Protokoll der Sitzung vom 12.10.2000

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau B e r k [SPD]: Das ist eine Tatsache!)

Als Nächster hat das Wort Herr Senator Lemke.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst danke ich Ihnen recht herzlich für die sehr sachbezogene Debatte heute Morgen.

Ich finde, es ist natürlich beachtlich, welche Anstrengungen Herr Dr. Kuhn unternimmt, hier doch ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

noch eine Position aufzuzeigen, die es berechtigt, als Oppositionssprecher hervorzutreten. Es ist mir dennoch sehr schwer gefallen, qualitative Unterschiede zu erkennen. Ich habe mir größte Mühe gegeben und werde auch den einen oder anderen Punkt in meiner Stellungnahme hier vortragen.

Erstens: In der Tat stimmen wir überein, wenn wir der Auffassung sind, dass wir die Abbrecherquoten, die wir im universitären Bereich zu beklagen haben, senken müssen. Dies ist unbestritten, und ich glaube, dass die gestuften Studienabschlüsse absolut eine vernünftige Maßnahme sind, um hier diese völlig unnötigen und auch sehr teuren Abbrecherquoten zu senken.

Zweitens: Ich bin mit Ihnen der Meinung, dass wir insgesamt an unseren Hochschulen und Universitäten in Deutschland wesentlich zu lange studieren. Auch dies kostet den Steuerzahler zu viel Geld, und ich bin mit Ihnen der Meinung, dass wir überlegen müssen, wie wir dahin kommen, dass die Studenten nicht in unseren Hochschulen und Universitäten womöglich über 20 und 30 Semester studieren. Die Frage, vor der wir stehen, ist: Wie gehen wir damit um? Machen wir das mit einem Tempo, indem wir hier mit mehr Dynamik vorgehen, oder machen wir es weiter so behutsam mit einer geöffneten Tür, wie wir es bisher gemacht haben?

Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, dass es richtig ist, behutsam weiter vorzugehen. Gerade unter dem von Herrn Dr. Käse genannten Argument der Arbeitsmarktchancen halte ich das für sehr wichtig. Wie werden diese neuen Abschlüsse vom Arbeitsmarkt aufgenommen? Das ist für mich eine ganz wichtige Frage, weil ich es als verantwortungslos empfinden würde, wenn wir Politiker jetzt hier Druck machen würden und anschließend die Absolventen mit ihren Abschlüssen keine Aufnahme in unserem Arbeitsmarkt erfahren würden. Dann hätten wir hier ganz klare Fehler zu beklagen. Ich bin der Meinung, dass eine behutsame Umsetzung der Beschlüsse, so wie wir sie jetzt vornehmen, der richtige Weg ist.

Ich glaube weiter, dass die zu Recht beklagte Tatsache, dass wir zu wenig Attraktivität für ausländische Studenten bieten, nicht übersehen werden darf. Die USA wurden genannt, ich nenne jetzt auch einmal den Fernen und Nahen Osten, wo ich mir viel mehr Studenten wünschen würde, die in unser Land und an unsere Hochschulen, die nicht so schlecht sind, wie man das manchmal in den entsprechenden Medien nachlesen kann, auch aufgrund der zukünftigen wirtschaftlichen Beziehungen – „buten un binnen, wagen un winnen“ als Leitspruch – kommen würden. Da wünsche ich mir eine höhere Akzeptanz, meine Damen und Herren.

Erstens bin ich aber der Auffassung, dass wir ein zu schlechtes Marketing in diesem Bereich machen. Hier sind erheblich mehr Anstrengungen erforder

lich. Wir haben auch auf KMK-Ebene in der letzten Sitzung gefordert, dass die Hochschulen ihr vorhandenes Engagement im Marketing im Ausland mit Hilfe der neuen Medien verstärken. Ein ganz wichtiger Punkt!

