Protokoll der Sitzung vom 22.03.2001

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Stahmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch heute habe ich wieder ein Bild des Bürgermeisters dabei, der sich gestern geoutet hat, dass er nicht ein PC-Freak ist, und zwar steht darunter, das ist der 22. Bericht des Datenschutzbeauftragten: „Hurra und Glück für den Datenschutz! Kein Milleniumcrash in der Bremer Verwaltung!“ Da habe ich mir überlegt, wem er das entspannte Lächeln eigentlich zu verdanken hat. Vielleicht nicht auch ein wenig dem Datenschutzbeauftragten oder der Datenschutzbehör––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

de hier im Land Bremen? Ich glaube schon, der Datenschutz hat damit ein bisschen zu tun.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Befragt zur Wichtigkeit des Landesbeauftragten für den Datenschutz: Herr Scherf, ich sage das noch einmal ganz offen, da haben Sie mich ein bisschen entsetzt und auch betrübt. Mein Kollege Schramm hat Sie hier ja ganz offensiv gefragt, warum die Stelle denn so lange unbesetzt gewesen ist, und Sie haben hier gesagt, das hätte keiner gemerkt. Ich glaube, das Haus hat Ihnen ganz deutlich gezeigt, dass wir das sehr wohl gemerkt haben, dass eine so wichtige Stelle hier im Amt so lange unbesetzt geblieben ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Aber vielleicht waren Sie auch nicht sonderlich überzeugt, denn es gab ja fachlich überzeugende Stellungnahmen der Datenschutzbehörde, die sich ganz kritisch mit den neuen Gesetzesvorhaben wie dem Polizeigesetz oder der jahrelang vertrödelten Reform des Melderechts auseinander gesetzt haben. Die fünfundvierzigseitige Stellungnahme zum Polizeigesetz war gewiss nichts für die sonnigen Gemüter der Kuschelkoalition. Das lasse ich einmal hier hingestellt.

Heute debattieren wir diesen Bericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz. Er ist so dick wie nie zuvor, meine Damen und Herren. Ich denke, das ist auch noch einmal hier zu würdigen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. E c k h o f f [CDU]: In der letzten Ausga- be der Grünen ist noch von Rosenkrieg die Rede! Jetzt ist es wieder die Kuschelkoali- tion!)

Ich halte fest, Herr Eckhoff: Datenschutz ist kein Schwerpunkt der großen Koalition gewesen, vielmehr war es ein Sparstrumpf, und das trotz oben genannter Gesetzesvorhaben, die eigentlich Mammutprojekte sind!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Datenschutz, Datensicherheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das haben meine Vorredner hier auch erwähnt, sind kein unmodernes Recht und auch kein angestaubtes Recht. Sie sind sehr modern. Es sind elementare Rechte, die in der Informationsgesellschaft eine wichtige Rolle spielen. Datensicherheit ist einer der Schlüssel, der zu einer erhöhten Akzeptanz neuer Medien führen kann, denn nur wenn man weiß, wie man seine ei

genen Daten schützen kann, benutzt man auch diese Medien. Wenn man auch weiß, dass die Behörden damit zuverlässig umgehen, nur dann können sich auch Formen der elektronischen Verwaltung als Ergänzung zu den bestehenden Angeboten durchsetzen. Herr Dr. Scherf, das virtuelle Rathaus lebt nun einmal von der realen Datensicherheit! Lassen Sie mich einige Aspekte aufgreifen, die das unterstreichen!

In der bremischen Verwaltung gewinnt die elektronische Post wesentlich an Bedeutung. Das ist gut so, und es erleichtert auch oftmals die Arbeit, spart Wege. Mittlerweile verfügen sämtliche Dienststellen über Sammelpostfächer, und ein Drittel der 12 000 Bildschirmarbeitsplätze hat individuelle Postfächer zur Verfügung. Die Erprobungsphase neigt sich dem Ende zu. Wir warten dringend auf die Vorlage einer Richtlinie für den dauerhaften Betrieb dieser elektronischen Post. Aber was ist das Problem? Momentan wird die Post unverschlüsselt übertragen! Hier werden zahlreiche persönliche Daten der Arbeitnehmer bewegt und auch von Bürgern, die natürlich Informationen aus der Verwaltung haben wollen.

