Protokoll der Sitzung vom 06.06.2000

Es ist doch bezeichnend, dass gerade Herr Hockemeyer, der Präses der Handelskammer, in dieser Situation in die öffentliche Debatte um die Kulturfinanzierung eingegriffen hat, und ich möchte auch sagen, eingreifen musste, um deutlich zu machen, dass Ausgaben für Kultur Investitionen in den Standort Bremen sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Hockemeyer weiß sehr wohl, und er ist ja nun völlig unverdächtig, sich nicht für die Wirtschaftskraft und die wirtschaftliche Entwicklung Bremens einzusetzen, dass der Standort Bremen nur mit einer solchen Konzentration auf eine reine Investitionspolitik nicht wirklich gesunden kann und nicht die entsprechende Ausstrahlung hat, Menschen in Bremen zu halten und Menschen nach Bremen zu locken, wenn die Kultur nicht entsprechend finanziert wird. Erst durch diese ganzen Interventionen im letzten Jahr ist es doch zu dieser Korrektur des Kulturhaushalts gekommen, der uns hier heute vorliegt.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Um 9,5 Millio- nen! Wenn Sie die dazurechnen, haben Sie mehr!)

Sie mussten doch richtig zum Jagen getragen werden!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen — Abg. E c k h o f f [CDU]: Das wollen wir Ihnen nicht zumuten! — Heiterkeit)

Ich wollte schon gerade sagen, was bei Ihnen persönlich ja auch nicht ganz einfach ist! Aber die Auseinandersetzung hat ja auch viel Zeit in Anspruch genommen!

Jetzt stehen wir vor einer Situation, dass der Kulturetat in einer gewissen Weise an das angeglichen

worden ist, was zumindest in diesem Jahr erforderlich ist, um die Kultureinrichtungen aufrechtzuerhalten und ihnen Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Aber das Geld reicht nicht aus, und schon im nächsten Jahr haben Sie eine Lücke von mindestens 3,5 Millionen DM im Haushalt.

Aber noch viel schlimmer, und das wirft auch ein Licht darauf, dass es aus Ihrer Sicht bisher nämlich nicht wirklich um eine Sicherung für die Entwicklung der kulturellen Einrichtungen in Bremen geht, ist die mittelfristige Finanzplanung. Da gehen Sie nämlich davon aus, dass der Kulturetat bis zum Jahr 2005 um 30 Prozent abgesenkt wird, und das ist die eigentliche Katastrophe. Dann wird es nämlich nicht mehr so sein, dass man hier von Synergien reden kann und dass Einrichtungen zusammengelegt werden. Das Resultat daraus ist nichts anderes als eine Abwicklungspolitik, und das ist für diese Stadt fatal.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Man kann doch nicht auf der einen Seite versuchen, alles zu tun, um möglichst viele Menschen nach Bremen zu locken, und dann mit seiner anderen Aktivität genau das wieder vereiteln.

Das ist aber nicht das einzige Problem, sondern wir haben ein großes strukturelles Problem. Sie haben eine Kulturmanagement GmbH ins Leben gerufen als stadteigene Gesellschaft, und es ist nicht wirklich klar gewesen, was denn die Aufgabe dieser Management GmbH ist. Es gab eine gewisse politische Verabredung, dass diese Einrichtung Servicefunktionen übernehmen und die Kultureinrichtungen beraten soll. Das wäre eine sinnvolle Aufgabe. Sie haben sich aber nie wirklich darauf verständigt, die Kulturmanagement GmbH so arbeiten zu lassen, sondern jetzt gibt es permanent Versuche, diese Einrichtung in den Stand zu versetzen, immer mehr Aufgaben zu übernehmen. Damit hat man de facto einen Kultur-Schattensenator. Wollen Sie das? Das wird eine Einrichtung sein, die immer mehr Aufgaben übernehmen soll, Kulturpolitik zu betreiben,

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Herr Eckhoff hat keine Probleme damit!)

