Protokoll der Sitzung vom 22.03.2001

Wer den Bemerkungen des Datenschutzausschusses mit der Drucksachen-Nummer 15/634 beitreten möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) tritt den Bemerkungen des Datenschutzausschusses bei.

(Einstimmig)

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von dem 22. Jahresbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz, Drucksache 15/266, von der Stellungnahme des Senats, Drucksache 15/472, und von dem Bericht des Datenschutzausschusses, Drucksache 15/634, Kenntnis.

Einbürgerung von Kindern fördern

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 7. Dezember 2000 (Drucksache 15/559)

Wir verbinden hiermit:

Einbürgerung von Kindern fördern

Mitteilung des Senats vom 6. Februar 2001 (Drucksache 15/614)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Dr. Schulte, ihm beigeordnet Staatsrat Dr. Böse.

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Einbürgerung von Kindern fördern“ vom 7. Dezember 2000, Drucksache 15/559, ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer 29. Sitzung am 14. Dezember 2000 an die staatliche Deputation für Inneres überwiesen worden. Diese Deputation legt nunmehr mit der Drucksachen-Nummer 15/614 ihren Bericht dazu vor.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind zwar schon weit in der Tagesordnung vorangeschritten, und es ist Donnerstagnachmittag, ich möchte trotzdem einmal Ihre Aufmerksamkeit auf das jetzt anstehende Thema lenken. Das jetzt anstehende Thema ist immerhin wichtig für mehr als 3500 Kinder im Lande Bremen, also für eine große Anzahl von jetzt noch ausländischen Kindern, um deren Einbürgerung und Einbürgerungschancen es geht.

Lassen Sie mich noch einmal kurz rekapitulieren, warum wir heute erneut dieses Thema hier auf der Tagesordnung haben! Sie wissen, dass wir einen Antrag gestellt haben, vor allen Dingen im Kern dazu, wie sich das Land Bremen im Bundesrat in Kürze verhalten soll, wenn der neue Gesetzentwurf des ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Bundestages zur Frage der Kindereinbürgerung dort zur Entscheidung ansteht. Dieser Antrag ist überwiesen worden in die Innendeputation, die jetzt einen Bericht vorgelegt hat, und wir müssen heute hier abschließend über dieses Thema beraten und auch am Ende den Antrag abstimmen.

Zum Sachverhalt: Sie wissen, dass ein neues Staatsbürgerschaftsrecht von der rotgrünen Bundesregierung schon kurz nach ihrem Start in Angriff genommen worden ist. Zum 1. 1. 2000 wurde eine ganze Reihe von Verbesserungen und Erleichterungen bei der Frage der Einbürgerung schon länger hier lebender Migranten oder Ausländer vorgenommen.

Was war das Ziel? Ich hatte immer den Eindruck, dass wir uns in diesem Ziel doch weitestgehend einig waren, wenn auch im Konkreten, wie man gleich sehen wird, wir offensichtlich dann doch nicht zu den gleichen Schlüssen kommen. Das Ziel war im Grunde genommen, wenn man es einmal so etwas provokativ formuliert, die Zahl der Ausländer in unserem Land drastisch zu verringern, aber nicht dadurch, dass man sie etwa abschiebt oder außer Landes schafft, sondern dadurch, dass man in der zweiten, dritten und jetzt schon vierten Generation endlich anerkennt, was ganz normal bei einer Einwanderungsgeschichte ist, nämlich dass sie in diesen Generationen keine Ausländer mehr sind, sondern hier geboren sind und schon längst zu uns gehören. Da sollte ein Signal gesetzt werden, dass wir hier mehr zusammenrücken und mehr die Integration und das Gemeinsame auch durch die gemeinsame Staatsbürgerschaft betonen. Das war das Ziel dieser Regelung der Bundesregierung. Ich glaube, im Grunde waren wir uns in diesem Punkt eigentlich auch einig.