Die Einführung einer Verschlüsselungsinfrastruktur ist unbedingt notwendig. Darin ist sich der Datenschutzausschuss auch einig. Gleichzeitig müssen Konzepte ersonnen werden, die eine flexible Abwesenheits- und Vertretungsregelung möglich machen. Darauf warten wir ziemlich sehnsüchtig. Auf Bundesebene, das kann ich Ihnen auch noch einmal erklären, meine Damen und Herren, wird es aufgrund einer rotgrünen Initiative ein Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz geben, das auch in diesen Punkten wesentliche Akzente setzen wird. Auch das Post- und Fernmeldegeheimnis muss weiterentwickelt werden zu einem umfassenden Mediennutzungsgeheimnis, das praktisch auch die elektronische Post mit einschließt.

Auch in anderen Behördenzweigen ist die Einführung neuer Medien mittlerweile Alltag. Auch wenn ein Aufwärtstrend der Beteiligung des Landesbeauftragten an Datenschutzbelangen zu verzeichnen ist, möchte ich noch einmal an Sie appellieren, sehr verehrte Damen und Herren, dass auch Sie darauf achten, wenn Sie Vorlagen in Ausschüssen und Deputationen haben, und diese betreffen zum Beispiel die Einführung neuer Software in einzelnen Verwaltungen, dass Sie danach fragen, ob auch der Datenschutzbeauftragte mit einbezogen war. Nur allzu oft erleben wir vom Datenschutzausschuss, dass viel zu spät der Datenschutzbeauftragte informiert wurde und dass oft auch dadurch mehr Kosten entstehen, weil Daten nicht ausreichend geschützt worden sind.

Ich möchte noch etwas dazu sagen. Meine Vorredner sind ja auf die Datenschutz GmbH eingegangen, also auf eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die sich in Bremerhaven positionieren wird. Ich stehe dem ganzen Vorhaben etwas skeptisch ge

genüber. Dazu auch noch einmal eine Begründung! Ihre These lautet: Die Aufgaben des Landesbeauftragten für den Datenschutz sind bei gleich bleibendem Personalschlüssel gewachsen und müssen optimiert werden. Da stimme ich Ihnen zu. Aber Ihre Schlussfolgerung teile ich nicht, und die teilen wir auch als Fraktion der Grünen nicht.

Sie wollen eine Gesellschaft ausgründen, um privaten Firmen eine Dienstleistung zu verkaufen. Ein hoch qualifizierter Mitarbeiter der Datenschutzbehörde soll die Geschäftsführung übernehmen. Kollegen least er dann gegen Rechnung aus der Behörde, und das bei gestiegenen Aufgaben auch in der Verwaltung! Aber was ist das für eine Logik? Schon heute ist das Pensum in der Datenschutzbehörde enorm. Ich nenne da einmal die Umsetzung der europäischen Datenschutzrichtlinie, die Umsetzung der Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes, die weitere Einführung neuer Technologien in der Verwaltung und nicht zu vergessen die von uns erwünschten erweiterten Kompetenzen im Falle einer Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes, da soll der Datenschutzbeauftragte dann als Schlichter und Vermittlungsstelle agieren.

Ich halte fest, es gibt künftig mehr Aufgaben, mehr Verantwortung, eine stetig wachsende Notwendigkeit der fortlaufenden Qualifizierung für die Mitarbeiter der Datenschutzbehörde, und von daher finden wir Ihre Vorlage zur Gründung einer Datenschutz GmbH in sich widersprüchlich und inkonsequent. Konsequent wäre gewesen, eine Gesellschaft öffentlichen Rechts zu gründen, wie dies das Land Schleswig-Holstein gemacht hat. Wir haben Bauchschmerzen dabei, hier eine GmbH zu gründen. Sie ziehen Personal ab, wollen zusätzliche Aufgaben in der privaten Wirtschaft übernehmen. Meine Damen und Herren, wir sehen hier den gesetzlichen Auftrag gefährdet. Der hat für uns in allererster Linie Vorrang.

