Protokoll der Sitzung vom 21.06.2001

Lassen Sie uns gemeinsam dafür werben, dass wir ein vernünftiges Beschilderungssystem und Leitsystem in Bremen und Bremerhaven bekommen! Lassen Sie uns dafür sorgen, dass mit Hilfe dieser Leitsysteme viele Menschen in unsere Städte kommen, denn nur so können wir die Menschen für Bremen und Bremerhaven begeistern! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Grünen begrüßen es außerordentlich, dass die Bremische Bürgerschaft mit der heutigen Debatte zum jetzigen Zeitpunkt mit der Frage der Beschilderung unseres Landes und ihrer Möblierung zu wesentlichen Fragen städtischer Existenz vordringt.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Das ist doch schon wieder eine Verarschung!)

Herr Teiser, Sie sind relativ schnell heute, das ist mir eben schon aufgefallen!

(Heiterkeit beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich will mich deswegen in meinem Beitrag auch nicht mit Einzelheiten beschäftigen, sondern mich mit eben diesem Wesen auseinander setzen.

Vielleicht noch eine Vorbemerkung: Nach dem ersten Diskussionsbeitrag des Kollegen Oppermann, dem ich dazu gratuliere, dass er das Quiz aufgelöst hat, will ich doch Ihren Antrag nur einmal zum Spaß für einen kleinen Augenblick ernst nehmen, Herr Oppermann, Ihren Antrag, den Sie eingebracht haben. Nach sechs Jahren ziemlich großer Koalition in diesem Haus müssen die Regierungsfraktionen eine Landtagsdebatte, das möchte ich betonen, führen, um eine Behörde zu bewegen, Straßenschilder aufzustellen.

Meine Damen und Herren von der großen Koalition, das kann gar nicht Ihr Ernst gewesen sein! Das kann ich mir nicht vorstellen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Deshalb jetzt zu meinen grundsätzlichen Überlegungen! Was ist eigentlich das Wesen des Schildes und seiner Weiterentwicklung, der Beschilderung? Das Schild, meine Damen und Herren – jedenfalls das gute Schild, und nur darüber reden wir, schließlich sind wir ja ein Sanierungsland –, steht zwar fest in der Erde, aber es steht ja keineswegs deswegen für sich selbst. Es ist ja auch gar nicht selbst gemeint, sondern es meint ja etwas anderes. Es weist auf etwas anderes, das außerhalb seiner selbst liegt und von ihm getrennt ist. Dieses Nicht-bei-sich-selbstSein, sondern Auf-etwas-anderes-Weisen ist ja in gewisser Weise das Wesen und die Identität des Schildes.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das bedeutet auch, meine Damen und Herren, das Schild kann nicht nur auf etwas verweisen, das außerhalb seiner selbst liegt, sondern es kann sogar auf etwas verweisen, was nicht außerhalb seiner selbst liegt, weil es das nicht gibt oder jedenfalls so nicht gibt. Das eröffnet nämlich die weiten Möglichkeiten der Phantasie, der sanften oder auch weniger sanften Überzeichnung von der Art, um einmal ein paar Beispiele zu nennen: „Bremen. Die Metropole“ oder „Bremen. Die Musicalstadt“. Da ist vieles möglich, das ist ja gerade Chance und Wesen dieses Schildes, dass es frei ist in dem, worauf es verweist. Dieses Wesen des Schildes machen sich die modernen Menschen schon seit langem zunutze. Warum sollten die Bremer das nicht auch tun!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

In dieser Nichtidentität von Zeiger und Gezeigtem, dem Schild und der Stadt, liegt eben nun auch die Möglichkeit der räumlichen Distanz begründet. Ein Schild direkt vor der Nase macht ja auch wenig Sinn.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es gibt aber nicht nur die Möglichkeit der nahen Ferne, wenn ich das einmal so sagen darf, sondern eben auch der fernen Ferne, gerade dort machen ja die Schilder in unserer schnell fahrenden und globalisierten Welt besonderen Sinn. Es macht Sinn, wenn wir heute schon weit vor den Toren und Leuchttürmen unserer Städte auf uns hinweisen. Andere tun es ja nicht, also müssen wir es tun. In dieser Ansicht, finde ich nun, zeichnet sich der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen durch