Es ging nicht nur um den formalen Akt, nun einen türkischen oder polnischen oder italienischen Pass gegen einen deutschen zu tauschen, sondern es ging im Wesentlichen auch um ein Signal an diese Menschen, ihnen zu sagen, ihr seid hier erstens nicht nur schon seit Generationen einfach da, das ist nur das Faktische, sondern ihr seid hier auch willkommen, ihr gehört dazu, und wir wollen enger zusammenrücken, und wir wollen das auch durch eine gemeinsame Staatsbürgerschaft zum Ausdruck bringen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie wissen, dass die Regelungen etwas kompliziert waren. Die Schuld für die Kompliziertheit dieser Regelung im neuen Staatsbürgerschaftsrecht trägt eine Partei, die in Bremen nur in der außerparlamentarischen Opposition tätig ist. Das war die FDP, die durch ihren Einfluss über die Landesregierung in Rheinland-Pfalz, Sie können sich daran erinnern, damals es geschafft hat, eine eigentlich klare und etwas einfache Regelung kompliziert zu machen und über den Bundesrat einige Verschlimmbesserungen

hier zu erreichen. Das Interessante ist, dass heute die FDP die erste Partei ist, die im Bundestag Antrag über Antrag einbringt, um diese Dinge wieder zu korrigieren. So viel schlechtes Gewissen, wie da vorhanden ist über das damalige Eingreifen, hat man noch selten in dieser Frage gesehen. Lassen Sie uns nicht mit der FDP aufhalten!

Seit dem 1. 1. 2000 gilt unter bestimmten Voraussetzungen, dass Kinder, die hier im Lande Bremen geboren werden, automatisch bei Geburt ohne Antrag, ohne weitere Formalitäten beim Standesamt mit einer doppelten Staatsangehörigkeit eingetragen werden. Erwachsenen ist die Einbürgerung erleichtert worden, vor allen Dingen sind die Fristen verkürzt worden, und – jetzt kommen wir zu dem heutigen Thema – für die Kinder im Alter bis zu zehn Jahren wurde ein neuer Paragraph geschaffen, der ihnen die Möglichkeit gegeben hat, genau wie die Neugeborenen auf Antrag mit zwei Staatsangehörigkeiten behandelt zu werden. Sie wissen jetzt, dass diese Regelung damals im Gesetz auf ein Jahr zum 31. 12. 2000 befristet war. Genau das ist der Handlungsbedarf, vor dem wir heute stehen.

Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, dass diesen Handlungsbedarf auch niemand bestritten hat. Das können Sie an den Beratungen im Bundestag, in dem der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen in der ersten Lesung bereits behandelt worden ist, und auch an den ersten Beratungen im Bundesrat sehen. Alle wissen, im Grunde gibt es einen Handlungsbedarf. Was ich gern von beiden großen Fraktionen hier heute wissen möchte, falls Sie vorhaben, unseren Antrag abzulehnen, wie Sie diesen Handlungsbedarf auffüllen wollen, wie Sie selbst nun die Situation dieser bis zu zehn Jahre alten Kinder ändern wollen, wenn Sie uns in unserem Begehren nicht folgen, dass wir hier der Bundesregierung beitreten und diesen Gesetzentwurf übernehmen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Man kann auch eindeutig feststellen, und hier will ich auch überhaupt keine großen Gebäude aufbauen, um die es hier nicht geht, dass es hier nicht um große inhaltliche Veränderungen, um einen großen Wurf, ein ganz neues Staatsangehörigkeitsrecht geht. Diese Diskussion haben wir schon geführt. Es geht lediglich um eine Korrektur, eine Nachbesserung in dieser ganz speziellen Frage, und zwar in zweierlei Hinsicht. Erstens: Erlauben wir es den Eltern, noch dieses und das nächste Jahr diese Anträge auf Einbürgerung ihrer Kinder zu stellen? Ich frage Sie ganz ernsthaft, was eigentlich dagegen spricht, den Eltern dies zu erlauben.

