Protokoll der Sitzung vom 13.09.2000

Darüber hinaus ist aber auch wichtig, dass in der Schule die Grundlagen stärker gelegt werden als bisher, den Übergang von der Schule in den Beruf zu gestalten, das heißt, Schülerinnen und Schüler müssten schon in der Schule, noch mehr, als dies bisher der Fall ist, auf die künftige Arbeitswelt und was sie im Beruf erwartet, vorbereitet werden.

Wenn bisher immer noch über 50 Prozent der weiblichen Schulabgänger und immerhin über 30 Prozent der männlichen sich für Berufe entscheiden, die auf der Liste der Topten stehen, in denen solche Berufe stehen wie Verkäuferin, Friseurin, Maler und Lackierer, Kfz-Mechaniker und Heizungsmonteur, dann zeigt dies eben doch, dass wir es bisher nicht geschafft haben, die Vielfalt von Berufsmöglichkeiten in einer modernen Arbeitswelt den Kindern und Jugendlichen nahe zu bringen. Ich glaube, dass die Schule da eine große Aufgabe und eine große Verantwortung hat, der sie mehr als bisher auch nachkommen muss. Ich denke, dass der Schulversuch, das Projekt am Landesinstitut für Schule, für neue Projekte zur Berufs- und Arbeitsorientierung in den Schulen hier der richtige Weg ist.

Ich würde auch generell sagen, dass es auf drei Dinge ankommt. Erstens: Über den herkömmlichen Arbeitslehreunterricht in der Sekundarstufe I, an der Haupt- und Realschule, hinaus muss unbedingt an den Gymnasien, auch an der Sekundarstufe I, ein entsprechender berufsorientierender Unterricht eingeführt werden. Zweitens: Die Berufspraktika müssen in den Betrieben, die eigentlich eine wertvolle Orientierungsmöglichkeit für Schülerinnen und Schüler sind, von den Schulen besser ausgebaut und begleitet werden. Natürlich müssen die Betriebe auch die entsprechenden Praktika zur Verfügung stellen.

(Glocke)

Drittens ist es auch notwendig, in der Oberstufe, in der Berufsschule und in der gymnasialen Oberstufe eine stärkere Berufs- und Studienorientierung der Schüler mit der Vielfalt der Berufswelt, jetzt nicht nur auf die IT-Berufe bezogen, in der Schule für die Schüler auch zur Verfügung zu stellen.

An dieser Stelle ist es Mittag geworden, und die Glocke klingelte auch, ich möchte deshalb erst einmal abbrechen. Zusammengefasst, ich denke, wir sind auf einem guten Weg, aber wir sollten uns auch keine Vorstellung darüber machen, dass das nun einmal so einfach und so hopplahopp zu machen ist.

Ich glaube, wir werden noch viel Mühe, Anstrengungen, Geld, aber vor allen Dingen auch Gehirnschmalz entwickeln müssen, um wirklich das zu erreichen, was wir auch erreichen wollen. — Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Mit der Uhrzeit, Frau Kollegin, da haben Sie Recht gehabt.

Ich unterbreche die Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 13.04 Uhr)

Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 14.33 Uhr.

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Land- tag) ist wieder eröffnet.

Auf dem Besucherrang begrüße ich den Beirat zur Vergabe von Leistungen für vergessene Opfer des NS-Regimes, insbesondere Herrn Willy Hundertmark, und eine Gruppe des Gustav-Heinemann-Bürgerhauses. — Herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir setzen die Aussprache zu Tagesordnungspunkt fünf, Arbeit und Ausbildung in Informationsund Technologieberufen, fort.

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dreyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach der Mittagspause ist es immer schwierig, in das Thema zurückzufinden, aber wir versuchen es vielleicht gemeinsam. Ausbildung im IT-Bereich, meine Damen und Herren, Frau Ziegert und auch Frau Stahmann hatten ja noch einmal angemerkt, dass dieser Bereich vielleicht nicht so ganz genau und präzise gefasst, also nicht genau definiert werden kann. Das ist nicht so ganz richtig, denn wir haben in unserer Großen Anfrage, die wir als CDU eingebracht haben, konkret nach sechs ITBerufen gefragt. Leider sind die Antworten etwas unpräzise, und darum haben wir uns ja auch in der ersten Runde damit etwas beschäftigt.