In dem Zusammenhang darf ich aber auch fordern, das ist eine Forderung an den Kollegen Innensenator, einmal zu überprüfen, das gilt natürlich nicht nur für unseren Innensenator, sondern für alle Bereiche, zu überlegen, ob es angemessen ist, Studentinnen und Studenten, wissenschaftliche Mitarbeiter, Hochschullehrer, die ich auch aus den genannten Ländern hier haben möchte, um qualitativ bessere Angebote zu unterbreiten, ob es da zumutbar ist, diese Studentinnen und Studenten in die Ausländerämter zu schicken, um dort den entsprechenden Willkommensgruß der Bundesrepublik Deutschland zu bekommen. Ich glaube, es ist dringend erforderlich, hier einmal zu überprüfen, ob das so richtig ist.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe da sehr gute Erfahrungen. Sie wissen ja, was ich im vorherigen Berufsleben war, da haben wir unseren Fußballprofis diese Wege abgenommen. Ich weiß aber, dass den Studenten und den Hochschullehrern diese Wege nicht abgenommen werden. Ich halte es hier für dringend erforderlich, einmal zu überlegen, inwieweit wir hier den Studenten und den Hochschullehrern ein etwas freundlicheres Willkommen sagen in unserem Land.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich möchte zu dem Bereich Teilzeitstudenten sagen, den meisten Aussagen kann ich hier zustimmen. Auf einen Punkt möchte ich noch etwas mehr Akzente setzen. Das ist die Frage der Beratung. Ich finde, insgesamt betreuen und beraten wir unsere Studenten an den Hochschulen und an der Universität deutlich zu wenig.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir müssen unseren Studenten mehr Beratung und Unterstützung zuteil werden lassen. Wenn ich jetzt sehr mühselig, aber dennoch engagiert lese, was in anderen Ländern, ich denke einmal an England, da lagen mir sehr gute wissenschaftliche Analysen vor, oder auch Amerika, wie sich dort zumindest an den guten, renommierten Hochschulen die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um die Belange ihrer Studenten kümmern, sage ich Ihnen, das wünschte ich mir hier auch in Bremen, in dem Land, für das ich Verantwortung trage, dass man sich hier mehr und intensiver um die Studentinnen und Studenten kümmert, um sie auf Möglichkeiten und An

gebote hinzuweisen. Dann wird man erfahren, welche unterschiedlichen Lebenssituationen es gibt, auf die man sich auch bitte einstellen soll bei den Programmangeboten, bei den Programminhalten und der Umsetzung desgleichen. Insofern kann ich Ihnen, Herr Dr. Kuhn, an der Stelle auch uneingeschränkt zustimmen, hier muss mehr auf Beratung und Unterstützung der Studenten Wert gelegt werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Abschließend aus meiner Sicht, meine Damen und Herren, das eingeforderte Rektorengespräch, und das ist ja auch immer positiv, wenn man durch eine solche Parlamentsdebatte auf das eine oder andere wieder hingewiesen wird, das werde ich, so schnell es zeitlich terminlich möglich ist, auf jeden Fall aber noch in den nächsten vier Wochen einberufen, dass ich noch einmal Punkt für Punkt mit den einzelnen Rektoren der Hochschulen bespreche: Wie ist der Sachstand? Wo gibt es Handlungsbedarf? Wo sind für die neuen Kontrakte entsprechende Wegweisungen noch einzubeziehen? Insofern, wie ich schon anfangs sagte, meine Damen und Herren, bin ich dankbar für die positiven Resultate der bisherigen Debatte. – Danke sehr!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von den Antworten des Senats, Drucksachen 15/475 und 15/476, auf die Großen Anfragen der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen Kenntnis.

Volksabstimmung über EU-Osterweiterung

Antrag (Entschließung) des Abgeordneten Tittmann (DVU) vom 19. September 2000 (Drucksache 15/464)

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Dr. Scherf.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort hat der Abgeordnete Tittmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schramm, ich verstehe ja, dass Sie bei den guten DVU-Anträgen in Erklärungsnot kommen, weil Ihnen die Wähler in Scharen davonlaufen, aber trotzdem hoffe ich, dass Sie nicht gleich nach diesem Antrag nach vorn kommen und behaupten, wir von der Deutschen Volksunion hätten diesen Antrag von Ih