Bedenken Sie, was allein an Themen in den letzten drei Jahren entstanden ist: digitale Signatur, der Wettbewerb Media@Komm, Videoüberwachung nimmt immer mehr zu, zum Beispiel vermehrtes Abhören von Mobiltelefonen durch die Polizei, verstärkter Computereinsatz in den öffentlichen Einrichtungen. Gestern haben wir zum Beispiel über Schulen gesprochen, und der Begriff E-Government zeigt, wie breit das Tätigkeitsfeld im öffentlichen Bereich ist. Mehr statt weniger Aufgaben auch in der Verwaltung, mehr statt weniger Service!

Ihre Antwort auf die angewachsenen Aufgaben ist nicht unproblematisch, wie ich finde. Der Staat als Unternehmer ist eine heikle Sache und eine heikle Diskussion. Was wäre denn, wenn das Finanzamt auf einmal auf die Idee kommen würde, da es auch große Kompetenzen in der Beratung hat, auch eine GmbH zu gründen, die die Firmen in Steuerfragen berät? Ohne Zweifel, auch hier könnte man sagen,

hier liegen einzigartige Kompetenzen vor, aber dies wäre eine höchst zweifelhafte Aktion.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Was spricht gegen eine personelle Aufstockung in der Datenschutzbehörde? Sicherlich, eine Gesellschaft öffentlichen Rechts würde Geld kosten, aber ich denke, wenn man ein Medienstandort sein will, dann könnte man auch hier einen eindeutigen Schwerpunkt setzen.

Die Umsetzung des Landesmedienprogramms Bremen in T.I.M.E. überfordert die große Koalition im Augenblick maßlos. Ich bin davon überzeugt, wenn wir es ernst meinen mit dem vermehrten Einsatz von Technologien, da wo sie nützlich sind, dann brauchen wir dringend die Unterstützung und Beratung einer unabhängigen Instanz. Diese Instanz muss über genügend personelle Ressourcen sowie über ein ausreichendes Qualifizierungsprogramm verfügen. Auch hier ist lebenslanges Lernen nötig. Wer die Mediengesellschaft fördern will und ein innovativer Standort sein möchte, der muss dem Datenschutz und der Datensicherheit höchste Priorität einräumen, denn wer E-Commerce und elektronische Verwaltung will, der sucht Kunden, aber Kunden werden künftig immer seltener das Bedürfnis zum Datenstrip haben.

Bremen könnte vorangehen. Bundesweit gibt es noch keine Stelle, die ein Datenschutzgütesiegel verteilt. Also, wenn man wirklich eine Geschäftsidee hier einmal verkündet, dann möchte ich Ihnen diese anbieten: Warum wird Bremen nicht Zertifizierungsstelle für Internetangebote, verteilt so etwas wie ein Datenschutzgütesiegel? Ich denke, da könnte sich Bremen bundesweit einen Namen machen. Das wäre auch ein gutes Zeichen für uns als Medienstandort. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Schwarz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Keine Angst, es werden keine langen Beiträge mehr von mir kommen. Ich möchte noch einige Ausführungen zu dem Bericht machen. Die Einzelheiten hat unser Kollege Knäpper vorgetragen, kritisch zusammengefasst hat es unsere Kollegin Stahmann, und dieser Kritik möchte ich mich anschließen.

Ich finde es ein wenig erschreckend, mit welcher Selbstverständlichkeit, nicht in allen Fällen, aber in zu vielen Fällen meines Erachtens, in der Verwaltung neue Datenverarbeitungssysteme eingeführt worden sind, ohne zeitlich parallel an die Datenschutzkonzepte zu denken. Es ist besonders deswe

gen irritierend, finde ich, weil der Landesbeauftragte für den Datenschutz dies bereits beanstandet hatte. Wir haben dann die entsprechenden Verantwortlichen in den Datenschutzausschuss gebeten, und auch da gab es noch keine Möglichkeit, bei diesen Beanstandungen Abhilfe zu schaffen. Bei den Fragen nach dem Warum kamen immer die Antworten: Arbeitsüberlastung, technische Schwierigkeiten. Das, meine Damen und Herren, kann kein Grund sein, notwendige Datenschutzkonzepte nicht zu entwickeln, und wir haben es alle drei ausführlich dargestellt, warum solche Datenschutzkonzepte notwendig sind, es gibt also keinen Grund, diese Datenschutzkonzepte bei der Einführung neuer Datenverarbeitungssysteme zu vernachlässigen.