aber demokratisch ist sie nicht legitimiert. Eine Privatisierungspolitik in stadteigene Gesellschaften, die nur dazu führt, dass die parlamentarischen Rechte beschnitten werden, dass nur noch über Aufsichtsräte kontrolliert wird und es keine wirklich parlamentarische Verantwortung mehr für diese Bereiche gibt, lehnen wir ab.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

In der Tat wird in den letzten Monaten immer häufiger, nicht nur in Bremen, sondern in der ganzen

Republik, über die Frage gestritten, wozu man eigentlich Kunst und Kultur braucht, und alle sind ja so verliebt in die betriebswirtschaftliche Logik. Auch wir sind der Meinung, gerade auch im Kulturbereich, die Einrichtungen müssen nach betriebswirtschaftlichen Kriterien arbeiten, aber das kann nicht der ausschließliche Maßstab sein. Gerade bei Kunst und Kultur geht es um eine andere Zeitlichkeit, um einen anderen Wertmaßstab, um Qualität, und nur, wenn man den Kultureinrichtungen ermöglicht, auch so zu arbeiten, haben sie eine Chance, sich angemessen weiterzuentwickeln. Deswegen legen wir so großen Wert darauf, dass der Kulturetat in einer Größenordnung bleibt, wie er 1999 gewesen ist.

Wir fordern Sie dringend auf, Abstand zu nehmen von einer Politik, die den Kulturbereich aushungert und damit die Entwicklungsmöglichkeiten Bremens einschränkt. Nur mit einer Kulturszene, die Chancen hat, sich wirklich vielfältig und bunt mit den verschiedensten Ansätzen zu entwickeln, wird man dem Ziel, Bremen lebendig und attraktiv zu erhalten, gerecht.

Wir streiten uns immer um die Frage, was wird investiert für welche Bereiche, was sind wirklich Zukunftsinvestitionen, und der andere Teil ist, wie halten wir wirklich Einwohner in der Stadt, und wie gewinnen wir zusätzliche. Sie sind mit diesem Ansatz, möglichst Einwohner zu halten und neue zu gewinnen, bisher nicht erfolgreich gewesen. Wir haben nach wie vor eine abnehmende Bevölkerungszahl. Das heißt, wir müssen doch ein ausgesprochen großes Interesse daran haben — weil die Menschen, die hier leben, hier ihre Einkommensteuern bezahlen —, möglichst viele Menschen in der Stadt zu halten und zusätzliche zu gewinnen. Das können wir nur, wenn wir diesen Menschen ein entsprechendes Leben, eine entsprechende Lebensqualität liefern mit den entsprechenden Jugendeinrichtungen, mit den Schulangeboten, aber auch mit den Kulturangeboten, die dazu notwendig sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Deswegen unser dringendes Plädoyer, den Kulturetat diesen Erfordernissen anzupassen, deswegen auch unser Wunsch, auch gerade vor dem Hintergrund der Pleite in Bremerhaven mit dem KöllmannPlan zum Ocean-Park, endlich Nägel mit Köpfen zu machen, deswegen unser Vorschlag, in Bremerhaven endlich mit einem Auswanderermuseum zu beginnen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir wären schon viel weiter mit den Entwicklungspotentialen in Bremerhaven, wenn wir uns nicht so an Köllmann gebunden hätten, sondern den Zoo am Meer früher realisiert hätten, das Wohnen am Wasser, und auch diese kulturelle Verstärkung im Sinne

der Stadt, wo sie ihre wirklichen eigenen Potentiale hat,

(Abg. T e i s e r [CDU]: Sie können doch mit einem Museum nicht die Welt verän- dern, Mensch!)

und das sind Auswanderungen in Bremerhaven auf jeden Fall. Das gehört zu einem Teil der Entwicklung für Bremerhaven dazu, und deswegen fordern wir Sie auf, hier aktiv zu werden!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Koestermann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss jetzt in fünf Minuten hier einen Spurt durch Kultur und Sport machen.

(Zuruf vom Bündnis 90/Die Grünen: Sie haben doch zehn Minuten!)

Ich habe nur fünf Minuten, und darum muss ich mich jetzt beeilen. Sie dürfen die Uhr erst anstellen, wenn ich wirklich anfange, damit die Zeit auch voll genutzt wird.

