Protokoll der Sitzung vom 14.09.2000

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Schuster.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Henkel, Ihren letzten Aufruf, dass man in der Umweltpolitik zur Sachlichkeit zurückkommen muss, kann ich völlig unterschreiben

(Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/ Die Grünen]: Und zurückgeben!)

und zurückgeben.

Man kann den Grünen viel vorwerfen, aber dass sie in der Umweltpolitik nur auf den Ausstieg aus der Kernenergie setzen und ansonsten Kreislaufzusammenhänge nicht begreifen, das geht wirklich vorbei.

(Abg. H e r d e r h o r s t [CDU]: Brau- chen die Grünen jetzt schon einen Anwalt?)

Zum anderen möchte ich betonen, dass viele der umweltpolitischen Vorstellungen der Grünen auch von der SPD geteilt werden, deswegen rede ich auch in eigener Sache, Herr Herderhorst!

Zwei Bemerkungen möchte ich mir allerdings nicht verkneifen. Worüber ich mich richtig freue, ist, dass die CDU-Fraktion das Thema Reduzierung der Umweltbelastung des Verkehrs offensiv in Bremen angehen will. Das finde ich gut.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich freue mich darauf, dass wir die CDU bald beim Wort nehmen können. Diesen Ball greife ich gern auf, und mir fallen viele Maßnahmen ein, wie man in Bremen die Umweltbelastung des Verkehrs reduzieren kann. Darüber werden wir in der Umweltdeputation debattieren, und dann wird sich zeigen, wie ernsthaft bestimmte Äußerungen sind, oder wo dann doch ein paar Haken sind. — Danke schön!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mathes.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht auf Details eingehen. Ich muss natürlich nur das von mir weisen, was Sie mir und uns Bündnisgrünen alles hier vorgeworfen haben. Ich möchte das auch an einem Beispiel machen. Herr Henkel, es tut mir Leid, ich kann Ihre Logik nicht nachvollziehen. Das ist für meine Sicht schon fast kabarettreif, aber lassen wir es.

Ich freue mich natürlich als Sprecherin der Umweltdeputation darauf, ebenso wie Herr Schuster, wenn die CDU umweltpolitisch jetzt auch Maßnah

men mit umsetzt und mit ergreift, das dann zu machen, so dass wir dann wirklich zu Taten kommen und weg von Sonntagsreden. Das wäre wirklich ein Ziel, und dann lassen wir das jetzt so stehen.

Ein Beispiel, was Sie ja genannt haben, ist, dass wir jetzt in der öffentlichen Fahrzeugflotte Biodiesel brauchen, weil Am Wall die Werte hinsichtlich des Rußes zu hoch sind. Da könnten wir ganz einfach verkehrsregelnde und verkehrsbeschränkende Maßnahmen machen. Frau Wilts ist auf das Fahrverhalten eingegangen und so weiter. Wie viele Autos kommen denn von außerhalb? Wie wollen Sie die jetzt alle dazu bringen, mit dem privaten Pkw auf Biodiesel umzusteigen?

Dann sind wir wieder bei dem Punkt der enormen Mengen, die gebraucht werden, und es geht hier im Endeffekt um eine auch umweltmäßige und entlastungsmäßige Optimierung, da den besten Weg zu finden. Der ist hinsichtlich des Einsatzes von Biodiesel in den umweltsensiblen Bereichen belegt durch viele Gutachten, und da haben wir Grüne zusammen mit der SPD die Initiativen eingebracht, und da haben Sie dagegen gestimmt. Das sind Punkte, die dann für mich auch nicht mehr nachvollziehbar sind. — Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Henkel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Dr. Mathes, ich verstehe Ihr Problem. Wenn man einmal ideologisch festgelegt ist, und dann wird etwas gesagt, was gar nicht in das Schema passt, ist das schwer einzuordnen. Dann muss man das einfach ignorieren.

