Protokoll der Sitzung vom 27.01.2000

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich hoffe, dass auch trotz der Unklarheiten, die nach wie vor im Gesetzentwurf sind, zu denen es ja auch gerade von Seiten der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Deutschen Bundestag gestern entsprechende Kritik gab, dieser Gesetzentwurf möglichst schnell auf eine einheitliche parlamentarische Linie gehoben wird. Ich glaube nicht, dass dies ein Thema ist, bei dem es nachher noch zu einem Streit zwischen den einzelnen Fraktionen, egal ob hier in der Bürgerschaft oder im Bundestag, kommen sollte, sondern zu dem möglichst schnell eine einheitli

che Linie herbeigeführt werden muss, damit das Zeichen, das wir jetzt nach draußen in die ganze Welt geschickt haben, nicht durch kleinkarierte Parteistreitigkeiten kaputt gemacht wird.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte auch eine Bewertung dazu machen, und das muss genauso schleunigst geklärt werden, wie das Engagement beziehungsweise die Auffüllung des Fonds aus dem Bereich der Wirtschaft in den entsprechenden Gesprächen mit den Ländern und wie eine angemessene Beteiligung der Länder aussehen kann. Erste Gespräche sind da bereits geführt worden. Wir bringen in unserem Antrag auch zum Ausdruck, dass diese Gespräche hoffentlich schnell zum Abschluss gebracht werden und man sich dann einvernehmlich auf die entsprechenden Zahlungsmodalitäten einigt, weil natürlich auch auf dieser Seite das Signal sonst genauso gefährdet werden kann, wie ich es gerade beschrieben habe.

Ich glaube, dass dies nur ein kleiner Beitrag ist, dass der Hauptbeitrag da beginnt, wo wir aufgefordert sind, die nächsten Generationen weiter über das zu informieren und aufzuklären und dass wir nicht vergessen dürfen. Das ist der weit wichtigere Beitrag in der Aufklärung dieses dunklen Kapitels der deutschen Geschichte. — Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es nimmt immer mehr unerträgliche Formen an, wie man mit dem Thema Zwangsarbeiter umgeht.

(Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ja, das stimmt!)

Alle Medien berichten unentwegt über Leiden, die deutscherseits vor 55 bis 65 Jahren anderen zugefügt worden sind oder seien. Täglich sehe, höre und lese ich von Zwangsarbeitern und ihren Forderungen. Meine Damen und Herren, wer aber entrichtet Wiedergutmachung für mehr als zehn Millionen deutsche Zwangsarbeiter, die in den Lagern der Sieger arbeiteten? Wo bleibt die Entschädigung für deutsche Zwangsarbeiter? Deutsche Kriegsgefangene haben bis fünf Jahre nach Kriegsende in Frankreich, England, Kanada und sogar in den USA gegen jedes Völkerrecht zwangsweise gearbeitet.

Meine Damen und Herren, von den Millionen deutscher Kriegsgefangener, die zum Wiederaufbau der Sowjetunion eingesetzt wurden, kehrte nur je

der Zehnte mehr tot als lebendig erst 1954 wieder zurück. Keiner, aber auch keiner von diesen geschundenen und gefolterten Zwangsarbeitern hat jemals auch nur eine Kopeke von den Sowjets erhalten. Ich frage mich mit Millionen von Deutschen: Wie kann es sein, dass kein deutscher Politiker und keine Massenmedien sich um die Menschen unseres Volkes und ihre Toten kümmern? Wo bleibt denn da die Gerechtigkeit, meine Damen und Herren?

Tatsache ist auch, dass die finanzielle Einigung in Sachen Zwangsarbeiterentschädigung erst durch Boykottdrohung aus den USA erzwungen worden ist. Meine Damen und Herren, Boykottdrohungen gegen Deutschland sind ja nichts Neues. Es hat aber auch keinen Zweck, durch Unterwürfigkeit immer mehr und immer neue Forderungen bis in alle Ewigkeit herauszufordern. Je höher die Entschädigungssumme ist, desto höher ist natürlich die Provision der so genannten Opferanwälte, die schon jetzt mehr als 100 Millionen Dollar Honorar kassiert haben.

