – was ich besonders begrüße – seit geraumer Zeit auch an Schüler.

So richten sich etwa die "Tutzinger Schülerforen" an Schulklassen verschiedener Schultypen. Die Schüler können politische Themen und Konflikte in flexiblen Projekten und Planspielen erarbeiten und vor allem auch erleben, entweder an der Akademie vor Ort oder an den Schulen selbst.

Wie Sie wissen, ist die politische Bildung an unseren Schulen insgesamt ein wesentlicher Bestandteil. Dabei ist sie nicht nur Bestandteil des Lehrplans in Geschichte und Sozialkunde, sondern wird auch in vielen anderen Fächern intensiv behandelt. Außerdem – wir haben schon oft darüber gesprochen – finden an den Schulen viele Projekte zur Prävention gegen Extremismus und Intoleranz statt, wie: "Werte machen stark", "PIT – Prävention im Team" oder "Schule gegen Rassismus – Schule mit Courage".

Wie Sie ebenfalls wissen, gibt es mittlerweile rund 400 bayerische Schulen, die bereits den Titel "Schule gegen Rassismus – Schule mit Courage" verliehen bekommen haben. Das zeigt, wie erfolgreich allein dieses Projekt ist. Denken Sie auch an die Arbeit in den Schulen, zum Beispiel an die P-Seminare, bei denen es um Projekte mit sozialem Engagement geht. Ein Beispiel aus Starnberg: Dort wird ein P-Seminar das Thema "Kinderschutzbund" aufgreifen und die Arbeit des Kinderschutzbundes unterstützen. Auf diese Weise wird soziales Engagement vor Ort gefördert. Denken Sie auch an die Tutoren in den verschiedenen Schularten; sie sind ebenfalls ein ganz wichtiger Bestandteil. Auch die Jugendsozialarbeit an den

Schulen leistet einen wichtigen Beitrag zur Prävention gegen Extremismus und Intoleranz und damit zur Stärkung unserer Demokratie.

Darüber hinaus unterstützt das fächer- und schulübergreifende Gesamtkonzept zur politischen Bildung den Fachunterricht sowie die politische Bildung an den Schulen insgesamt. Derzeit wird dieses Konzept am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung neu gefasst. Politische Bildung an Schulen funktioniert auch noch in vielen anderen Bereichen; ich kann sie jetzt nicht alle erwähnen. Denken Sie aber beispielsweise an die Planspiele vor Ort, an denen auch wir als Abgeordnete sehr häufig teilnehmen.

Sicherlich wird es auch in Zukunft sehr wichtig sein, politische Bildung in den Schulen zu behandeln und zu vermitteln. Wir müssen uns ab sofort bei der Vermittlung von politischer Bildung mit Sicherheit noch wesentlich stärker auf das mediale Konsumverhalten unserer Kinder und Jugendlichen konzentrieren. Eine Studie der Universität Bonn hat bereits im Jahr 2015 ergeben, dass ein deutscher Jugendlicher alle sieben Minuten auf sein Smartphone schaut, es checkt. Da dieses Ergebnis aus dem Jahr 2015 stammt, nehme ich an, dass sich dieser Takt im Jahr 2017 noch beschleunigt hat; ich gehe mal von einem Check alle fünf Minuten aus.

Das ist für die Jugendlichen ein unverzichtbarer und heißgeliebter Teil ihres Alltags, über den sie – egal in welche Richtung, aber sicherlich auch politisch – stark geprägt und beeinflusst werden können und werden. Wir haben gerade erst im US-Präsidentschaftswahlkampf staunend miterlebt, wie es ein narzisstischer Populist geschafft hat, via Twitter mit einem Mix aus simplen Botschaften, Häme, Lügen und Hass – auch gegenüber demokratischen Institutionen – die Wahl zu gewinnen.

Ich bin deshalb davon überzeugt, dass es für die Mobilisierung der Demokratie in unserem Land ganz entscheidend sein wird, ob es der politischen Bildung und damit auch den demokratischen Parteien gelingen wird, darauf die richtigen Antworten zu finden; denn dass gerade junge Menschen für solche Botschaften sehr empfänglich sind – leider allzu oft –, hat nicht nur die deutsche Geschichte gezeigt.

Über die Frage, wie wir genau das schaffen können, sollten wir gerade hier im Bayerischen Landtag eine ernsthafte Debatte führen. Wenn es um die Mobilisierung der Demokratie geht, sind gerade wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier gefordert. So war – das muss ich an dieser Stelle leider anführen – die wichtige Debatte über das neue Bayerische Integra

tionsgesetz hier im Plenum meines Erachtens alles andere als eine ernsthafte Debatte.