nen abgeschrieben. Das haben wir nämlich nicht nötig! Am Ende werden Sie dann wahrscheinlich noch behaupten, dass die deutsche Einheit das Verdienst vom Bündnis 90/Die Grünen wäre. Das glaubt Ihnen auch keiner mehr! Meine Damen und Herren, die Frage muss doch erlaubt sein: Warum sollen die bundesdeutschen Bürger nicht in der Lage sein, Lebensfragen ihrer Existenz selbst zu entscheiden, während die Damen und Herren der Altparteien sich berufen fühlen, laufend gegen die Interessen des deutschen Volkes ihre Politik zu betreiben? Meine Damen und Herren, ich sage ganz klar und deutlich, das deutsche Volk wird gegen seinen Willen regiert. Überall gibt es neue Diskussionen um eine Volksabstimmung, etwa über Autobahngebühren, Euro, Ladenschluss und so weiter. In anderen Ländern herrscht mehr Demokratie für das Volk. England ließ zum Beispiel 1972 über seinen EU-Beitritt abstimmen. Die Dänen, die Schweden, die Norweger und die Iren dürfen bei wichtigen Entscheidungen ihres Landes über eine Volksbefragung selbst mitentscheiden. Nur in Deutschland hält man das eigene Volk für zu blöd, um wichtige Lebensfragen seiner Existenz mitentscheiden zu können. Die Krönung einer unverschämten Missachtung der Interessen des deutschen Volkes sind dann solche Aussagen etablierter Politiker wie zum Beispiel, manche Themen wären zu kompliziert, zu komplex, um das deutsche Volk darüber abstimmen zu lassen. Diese Aussage ist eine Frechheit und Beleidigung für das ganze deutsche Volk. Sie sagen damit also klipp und klar, das Volk wäre zu blöd, um mitbestimmen zu können. Ich frage Sie allen Ernstes: Für wie blöd halten Sie unsere Bürger? Nach einer jüngsten Forsa-Umfrage sprachen sich 75 Prozent der Bundesbürger für einen Volksentscheid auf Bundesebene aus. Diese können Sie doch nicht einfach so ignorieren, das geht doch nicht! Da Sie ja alle gleich einheitlich und scheinheilig diesen DVU-Antrag ablehnen werden, werden Sie mir und dem Volk sicherlich gleich die Fragen beantworten können, wer die kostspielige Entwicklung der Beitrittskandidaten auf EU-Niveau finanzieren soll und wie insbesondere Deutschland als Hauptziel und als Hauptland den zu erwartenden Zustrom von Millionen osteuropäischen Einwanderern,

(Abg. T ö p f e r [SPD]: Alles DVU- Wähler!)

die dann als EU-Bürger Freizügigkeiten genießen, verkraften soll. Diese Tatsache und die Lösung dieses Problems können Sie mir gleich erklären. Kommen Sie nach vorn, und erklären Sie es mir, ich bin gespannt!

Die Osterweiterung der EU kostet ganz vorsichtig geschätzt bis jetzt sage und schreibe 157 Milliarden

DM. Ich sage Ihnen jetzt schon voraus, rechnen Sie vorsichtig noch einmal 100 Milliarden DM dazu, und Sie würden mit 257 Milliarden DM immer noch nicht auskommen. Es ist ein Fass ohne Boden, ganz zu schweigen von der jetzt neuen Milliardensubvention an eine neue Staatsführung in Jugoslawien.

Meine Damen und Herren, die bisherige Praxis hat doch gezeigt, dass sich EU-Subventionen in aller Regel zum Fass ohne Boden entwickeln. Nachdem die ärmeren EU-Mitgliedsstaaten mit diversen Strukturhilfen und Zuschüssen euroreif gemacht werden und gemacht worden sind und nachdem inzwischen allen EU-Mitgliedsstaaten attestiert wurde, ihre wirtschaftliche, finanzielle Lage erlaube die Teilnahme an der Währungsunion, dürfen sie jetzt eigentlich keine Subvention mehr erhalten. Nun heißt es aber, mit weiteren Subventionen müssten sie auf Eurokurs gehalten werden.

Ähnliches, meine Damen und Herren, ist natürlich im Falle der neuen EU-Mitglieder zu erwarten, denn sind sie erst einmal EU-reif geworden, müssen sie dann selbstverständlich weiterhin auf EUNiveau gehalten werden. Das alles, meine Damen und Herren, auf Kosten der deutschen Steuerzahler, das ist politisch unverantwortlich!

Ich sage Ihnen aber im Namen der Deutschen Volksunion, niemand, aber auch niemand, außer dem Volk selbst, hat das Recht zu entscheiden, worüber das Volk abstimmen darf und worüber nicht. Auch ein Nein zur EU-Erweiterung muss man als so genannte Demokraten ertragen können. Dringend notwendiger wäre es meines Erachtens, meine Damen und Herren, darauf hinzuwirken, dass die bis heute noch bestehende, noch geltende Feindstaatenklausel endlich abgeschafft wird, bevor wir uns hier überhaupt über eine EU-Osterweiterung unterhalten. – Ich bedanke mich!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Entschließungsantrag des Abgeordneten Tittmann, DVU, mit der Drucksachen-Nummer 15/463 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU und Bündnis 90/ Die Grünen)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Entschließungsantrag ab.

Absage an Pleite-Währung Euro

Antrag des Abgeordneten Tittmann (DVU) vom 19. September 2000 (Drucksache 15/465)

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Dr. Scherf.

Die Beratung ist eröffnet. Das Wort erhält der Abgeordnete Tittmann.