Protokoll der Sitzung vom 29.08.2001

Deswegen kann ich uns allen nur dazu raten, die Zuwanderungsdebatte kritisch zu führen, aber auf Wahlkampfgetöse zu verzichten, denn falsche Töne werden bei diesen klugen Leuten aus dem Ausland genauestens registriert.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde, wir sollten hier in unseren beiden Städten mit gutem Vorbild vorangehen.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Jäger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als Frau Berk eben die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesministerin aufgezeigt hat mit dem Flugzeug „Back to Germany“, da habe ich mich in der Tat gefragt: Wo ist da die Substanz, und wo ist da der Effekt? Ich stelle mir vor, ich würde als Amerikaner oder Deutscher in Kalifornien am Strand liegen und würde so ein Flugzeug sehen mit „Back ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

to Germany“, ich würde das eher als Bedrohung empfinden.

(Abg. Frau B e r k [SPD]: Herr Jäger, das haben Sie falsch verstanden, von Baden- Württemberg!)

Gut, oder von Baden-Württemberg, wie auch immer! Das ist mehr Effekt als Substanz. Ich komme gleich darauf zurück.

Meine Damen und Herren, auch Marketing gedeiht nur da, wo Substanz ist, Marketing gedeiht nur dort, wo auch Wettbewerb ist, Wettbewerb um die besten Köpfe, internationales Marketing. Ich habe mit dieser Überschrift, Frau Berk, überhaupt kein Problem, ich finde das zu Recht ein Anliegen dieses Hauses und der Grünen. Wettbewerb können wir an den Hochschulen selbst sowieso mehr gebrauchen. Darüber redet dieses Land, aber es handelt selten danach. Das allein, wenn wir mehr Wettbewerb an unseren Hochschulen hätten, wäre oft schon Marketing genug.

Ich nehme das auch der Debatte vorweg, weil ich heute im „Weser-Kurier“ gelesen habe, dass die ZVS vorschlägt, dass sich die Hochschulen jeden zweiten Absolventen in den Numerus-clausus-Fächern selbst aussuchen sollten. Schon heute könnten wir davon Gebrauch machen, Herr Senator Lemke, wir könnten selbst in Studiengängen 20 Prozent der Studierenden selbst aussuchen, nicht nur anhand von irgendwelchen Zuweisungen und Noten, sondern natürlich auch, um die besten Köpfe ins Land zu holen.

Wer auf dieses Instrument verzichtet, verzichtet möglicherweise auch auf Akzente und Steuerungsinstrumente in der Frage, welche ausländischen Studierenden wollen wir denn in diesem Land. Insofern müssen wir auch darüber aus Anlass dieser aktuellen ZVS-Pressemitteilung noch einmal nachdenken. Wir bedauern dies, dass man in Bremen noch nicht darüber nachdenkt, aber vielleicht sollten wir auch selbst Wettbewerbselemente schneller implementieren. Dies als kritische Anmerkung vorweg!

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die große Koalition hat sicherlich die Substanz geschaffen, um überhaupt erst einmal über dieses Marketing reden zu können. Die IUB ist ein Ergebnis dieser großen Koalition, und ich hätte mir noch vor einigen Jahren nicht vorstellen können, dass wir auch über intellektuelle Elitebildung in dieser Stadt hätten reden können. Dieses Thema ist verteufelt worden, und dieses Klima hat sich in der Tat, wie auch festgestellt wurde, in dieser Stadt geändert, und das ist ein Ergebnis dieser großen Koalition.

(Beifall bei der CDU)

Wie überhaupt am Beispiel der IUB deutlich wird, auch an den anderen Hochschulen, dass auch privates Engagement dazu beitragen kann, den Bremer Neubürgern einen Aufenthalt durch Patenschaften und auch durch die Wiederbelebung des humboldtschen Bildungsideals. Der eine oder andere mag es nicht hören, aber die Amerikaner der Rice Universität finden das toll, sozusagen die Mund-zuMund-Propaganda wieder zu fördern. Mund-zuMund-Propaganda ist sicherlich neben wissenschaftlichen Leistungen an sich auch das beste Marketing, das wir uns leisten können.

Meine Damen und Herren, auch die Hochschule in Bremen hat längst den internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe aufgenommen, sich als Erstes bemüht, auch auf internationalen Bildungsund Absolventenmessen Flagge zu zeigen. Was in Deutschland noch sehr zaghaft und Neuland ist, wird in anderen europäischen Ländern längst gemacht. Man muss da nur in die Beneluxstaaten schauen, dort ist man auf sogenannten Absolventenmessen und auf Hochschulmessen präsent. Wir Bremer müssen trotz schmaler Budgets auch dort mehr Präsenz zeigen.

