Protokoll der Sitzung vom 24.01.2001

Ich will mit einem Zitat von Magalith enden, vielleicht ganz ungewöhnlich, aber ich glaube, er sagt vieles, was wir nicht so gut in Worte fassen könnten. Wenn ich mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren darf: „Eine anständige Gesellschaft hat die schwierige, aber gerechte Bedingung zu erfüllen, jedem Erwachsenen eine ihm sinnvoll erscheinende Beschäftigung zu ermöglichen, eine Tätigkeit also, die ihm nicht nur Selbstwertgefühl, sondern auch Selbstwert verleiht.“ – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Aussprache geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Fraktion der SPD Kenntnis.

Soziales und ökologisches Kennzeichen für Textilien

Große Anfrage der Fraktion der SPD vom 23.Oktober 2000 (Drucksache 15/502)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 28. November 2000

(Drucksache 15/546)

Wir verbinden hiermit:

Soziales und ökologisches Kennzeichen für Textilien

Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU vom 13. Dezember 2000 (Drucksache 15/569)

s o w i e

Soziales und ökologisches Kennzeichen für Textilien

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 23. Januar 2001 (Drucksache 15/597)

Dazu als Vertreter des Senats Frau Staatsrätin Winther.

Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen. Frau Staatsrätin, ich gehe davon aus, dass Sie darauf verzichten wollen.

Auf die Antwort des Senats auf Große Anfragen folgt eine Aussprache, wenn dies Mitglieder der Bürgerschaft in Fraktionsstärke verlangen. – Das ist der Fall.

Meine Damen und Herren, wir treten in die Aussprache ein.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Ziegert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn wir heute über das Thema „Soziales und ökologisches Kennzeichen für Textilien“ an diesem Ort reden, dann sprechen wir über etwas, das eigentlich weit über Bremens Horizont hinausgeht. Im Hintergrund dieses Themas stehen im Grunde die Welthandelsbeziehungen, das Verhältnis der reichen zu den armen Ländern, die Frage von Menschenrechten und Entwicklungsmöglichkeiten in einer globalisierten Welt und nicht zuletzt auch unsere Rolle und unsere Verantwortung in diesem Szenario. Deshalb ist es, glaube ich, wichtig, dass wir über dieses Thema heute in der Bürgerschaft debattieren. Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich beim Schülerforum bedanken, das im Juli hier in der Bürgerschaft getagt hat und das uns den Anstoß zu dieser heutigen Debatte gegeben hat.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Worum geht es denn eigentlich bei diesem Thema? Zunächst einmal ist es für uns alle, für die Verbraucherinnen und Verbraucher, sicher angenehm, dass man bei uns im Kaufhaus oder im Laden ein TShirt für 20 DM oder weniger kaufen kann. Wer macht sich beim Kauf seiner Kleidung schon groß Gedanken darüber, unter welchen Bedingungen sie hergestellt worden ist oder wie überhaupt solche Preise möglich sind! Aber nicht nur bei Lebensmitteln, sondern auch bei Textilien ist es so, dass billige Kleidung ihren Preis hat.

(Vizepräsident D r. K u h n übernimmt den Vorsitz.)

Zunächst einmal Umweltschäden! Kleidung aus Naturfasern, das ist ja in erster Linie Baumwolle, gilt zwar als besonders ökologisch, Baumwolle wird aber gerade in den Entwicklungsländern vielfach unter einem hohen Einsatz von Pestiziden oder sogar Entlaubungsmitteln angebaut mit verheerenden gesundheitlichen Auswirkungen für die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Baumwollplantagen, im Übri

gen natürlich auch mit Rückständen in der entsprechenden Kleidung. So haben Bremer Chemiker in Textilien Rückstände von Pestiziden und Entlaubungsmitteln, aber zum Beispiel auch Formaldehyd gefunden, das zur so genannten Textilveredelung benutzt wird. Die Farbe, mit der Textilien gefärbt werden, enthält Schwermetalle wie zum Beispiel Blei und Cadmium. Dies alles kann nicht nur Allergien beim Verbraucher auslösen, sondern belastet dann natürlich beim Waschen auch wieder die Umwelt.

Der zweite Preis, in meinen Augen vielleicht noch gravierender, aber mindestens ebenso gravierend, betrifft die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Textilfabriken. Diese Arbeiterinnen, es sind meistens Frauen, in den Textilfabriken und Manufakturen Südamerikas, Mittelamerikas oder Asiens, arbeiten unter den schlechtesten und elendsten Arbeitsbedingungen. Sie haben Löhne, die unter dem Existenzminimum liegen. Sie haben keine soziale Absicherung. Arbeitsschutz ist ein Fremdwort in diesen Fabriken und Manufakturen, und sie haben auch keine gewerkschaftlichen Rechte. Der Internationale Bund Freier Gewerkschaften gibt regelmäßig ein Jahrbuch über die Verletzung von Gewerkschaftsrechten in der Welt heraus. Die Liste reicht von Unterdrückung von Streiks und Demonstrationen bis hin zu Schlägen, Verletzungen, Folterungen und Ermordungen von Gewerkschaftsfunktionären.

