Herr Senator, wünschen Sie, die Antwort des Senats auf die Große Anfrage hier mündlich zu wiederholen? – Das ist nicht der Fall.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mich bei dem Thema, das wir als Nächstes behandeln, als Erstes gern distanzieren. Ich möchte mich distanzieren von, ich ahne es voraus, Vorwürfen, die wahrscheinlich nachher kommen werden – von Herrn Herderhorst oder von Herrn Senator Schulte –, die Grünen hätten dieses Thema einmal wieder auf die Tagesordnung gesetzt, um die Polizei schlecht zu machen und den Ruf der Polizei zu diffamieren. Das ist komplett falsch, und Sie werden an meiner Rede auch sehen, dass Sie mit dieser Begründung oder mit dieser Richtung heute hier in dieser Debatte am besten nicht weiter verfahren sollten.
In jeder Organisation und eigentlich sogar in jedem Verbund von Menschen, egal, ob er größer oder kleiner ist, gibt es ganz unterschiedliche Persönlichkeiten, unterschiedliche Charaktere, da gibt es auch bei der Polizei welche, da ist es genauso, die möglicherweise schon mit vielleicht nicht ganz so vornehmen Absichten in diese Organisation eintreten. Es gibt welche, die unter Stress und Druck im Laufe der Jahre ihre Einstellung und dann anschließend ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
ihr Verhalten in negativer Hinsicht verändern, und es gibt welche, die unter Gruppendruck, und darauf werde ich nachher noch zurückkommen, in ein bestimmtes negatives Verhalten hineingezogen werden. Das, und das möchte ich als Allererstes sagen, ist überhaupt nichts Besonderes, ist etwas ganz Normales und in jeder Organisation so. Die politische Debatte muss im Grunde nur darum gehen, wie wir damit umgehen, wenn wir dieses Fehlverhalten dann tatsächlich erkennen.
Bei der Polizei aber, im Unterschied zu Familien oder sonstigen Organisationen und Verbünden, kommt noch eine ganze Reihe von anderen heiklen Aspekten dazu, die dieses Thema in der Tat politisch brisant machen. Wir brauchen ja nur die Presse nicht nur in Bremen, sondern im Grunde genommen in allen Teilen dieses Landes zu verfolgen, wir haben immer wieder ähnliche Debatten. Bei der Polizei kommt hinzu, dass sie Träger des staatlichen Gewaltmonopols ist, von allen so gewollt, aber damit natürlich auch in einer ganz besonderen Verantwortung steht, weil sie das Organ des Staates ist, das als Einziges selbst, zumindest im Landesinnern, legitimerweise Gewalt anwenden darf.
Hinzu kommt, dass die Beamten, vor allen Dingen, wenn man die in Bremen kontinuierlich sinkende Stellenzahl bei der Polizei betrachtet, das geht jetzt schon über viele Jahre und über viele Innensenatoren hinweg, natürlich auch durch die Ausübung ihres Berufes in einer sehr schwierigen Lage sind, was oft mit Stress und Druck und gar nicht so selten auch mit lebensbedrohlichen Gefahrensituationen zu tun hat. Je weniger Polizeibeamtenstellen wir in dieser Stadt oder unserem Land, in unseren beiden Städten, haben, desto schwieriger ist diese Situation.
Es kommt auch noch ein dritter Punkt hinzu, der die Ausnahmestellung der Polizei begründet. Das ist der Punkt, dass, sollte sich eine Bürgerin oder ein Bürger über einen Polizisten oder eine Polizistin beschweren wollen oder ein Problem haben, er sich dann nur wieder an eine Organisation wenden kann, um sich darüber zu beschweren, und das ist natürlich – Sie erraten es – auch wieder die Polizei. Das ist auch ein ungewöhnlicher Zustand. Das heißt auch, dass es eine ganze Menge Gründe gibt, hier heute über Dinge zu reden, die auch in Bremen seit langem Thema sind und auch politisches Handeln erfordern.