In der zweiten Runde, meine Damen und Herren, will ich darauf eingehen, ob die Schule die Jugendlichen auf den Wandel in der Arbeitswelt eigentlich ausreichend vorbereitet. Der Senat meint in diesem Fall, dass nachprüfbare Kenntnisse in Mathematik,

Physik, Englisch und Deutsch erforderlich sind, und nachprüfbar, finden wir als CDU, ist doch ein etwas verschwommenes Wort, weil es hier ja um Schlüsselqualifikationen für den IT-Bereich geht. Die Handelskammer spricht das etwas deutlicher aus, und zwar im „Weser-Kurier“ vom 4. April dieses Jahres, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Ein gutes Abschlusszeugnis der Realschule und das Abitur sind gefordert und vor allem sehr gute Noten in Mathematik, Physik, Englisch und Deutsch.“

Hier ist erneut eine Diskrepanz zwischen der Meinung der Arbeitssenatorin und der Realität in den Ausbildungsbetrieben zu konstatieren, und ich meine, darüber müssen wir eine Klärung herbeiführen, dass wir da etwas genauer in den Worten werden. Schlüsselqualifikationen, meine Damen und Herren, sind kein Baustein. Sie sind das Fundament für einen erfolgreichen Start in die neuen IT-Berufe, und sie sind das Fundament für eine berufliche Zukunft, die auf dem bereits Erlernten aufbaut und sich weiter und erfolgreich entwickeln kann.

(Beifall bei der CDU)

Unser bildungspolitischer Sprecher, Herr Bürger, hat für die CDU-Fraktion immer wieder die Vermittlung von Basiswissen eingefordert und hat sehr vieles an positiven Veränderungen in der letzten, aber auch in der laufenden Legislaturperiode erreicht.

(Beifall bei der CDU)

Da ist er gerade! Willkommen, Herr Bürger, ich rede gerade positiv über Sie!

(Abg. B ö h r n s e n [SPD]: Ist das eine Ausnahme? — Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Wie sollen wir das denn jetzt verste- hen? — Zurufe)

Ich kann über meinen Kollegen Bürger immer nur positiv reden, weil er der qualifizierteste und netteste Kollege ist, den ich kenne!

(Zurufe: Oh!)

Meine Damen und Herren, oft ist aber mein qualifizierter Kollege, Herr Bürger — —.

(Unruhe)

Können Sie ein bisschen für Ruhe sorgen, Herr Präsident?

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Das hat zu mir auch noch keiner gesagt, dass ich der Net- teste bin! — Heiterkeit — Glocke)

Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit für die Rednerin!

Wenn man mit Positivem kommt, ist das Parlament immer lebhaft, das freut mich, meine Damen und Herren! Oft ist aber mein Kollege, Herr Bürger, auch an Mauern unseres Koalitionspartners gescheitert, leider, und Dutzende von bildungspolitischen Debatten in diesem Hause haben dies deutlich gemacht, sie lassen sich im Archiv lückenlos nachlesen.

Fakt ist aber, dass rund vier Millionen Menschen in Deutschland Arbeit suchen, und Fakt ist weiterhin, dass Hunderttausende Stellen in Deutschland unbesetzt sind. Menschen und Unternehmen finden nicht mehr zueinander, weil auch im Bildungssystem, das übrigens in der Verantwortung der Länder liegt, die Weichen nicht immer zeitnah auf Zukunft gestellt worden sind. Doch leider haben unverdrossen einige Politiker die Realität geleugnet, haben zum Beispiel die Ergebnisse der TIMMS-Studie, die wir hier im Haus auch ausgesprochen positiv diskutiert haben, negiert, haben Leistungsvergleiche und Leistungstests abgelehnt beziehungsweise nur sehr zögerlich mitgetragen.

