Protokoll der Sitzung vom 06.07.2000

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen — Abg. T i t t - m a n n [DVU] meldet sich zu einer Zwi- schenfrage — Glocke) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Präsident Weber: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Tittmann? Abg. Frau Hannken (CDU): Nein! Ich habe hier eine begrenzte Redezeit, und ich denke, es gibt einen Konsens zwischen den demokratischen Parteien zu diesem Thema, so dass man auch mit fünf Minuten Redezeit auskommen kann, um die Bedeutung dieses Themas darzustellen. Ich habe auch nicht das Gefühl, Herr Tittmann, dass Sie zu diesem Thema wirklich etwas beizutragen haben.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Ich kann mich vielen Argumenten, die Frau Stahmann hier schon gesagt hat, anschließen. Auch dass Jugend im Parlament nur ein Bestandteil ist und nicht der einzige, um Jugendliche für Politik zu interessieren und Jugendliche an Politik heranzuführen. Dazu bedarf es mehr als nur Jugend im Parlament, aber ich denke, es ist ein erster Ansatz, und es ist ein positiver Ansatz dafür.

Man muss allerdings auch deutlich sagen, Jugend im Parlament ist nur ein Angebot an die Jugendlichen. Die Jugendlichen müssen es annehmen und müssen gemeinsam mit uns etwas daraus machen. Ich denke, deshalb kann man auch nicht abschließend hier schon ein großes Statement machen, dass es der Durchbruch ist und der Erfolg. Man kann aber jetzt sagen, wir haben den ersten Schritt getan, wir haben ein Angebot gemacht, und wir hoffen, dass wir damit wirklich Jugendliche an Politik heranführen können, dass wir Jugendliche für Politik interessieren und gemeinsam etwas dafür machen können.

Ich will auch gleich, weil Sie es angesprochen haben, ich denke, der Vertreter der Sozialdemokraten wird auch noch einmal darauf eingehen, einen Satz zur Wahlrechtsdiskussion sagen. Sie steht heute nicht im Mittelpunkt der Diskussion. Wir haben auch schon ausführliche Diskussionen dazu geführt, und Sie kennen auch unsere Argumente. Deshalb möchte ich es nur noch einmal darauf reduzieren, sicherlich ist Jugend im Parlament nicht die Beteiligungsform von Jugendlichen direkt, aber es hängt eben davon ab, was wir daraus machen, wie wir die Argumente und wie wir die Belange von Jugendlichen aufnehmen.

Sie haben über das Projekt Jugend im Parlament die Möglichkeit, direkt und selbst ihre Argumente zum Ausdruck zu bringen und nicht nur die Möglichkeit, anderen Menschen die Stimme dafür zu geben. Das war immer unser Hauptargument. Wir wollen das aktive und passive Wahlrecht nicht voneinander trennen. Wir wollen den Jugendlichen selbst die Möglichkeit geben, ihre Meinung zu vertreten.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb ist es für uns auch ganz wichtig, darauf zu achten, wie die Zusammensetzung von Jugend im Parlament ist. Das hat nichts damit zu tun, ob wir finden, dass die eine oder andere Organisation eine Meinung hat, die wir auch teilen, sondern es soll darum gehen, neue Jugendliche, also Jugendliche, die sich bisher noch nicht so sehr für Politik interessiert haben, an die Politik heranzuführen und hier nicht nur eine Parteijugend sitzen zu haben. Jugend im Parlament soll keine parteipolitische Diskussion sein, sondern Jugend im Parlament soll die Belange von Jugendlichen hier breit ansprechen können, so dass wir sie auch berücksichtigen können.

Wir sind deshalb auch ganz froh, dass die Schulen noch einmal aufgenommen worden sind, dass sich wirklich die Schulen dafür interessieren, ihre Jugendlichen für Jugend im Parlament kandidieren und sich hier beteiligen können. Deshalb haben wir auch die Schulen aufgenommen. Ich hoffe auch, dass wir durch die Debatte heute noch einmal ein bisschen Interesse dafür wecken können.