Es geht also nicht um das Verhalten von Polizeibeamten generell oder pauschal, sondern es geht sehr konkret, und das ist mir wichtig, und sehr präzise um die Frage: Wie geht Polizeiführung und politische Führung von Polizei, sprich der Innensenator, mit Vorwürfen, Anschuldigungen oder auch tatsächlichen Übergriffen von Polizeibeamten um, und wie verhalten sie sich eben gegenüber dieser bereits
Die Beantwortung dieser Frage ist ganz entscheidend dafür, ob in der Bevölkerung die Polizei im Wesentlichen als Freund und Helfer und Unterstützer gesehen wird ober ob die Polizei, wie das auch in vielen Fällen geschehen ist, Vertrauen verspielt, das hinterher wieder neu aufgebaut werden muss und eher Resignation bei der Bevölkerung fördert. Dies ist wahrscheinlich, wenn man sich die Funktion eines Innensenators und der Polizeiführung anschaut, eine der schwierigsten Aufgaben von Polizeiführung überhaupt.
Zunächst muss man in dieser Debatte und in dieser Frage ein klares Minus verteilen. Wir alle konnten im „Weser-Kurier“ vom 6. Januar 2001 lesen, dass der Polizeipräsident empfohlen hatte, die in unserer Großen Anfrage abgefragten Daten und Informationen nicht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Hier liegt schon so ein Punkt vor, wo man sagen kann, Vertrauen in Polizei kann nicht dadurch entstehen, dass Heimlichtuerei und Verschweigen von Informationen geschieht, sondern dass man alle diese Dinge auch gerade transparent an die Öffentlichkeit bringt. Es ist begrüßenswert, dass der Innensenator der Empfehlung seines Polizeipräsidenten nicht gefolgt ist und hier die Daten vollständig veröffentlicht hat.
Es gibt in jüngster Zeit auch in Bremen wieder konkrete Anlässe, und darum geht es ja, es geht ja nicht um abstrakte theoretische Diskussionen, sondern um Menschen, die zusammenkommen, wo etwas passiert und hinterher Aufklärung gefragt ist, die Anlass für solche Anfragen, Debatten und auch für die nötigen politischen Konsequenzen geben. Die meisten von uns werden sich an die doch sehr bewegenden Bilder erinnern, die nach der Silvesternacht des Jahres 1999 auf das Jahr 2000 in allen Bremer Zeitungen veröffentlicht wurden, auf denen ein doch recht stark zusammengeschlagener Mann zu sehen war, der in dieser Nacht aktiven Kontakt mit Beamten hier im Bereich der Stadtmitte hatte.
Es geht hier in dieser Debatte um politische Konsequenzen, und es geht in keinem Fall um Schuldzuweisungen, das muss an anderer Stelle geklärt werden. Es ist in der Debatte deswegen auch sehr zu begrüßen, weil man von Feindbildern ein ganzes Stück wegkommt, dass dieser junge Mann, um den es da ging, von vornherein sein eigenes Fehlverhalten in der Situation zugegeben hat und ganz offen damit umgegangen ist, so dass wir nicht in die Lage kommen, nun über einseitige Dinge zu reden. Es war ganz klar, dass er selbst auch einen Beitrag zu dieser Lage geleistet hat. Es wurde aber durch die Untersuchungen, die später eingeleitet worden sind, natürlich auch klar, und das haben die Bilder auch
schon gezeigt, dass er sich ziemlich unmöglich selbst so schwere Verletzungen in dieser Silvesternacht beigebracht haben konnte. Es ist dann ja auch eine sehr ausführliche Ermittlung in Gang gebracht worden.
Sie werden sich erinnern, und der Innensenator hat das in den entsprechenden Gremien auch mehrfach bestätigt, dass der Vorgang an sich, das heißt, dass Polizisten hier in doch wirklich nicht zu vertretender Form diesen jungen Mann, auf gut Deutsch gesagt, zusammengeschlagen hatten, nur deswegen nicht zu mehr Verurteilungen geführt hat, weil zwar der Tathergang an sich rekonstruiert werden konnte, aber die Tatbeteiligung Einzelner nicht zugeordnet werden konnte und deswegen nur zwei Beamte mit Geldbußen davonkamen und die anderen freigesprochen worden sind. An der Tatsache, dass es sich hier um einen solchen Vorgang handelte, wurde kein Zweifel gelassen.