Bleiben wir einmal ganz konkret bei dem Thema Messpunkt Am Wall! Da habe ich Ihnen gesagt, jetzt wiederhole ich es noch einmal, weil Sie es offensichtlich nicht mitbekommen haben, wir haben dort ein hohes Aufkommen an Dieselomnibussen. Das ist etwas anderes als die von Ihnen zitierten Leute, die mit dem Auto in die Stadt kommen. Darauf haben Sie gesagt — als ich in dem Zusammenhang darauf hingewiesen habe —, dann verbieten wir den Leuten, mit dem Auto in die Stadt zu fahren. Wunderbar! Das ist klar, dass Ihnen irgendeine Form von wirtschaftlichem Aufschwung hier in Bremen ein Dorn im Auge ist, das habe ich inzwischen auch gelernt.

Wir werden die Leute nicht aussperren. Wir werden, wenn technische Lösungen so greifbar nahe sind — —. Die sind nicht neu erfunden. Ich könnte Ihnen die ganzen Betriebe aufzählen, die mittlerweile mit Rapsöl fahren. In Graz, und das wird Sie natürlich etwas erstaunen oder in Verlegenheit bringen, sind sie von Greenpeace für ihre Initiative aus

gezeichnet worden, dass sie ihre Fahrzeuge auf Rapsöl umgestellt haben. Hinzu kommt dieses Gebrauchtfett, dieses Speiseöl aus der Gastronomie, das vorher kostenpflichtig entsorgt werden musste — übrigens auch hier in Bremen, nach wie vor, die müssen dafür bezahlen, wenn sie es nicht heimlich entsorgen —, das kann man dort umsonst abliefern. Daran ist ein Beschäftigungsprojekt angehängt, bei dem Langzeitarbeitslose beschäftigt werden, dieses Öl einzusammeln. Das kostet die Stadt Graz überhaupt nichts, weil sie dieses Altöl an den Weiterverarbeiter verkauft, der es zu Biodiesel verarbeitet.

Das heißt, dass dies eine Technologie ist, bei der nicht zusätzlicher Diesel hergestellt wird, sondern Diesel als externer Treibstoff, der uns hier als Bodenschatz auch gar nicht zur Verfügung steht, substituiert wird, wo wir ein kleines Stück Unabhängigkeit von der externen Versorgung gewinnen. Das müssten Sie als Grüne normalerweise, wenn ich Ihre Ansprüche immer höre, begrüßen.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Dr. Mathes?

Selbstverständlich!

Bitte, Frau Dr. Mathes!

Herr Henkel, würden Sie zur Kenntnis nehmen, und ich möchte da wirklich nicht missverstanden werden, dass ich gesagt habe, dass ein nennenswerter Ausbau in dem Bereich des motorisierten Straßenverkehrs keinen Sinn mehr macht? Das heißt nicht, dass die Vorhaben, die bisher gemacht wurden, richtig und wichtig waren. Im Anschluss kommt jetzt meine Frage: Was glauben Sie, wie groß die Anbaufläche für Raps sein muss, um das, was Sie wollen, auch zu erreichen? Wie viel Fläche muss bebaut werden, damit diese Umstellung passieren kann?

Die Frage kann ich Ihnen natürlich, darauf bin ich vorbereitet, gern beantworten. Ich habe auch die genauen Zahlen da. Das sind die hier schon vielfach zitierten eine Million Hektar, das sind drei Prozent der landwirtschaftlichen Anbaufläche. Wir haben in Deutschland allein an Straßen- und Verkehrsflächen von der Gesamtfläche Deutschlands sieben Prozent belegt. Das ist etwa die Hälfte dessen, was wir an Verkehrsfläche haben, wobei übrigens auch der Spruch von der Monokultur unsinnig ist. Sie können Raps nicht immer an derselben Stelle anbauen. Das heißt, Sie müssen Raps in die ganz normale Fruchtfolge einbauen, dann ist das für den Boden gut. Aber wenn Sie Raps immer an derselben Stelle anbauen, wird der Raps nicht

mehr gedeihen, weil er den Boden einseitig belastet. Von daher ist das eine verschwindend geringe Menge. Drei Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche, nicht der Gesamtfläche Deutschlands, wobei 80 Prozent Deutschlands land- und forstwirtschaftlich genutzt werden! Das sind 35 Millionen Hektar.