Wir lesen, dass die Hochschule Bremen einen Newcomer-Service bietet für die Fragen: Was ist, wenn die ausländischen Studierenden hier eintreffen, wie kommen sie zurecht? Da gibt es eine ganze Menge auch ehrenamtliches Engagement von Professoren, die sich in diesem Sinne trotz knapper Budgets einsetzen. Was für Bremer Neubürger und die Neubürgeragentur, ich denke an die Worte von Herrn Eckhoff und Herrn Böhrnsen, gilt, muss auch für ausländische Studierende gelten, wenn wir sie in dieses Land und in diese Stadt holen wollen alleine aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten, aber auch aus vielen anderen historischen Gesichtspunkten. Das, was immer so neudeutsch One-stop-Government heißt, einen Ansprechpartner für möglichst viele Behördenvorgänge, dieses Thema wird aufgenommen, und es soll kein Behörden-Spießrutenlauf mehr stattfinden. Das ist ja auch von Herrn Dr. Güldner und von Frau Berk aufgenommen worden, dass es hier die ersten Reaktionen gibt.

Das Innenressort hat hier reagiert. Herr Dr. Böse, ich weiß, dass Sie das auch zu einem Thema für sich gemacht haben, hat mit der Meldestelle und mit der Außenstelle der Ausländerbehörde Voraussetzungen geschaffen in Sachen Visa und Aufenthaltsgenehmigung. Jüngst haben wir auch auf Vorschlag von Senator Lemke in der Deputation beschlossen, das International-Büro einzurichten, wenn es um die Anrechnung von Bildungsnachweisen und Bildungsabschlüssen geht. Auch hierfür gibt es jetzt eine Anlaufstation.

Meine Damen und Herren, die Universität Bremen ist allerdings doch noch unser Sorgenkind, ich darf das für die CDU sagen. Ausländische Studierende aus Nordamerika beispielsweise sind so gut

wie Fehlanzeige. Wenn man da nachschaut, gibt es vielleicht drei Leute aus Nordamerika, wenn wir international mitreden wollen, dann muss man natürlich auch in diesem Feld einfach präsent sein, wie wir überhaupt die Diskussion starten müssen, wo wir denn unsere Schwerpunkte setzen. Ich glaube, dass auch hier ein Paradigmenwechsel stattfindet.

Wir hatten einmal eine Auseinandersetzung vor einem Jahr in der Deputation, aber ich hoffe, dass die SPD das auch sieht, wir haben lange wichtige Arbeiten natürlich auch zusammen in den Entwicklungsländern gemacht. Das wurde eben angedeutet, und viele der Studierenden gehen zurück in ihr Heimatland, sind dort die Führungseliten und werden sicherlich auch zum positiven Ruf von Bremen und von Deutschland beitragen, sind damit auch Botschafter Deutschlands und Bremens, aber wir müssen uns darüber hinaus Gedanken machen, welche Nachwuchswissenschaftler wir hier in Bremen halten können.

Ich glaube, das ist Konsens, und das ist auch hier eben in der Debatte deutlich geworden. Darum müssen wir noch ringen, welche Zielgruppen wir denn angehen, wo und in welchen Nationen wir tätig werden. Was für die IUB gilt mit der Vielfalt der verschiedenen Nationen, kann, glaube ich, für die Universität Bremen gar nicht so gelten, sondern wir müssen dort Schwerpunkte definieren, in denen wir tätig werden, denn wir können natürlich nicht in jedem Land irgendwelche Absolventenmessen besuchen. Das ist auch ganz klar.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir müssen sicherlich auch einen Schwerpunkt hier in Europa setzen und genauso wie die Städte überlegen oder die Stadt Bremen im Moment überlegt, wie sie denn ihre Städtepartnerschaften neu ordnet, müssen wir auch darüber nachdenken, wie die Hochschulen ihre Partnerschaften neu ordnen und wie sie auch diese Partnerschaften besser vernetzen. Das ist eine Aufgabe im Zusammenhang mit Hochschulmarketing.