Man konnte auch, das nur als ein weiteres Beispiel, am letzten Dienstag der Presse entnehmen, dass ein mit 2,4 Promille Auto fahrender Hauptkommissar der Bremer Polizei nicht nur einen anderen Autofahrer behindert hat, sondern diesen Zeugen dann auch massiv im Anschluss bedroht hat. Auch hier musste dieser Bürger, was bleibt ihm anderes übrig, zu seinem Schutz die Polizei holen. Angeblich, und ich sage das unter großem Vorbehalt, ich zitiere nur die Presse, die das am Dienstag dieser Woche geschrieben hat, sind die ankommenden Polizeibeamten diesem Bürger entgegengetreten mit der Bemerkung, gegen Polizisten sagt man nicht aus.
Dass es auch anders geht, und jetzt komme ich einen Schritt weiter, zeigt ein anderes Beispiel. Ein Schriftwechsel, den ich hier vorliegen habe, und da komme ich dann zu der Frage, welche politischen Signale gehen hier auch von den Verantwortlichen aus, zeigt ein Beispiel, bei dem sich Polizeiführung und Verantwortliche vollkommen anders verhalten haben. In den zurückliegenden Tagen wurde ein junger Mann in Bremen-Nord zu Unrecht verdächtigt, in einer Gaststätte mit Waffen hantiert zu haben, und wurde im Regen einige Minuten gefesselt auf den Boden gelegt, getreten und dann anschließend wieder freigelassen mit der Bemerkung, die auch hinterher so bestätigt wurde, dann leg dich nicht gleich wieder in den Regen, und jetzt hau einmal ab!
Ich glaube, wir sind uns einig, dass solche Vorgänge, wie sie immer wieder vorkommen, nicht gerade zu Enthusiasmus bei jungen Menschen über die Polizei und auch nicht gerade zu Vertrauen in die so genannte Staatsmacht führen. Was aber die Welt dieses jungen Mannes, und deswegen habe ich das als positives Beispiel gebracht, anschließend wieder in Ordnung brachte, und darauf kommt es jetzt an, und da kommen wir auch zu den politischen Konsequenzen, war ein Brief des zuständigen Kommandoführers des SEK, der diesen Einsatz durchgeführt
hat. Ich habe diesen Brief auch hier. Ich finde, hier wird vorbildlich gezeigt, wie man mit solchen Situationen, die ja passieren können, umzugehen hat. Dieser Kommandoführer des SEK schreibt dem jungen Mann nämlich einen Brief, entschuldigt sich erstens für diesen Vorgang, klärt ihn über die Zusammenhänge des ganzen Einsatzes auf, bietet an, die Kleidung auf Kosten der Polizei reinigen zu lassen, und bietet ihm darüber hinaus noch ein persönliches Gespräch an. Ich denke, damit ist das auch, und ich habe selbst mit dem jungen Mann gesprochen, für diesen jungen Mann so letztendlich in Ordnung.
Was ist also, wenn man jetzt in etwa das Problem umrissen hat, die innenpolitische Botschaft der Grünen in dieser Debatte über Übergriffe von Polizisten gegenüber Bürgern? Ich versuche das in einigen wenigen Punkten konzentriert zusammenzufassen. Wenn Sie alle Polizeien der Welt anschauen, sagen wir einmal von Bremerhaven bis Los Angeles, nur um ein Beispiel zu bringen, dann werden Sie feststellen, dass derartige Übergriffe auch von Polizisten immer wieder vorkommen werden und dass sie sich nie ganz ausschließen lassen. Polizeiführung und auch politische Führung haben also immer einen Handlungsbedarf in dieser Frage. Es gibt keine Polizei der Welt, bei der Sie dies von vornherein ausschließen können.