(Beifall bei der CSU – Thomas Gehring (GRÜNE): Das war eine Lehrstunde der Demokratie!)

Der Stil und die Wortwahl, mit der SPD und GRÜNE dabei ihre Ziele verfolgt haben, wären bei den Tutzinger Schülerforen sicher so nicht durchgegangen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Die Manieren der CSUFraktion auf keinen Fall! Falsche Beispiele! – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Natürlich stehen wir als Abgeordnete im Fokus der Öffentlichkeit und sollten uns gerade bei so wichtigen Debatten daran erinnern, dass wir im Rahmen aller Bemühungen für politische Bildung auch eine Vorbildfunktion haben, ob wir es wollen oder nicht. Mittlerweile gibt es auch in unserem Land viele, die die Demokratie auch durch Attacken gegen demokratisch gewählte Politiker bekämpfen wollen; das sollte jeder und jedem, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr bewusst sein.

Der Athener Staatsmann Perikles hat vor circa 2.500 Jahren gesagt:

Wer an den Dingen der Stadt keinen Anteil nimmt, ist kein stiller, sondern ein schlechter Bürger.

Heute versuchen viele Antidemokraten, den Menschen weiszumachen, dass diejenigen, die an den Problemen ihrer Gemeinde, ihrer Stadt oder ihres Landkreises Anteil nehmen, per se schlechte Bürger seien. Dem müssen wir als gewählte Abgeordnete entschieden entgegentreten.

(Beifall bei der CSU, der SPD und des Abgeord- neten Florian Streibl (FREIE WÄHLER))

Das beginnt beim respektvollen Umgang in diesem Hohen Haus; denn auch das gehört zum Einmaleins der politischen Bildung.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der scheidende Bundespräsident Joachim Gauck hat am 20. Januar in seiner Festrede zum 50. Jahrestag der HannsSeidel-Stiftung, die sich hier bei uns in Bayern bekanntermaßen engagiert für die politische Bildung einsetzt – in diesem Zusammenhang eine Gratulation und ein Dank der Vorsitzenden Frau Prof. Ursula Männle –, gesagt – ich zitiere –:

Politisches Engagement, Zivilcourage und Toleranz müssen auch in Zukunft vermittelt werden.

Das ist kein dramatischer Appell, sondern demokratisches Alltagsgeschäft, denn das Verständnis für Demokratie muss in jeder Generation neu erworben werden. Demokratie ist nicht, sie wird. Dazu beizutragen, ist unser aller Aufgabe.

Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Schulen hierbei eine hervorragende Arbeit leisten; denken Sie auch an die Schülermitverwaltung. Weil aber, wie Bundespräsident Gauck richtig gesagt hat, Demokratie in jeder Generation neu erworben werden muss, müssen wir die politische Bildung in Zukunft auch und in besonderer Weise auf das mediale Konsumverhalten unserer Kinder und Jugendlichen ausrichten. Politische Bildung ist nicht nur eine große, sondern auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Nächster Redner ist Herr Kollege Piazolo.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Eiling-Hütig, danke schön für das Lob an die Akademie für Politische Bildung. Ich nehme das als Ehemaliger gern entgegen, möchte es aber erweitern, nachdem ich vorhin Herrn Rosenthal gesehen habe. Er war an der Akademie Frankenwarte auch für politische Bildung tätig und aktiv. An dieser Stelle darf ich die politischen Stiftungen nennen und in diesem Zusammenhang der Hanns-Seidel-Stiftung zum 50. Jubiläum gratulieren. Auch das ist Arbeit für die politische Bildung, wie bei allen politischen Stiftungen.

Zu dem Thema, das heute die Aktuelle Stunde prägt, fällt mir eine Geschichte ein, die ich neulich von einer Journalistin gehört habe, die der Pegida-Bewegung hinterherrecherchiert hat und in Dresden eine junge Frau gefragt hat: Was tun Sie denn hier, warum sind Sie hier und machen bei Pegida mit? Darauf sagte sie: Ich mache hier mit, weil es in Dresden mehr Moscheen als Kirchen gibt und das stört mich. Darauf sagte die Journalistin: Das stimmt nicht; in Dresden gibt es circa drei oder vier Moscheen und über 100 Kirchen. Darauf antwortete die junge Frau: Das sehe ich anders.

(Heiterkeit bei der SPD)

Nicht: Das ist anders, sondern: Das sehe ich anders. – Das ist das, was wir heute mit "postfaktischer Gesellschaft" meinen. Es geht um das Bauchgefühl, es geht um eine Stimmung, aber nicht mehr um Fakten. Es geht nicht mehr um Rationalität. Rationalität ist genau der Begriff, den der frühere Direktor der Akademie für Politische Bildung Hättich geprägt hat, der

sagte, das sei eigentlich das Zentrum politischer Bildung, Menschen auch zur Rationalität zu führen. Die Frage ist aber in der heutigen Zeit, ob das reicht, ob es als Einsatz genügt, ob Rationalität nicht an einer Stelle ansetzt, an der man manchen schon gar nicht mehr abholen kann.