Meine Damen und Herren, da liegt es doch ganz klar auf der Hand, dass weitere und immer höhere Forderungen an Deutschland, also an die Steuerzahler gestellt und gerichtet werden. Tatsache ist auch, dass die Wirtschaftsunternehmen die größten Schwierigkeiten haben, die zugesagten fünf Milliarden DM aufzubringen. Von den zugesagten fünf Milliarden DM konnten bis jetzt erst zwei Milliarden DM von den Unternehmen aufgebracht werden. Das heißt also, meine Damen und Herren, ein Minus von sage und schreibe drei Milliarden DM! Man kann also mit Sicherheit davon ausgehen, dass der Bund, also die Steuerzahler, mit weiteren drei Milliarden DM belastet wird.

Hinzu kommt, dass die Unternehmen ihre Zahlungen von den Steuern absetzen können. Das heißt, dass diese Hälfte ebenfalls zu Lasten der Steuerzahler geht. Man könnte also mit Fug und Recht behaupten, dass der deutsche Steuerzahler wie eine heiße Zitrone erpresst und ausgepresst wird,

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Sie sollten sich schämen!)

und das, wo auf der anderen Seite Politiker der etablierten Parteien laut Aussage des Bundes der Steuerzahler Steuergeldverschwendung in Milliardenhöhe begangen haben! Weitere Steuergeldverschwendungen werden folgen, dessen bin ich mir ziemlich sicher, meine Damen und Herren.

Jedenfalls gegen diese unsozialen Machenschaften gegen das deutsche Volk wird die Deutsche Volksunion, und nur die Deutsche Volksunion, als einzige und wahre Opposition ihre Stimme, die Stimme des deutschen Volkes, in den Parlamenten, in denen sie vertreten ist, unüberhörbar erheben.

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Unerträglich!)

Es ist allerdings kein Wunder, dass die meisten Wirtschaftsunternehmen sich finanziell nicht an diesem Entschädigungsfonds beteiligen. Sie sehen nicht ein, dass sie hier bezahlen sollen, ohne Rücksicht darauf, ob sie während des Krieges so genannte Zwangsarbeiter beschäftigt haben oder nicht.

(Glocke)

Herr Abgeordneter Tittmann, durch Ihre Wortwahl verletzen Sie die Würde der betroffenen Personen, die unter diesem System gelitten haben!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich erteile Ihnen hiermit einen Ordnungsruf!

Also, ob diese Zwangsarbeiter damals beschäftigt waren oder nicht, ob sie diese angefordert haben oder nicht, ob sie von den damaligen Behörden zugewiesen wurden oder nicht, ob ihre heutige Firma überhaupt noch Rechtsnachfolger des Vorgängers aus der Kriegszeit ist oder nicht, mit dem man vielfach nur noch den Namen gemein hat!

Auch wer während des Krieges in Deutschland arbeitete, war eben nicht automatisch ein NS-Geschädigter. Zahlreiche Beispiele belegen, dass im Krieg viele freiwillige Arbeiter in Deutschland gearbeitet haben, die von den Unternehmen gerecht entlohnt und anständig behandelt worden sind. Darüber hinaus sollte man die Tatsache eines Missbrauchs und Zweckentfremdung von Wiedergutmachungsgeldern und Entschädigungsgeldern nicht außer Acht lassen. Ich erinnere hier nur einmal an einen Fall einer schändlichen Zweckentfremdung, sprich Betrug, von sage und schreibe 30 Millionen DM Wiedergutmachungsgelder durch den ehemaligen Chef des Zentralrats der Juden in Deutschland, Herrn Werner Nachmann.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Sie sind ein Volksverhetzer! — Abg. B e c k m e y e r [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Nachmann hat nachweislich Millionenbeträge aus der deutschen Steuerkasse, gezahlt für NS-Opfer, in sein ruiniertes Unternehmen gesteckt. Der Schaden wird auf 30 Millionen DM beziffert. Bei allen politischen Verzerrungen unserer Zeit sollte endlich wieder mehr Augenmaß gelten und Normalität eintreten, nicht zuletzt sind wir das den unzähligen deutschen Opfern schuldig, die schuldlos erbarmungslos verschleppt, geschändet, missbraucht und grausam getötet, namenlos und würdelos irgendwo verscharrt worden sind.