(Beifall bei der CDU)

Von daher befürchte ich, dass wir heute zu keinem Ergebnis mehr kommen werden, aber ich mache Ihnen einmal folgenden Vorschlag, und ich möchte den auch als versöhnlichen Vorschlag gewertet wissen: Diese Geschichte, die dort in Graz gemacht wird, ist schon einen Schritt weiter. Das ist Öl, das sowieso schon für Speiseöl hergestellt worden ist. Wir sollten uns das einfach einmal gemeinsam anschauen. Ich habe von dem dortigen Umweltamt in Hannover, von der Expo, eine Einladung mitgenommen. Sie haben uns herzlich eingeladen, ich weiß gar nicht, was für eine Partei dort an der Regierung ist, das interessiert mich in dem Zusammenhang nicht,

(Heiterkeit bei der CDU)

sondern es geht nur um die Sache. Lassen Sie uns da einmal hinfahren, dieses von Europa und von Greenpeace prämierte Projekt anschauen, und dann lassen Sie uns einmal ganz sachlich weiterreden! Vielleicht kommen wir doch noch auf einen Nenner.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Wilts?

Ja, bitte!

Bitte, Frau Wilts!

Herr Abgeordneter Henkel, es ist Ihnen vielleicht entgangen, aber das hängt sicher auch damit zusammen, dass es am Dienstag im Fernsehen gesendet wurde, dass solch ein Projekt auch in Niedersachsen schon stattfindet! Dann brauchen wir nicht so weit zu fahren.

Wo bitte? Das ist mir entgangen. Ich habe im Internet alles Mögliche erforscht, aber das habe ich nicht gefunden.

In Niedersachsen!

Auf der Expo in Hannover wird das vorgestellt, das ist richtig. Aber wo in Niedersachsen?

Das werde ich Ihnen in der Umweltdeputation noch genauer sagen.

Wunderbar! Aber wenn wir uns dann schon einmal einigen, dass wir das Thema in aller Sachlichkeit, sine ira et studio, aber mit Sachverstand versuchen weiterzuverfolgen, denke ich, haben wir einen ersten Schritt erreicht. Ich kann Ihnen für die CDU-Fraktion versprechen, weil wir das Thema Umwelt sehr ernst nehmen, wir werden weiter daranbleiben.

Lassen Sie mich doch noch einen Satz sagen! Selbstverständlich weiß ich, dass gerade im Verkehr das Thema Wasserstoff und Brennstoffzelle eine ganz wichtige Zukunftstechnologie ist, aber bevor Sie diese einführen, die ganze Infrastruktur dafür haben, vergeht noch ganz viel Zeit. Lassen Sie mich einmal einen Vergleich bringen, dann bin ich auch fertig: Wenn im Jahre 1890 oder 1894, als Herr Siemens seine erste Elektrolokomotive vorgestellt hat, so als Gartenbahn, alle Konstrukteure gesagt hätten, irgendwann bekommen wir die elektrische Lokomotive und die Oberleitungen, dann lasst uns einmal alle weiteren Entwicklungen liegen lassen, die waren damals zum Beispiel bei der Dampflokomotive, dann hätten wir einen technischen Rückschritt sondergleichen zum Schaden für die Gesamtwirtschaft erlebt. Das heißt, wir müssen, auch wenn wir wissen, dass zukünftig Wasserstoff und Brennstoffzelle eine ganz große Rolle spielen werden, auch für die Zeit bis dahin alles tun, um unsere Umwelt zu entlasten und die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu fördern. Damit schließe ich dann. — Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste hat das Wort Frau Senatorin Wischer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Henkel, ich bedauere natürlich, dass die Antwort des Senats Sie enttäuscht hat, und wer Ihre Redebeiträge heute verfolgt hat, kann das auch nachvollziehen, mit welchem Engagement Sie sich für den Biodiesel einsetzen und dass Sie sich insofern vielleicht anderes vorgestellt haben. Das ist mir auch im Vorfeld der Beantwortung dieser Großen Anfrage schon von Ihnen signalisiert worden.

Lassen Sie mich auch sagen, ich bin überhaupt nicht ideologisch festgelegt, was Sie als Begriff hier eingeführt haben. Es kann hier nicht um Ideologisches gehen, sondern um die Frage einer sehr differenzierten Bewertung eines solchen Stoffes. Vielleicht gestatten Sie mir auch, dass ich Ihre Pauschalkritik am Umweltbundesamt zurückweise. Ich den––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.