Ich würde mir auch wünschen, dass vielleicht die Presse noch einmal das eine oder andere aufnimmt, dass wir das wirklich breit publik machen, dass wir um Jugendliche werben und dass sie sich auch an diesem Projekt beteiligen können.

(Beifall bei der CDU)

Abschließend möchte ich sagen, dass das ein Angebot an die Jugendlichen ist. Das Ergebnis hängt im Wesentlichen allerdings auch von uns ab. Es hängt von uns ab, wie weit wir wirklich die Belange der Jugendlichen, die dort diskutiert werden, die Argumente, die vorgebracht werden, die Ideen, die dort entwickelt werden, berücksichtigen, inwieweit wir diese Interessen auch in unsere Politik aufnehmen.

Sicherlich kann man nicht mit einer zweimaligen Veranstaltung in einer Legislaturperiode alle Interessen berücksichtigen. Ich glaube aber, es ist ein erster Schritt, so dass wir auch in Zukunft sagen, wir gehen mehr auf Jugendliche zu, wir wollen ihre Interessen mehr berücksichtigen, und wir wollen uns auch mehr damit auseinander setzen.

Ich habe einmal während einer der letzten Diskussionen, ich glaube, in der vorherigen Legislaturperiode, gesagt, dass ein paar junge Gesichter diesem Parlament auch nicht schaden würden. Ich bin froh, dass alle Parteien das aufgenommen haben. Ich will jetzt nicht sagen, dass es meinetwegen aufgenommen worden ist, aber ich bin schon froh, dass in diesem Parlament auch jüngere Vertreter sind und wirklich alle Altersschichten vertreten sind und Politik machen. Ich hoffe, dass wir dadurch die Interessen aller Altersgruppen hier stärker berücksichtigen können.

(Beifall bei der CDU)

Zuletzt möchte ich noch den Hinweis geben, dass die Forderung Jugend im Parlament schon vor einigen Jahren von der Jungen Union erhoben worden ist. Man kann sich zum Beispiel auch durch das Jugendparlament ersparen, dass der eine oder andere Fraktionsvorsitzender wird, bevor es durchgesetzt wird. — Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Pietrzok.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Tittmann und die DVU sind aus meiner Sicht Teil eines Problems, und wir versuchen, mit dem Projekt Jugend im Parlament einen kleinen Beitrag als Teil einer Lösung zu leisten.

Wir haben ein Problem, das die Politik betrifft, und das gilt ganz besonders im Hinblick auf Jugendliche. Der Begriff Politikverdrossenheit ist ja schon oft benutzt worden, aber eigentlich sehr allgemein. Wir müssen ganz ehrlich sein: Das Image derjenigen, die in der Politik tätig sind, und das Politikimage selbst ist gerade unter Jugendlichen nicht besonders gut. Es gibt ein hohes Maß an Misstrauen gegenüber Personen und auch gegenüber der Politik ganz allgemein bei Jugendlichen. Es gibt mindestens ein Unverständnis und manchmal vielleicht sogar Enttäuschung und Wut von Jugendlichen wegen der komplizierten Sachzwanglogik von Gesetzen, der Interessengruppen, der Finanzrahmen und vielleicht auch der persönlichen Interessen, die einzelne Personen bewegen zu handeln.

Parlamentarische Debatten werden von Jugendlichen oft als folgenlos empfunden, und manchmal, das muss ich ganz ehrlich sagen, habe ich auch gedacht, dass sich im Parlament Dinge viel leichter und schneller bewegen lassen. Das ist etwas, was Jugendliche natürlich ganz stark bewegt, weil sie ein Interesse daran haben, unmittelbare Auswirkungen ihres eigenen Handelns und auch des politischen Handelns zu sehen. Vor diesem Hintergrund muss man sich noch einmal ansehen, wie Jugendliche darauf reagieren. Viele Jugendliche lesen zum Beispiel keine Zeitung mehr. Wenn wir uns aktives Informationsverhalten anschauen, wenn wir uns anschauen, wie viele Jugendliche noch politische Veranstaltungen besuchen, dann müssen wir feststellen, dass es einfach nicht mehr so viele sind. Die Wahlbeteiligung ist gering, und es gibt mittlerweile auch so etwas wie Protestwahlen.