Es ist auch ärgerlich, wenn erst so ein System eingeführt worden ist und nachträglich Konzepte zur Sicherung von Daten eingebaut werden müssen, das kostet Zeit, das kostet zusätzliches Personal, und das kostet Geld, und, ich denke, das haben wir hier in Bremen nicht. Ich möchte hier keinen orwellschen Unrechtsstaat vorstellen, aber hier sind Bereiche, wo wirklich sensible Daten benutzt werden und nicht datenschutzrechtlich – –.

(Unruhe auf dem Besucherrang – Glocke)

In erster Linie müssen Sie sich dort oben aller Unmuts- oder sonstiger Beifallsäußerungen enthalten! Das war nicht in Ordnung.

Wenn es in diesen Bereichen in dem Bericht sich um weniger wichtige Sachen handeln würde, dann würde ich sagen, es wäre dogmatisch, das zu kritisieren. Es sind aber gewichtige Bereiche mit hohen Ansprüchen an Datenschutz. Hinzu kommt noch ein anderer Aspekt, ich finde es unmöglich, dass offensichtlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, die für diese Bereiche zuständig sind, sich die Gesetze aussuchen, die sie befolgen können.

(Unruhe auf dem Besucherrang – Glocke)

Ich werde die Sitzung kurz unterbrechen, bis das gelöst ist. Ich bitte um einen Moment Geduld!

(Unterbrechung der Sitzung um 16.06 Uhr)

Vizepräsident Dr. Kuhn eröffnet die Sitzung wieder um 16.07 Uhr.

Bitte sehr, Frau Kollegin!

Ich möchte noch einmal den letzten Kritiksatz wiederholen: Es geht nicht an, dass ausgerechnet Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung die datenschutzgesetzlichen Bestimmungen nicht beachten, losgelöst von der Bedeutung des Datenschutzes überhaupt. Ich denke auch, da sind die einzelnen Fachsenatorinnen und Fachsenatoren verantwortlich und müssen sich ihre Verpflichtung diesem Bereich gegenüber einmal vor Augen führen. Mein Appell an die Damen und Herren aus dem Senat, bitte denken Sie daran, dass Sie auch für diesen Bereich zuständig sind!

Ich werde noch einmal einen Punkt benennen, der auch im Datenschutzbericht aufgeführt worden ist, der für mich aber ein erfreuliches Ende genommen hat, und zwar ist das das Mammascreening. Bei dieser Projektuntersuchungsserie werden ja sehr sensible Daten verarbeitet, und als mit dem Projekt begonnen worden ist, hat man, wie so häufig, nicht an die Datenschutzbereiche gedacht. Das hat sich in der Zwischenzeit erfreulich entwickelt, auch wenn die Datenschutzkonzeption noch nicht abgeschlossen ist. Ich vertraue aber einfach auf die Kompetenz des Landesbeauftragten für den Datenschutz, ich vertraue auf die Kompetenz des Datenschutzausschusses, und ich vertraue auf die gute Zusammenarbeit mit unserer gesundheitspolitischen Sprecherin Waltraud Hammerström.

(Beifall bei der SPD)

Zum Schluss möchte ich mich dem Dank anschließen, den der Kollege Knäpper hier vorgetragen hat. Meinen Dank an alle Ausschussmitglieder! Ich fand, es war eine erfreuliche, sachbezogene, von Respekt und Sympathie getragene Arbeit. Wir sind unterstützt worden von vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und wenn ich jetzt eine Person besonders benenne, so hat dies auch einen besonderen Grund. Mein Dank gilt auch besonders Herrn Holst, der hier nun erstmalig als frischbestallter Landesbeauftragter an der Sitzung teilnimmt. Herr Holst, vielen Dank für die gute Zusammenarbeit, und meinen Glückwunsch für die Bestallung! Ich bin auch sicher, wie Herr Knäpper, dass wir weiterhin gut zusammenarbeiten werden. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer den Bemerkungen des Datenschutzausschusses mit der Drucksachen-Nummer 15/634 beitreten möchte, den bitte ich um das Handzeichen!