Ich möchte wie folgt antworten, Herr Dr. Kuhn: Ich denke, wir können nicht generell auf solche Bedarfe, die plötzlich auftreten, spontan reagieren und sagen, aber selbstverständlich, wir geben hier soundso viel Millionen, die wir natürlich logischerweise gar nicht haben, sondern die wir woanders einsparen müssen. Da frage ich dann bitte: Wo sollen wir die Gelder hernehmen, wo sollen sie denn eingespart werden? Ich denke aber, dass wir diesen sehr wichtigen Punkt, denn inhaltlich wissen Sie ja genau, dass Sie mich in dieser Frage hundertprozentig hinter sich haben, in der Deputationssitzung besprechen, dass ich noch einmal eine entsprechende Vorlage erarbeiten lasse, um der Deputation hier eine Antwort zu geben. Andererseits muss ich auch noch einmal meine inhaltliche Position deutlich machen: Wenn wir der Universität einen Rahmen geben, muss sie mit diesem Rahmen auch klarkommen.
Jetzt jedoch zu den eigentlich unstrittigen Punkten, wo ich aber einfach der Meinung bin, dass ich Sie als Abgeordnete noch einmal speziell darauf hinweisen muss! Herr Mützelburg hat gesagt Referendarausbildung. Ich bin in den letzten Monaten sehr überrascht gewesen, wir hatten das ja bis jetzt zweimal in der Deputation, dass wir die Listen des LIS bekommen, in denen genau steht, wie viel Referendare demnächst in Bremen ausgebildet werden. Ich habe sie das erste Mal eher fragend zur Kenntnis genommen, das zweite Mal staunend, jetzt habe ich eine Liste zurückgehen lassen, die mir vom LIS gegeben worden ist, weil ich überhaupt nicht gesehen habe, dass am Bedarf ausgebildet wird.
Wenn wir wissen, dass uns in wenigen Jahren sehr viele Lehrerinnen und Lehrer fehlen, dann wissen wir auch jetzt schon, jedenfalls wenn wir gut organisiert sind – das wollen wir ja eigentlich, gut organisiert sein –, dass sie für bestimmte Fächer fehlen, und dann müssen wir doch für die Fächer, wo sie demnächst fehlen, mit Nachdruck ausbilden. Jetzt habe ich mich aber informieren lassen, dass wir bisher nicht etwa am Bedarf ausgebildet haben, sondern nach den vorhandenen Ausbildungskapazitäten ausbilden, und das ist nun ein Punkt, den ich überhaupt nicht mehr bereit bin mitzugehen, sondern ich meine, wir müssen am Bedarf ausbilden.
Ich habe außerdem auch gesagt, sofern es denn herauskommt, dass der Bedarf so groß ist, dann müssen wir – damit werde ich Sie auch demnächst befassen, da komme ich nachher noch auf den Punkt, den Frau Hövelmann angesprochen hat – auch noch mehr Geld in die Hände nehmen. Wenn wir nämlich feststellen, dass 90 Referendarplätze nicht ausreichen, dann müssen wir gegebenenfalls den vielen Studenten, die darauf warten, hier eine qualifizierte Ausbildung an unserem LIS zu bekommen, einige Plätze mehr zur Verfügung stellen.
Ich glaube, es ist falsch, wenn wir so blauäugig sind, dass wir das, was vor zehn, 20 oder 30 Jahren an Lehrplänen ausgearbeitet worden ist, zum Teil heute noch umsetzen durch Lehrerinnen und Lehrer, die vor 20 oder 30 Jahren, so wie ich und wie andere hier auch im Parlament, ihre Ausbildung genossen haben. Führende Wissenschaftler, die das zehnmal besser wissen als ich, sagen, dass das, was sie vor zehn Jahren publiziert haben als den derzeitigen Wissensstand, bei weitem überholt ist und dass vielleicht nur noch zehn Prozent von dem, was sie vor zehn Jahren als Fakten niedergeschrieben haben, heute noch Gültigkeit besitzt.
Wenn das stimmt, und ich zweifele nicht, dass das stimmt, dann müssen wir dringend die verantwortlichen Leute bei uns auffordern, und zwar jetzt mit einer kleinen Komponente, die ich sehr wichtig finde, ich glaube, Herr Bürger hatte darauf auch hingewiesen: Wir dürfen das nicht nur den Leuten in der Behörde, am LIS überlassen, sondern wir haben eine Fülle von Informationsquellen. An der Univer
sität, in den Forschungseinrichtungen und auch in der Wirtschaft gibt es Menschen, die sagen, der und der Aspekt ist besonders wichtig, ihn in den naturwissenschaftlichen Bereichen in die Lehrpläne mit einzuarbeiten. Ich habe es bereits vor mehreren Monaten auf den Weg gebracht, hier eine Verzahnung, eine Vernetzung zu unternehmen, um den Stoff, die Lehrpläne so zu gestalten, dass sie auch wirklich auf das hinzielen, was im Augenblick der Sachstand ist, der erwartet wird. Hier habe ich große Zweifel, dass das bisher so vollzogen worden ist. Ein anderer wichtiger Punkt ist die Art und Weise der Umsetzung des Unterrichts, wie er stattfindet. Er kann nicht so motivierend sein, sonst hätten wir nicht diese dramatischen Zahlen, er muss erheblich verbessert werden.