Alles in allem müssen wir dafür sorgen, dass ausländische Studierende und Wissenschaftler hier in Deutschland und in Bremen bleiben und hier auch in den High-Tech-Betrieben, die hier entstehen sollen, eine Perspektive bekommen. Darüber, über generelle Technologien und Hochschuldebatten, werden wir ja noch einmal reden. Die Debatte um die Arbeitserlaubnisse für Nachwuchswissenschaftler, Herr Dr. Güldner hat das ausführlich angesprochen, erfährt in der bundespolitischen Debatte einen erfreulichen Konsens in weiten Bereichen, und wir bewegen uns da aufeinander zu.

Eines dürfen wir aber auch nicht verschweigen: Ich finde schon, dass die rot-grüne Bundesregierung zu wenig dafür tut, dass Wettbewerb wirklich an den deutschen Hochschulen stattfindet. Ich komme da

mit darauf zurück, wer Marketing betreiben will, der kann das nur unter Wettbewerbssituationen tun, und auch da sollten wir Ankündigungen nicht nur glauben, sondern auch auf die Taten schauen, aber wir werden sicherlich zu einem anderen Zeitpunkt auch noch einmal über die Rahmenbedingungen, die da aus Berlin vorgegeben werden, reden. Viele Ankündigungen aus der Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder sind ja wahrhaftig, wenn man in den Forschungsetat und in den Bildungsetat der Bundesministerin schaut, nicht Realität geworden.

(Widerspruch bei der SPD)

Insofern müssen wir darüber noch reden. Ich möchte abschließend noch einmal denjenigen danken und die in der Senatsantwort gar nicht auftauchen, die sich als Private um ausländische Studierende dieser Stadt verdient machen. Da sind vor allem Institutionen wie das Goethe-Institut beileibe nicht nur eine Institution, sondern eine Community in dieser Stadt, die sich darum auf hervorragende Weise kümmern. Ich denke, dafür gilt auch der Dank dieses Hauses.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Dazu gehören die Paten, von denen es noch mehr werden können, aber es schon zahlreiche gibt, die sich um die ausländischen Studierenden der IUB kümmern. Darüber lesen wir in den letzten Tagen eine ganze Menge in der Zeitung. Die Professoren, die sich ehrenamtlich darum kümmern und ihre internationalen Kontakte pflegen, habe ich genannt. Ich weiß, dass sich auch die Universitätsfreunde, also unter anderem auch zahlreiche Unternehmer, dieses Themas in den nächsten Tagen und Wochen verstärkt annehmen wollen, wenn es um die Förderung des Technologiestandortes geht, denn dazu brauchen wir die Unternehmen, dazu brauchen wir keine Marketingabteilung und keine bessere Presse und Öffentlichkeitsabteilung, sondern wir brauchen die Unternehmer dieser Stadt in einem Klima, in dem es darum geht, den Wissenschaftsstandort möglichst positiv darstellen zu lassen. Auch da wird sich in den nächsten Wochen etwas bewegen, und wir sind gespannt, was da kommen wird. Ansonsten kann ich nur dazu raten, mehr Wettbewerb an den Hochschulen in Deutschland, aber auch in Bremen! Das ist das Erste, was wir leisten müssen, und da müssen weitere Leistungen folgen. Ich denke, uns als CDU haben Sie da an Ihrer Seite, Herr Senator.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist ja erfreu

lich viel im Konsens inzwischen, umso erfreulicher, als ja einige im letzten Jahr noch den Versuch gemacht haben, einen Wahlkampf mit der Parole „Kinder statt Inder“ zu gewinnen. Gott sei Dank ist das offensichtlich vorbei in diesem Land.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Ergebnisse waren ja entsprechend, aber man darf das nicht vergessen, dass es weiß Gott nicht lange her ist!

Wissenschaft, meine Damen und Herren, ist immer vom Anspruch her, universal gewesen. Früher hat sich das lange Zeit in der einheitlichen Wissenschaftssprache, dem Lateinischen, niedergeschlagen. Im Übrigen war das Mittelalter, wenn es auch den Begriff international wie auch national gar nicht kannte, in Wirklichkeit viel internationaler, als wir das jetzt versuchen zu werden, die waren da schon viel weiter. Wir müssen einen neuen Anlauf machen. Das, was vom Anspruch her immer da gewesen ist, universelle Geltung von Wissenschaft, das wird jetzt auch real. Es gibt keine wissenschaftliche Entwicklung mehr, die nicht überall auf der Welt mit Forschern in Arbeitsteilung gemeinsam entwickelt wird, die Forschung wird international faktisch.