Ich stimme den Vorrednern völlig zu: Wir müssen mehr für die Schule tun, mehr Sozialkundeunterricht erteilen. Dort wird viel Gutes getan, Frau Eiling-Hütig. Auf der anderen Seite müssen wir uns aber schon die Frage stellen: Wenn alles so gut ist, warum gibt es dann immer mehr Menschen, die sich von der Politik abwenden, die es nicht mehr interessiert und die nur noch auf Gefühl und vielleicht auf Populisten hören? Insofern, glaube ich, gibt es schon Nachholbedarf, sowohl im Sozialkundeunterricht als auch in der Erwachsenenbildung. Ich stimme zu: Dafür brauchen wir mehr Geld, sicherlich auch an den Hochschulen. Auch die Demokratieerziehung an den Hochschulen ist ein wichtiges Thema.

Ich möchte den Fokus aber auch auf zwei andere Dinge lenken, die zum Teil bereits angesprochen wurden: zum einen auf die direkte Demokratie. Ich bin ein großer Verfechter der direkten Demokratie, und ich denke, es ist sehr wichtig, dass man direkte Demokratie von Beginn an einübt – in der Schule bei der Schülermitverwaltung, an den Hochschulen in einer Verfassten Studierendenschaft, aber auch im späteren Leben, wenn man sich vielleicht in der Kommunalpolitik oder woanders engagiert und viele Mittel der direkten Demokratie wie Bürger- und Volksbegehren nutzt. Deshalb plädieren wir als FREIE WÄHLER ganz stark dafür, diese Mittel auch auf der Bundesebene einzusetzen und zum Beispiel auch den Bundespräsidenten direkt zu wählen, damit wir in Debatten hineinkommen. Dabei mag es manchmal die Gefahr politischer Auseinandersetzung geben, aber es ist trotzdem sinnvoll, dies durchzusetzen, damit die Bürger darüber diskutieren und man sich austauscht.

Was mir sehr wichtig ist – das kann ich, wenn auch vielleicht mit einer anderen Konnotation als meine Vorrednerin anschließen –, ist unsere eigene Sprache. Natürlich müssen wir in der Politik auch mal zuspitzen. Vielleicht überschreitet man auch mal Grenzen. Aber ich bin auch der Auffassung, dass wir – im Gegensatz zu anderen Berufen – den Nachteil haben, gegen- und übereinander schlecht zu reden. Das ist ein Problem, und ich zitiere dazu Herrn Markwort, der es anlässlich des Deutschen Rednerpreises 2016 folgendermaßen ausgedrückt hat:

Das ist mein großer Vorwurf an viele Parteidebattierer … Ich meine die permanente gegenseitige Herabwürdigung der Parteien … Wenn Vertreter

aller Parteien so mies über Parteien reden, wird nicht eine Partei herabgewürdigt, sondern alle. Immer mehr Wählern und erst recht Nichtwählern wird der Eindruck vermittelt, dass Parteien mies sind, damit auch der Parlamentarismus und die Demokratie.

Das muss man sich zu Herzen nehmen. Das heißt nicht, dass wir keine scharfen Debatten führen sollen, aber die Sprache ist, glaube ich, für die Demokratie und für die politische Bildung mindestens genauso wichtig wie die Rationalität.

(Zuruf von der CSU: Selber daran halten!)

Selber daran halten, auch das.

Bitte zum Ende kommen, Herr Kollege.

Selbstverständlich, ich habe nur den Zwischenruf noch aufgenommen. Selbstverständlich gilt das für alle von uns.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Nächster Redner ist der Kollege Gehring.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Mütter und Väter der Bayerischen Verfassung wussten, was sie taten, als sie nach der Weimarer Republik, einer Demokratie ohne Demokraten, und dem Nazi-Regime, das die Demokratie weggewischt und die Demokraten in die KZs gesteckt hat, in Artikel 131 Absatz 3 der Bayerischen Verfassung geschrieben haben:

Die Schüler sind im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Liebe zur bayerischen Heimat heißt auch: Liebe zur Bayerischen Verfassung. Wenn man sich jedoch die Realität der politischen Bildung an Bayerns Schulen anschaut, muss man sagen: Die Liebe der Bayerischen Staatsregierung zur Bayerischen Verfassung war nicht sehr groß; denn politische Bildung genießt zwar Verfassungsrang, hat aber in der Schule nur eine randständige Bedeutung.