(Glocke)

Herr Abgeordneter Tittmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Beckmeyer?

Nein, ich bin noch nicht zu Ende! Herr Dr. Kuhn, Ihre Eingangsrede von heute Morgen — —.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das können Sie doch gar nicht be- urteilen, die Rede, Sie sind doch hinausge- gangen!)

Der musste ich nicht unbedingt zuhören! Ich bin es nämlich leid, wie viele Millionen andere Deutsche auch, mir bis in alle Ewigkeit einseitig, ich betone einseitig, Schuld, Sühne und Buße in der Rede anhören zu müssen! Ich denke, es ist endlich einmal an der Zeit, aller Opfer des schrecklichen Krieges zu gedenken, zum Beispiel auch, laut Schwarzbuch des Kommunismus, weit über einer Million Opfer des kommunistischen Regimes zu gedenken. Selbstverständlich müssen wir als politisch Verantwortliche dafür sorgen, dass wir Krieg, Mord und Vertreibung verhindern und dass dies nicht wieder vorkommt. Das ist selbstverständlich. — Ich bedanke mich!

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Böhrnsen.

(Abg. Frau B e r k [SPD]: Hier stinkt es, wenn Sie hier vorn gestanden haben!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mich für diesen schlimmen und unerträglichen Beitrag bei unserem holländischen Gast herzlich entschuldigen.

(Starker Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der so genannte Abgeordnete Tittmann hat heute erneut eindrucksvoll gezeigt, dass er in einem demokratischen Parlament nichts zu suchen hat.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Tittmann, wir lassen uns durch Ihre Beiträge unsere Initiative, die notwendige und bescheidene Initiative zur Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern, nicht beschmutzen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort Frau Senatorin Adolf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es fällt mir schwer, nach diesem Beitrag von Herrn Tittmann noch zu reden, aber ich will trotzdem für den Senat hier Stellung nehmen. Der Senat hat bereits in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass er die moralische Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger der Stadt und dieses Landes für das unermessliche Unrecht des Nazi-Regimes anerkennt. Als eines der ersten Bundesländer hat Bremen Mittel zur Verfügung gestellt, um Opfern des Nationalsozialismus, die nach anderen Entschädigungsgesetzen keine Ansprüche geltend machen konnten und können, im Rahmen unseres Härtefonds Unterstützung zu gewähren.

Mit Unterstützung des Senats wurde die Geschichte der Zwangsarbeit in Bremen wissenschaftlich aufgearbeitet und dokumentiert. Durch die in diesem Zusammenhang aufgebauten Kontakte zu Zwangsarbeiterverbänden, insbesondere in osteuropäischen Ländern, gibt es eine Vielzahl von Berichten von Zeitzeugen, so dass wir heute ein relativ verlässliches Bild über die Bedingungen von Zwangsarbeit während des Nationalsozialismus in Bremen haben.

Die Kontakte zu ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern waren die Voraussetzung für das vom Senat initiierte Besuchsprogramm, das im letzten Oktober mit dem Verein Valerjan Wrobel durchgeführt wurde, übrigens mit Mitteln, die zur Hälfte durch Spenden von Bremer Unternehmen aufgebracht wurden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dies war ein Besuch, der auch mich persönlich nachhaltig beeindruckt und beschäftigt hat, und ich will diese Gelegenheit nutzen, all denen, die uns diese Kontakte ermöglicht haben, die durch langjährige, im Wesentlichen ehrenamtliche Arbeit dafür gesorgt haben, dass dieses Thema aufbereitet wurde, und in dieser Stadt nicht in Vergessenheit geraten ist und dass wir diese Begegnungen haben konnten, an dieser Stelle herzlich zu danken!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, Sie sehen, der Senat war und ist bemüht, durch humanitäre Gesten seiner moralischen Verantwortung gerecht zu werden und den Opfern Respekt und Anerkennung zu zollen.

Die zwischen den Opferverbänden und den beteiligten Regierungen einerseits und der Bundesregierung und der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft andererseits erzielte Einigung über die Errichtung und Ausstattung einer Stiftung zur Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern ist ein wichtiges historisches Datum. Der Senat hofft, dass es sehr