Wir müssen einfach feststellen, dass uns der Zeitgeist durchaus ins Gesicht bläst. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns als Politikerinnen und Politiker natürlich engagieren, und ich finde, das ist sehr richtig, was Frau Stahmann vorhin deutlich gemacht hat. Wir müssen hier auch noch einmal trennen! Es

gibt zwei verschiedene Ansätze. Das eine ist tatsächlich, dass wir mit politischen Bildungsprozessen und Projekten arbeiten, und das andere sind Fragen der Beteiligung, die wir auch noch zu diskutieren haben. Die Fragen der Kinder- und Jugendparlamente, Kinderbeauftragte, Wahlalter 16 Jahre, Jugendratschläge und stärkere Förderung in Gremien und unseren Organisationen sind schon angesprochen worden, und sie müssen auch weiter diskutiert werden. Wenn wir also das als Ausgangslage sehen und diese Probleme zur Kenntnis genommen haben, wie wir das getan haben, dann muss die Frage lauten: Welche Werkzeuge haben wir in der Kiste, um das Problem anzugehen, dass gerade junge Menschen sich durch Politik, die wir machen, nicht ausreichend vertreten und verstanden fühlen und nicht verstehen, was Politiker treiben? Wie wir das angehen wollen, das ist die zentrale Frage! Den Kritikerinnen und Kritikern, die dann sagen, Jugend im Parlament sei kompetenzlos und eher darstellendes Spiel als eine wirkliche Beteiligung, muss man sagen: Wir sollten nicht heftig und langatmig debattieren, welches die richtigen und welches die falschen Werkzeuge in der Kiste sind, die wir zur Verfügung haben. Dann täten wir wieder das, was wir aus Sicht junger Leute gerade zu oft machen. Wir sollten vielmehr versuchen, alle Werkzeuge, die wir zur Verfügung haben, zur Anwendung zu bringen, damit wir die Jugendlichen in Zukunft besser erreichen können. Ich möchte Kritik an denen üben, die dieses Projekt als einen dramatischen Kurswechsel in Hinblick auf das Umgehen mit jungen Menschen oder gar als Beteiligung bezeichnen. Wir sollten nicht solche Erwartungen erzeugen. Die kann das Projekt Jugend im Parlament nicht erfüllen!

(Beifall bei der SPD)

Man muss ehrlich sagen: Jugend im Parlament kann keine Entscheidungen anstelle der Bürgerschaft fällen, dafür fehlt die Legitimation. Auch dieses Projekt ist eben nur ein Werkzeug innerhalb unserer Kiste, und wir werden dieses Werkzeug benutzen. Wer die Mitteilung des Bürgerschaftvorstands gelesen hat, erkennt ja auch, Jugend im Parlament ist nur ein Angebot der politischen Bildung, und es muss ganz viele unterschiedliche Angebote geben. Für Fragen, wie überhaupt ein parlamentarisches Verfahren funktioniert, welche Strukturen es gibt, wie ich meine Interessen oder Lösungsansätze durchsetzen muss, wie sich Entscheidungen entwickeln, bieten wir jetzt exemplarische Lernformen an. Dass wir dieses Haus dafür auch zur Verfügung stellen können, ist ein deutliches Signal. Für die SPD-Fraktion ist es so, dass wir diese Initiative nicht nur befürworten, sondern wir werden

dieses Projekt aktiv unterstützen. Wir werden uns zum Austausch, zum Dialog anbieten, wir werden an den Debatten teilnehmen, und wir können natürlich nicht versprechen, dass wir die Beschlüsse in den Deputationen einfach übernehmen werden. Wir werden sie jedoch ernst nehmen und in den entsprechenden Strukturen natürlich beraten, so dass die Jugendlichen sich auch ernst genommen fühlen können.