Sie haben meine Rede bis dahin leider überhaupt nicht verstanden, aber ich kann Ihnen da wahrscheinlich nicht besonders weiterhelfen. Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie sicher auch verstanden, was ich hier sagen wollte! Da ist dann wahrscheinlich wenig zu machen.
Grünen entscheidend, wie sich Politik und Polizeiführung in dieser Situation verhalten. Das nur zum Abschluss und das nur als Botschaft hier auch im Rahmen dieser Debatte über diese Große Anfrage! Stellen sie sich reflexartig vor die Polizei, wehren alle Anschuldigungen ab, diffamieren diejenigen, die diese Anschuldigungen erheben, oder begeben sie sich in eine Situation, in der sie erst einmal neutral und objektiv prüfen und Signale in den eigenen Polizeibereich hinein senden, dass sie objektiv, neutral und straf- und disziplinarrechtlich, rechtsstaatlich diese Dinge verfolgen?
Ich glaube, dass diese Signale ganz und gar wichtig sind, wie sie in die Polizei hineingehen von Polizeiführung und Politik. Da hat es in Bremen des Öfteren gerade falsche Signale gegeben, auch in der Deputation, wenn wir dieses Thema angesprochen haben. Dann steht allerdings zu befürchten, dass dies nicht den Bürgern oder wem auch immer schadet, sondern letztendlich wird es in der letzten Konsequenz dem guten Ruf der Polizei schaden, schwarze Schafe nicht von vornherein konsequent anzugehen. Es wird dem Versuch der Polizei schaden, der in Bremen ja begonnen hat, nun auf dem Wege der bürgerfreundlichen Polizei, der Polizeireform eine ganz andere Öffnung und ein ganz anderes Verhältnis zum Bürger zu bekommen. Das heißt, wir haben es mit einem zentralen Baustein bremischer Polizeipolitik zu tun. Hier wäre ein entsprechendes Verhalten auch des Innensenators gerade in den genannten Beispielen nötig gewesen. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrter Dr. Güldner, Sie haben eben ausgeführt, was die Botschaft der Anfrage ist. Ich habe es erst auch nicht so richtig verstanden, was jetzt Ihre Botschaft war. Jedenfalls haben Sie sich in Ihrem ersten Satz widersprochen, in dem Sie sagten, Sie wollten hier jetzt nicht die Polizei diffamieren. Ich habe schon Angst bekommen, dass jetzt mein Manuskript durcheinander kommt, aber ich konnte mich dann im letzten Teil Ihrer Rede wieder beruhigen, dass ich das doch relativ sicher vorbereitet habe.
Es ist schon bemerkenswert, wie Sie aus nichts hier einen Kuchen backen, Herr Dr. Güldner, das muss ich Ihnen einmal ehrlich sagen.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Sagen Sie das einmal den Betrof- fenen!) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Ich komme gleich dazu, aber wir müssen auch die Relation sehen! Ihre Große Anfrage heißt „Dienstvergehen und Straftaten im Amt bei der Polizei Bremen“. Die Grünen und die Polizei, das ist ja auch eine Geschichte von Irrtümern und Missverständnissen. (Beifall bei der CDU)
Ich muss Ihnen schon ehrlich sagen, ich bin ein wenig enttäuscht, ich hatte auch angenommen, dass Sie da schon ein bisschen weiter sind. Spätestens nach Ihrem Bielefelder Parteitag müssen Sie doch die Vorzüge einer gut funktionierenden Polizei begriffen haben.
Nun gibt es ja grundsätzlich keine falschen Fragen. Es gibt aber Fragen, die Tendenzen aufzeigen, was man damit beabsichtigt. Wieder einmal versuchen Sie, die Polizei und die Arbeit ihrer Beamten zu diskreditieren. Sie haben dem jetzt zwar widersprochen im ersten Satz, aber in Ihrer weiteren Rede hat sich das ganz deutlich gezeigt. Sie versuchen, die Beamtinnen und Beamten als Prügelgruppe darzustellen, oder bei Ihnen sagt man ja Putzgruppe.