Ich habe bei meinen vielen Besuchen ein Erlebnis gehabt mit Professor Peitgen, viele von Ihnen werden ihn kennen. Ich muss sagen, ich bin ein absoluter Physikfeind, immer gewesen, es gibt ja viele Schülerinnen und Schüler, die hier oben auch noch sitzen, die das vielleicht nachempfinden können, und die Zahlen belegen das ja auch nachdrücklich. Ich habe die Freude gehabt, Herrn Professor Peitgen an der Universität eineinhalb Stunden bei einem physikalischen Vortrag zuzuhören. Ich habe 90 Minuten, das ist ja eine Zeiteinheit, die ich noch sehr gut aus früheren Bereichen kenne, jedem Satz interessiert zugehört. Es ist möglich, habe ich gemerkt, auch sehr komplizierte Inhalte im physikalischen, mathematischen Bereich – –.
(Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/ Die Grünen]: Das hat er sogar schon beim Musikfest gemacht! Das war vielleicht toll!)
Also, wenn wir solche tollen Leute in unserer Stadt haben und die auch bereit sind, das macht er ja permanent, mitzuarbeiten, in so einen Dialog einzusteigen, um Physik, Chemie und Mathematik auch wieder so interessant zu machen, dass die Schülerinnen und Schüler das von sich aus motiviert anpacken und sich dann verstärkt in der gymnasialen Oberstufe dort andocken und dort ihre inhaltlichen Schwerpunkte setzen, dann, glaube ich, haben wir in Zukunft nicht diese Probleme, mit denen wir im Augenblick de facto zu kämpfen haben.
Ja, ist doch schön, wenn man lernt, oder? Man soll nie damit aufhören, Herr Bürger! Zur Begabtenförderung, das ist eigentlich ein Begriff, der mir nicht besonders gut gefällt, er geht mir schwer über die Zunge!
Doch! Wir haben nämlich auch einen Auftrag in erster Linie für die Kinder, die von Haus aus nicht so in die Lage versetzt werden, dass sie über die ganzen Computer und andere Möglichkeiten Motivation erfahren.
Für die, lieber Herr Bürger, da sind wir ein bisschen im Widerspruch, fühle ich mich besonders verantwortlich. Aber fördern und fordern! Es gibt auch eine Menge Schüler, die brauchen zusätzliches Futter.
Nun warten Sie doch einmal ab, seien Sie doch nicht so aufgeregt! Ich komme doch gleich zu Ihrem Thema, was auch mein Thema ist!
Ich finde es sehr wichtig und bin sehr dankbar, dass das Parlament uns die 20 Millionen DM zur Verfügung gestellt hat. Wir arbeiten ganz heftig und mit voller Stärke daran, dies jetzt umzusetzen.
Wir werden im Rahmen dieses Programms, das steht auch in den 17 Seiten, die wir Ihnen ausgearbeitet haben, aber es kommt mir ein wenig zu kurz, unabhängig von der Wochenstundenzahl ab der siebten Klasse möglichst bald beginnen, und zwar ohne eine vier- oder fünfjährige Lehrplandiskussion, mit Hilfe Ihres Programmes umsetzen, für Haupt-, Real-, Gesamtschüler und Gymnasiasten ein zusätzliches Angebot gerade im naturwissenschaftlichen Bereich mit Unterstützung der neuen Medien, mit der Universität in unserem Boot Unterricht nachmittags freiwillig anzubieten. Wir wollen in der Spitze 500 Schüler der siebten, dann der achten, neunten und zehnten Klasse erreichen, um diesen Missstand in den Griff zu bekommen, dass wir in Bremen gerade einmal zwei Leistungskurse Informatik und die dramatischen Zahlen in den Naturwissenschaften hier konstatieren müssen. Zwei Zeitstunden pro Woche sind fast drei Stunden Unterricht. Ich denke, das ist ein ganz positives Signal, und ich glaube, da sind wir gemeinsam auf dem richtigen Weg.