Wir sind heute unter anderem hier, um über einen Haushalt zu beschließen, der ein Jahr in unserer Stadt für große Aufregung gesorgt hat, den Kulturhaushalt. Von Beginn an wurde immer deutlicher, dass ein Eckwert von 128 beziehungsweise 127 Millionen DM viel zu wenig sein könnte, um die gewachsenen Strukturen in unserer kulturellen Landschaft am Leben zu erhalten. Mit dieser Erkenntnis begann der Kampf um eine Erhöhung der Eckwerte. Unter allen betroffenen Personen und Einrichtungen entstand eine große Solidarität mit dem gemeinsamen Ziel, den Kulturhaushalt finanziell so abzusichern, dass eine Grundversorgung sichergestellt ist und so lange auf einer sicheren Finanzbasis gearbeitet werden kann, bis durch Umstrukturierungen und kulturelle Umorganisationen eine Arbeitsgrundlage geschaffen worden ist.

Die zweimal 9,5 Millionen DM für einen Kulturumbautopf sind das Ergebnis von langen, zähen Verhandlungen. Damit an dieser Stelle aber kein Missverständnis aufkommt: Der Umbautopf ist keine Eckwerterhöhung. Er gibt uns lediglich die Luft, die wir brauchen, um in den nächsten zwei Jahren die Änderungen einzuleiten, die notwendig sind, Einsparungen vorzunehmen und Mehreinnahmen bei den Einrichtungen zu erreichen.

(Abg. M ü t z e l b u r g [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie wollten doch 13 Millionen!)

Ich nicht! Ich würde die lieber noch dazu haben! Da haben Sie mich irgendwie falsch verstanden! Diese für 2000 und 2001 jeweils bereitgestellten 9,5 Millionen DM geben uns die Möglichkeit, in Ruhe an einem Kulturentwicklungskonzept zu arbeiten. Ziel ist es, die kulturelle Vielfalt in unserer Stadt zu erhalten und durch Umstrukturierungen und Synergien die Einrichtungen finanziell abzusichern. Dies wird ein hartes Stück Arbeit. Alle Beteiligten, die Einrichtungen sowie die Verwaltungsebene sind aufgefordert, dieses Ziel gemeinsam zu erreichen. Allerdings wird dies ohne schmerzliche Einschnitte nicht zu erreichen sein. Die KMB, deren Arbeit die Koalitionäre hoch schätzen und die wir auch sehr unterstützen, wird alle Vorgänge begleiten und Arbeitsmaterial zur Verfügung stellen, das gebraucht wird, um gerechte und sinnvolle Lösungen zu finden. Aber es geht nicht nur um das Geld. Wir müssen auch eine Diskussion um den Stellenwert der Kultur und deren Inhalte beginnen. Kultur lässt sich nicht nur in Zahlen, Daten und Fakten messen. Kultur ist eine Grundvoraussetzung für ein menschenwürdiges Miteinanderleben in unserer Gesellschaft. Kultur darf nicht als Luxus gelten, auch wenn die Finanzmittel knapp sind. Wir müssen eine kulturelle Grundversorgung sicherstellen und die Erbringung kultureller Spitzenleistungen sichern. Wenn wir die zweimal 9,5 Millionen DM Umbautopf bedächtig und vernünftig einsetzen, haben wir auch mittelfristig eine Perspektive für eine lebendige Kulturlandschaft. Ich denke, wir haben einen guten Anfang gemacht. Wir haben eine Basis geschaffen, die es uns ermöglicht, einen Umstrukturierungsprozess einzuleiten, der alle kulturellen Potentiale bündelt und diese kulturelle Kompetenz und Kreativität nutzt, um solide kulturpolitische Rahmenbedingungen zu schaffen. Der gegenseitige Austausch von Ideen bietet entscheidende Hilfestellungen bei der Lösung der Probleme und der Gestaltung der Möglichkeiten. Der Kulturstandort Bremen befindet sich in einem Prozess der Neuorientierung. Das Verhältnis zwischen öffentlicher und privater Kulturförderung muss neu ausgelotet werden. Wir, die CDU, sind bereit, uns dieser Herausforderung zu stellen, und wir bitten alle, uns bei dieser schwierigen Aufgabe zu helfen.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt die nächste Kurve, Außenkurve: Sport! Wichtigstes Ziel der Sportpolitik der nächsten Jahre ist es, dass im Sporthaushalt Handlungsspielräume wieder erschlossen und zurückgewonnen werden. Insbesondere die Altlasten aus der vergangenen Legislaturperiode, verursacht von einer anderen Ressortspitze,