Der vielleicht schlimmste Preis ist schließlich Kinderarbeit mit all ihren Folgen für die geistige, seelische und körperliche Entwicklung der Kinder, wobei man auch sehen muss, dass Kinderarbeit sehr häufig nur eine Folge der Armut in den Familien ist, also hier angesetzt werden müsste.

Die Hoffnung, durch ihre Arbeit für den Weltmarkt – ich bilde jetzt diesen Zusammenhang, weil einige Passagen in der Antwort des Senats diesen Zusammenhang nahe legen – eines Tages wenn nicht zu Wohlstand, so wenigstens zu einem erträglichen Leben zu kommen, diese Hoffnung haben die Arbeiter in den Baumwollplantagen und die Arbeiterinnen in den Textilfabriken längst aufgegeben. Wenn es in der Mitteilung des Senats heißt, man müsse das Prinzip des Welthandels pfleglich behandeln oder aufrechterhalten, weil, wie die Erfahrung der westlichen Welt zeige, es hierdurch zu einer weltweiten Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse gekommen sei, dann ist dies, gelinde gesagt, sehr stark einseitig durch die Wohlstandsbrille unserer reichen nördlichen und westlichen Welt gesehen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Insgesamt, und das ist die Realität, die man dem entgegenhalten muss, erleben die Länder des Südens in den letzten Jahrzehnten eine Verarmung

breiter Schichten der Bevölkerung. Das ist nicht zuletzt die Folge davon, dass die Einbeziehung der armen Länder in die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung bisher in Form weitgehend ungeregelter Marktbeziehungen erfolgt. Deshalb muss die Politik der Welthandelsorganisation, der WTO, sich nicht länger auf die Aufrechterhaltung des Freihandels beschränken. Letzten Endes macht die WTO seit ihrem Bestehen eigentlich nichts anderes, als immer darauf zu achten, dass es Freihandel gibt, aber sie muss sich zur Aufgabe machen, durch eine aktive Politik zu einer Regelung der internationalen Marktbeziehungen zu kommen. Der weltweite Handel soll nicht eingeschränkt werden, aber er soll und muss für alle verbindlichen Regelungen unterworfen werden.

(Beifall bei der SPD)

Nicht zuletzt die Demonstrationen bei der Tagung von WTO und Weltbank in Seattle und Prag haben gezeigt, dass sich auch im Norden immer mehr Menschen gegen eine wildwüchsige und keinen sozialen Regelungen unterworfene globale Weltwirtschaft zur Wehr setzen, die eine immer ungerechtere Verteilung des Wohlstands und eine immer größere Kluft zwischen Arm und Reich nicht nur weltweit, sondern auch in unseren Ländern zur Folge hat. Soziale Regelungen sind deshalb nicht nur im Interesse der armen Länder, sie sind auch in unserem eigenen Interesse.

(Beifall bei der SPD)

Umwelt-, Sozial- und Lohndumping gehören zu den gefährlichsten Risiken für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung. Keine Volkswirtschaft, und wir sehen das ja an verschiedenen Beispielen, kann es sich auf die Dauer leisten, ihre Grenzen für solche Länder zu öffnen, die sich Wettbewerbsvorteile durch Umwelt- und Sozialdumping verschaffen. Im Gegensatz dazu müssen die Menschen für die Öffnung der Märkte in den Ländern der Dritten Welt demokratische Freiheitsrechte und soziale Rechte bekommen. Dies und nicht ein Protektionismus der reichen Industrieländer ist der Sinn sozialer und ökologischer Standards.

Deshalb fordern wir auch den Senat auf, die Möglichkeiten zu nutzen, die Bremen als Land über den Bundesrat hat, damit die Bundesregierung im Sinne der Durchsetzung solcher Mindeststandards international aktiv wird. Eine ganze Reihe von Abkommen, unter anderem im Rahmen der Uno und der internationalen Arbeitsorganisation, der ILO, etwa zur Kinderarbeit, zeigen, dass dies möglich ist. Es hat auch erst kürzlich im Rahmen der Uno ein Abkommen von 122 Staaten gegeben, die sich auf das Verbot langlebiger Umweltgifte verständigt haben. Das ist der internationale Teil.