Mein allerletzter Punkt ist der Mädchenbereich, der hier auch heute angesprochen worden ist. Es ist in dem Programm, das wir mit der Universität im Bereich der neuen Medien konkret angehen, so vor
gesehen, dass wir hier auch nicht nur für die einzelnen Schulstufen, sondern auch konkrete Mädchenprogramme anbieten. Das halte ich für unglaublich wichtig, weil das natürlich richtig ist, wenn zwei am Computer sitzen, ist relativ klar, wer die Führung übernimmt. Da gibt es eine gezielte Mädchenförderung. Übrigens, die Zahlen, wenn wir die Vorlage richtig lesen, sind bei den Studienanfängern und auch bei denen, die das Studium abschließen, noch sehr positiv. Herr Dr. Käse hat eher auf die Zahlen hingewiesen, die anschließend die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreffen. Hier sind wir mit der Dienstrechtsreform, die von Frau Bulmahn jetzt auch sehr zügig in Gang gesetzt worden ist, glaube ich, auf dem richtigen Weg. Hier gibt es noch eine Menge Kompromissbedarf, weil es ganz viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gibt, die nicht mit Frau Bulmahn übereinstimmen, ob es richtig ist, die Habilitation generell abzuschaffen oder nicht doch die Möglichkeit der Habilitation auch weiterhin zu erhalten. Ich denke aber, wir sind auf dem richtigen Weg, Herr Dr. Käse, hier Schwerpunkte zu setzen, um es den Frauen zu erleichtern, die während des Studiums, von der Schulzeit will ich gar nicht berichten, da sind die Mädchen meist den Jungen überlegen, sehr häufig bessere Ergebnisse haben. Aber dann kommt die familiäre Auszeit, und diesen Nachholbedarf bekommen sie dann nicht mehr so in den Griff, dass dann auch die qualifizierten Wissenschaftlerinnen, die wir ohne Frage haben, auch in die Position kommen, in die sie eigentlich gehören, um dann wiederum auch Vorbild für andere junge Wissenschaftlerinnen zu sein. Auch hieran arbeiten wir. Zusammenfassend kann ich sagen, wir haben gemeinsam die Probleme erkannt, wir setzen sie um, aber wir können das nicht von heute auf morgen machen, sondern wir brauchen Zeit. Ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass Sie uns dabei unterstützen werden. Bitte bedenken Sie aber, wenn Sie fordern, in der Primarstufe Naturwissenschaften zu fördern, heißt das, die Gruppen, so wie Frau Hövelmann das gesagt hat, müssen geteilt werden! Das heißt zusätzliche Lehrerstunden, das heißt, irgendwann wird der Bildungs- und Wissenschaftssenator wieder vor Ihnen stehen und sagen, seien Sie bitte so lieb, nicht nur hier zu reden, sondern dann auch zu handeln und Geld zu geben. – Vielen Dank!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 15/466, auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD Kenntnis.
Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.
Auf die Antwort des Senats auf die Große Anfrage folgt eine Ausspache, wenn dies Mitglieder der Bürgerschaft in Fraktionsstärke verlangen. – Das ist der Fall.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich darf eine Bemerkung vorweg machen! Wir sprechen unter diesem Tagesordnungspunkt über den Jugendstrafvollzug in Bremen. Das heißt, wir sprechen über gut 100 junge Leute, fast ausschließlich männlichen Geschlechts. Sie sind von ordentlichen Gerichten verurteilt zu Untersuchungshaft oder Jugendhaft. Sie sind eingesperrt wegen kriminellen Verhaltens, und es werden in der Regel, denke ich, auch keine Bagatellen gewesen sein.
Die Frage ist also, senden wir möglicherweise falsche Signale aus, wenn wir uns mit ihrem Befinden und ihrer Perspektive befassen und angemessene Haftbedingungen fordern! Die Grünen finden das nicht,
denn das eine ist, dass jeder, auch der Jugendliche, Verantwortung für sich selbst tragen und übernehmen muss, und das andere ist die Verantwortung des Staates, die er übernimmt, wenn er junge Leute einsperrt, einer besonderen Gewalt unterwirft, abseits von Öffentlichkeit. Deshalb, meine Damen und Herren, meinen wir Grünen, müssen wir im Parlament regelmäßig die Verhältnisse im Vollzug zur Sprache bringen, und das gilt auch dann, wenn der Justizsenator, Herr Scherf, bei seinem ersten und bisher letzten Auftritt im Rechtsausschuss meinte, mit humanitärem Strafvollzug sei heute kein Blumen
Im Übrigen geht es nicht nur um 120 Jugendliche, sondern auch um knapp 70 Beschäftigte, die dort mit sehr hohem Engagement unter sehr schwierigen Bedingungen arbeiten. Von diesem Engagement kann man nur mit Respekt sprechen. Ich sage das ausdrücklich auch vorweg, weil der Justizsenator es auch liebt, sich schützend vor die Bediensteten zu stellen, wenn seine politische „Rahmenverantwortung“ kritisiert wird.
Meine Damen und Herren, vieles von dem, das wir heute debattieren, gilt ähnlich auch für den übrigen Strafvollzug. Wir haben jedoch mit der Großen Anfrage den Jugendvollzug hervorgehoben, weil der Jugendvollzug zu den allgemeinen Zielen der Resozialisierung noch einmal die erzieherischen Aufgaben und die erzieherischen Mittel und Maßnahmen in den Mittelpunkt stellen soll. Es sind eben trotz der Schwere mancher Tat junge Menschen, die in jeder Beziehung unfertige Menschen sind. Wenn wir das vergessen, werden die im Gefängnis „fertig“ gemacht, entwickelt, aber in einem Sinn, den wir uns nicht vorgestellt haben.