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Aber ihr wart doch in der Regierung!)

mit einem Volumen von zirka zwei Millionen DM müssen durch Verkäufe von Sportgrundstücken bewältigt werden. Der Verkauf weiterer Grundstücke muss deshalb vorangetrieben werden.

Nach langem Tauziehen ist es gelungen, die unentbehrliche Erhöhung der Übungsleiterpauschale von einer Million DM zu erreichen. Somit hat der Sport auf diesem Gebiet, meist von ehrenamtlichen Mitarbeitern geleistete Aufgaben, wieder eine Perspektive in der Zukunft.

Das vereinbarte Bäderkonzept wird erst im Jahr 2001 zum Tragen kommen. Um die bereits wieder eröffneten Freibäder in diesem Jahr finanzieren zu können, ist eine Vereinbarung getroffen worden, die mit etwa 600 000 DM im Laufe des Jahres zu Buche schlägt. Eine Weiterentwicklung des vorgelegten Bäderkonzepts ist in diesem Jahr erforderlich, damit auch für die im Bäderbereich und im Schwimmsport Tätigen Planungssicherheit erreicht werden kann.

Wichtig ist es abschließend, dass wir das für den Sport so wichtige Instrument des Stadtreparaturfonds weiter nutzen können. Allen ist zu danken, die auf diese Weise Anteil daran haben, dass wir auf dem Weg der Sanierung der Sportstätten Bremens damit einen wichtigen Schritt vorangekommen sind.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Emigholz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werde es nicht wie die Kollegin Frau Koestermann machen, so eine vermischte Rede zum Sport zu halten. Über das Thema Sport weiß der Kollege Pohlmann viel besser Bescheid, das lasse ich, davon verstehe ich nichts.

Mich reizt es, anders als bei sonstigen Vorträgen, zur Haltung der Kulturpolitik der Grünen etwas zu sagen, und zwar vor dem Eindruck dessen, dass man immer überlegen muss, auf welcher Veranstaltung man welchen Mantel trägt. Ich glaube, ich gerate nicht in die Gefahr, als politischer Zwilling des Kollegen Eckhoff zu gelten, will hier aber eines sagen: Diese 9,5 plus 9,5 Millionen DM Verhandlungsergebnis für die Haushaltsjahre 2000 und 2001 betrachte ich nach der vorangegangenen Diskussion, nach der Ausgangslage unter Sanierungsbedingungen des Landes als riesigen Erfolg.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich glaube, Frau Linnert, wenn ich Sie auf einer Tagung der Linken richtig verstanden habe, wo Sie die Rechtfertigung der Kulturfinanzierung problematisiert haben im Lichte dessen, was denn eine Verkäuferin bei Aldi von Kultursubventionen insbe

sonders für das Theater hätte, müssen wir darüber einmal grundsätzlich reden, ob es unter Sanierungsbedingungen für diesen Bereich nicht ein Erfolg ist, und da sind wir, glaube ich, inzwischen auch nicht mehr ganz klar über die politische Strategie der Grünen.

Eines ist wohl auch klar, wenn man sich die öffentlichen Auseinandersetzungen und Konflikte in der Kultur ansieht, auch in der Amtszeit von Helga Trüpel, die da sicherlich einen etwas geradlinigeren Kurs gefahren hat, hat es erkennbare Probleme gegeben. Das sage ich hier ganz offen, und das sage ich jetzt noch einmal, weil man nicht auf einer Veranstaltung das eine und auf der anderen Veranstaltung das andere sagen kann.