Ich glaube, dass diese Tatsache die eigentliche Triebkraft in einer Reihe von Hochschulreformen gewesen ist, die wir gemacht haben und die vor allen Dingen in den letzten zwei Jahren die rot-grüne Bundesregierung ausgeführt hat. Zum Beispiel in der Frage der Dienstrechtsreform, vor allem die Tatsache, dass man übertragbare Modelle haben muss, mit denen die Leute von Deutschland ins Ausland und zurück gehen können, hat dazu geführt, dass wir wegkommen wollen von der Habilitation, dass wir den Juniorprofessor einführen wollen, das sind die Triebkräfte. Wir müssen einfach mobil sein, damit wir das nicht nur theoretisch machen, wovon wir reden, sondern die Menschen auch von einem Ort zum anderen gehen können.

Die rot-grüne Bundesregierung hat durchgesetzt, dass man das Bafög ins Ausland zum Studium mitnehmen kann. Das ist ganz wesentlich, ich meine, wir können noch so viel darüber reden, dass wir im Ausland studieren, wenn wir das Bafög nicht mitnehmen können, geht es eben nicht!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die vorherige Bundesregierung hat schon im Konsens Bachelor- und Masterstudiengänge eingeführt. Auch das wäre in Deutschland niemals möglich gewesen, wenn es nicht den wirklichen Druck gegeben hätte, international vergleichbar und kompatibel zu werden: dass wir woanders hingehen können und dass andere Leute zu uns gehen können.

Ich bin sicher, und deswegen kämpfe ich so darum, dass Bremen da nicht das Schlusslicht ist und immer philosophiert, lass einmal schauen, wie das so läuft, und lass einmal erst die anderen machen, sondern ich bin wirklich dafür, dass in der Einführung von solchen neuen Studiengängen, die ja wirklich erkennbar für ausländische Studierende attraktiv sind, wir da nicht nur in kleinen Nischen vorangehen, wo einmal 20 oder 30 Studierende hereinkommen, sondern wirklich in den großen Fächern auch diese neuen Abschlüsse einführen.

Ein bisschen mehr Mut, ein bisschen mehr Schwung in diesen Fragen, darum kämpfe ich ja seit einem Jahr! Wir haben das oft diskutiert, Sie sind da eher zögerlich, das finde ich nicht gut.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der zweite Punkt ist ganz wichtig, wenn man sich ansieht in den USA, wer da vor allen Dingen gewonnen wird, ausländische Studierende, Doktoranden und Post-Docs! Das sind die Leute, die sie versuchen zu gewinnen, mit unheimlich gut organisierten Doktorandenstipendien und organisierten Studien. Das fängt in Bremen an, wir haben zwei gute Projekte – jetzt auch in Sozialwissenschaften, ein sehr renommiertes Projekt –, aber das sind insgesamt nur zehn Prozent aller Doktoranden, die so betreut werden. Das ist eine riesige Aufgabe, das muss man anpacken, das muss man auch schneller anpacken!

Dritter Punkt, Berufungen! Wenn man sich ansieht, wie viele ausländische Forscher da sind, dann sind das in Wirklichkeit nicht sehr viele. Die „Initiative zur Verbesserung des Standortes Deutschland” hat unter anderem vorgeschlagen, richtig festzuschreiben, dass bei Berufungen und Ausschreibungen das international gemacht wird, dass man von vornherein nicht nur auf den nationalen Forschermarkt sieht, sondern international ausschreibt, auch die Mittelzuweisungen daran knüpft. Das finde ich richtig, auch von den Forschern her, nicht nur von den Studierenden muss die Internationalisierung größer werden.

Bei den positiven Entwicklungen, die es in Bremen gibt, und dies sehe ich übrigens tatsächlich für mich in dem Gesichtspunkt, dass Wissenschaft international und universell ist, steht die IUB an ganz oberster Stelle, nicht mit dem, was Sie da jetzt in den Vordergrund stellen, Elite und sonst etwas, sondern mit dem unheimlich spannenden Versuch, hier in Bremen-Grohn eine Universität zu machen, die verschiedene Traditionen von USA und Deutschland von der Hochschul- und Wissenschaftsgeschichte aufnimmt, versucht zu verbinden und hier vor Ort praktisch macht mit international Studierenden und Forschern. Das finde ich in der Tat spannend. Das ist tatsächlich Internationalität auf kleinstem Raum

mit hohem Anspruch. Das finden wir gut, das ist der Grund, warum wir das auch unterstützt haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)