eine sympathische Großzügigkeit aus. Wir sollten hier schnell und auch weit überholen, Maßstäbe setzen und, wie man das heute so schön sagt, ein Benchmark markieren, zumal mit der Entfernung die Macht der Phantasie wächst, wenn man ihr nur genug Futter gibt, und das sollten die Schilder auch tun, auch mit modernen Märchen wie „Bremen – SiliconWeser“. Es kann ja nicht schaden, wenn die Reise auf dem Rücken der Schilder mehr verspricht, als die Stadt dann halten kann, finde ich. Ich nehme an, solche Überlegungen standen auch bei den Grünen Pate, als sie die Überschrift gaben „Städtemarketing nur durch Beschilderung fördern“, denn den Inhalt der Schilder hat man ja wenigstens selbst in der Hand, da stört wenigstens keine Realität. Meine Damen und Herren, von Seiten unserer Fraktion also ein kräftiges, uneingeschränktes Ja zur Globalisierung der Schilder und der Phantasie! Wir würden vielleicht nicht so weit gehen zu behaupten, alle Wasserwege und Wege führen nach Bremerhaven oder nach Bremen, jedenfalls einige führen dahin, daher müssen wir da wenigstens Wegmarken setzen. Ich ahne, wir sind dabei gemeinsam und munter auf dem richtigen Weg. Es gibt jedoch, wie immer im Leben, auch eine andere Seite: Es gibt das Schild, über dessen Wesen ich schon gesprochen habe, es gibt aber auch den Schild, und ich meine damit nicht den Kollegen aus Bremerhaven. Der Schild schützt, bewahrt, ja wir können sagen, er gibt Geborgenheit und Heimat. In diesem Sinne lese ich in beiden Anträgen, vor allem allerdings im Koalitionsantrag, wenn er von der „körperlichen Einheit“, man kann es übersetzen mit „Corporate Identity“, spricht, nicht nur die Sehnsucht, draußen in der Welt da und präsent zu sein mit allen ihren Risiken, sondern auch die Sehnsucht nach Schutz vor der Welt in unserem kleinen Dorf hier. Je größer das Schild, je dichter die Beschilderung, desto geborgener und sicherer sind wir. In diesem Sinne will das Schild allerdings gerade nichts zeigen, sondern verbergen. Meine Damen und Herren, es ist ein Paradox. Beide Anträge geben auf dieses Paradox menschlicher Existenz auf eine gut postparadoxe, weil pragmatische, bremische, eben sanierungsbedingte Art und Weise ihre Antwort. Wenn Sie das wollen, können Sie das ja in den Anträgen nachlesen. Meine Damen und Herren, wie es sich gehört, komme ich auf meinen Ausgangspunkt zurück. Die Frage der Schilder, habe ich gesagt, ist eine Kernfrage des Parlaments. Warum? Weil auch wir in gewisser Weise Schilder sind, hier aufgestellt von den Wählerinnen und Wählern. Wir sind hier und sind gleichzeitig auch nicht hier, das sieht man ja immer bei vielen Debatten, dass das so ist.

(Abg. B e c k m e y e r [SPD]: Warum stehlen Sie uns die Zeit?)

Na ja! Gleichzeitig aber sind wir einerseits zwar wir selbst, andererseits aber gerade nicht, denn wir sind ja schließlich, wie wir wissen, Repräsentanten und Medium des Willens der Bevölkerung selbst.

(Abg. B ö h r n s e n [SPD]: Wir sind hier aber nicht in einer Philosophievorlesung!)

Deswegen, meine Damen und Herren, sind wir der Auffassung, die Frage der Schilder können nicht die Schilder selbst entscheiden. Wir würden das gern der Bevölkerung selbst zur Entscheidung vorlegen. Schließlich muss sie sagen, wo es lang gehen soll und nicht die Repräsentanten, sondern der Souverän selbst.

Meine Damen und Herren, falls Sie diesem Vorschlag nicht folgen wollen, wofür ich ein gewisses Verständnis hätte, werden wir hilfsweise beide Anträge ablehnen, denn, das ist meine Überzeugung, beide gehören nicht in diesen Landtag, was zu beweisen war. – Ich danke Ihnen für Ihre ungewöhnliche Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Focke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Den Antrag der Koalition hat der Kollege Oppermann in seinem neunminütigen Beitrag so hervorragend vorgetragen, dass ich mich gar nicht weiter darauf einlassen möchte. Ich möchte nur auf die etwas unter Niveau geführte Debatte des Kollegen Dr. Kuhn noch einmal eingehen. Ich finde, Herr Dr. Kuhn, als Vizepräsident dieses Hauses hat man ein bisschen auch auf das Niveau zu achten, und das, finde ich, ist hier eben doch etwas abgeflacht.

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau J a n - s e n [SPD]: Nein, im Gegenteil!)

Ich habe gedacht, meine Damen und Herren, Sie hätten es in diesem Antrag wirklich ernst damit gemeint, denn ich habe nicht von vornherein angenommen, dass Sie hier einen Jux-Antrag einbringen.

(Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen])

Wir haben uns ernsthaft damit beschäftigt.

(Heiterkeit beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, wenn Sie uns sagen könnten, aus welchem Topf wir das Geld nehmen, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

dann würden wir die Schilder in London und vielleicht überall aufstellen!

(Heiterkeit und Beifall)

Es wäre eine ganz tolle Sache! Dann würde Bremen ja wirklich in der ganzen Welt sehr bekannt. Man müsste natürlich mit diversen Regierungen Abkommen unterschreiben. Das hat alles ein bisschen mit Arbeit, Zeit und Geld zu tun, aber wenn Sie sich wirklich so dafür interessieren, dass aus Bremen tatsächlich eine berühmte Stadt werden soll, dann hätten Sie in den Antrag vielleicht auch hineinschreiben sollen, wie die Finanzierung gemacht werden soll. Dann hätten wir ernsthaft darüber nachdenken können, diesen Antrag vielleicht zu unterstützen.

Nun muss ich zu meinem Bedauern feststellen, dass Sie den Antrag ja selbst gar nicht ernst nehmen, daraus eine Jux-Debatte machen und ihn auch noch selbst ablehnen als beantragende Fraktion. Das hat mich jetzt etwas betrübt, und jetzt sage ich auch, das war dann wirklich ein bisschen unter Niveau. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse über den Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU mit der Drucksachen-Nummer 15/672 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Bündnis 90/Die Grünen und Abg. T i t t m a n n [DVU])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 15/753 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Abg. T e i s e r [CDU] – Heiterkeit – Abg. T e i s e r [CDU]: Die Wahrheit ist keine Frage der Mehrheit!)