Zweitens, das ist ein ganz zentraler Punkt: Sind wir bereit, die Gebühren, die bisher pro Kind 500 DM betragen haben, so wie es der Gesetzentwurf der Bundesregierung vorsieht, auf 100 DM abzusenken? Etwas, was für das Land Bremen nur einen sehr ge

ringen Betrag in der Differenz ausmacht, daran möchte ich doch noch einmal erinnern, kann natürlich für die einzelne Familie, wenn sie fünf Kinder hat und das hochrechnet, 500 DM pro Kind Einbürgerungsgebühr, schon einen sehr großen Einfluss bei nicht so begüterten Menschen haben hinsichtlich der Frage, ob sie nun 2500 DM oder nur 500 DM aufbringen muss. Ich denke, auch hier sollten wir, und das ist die klare Aussage, den Wunsch, sich einbürgern zu lassen, nicht am Geldbeutel scheitern lassen. Das ist im Grunde genommen der politische Kern dieses Antrags und dieses Vorhabens.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie wissen, dass im Bundesrat noch eine uneinheitliche Meinung vorherrscht. Deswegen sagen alle, die die Debatte verfolgen, dass es unter anderem darauf ankommen wird, wie sich das Bundesland Bremen im Bundesrat in dieser Frage verhält. Es ist also nicht ganz unerheblich, wie wir uns heute zu diesem Antrag stellen.

Nun zum Bericht der Innendeputation! Er ist natürlich wieder insofern bezeichnend, als er feststellt, dass es uneinheitliche Positionen der Fraktionen gegeben habe. In der Sache aber heißt das nun überhaupt nicht, dass auf der einen Seite die Position der grünen Opposition und auf der anderen Seite die Position der Koalitionsfraktionen gestanden hätte, sondern real war es so, dass im Grunde genommen die Fraktionen der SPD und der Grünen in der Innendeputation für diese Regelung waren und die Fraktion der CDU dagegen. Das heißt, dass nicht nur in diesem Hause, sondern auch in der Innendeputation im Grunde eine Mehrheit für diese vernünftige und relativ kleine Geste im Hinblick auf die Eltern tatsächlich bestanden hat.

(Vizepräsident R a v e n s übernimmt den Vorsitz.)

Das ist natürlich etwas ganz anderes, als letztendlich der Bericht suggeriert, der am Schluss empfiehlt, diesen Antrag hier und heute abzulehnen. Das muss man auch noch einmal im Hinterkopf haben. Es gibt also sowohl in der Deputation als auch, ich unterstelle einmal, heute hier im Grunde eine Mehrheit der Abgeordneten, die dieses Vorhaben befürworten. Dennoch, und das ist nun einmal wieder das Problem mit der großen Koalition, kommen wir am Ende nicht dazu, hier eindeutig etwas zu beschließen, was auf die Eltern und die Kinder zugeht.

Das ist sehr schade, vor allen Dingen, weil ich in diesem Antrag und in diesem Vorhaben Fristverlängerung um zwei Jahre, Senkung der Gebühren eigentlich keine großen, fundamentalen Gegensätze, politisch oder ideologisch oder wie auch immer, sehe, die Sie von der CDU-Fraktion dazu bewogen haben, diesem so nicht beizutreten. Ich denke, finan

ziell macht es für das Land Bremen kaum einen großen Unterschied. Warum soll man nicht den Eltern, die Kinder im Alter bis zehn Jahre haben, noch einmal zwei Jahre geben, um hier diese Anträge zu stellen?

Sie wissen auch, dass die Informationspolitik etwas mangelhaft war und sehr spät eingesetzt hat auch im Land Bremen. Sie wissen auch, dass gerade die Höhe der Gebühren oft eine Abschreckung ist. Wir haben das nie so hoch gehängt, dass wir gesagt haben, das ist nun der große Wurf, dem muss die CDU unbedingt beitreten, sondern wir haben gesagt, das ist im Grunde genommen ein kleiner Schritt auf die Eltern, auf die Kinder zu, bei dem wir dachten, das ist eigentlich etwas, was wir hier im Hause auch gemeinsam machen können, so wie wir hier verschiedentlich Dinge gemeinsam tun.