Darum konnten alte Strukturen nicht den neuen Herausforderungen immer zeitnah angepasst werden. Erst jetzt, nachdem der niedersächsische SPDMinisterpräsident Gabriel — übrigens ganz ohne Mitwirkung seiner Kultusministerin — die Abschaffung der Orientierungsstufe gefordert hat und damit für eine Debatte im Sommerloch sorgte, wollen auch die Bildungspolitiker unseres geschätzten Koalitionspartners nachdenken, wollen die eine oder andere Weiche anders stellen. Spät, aber hoffentlich nicht zu spät, meine Damen und Herren, wie wir für die jungen Menschen, die den Einstieg in den Beruf suchen, hoffen!

(Beifall bei der CDU)

Wir sehen also, meine Damen und Herren, die Greencard ersetzt eben nicht die qualifizierte Schulausbildung, sondern macht eigentlich nur deutlich, wo unsere Probleme liegen. Meine Fraktion erwartet jetzt, dass nicht mehr blockiert wird, sondern dass wir gemeinsam und konstruktiv daran arbeiten, den jungen Menschen ein gutes und qualifiziertes Rüstzeug für die Arbeitswelt mitzugeben, auf das sie ihre Zukunft aufbauen können und in das neues Wissen problemlos implantiert werden kann. Das ist ein wichtiger Baustein, und der heißt lebenslanges Lernen.

(Beifall bei der CDU — Abg. Frau H ö - v e l m a n n [SPD]: Das gilt für jeden!)

Das heißt für die CDU-Fraktion nicht nur Deutsch, Englisch, Mathematik und Physik, das heißt auch

eine moderne methodische und didaktische Unterrichtsarbeit, das heißt Leistungskurse in Wirtschaft und Informatik, und das heißt Schulen ans Netz. Da ist zwar in den letzten Monaten einiges in Bewegung gekommen, doch es darf gern etwas schneller gehen, und es darf sich erheblich mehr bewegen, als es bislang zu konstatieren ist.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, als letztes Thema habe ich das Thema Frauen gesetzt, aber nicht weil es unwichtig ist, sondern weil ich es in der Debatte gern abheben möchte. Wagen wir zusammen einen informativen und interessanten Blick zu den Frauen, meine Damen und Herren! Hier klingt in so manchen politischen Debatten, eben auch wieder bei meinen Vorrednerinnen, mit, dass wir Frauen mit den neuen technischen Herausforderungen wohl ein wenig überfordert sein könnten und dass man uns besonders motivieren müsste, uns der neuen Zeit zu öffnen.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Kein Mensch hat das gesagt! — Zuruf der Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grü- nen] — Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Frau Stahmann ist ja ein lebendes Beispiel dafür, dass das nicht stimmt!)

Bleiben Sie doch ganz ruhig! Sie melden sich ja noch einmal, Frau Stahmann, Sie bekommen dann ja das Wort!

Das ist falsch, meine Damen und Herren, und wird der Kreativität von uns Frauen wirklich nicht gerecht. Rufen Sie bitte www.webgirls.de oder auch www.women.de auf, und Sie werden staunen! Bereits jetzt sind dort über 5000 Frauen in Deutschland organisiert. Sie, meine Damen und Herren, finden dort Mailinglisten, Jobbörsen, einen spannenden Erfahrungsaustausch und Workshops zu unterschiedlichen IT-Fragestellungen. Wer unter www.amazoncity.de die Börse für Freiberuflerinnen aufruft, die dort kommerziell werben und internationale Aufträge akquirieren, wird sich wundern, wie spannend die Angebote sind, wie interessant und vor allen Dingen wie humorvoll.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Das hört man!)

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, meine Damen und Herren, Förderwege für Frauen zu den neuen Berufen müssen weiterhin ausgebaut werden. Dies will die CDU-Fraktion, und dies werden wir auch unterstützen und weiter vorantreiben.

(Beifall bei der CDU)

Doch ich bitte alle Beteiligten, in den Debatten zukünftig darauf zu achten, dass die Frauen nicht etwas unangenehm in den Worten behandelt werden,

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Wie bitte?)