Auch hier vor Ort kann Einfluss genommen werden, können wir, jeder Einzelne von uns, Einfluss nehmen durch das, was man vielleicht die Mobilisierung der Macht der Verbraucher nennen könnte. Das ist der Sinn dieses sozialen und ökologischen Gütesiegels für Textilien. Es gibt eine zunehmende Bereitschaft, ethische, und das heißt in erster Linie soziale und ökologische, Kriterien in die Kaufentscheidung einzubeziehen. Sozial und ökologisch einwandfrei produzierte Textilien können auf diese Weise einen Wettbewerbsvorteil erhalten beziehungsweise überhaupt erst wettbewerbsfähig werden und auf den Markt kommen. Ein solches Gütesiegel ist auch ein Beitrag zum Verbraucherschutz. Nicht erst seit BSE wollen Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, was sie kaufen.

Nun gibt es trotz einer ganzen Reihe von Gütesiegeln, vor allen Dingen zur ökologischen und gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Textilien, bisher noch kein Label, das für breite Schichten der Bevölkerung Zuverlässigkeit signalisiert und auf Akzeptanz stößt. Dies geht auch aus der Antwort des Senats hervor. Ich denke, solange es ein solches internationales oder auf europäischer Ebene vereinbartes Kennzeichen nicht gibt – dies wäre natürlich das Beste, aber ein sehr langer Weg –, muss wenigstens geprüft werden, ob in Bremen ein eigenes Prüfzeichen für Textilien vergeben werden kann. Es gibt ja, soweit ich informiert bin, in Rheinland-Pfalz schon Versuche des TÜV mit dem ECO-Proof-Zeichen. Vielleicht wird der Kollege Henkel dazu gleich noch Näheres sagen.

Natürlich müssen wir die Bevölkerung noch weiter und besser informieren. Es gibt zwar eine ganze Reihe von ehrenamtlichen Aktivitäten, und ich möchte hier vor allen Dingen für den Textilbereich die Kampagne „Saubere Kleidung“ nennen, der sich eine ganze Reihe von Organisationen angeschlossen haben, die auch hier in Bremen sehr aktiv ist, aber auch diese Information erreicht immer nur einen relativ kleinen Teil der Bevölkerung. Wir brauchen einfach eine breitere Informationskampagne! Ich will in dem Zusammenhang auch die lokale Agenda 21 erwähnen. Ich finde zum Beispiel den Eine-Welt-Laden, der daraus hervorgegangen ist und bei dem es darum geht, auch fair gehandelte Produkte an den Mann und die Frau zu bringen, an den Verbraucher, sehr gut. Wir wollen deshalb, dass die Verbraucherzentrale, die ja möglicherweise jetzt auch ohnehin gestärkt wird, hier die Mittel bekommt, um eine breite Informationskampagne über Textilien, und zwar nicht nur unter Umweltgesichtspunkten, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der sozialen Umstände, unter denen Textilien hergestellt werden, hier in Bremen startet.

Schließlich und endlich, als Letztes: Es gibt auch einen erheblichen Forschungs- und Entwicklungsbedarf in Bezug auf die Verarbeitung und auch die Herstellung von Textilien. Da sind wir in Bremen ja

eigentlich nicht ganz unbeteiligt. Wir haben einige gute Voraussetzungen zu bieten. Baumwolle spielt eine nicht unwesentliche Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung Bremens. Bremen ist ein bedeutender Baumwollhandelsplatz. Wir haben hier verschiedene Institutionen, bei denen es auch schon etliche Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte gibt, zum Beispiel das Bremer Faserinstitut, das sich auf der Stufe der Baumwollerzeugung mit Verfahren zur Minimierung des Chemieeinsatzes beschäftigt. Es gibt zum Beispiel Kreuzungsmethoden, die auf die Produktion von Baumwolle in Pastellfarben gerichtet sind, so dass man auf das Färben möglicherweise verzichten kann.

(Glocke)

Ich komme gleich zum Schluss! Bei der Bremer Wollkämmerei gibt es in Kooperation mit dem Deutschen Wollinstitut und dem Bundesforschungsministerium Verfahren, die Wollfasern ohne Einsatz von Chlorchemie waschmaschinenfest machen. Das sind also Fragen der Textilveredlung.

Es wäre also zu überlegen und zu untersuchen, das ist auch unser Antrag, ob wir hier in Bremen, fußend auf den Kompetenzen, die bereits vorhanden sind, einen Schwerpunkt unterstützen können zur Forschung und Entwicklung in der Frage der Textilproduktion. Abschließend vielleicht noch etwas zu den Anträgen!

(Glocke)

Frau Abgeordnete, Sie haben die Redezeit bereits überschritten. Das ist so.

Ja, ich sage dann nur ganz einfach, dass ich in dem Antrag der Grünen keinen wesentlichen Unterschied zu unserem sehe, deshalb an unserem lieber festhalten möchte, aber mich natürlich freuen würde, wenn die Grünen unserem Antrag zustimmen würden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Henkel.