Ich möchte Sie noch einmal bitten, hier zu begründen, warum Sie dem so nicht beitreten wollen, was Sie den Eltern erzählen und was Sie den Kindern erzählen wollen, wenn Sie dann wieder hinausgehen in die Schulen und in die Kindergärten, warum sie nicht unter diesen erleichterten Bedingungen Deutsche werden sollen. Was tatsächlich dagegen spricht, haben Sie meines Erachtens noch nie, weder in den Gremien, noch hier im Hause, tatsächlich dargelegt. Ich bitte Sie noch einmal, sich das genau zu überlegen, ob wir an dieser Stelle nicht gemeinsam, das Land Bremen im Bundesrat und dieses Haus hier über die Fraktionen hinweg, diesen Schritt tatsächlich auf die Eltern und auf die Kinder zugehen!

Ich glaube, es gibt zu der Frage, wollen wir, dass die Kinder von Anfang an hier im Lande dazugehören, unter erleichterten und unbürokratischen Bedingungen hier sozusagen Teil unserer Gemeinschaft werden, auch unsere Staatsbürgerschaft teilen, überhaupt keine Alternative. Wenn Sie daran Kritikpunkte haben, dann müssen diese wirklich ziemlich klein kariert und ziemlich weit hergeholt sein, weil die Frage der Einbürgerung schon der kleinen Kinder und des unbürokratischen Zugangs zu einer gemeinsamen deutschen Staatsbürgerschaft in der Sache vollkommen ohne Alternative ist. Sie werden auf die Dauer auch nicht daran vorbeikommen. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Herderhorst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antrag der Grünen zum Thema „Einbürgerung von Kindern fördern“, der seinerzeit im Dezember 2000 an die Innendeputation überwiesen wurde, ist dort in der Tat beraten worden. Die Deputation hat empfohlen, das kann ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

man in der Mitteilung des Senats auch nachlesen, diesem Antrag nicht zu folgen und ihn nicht zu unterstützen. Dieser Empfehlung, das nehme ich vorweg, möchte unsere Fraktion heute folgen. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen.

Meine Damen und Herren, der Antrag der Grünen soll den Eindruck vermitteln, dass der Senat Hauptschuldiger dafür ist, dass Antragsberechtigte keinen Gebrauch von der Möglichkeit gemacht haben, für ihre Kinder initiativ zu werden und die Kinder bis zu zehn Jahre vorläufig einbürgern zu lassen. Mit dieser Schuldzuweisung soll gleichzeitig signalisiert werden, dass bei besserer Informationspolitik in dieser Sache durch den Senat weit mehr Anträge eingegangen wären. Folgerung der Grünen scheint dabei zu sein, die Regelung muss verlängert werden, alle müssen detailliert darüber informiert werden, und die Einbürgerung muss möglichst zum Nulltarif stattfinden. Dann werden die Anträge sicherlich auch in Massen eingehen.

Meine Damen und Herren, bei mir drängt sich da der Eindruck auf, dass die Grünen am liebsten alle antragsberechtigten Elternteile zwingen möchten,

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen und Zuruf des Abg. T i t t m a n n [DVU])

einen Antrag zu stellen, aber eine unglückliche, von Anbeginn unzulängliche Regelung der Bundesregierung wird nicht dadurch richtiger, dass man gebetsmühlenartig und bittend zur Antragstellung aufruft.

Die Gründe, warum für die in Rede stehenden Kinder keine Einbürgerungsanträge gestellt wurden, liegen jedenfalls nicht da, wo die Grünen sie vermuten. Nein, meine Damen und Herren, die vermeintlich Betroffenen wollen einfach nicht diesen rechtlich möglichen Weg beschreiten. Zu behaupten, da hätte nur der Senat Schuld, weil es nicht die umfassende und notwendige Information gegeben habe, ist schlichtweg falsch.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin sogar überzeugt davon, selbst wenn man diese doppelte Staatsbürgerschaft zum Nulltarif verleihen würde, wäre die Antragslage nicht größer.