Ich hoffe, dass wir auf dieser Grundlage auch die anderen Fraktionen gewinnen können. Ich bin sicher, dass es uns so gelingen wird, und ich hoffe, dass das als ein Versuch, den wir noch auszuwerten haben, ein Erfolg wird. — Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss eben kurz nach vorn. Herr Pietrzok, dass ich für Sie und für die anderen Anwesenden hier ein Problem bin, das glaube ich Ihnen gern! Das macht mich stolz, und darüber bin ich auch froh, und das wird auch so bleiben! Das ist keine Drohung, das ist ein Versprechen!

(Unruhe)

Ich habe jetzt das Wort! Bleiben Sie einmal ganz ruhig, sonst kommen Sie nach vorn!

Fräulein Hannken, Sie wissen doch ganz genau, dass ich hier von den meisten Ausschüssen ausgeschlossen werde. Können Sie mir einmal verraten, wie ich daran beteiligt werden kann, wenn ich ausgeschlossen werde, in den Ausschüssen außerhalb des Parlaments mitzuarbeiten? Das ist ja wohl unmöglich!

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Sie arbei- ten ja auch in den Ausschüssen nicht mit!)

Halten Sie einmal den Mund!

Nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, dass wir uns in Bremerhaven zu dem Problem Jugend im Parlament des Öfteren gemeldet haben und es auch durch effektive Reden bekundet haben! Das nehmen Sie bitte zur Kenntnis und verbreiten hier nicht Unwahrheiten! — Danke!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von dem Bericht des Vorstands Kenntnis.

Bericht des Vorstandes der Bremischen Bürgerschaft nach § 24 Bremisches Abgeordnetengesetz (AbgG) vom 29. Juni 2000

(Drucksache 15/396)

Wir verbinden hiermit:

Gesetz zur Änderung des Bremischen Abgeordnetengesetzes und des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder von Deputationen

Antrag des Vorstands vom 27. Juni 2000 (Drucksache 15/397) 1. Lesung 2. Lesung

Wir kommen zur ersten Lesung. Meine Damen und Herren, die Beratung ist eröffnet. Es ist Tradition in diesem Haus, dass der Präsident der Bremischen Bürgerschaft dazu eine Erklärung abgibt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Vorstand der Bremischen Bürgerschaft legt Ihnen heute auf der Grundlage eines einstimmigen Beschlusses im Vorstand den Bericht zur Diätenanpassung, das Gutachten der unabhängigen Diätenkommission und die entsprechenden rechtlichen Regelungen vor. Der Vorstand beantragt, die Entschädigung der Abgeordneten ab 1. Juli 2000 um 75 DM auf 4735 DM, das sind etwa 1,6 Prozent, zu erhöhen. Angesichts der überwiegenden Zahl der Tarifabschlüsse im letzten und in diesem Jahr halte ich diese Erhöhung auch unter Berücksichtigung der Haushaltslage für maßvoll. Zugleich schlagen wir Ihnen vor, den Erwerbsausfall für berufstätige Abgeordnete, der seit 1979 unverändert ist, von 30 DM auf 40 DM zu erhöhen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit ist die Beratung geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer das Gesetz zur Änderung des Bremischen Abgeordnetengesetzes und des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder von Deputationen in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, CDU und Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Abg. T i t t m a n n [DVU])

Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

Meine Damen und Herren, interfraktionell wurde vereinbart, Behandlung und Beschlussfassung in erster und zweiter Lesung vorzunehmen.

Ich lasse deshalb darüber abstimmen, ob wir jetzt die zweite Lesung durchführen wollen.