Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir schlagen heute, wenn wir diese Änderung des Gesetzes hier beschließen, ein Kapi
tel bremischer Wohnungsbaupolitik insofern zu, als dass die ja vielfach diskutierte und auch sehr umstrittene,
hier und da auch umkämpfte Fehlbelegungsabgabe hiermit auslaufen wird, wenn wir heute dieses Gesetz in der zweiten Lesung beschließen.
Die Fehlbelegungsabgabe ist ja eine Ausgleichsabgabe, die gezahlt werden muss von Mietern in Wohnungen, die im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus erstellt wurden, deren Einkommen gewisse Grenzen überschreitet. Sie ist schon 1982 auf Bundesebene eingeführt worden. Das bremische Gesetz ist später gekommen und hat einige speziellere Ausprägungen gehabt. Zurzeit fallen noch 8000 Wohnungen in Bremen und Bremerhaven unter die Regularien dieses Gesetzes. Die Zahl wird in den nächsten Jahren rapide absinken, sie ist schon in den letzten Jahren rapide abgesunken. 2004 wird es sich ausweislich der Vorlage noch um 4400 Wohnungen handeln.
Es gab, das will ich an dieser Stelle kurz sagen, drei Gründe, die dazu geführt haben, eine solche Fehlbelegungsabgabe einzuführen. Der erste ist sozusagen ein Aspekt der Gerechtigkeit, weil Leute und Familien, die mittlerweile ein höheres Einkommen erzielt hatten und immer noch in begünstigten, subventionierten Wohnungen gelebt haben, eben an der Finanzierung der Subventionierung teilhaben sollten und insofern eine solche Ausgleichsabgabe zahlen sollten, wenn sie eine Einkommensgrenze überschritten haben.
Der zweite Grund war durchaus auch ein wohnungspolitischer Aspekt, nämlich die Überlegung, gerade in Zeiten, als der Wohnungsmarkt noch so aussah, dass es ein knappes Angebot an günstigen Wohnungen gab, sollte günstiger Wohnraum möglichst geräumt werden für Geringverdiener. Leute, die es sich erlauben konnten und die in die Zone der Fehlbelegungsabgabe rutschten, wurden dadurch auch angeregt, sich woanders Wohnraum zu suchen.
Der dritte und letzte Punkt und Aspekt, da beißt die Maus keinen Faden ab, war natürlich auch ein fiskalischer, nämlich Einnahmen zu generieren für die Haushalte.
Die Wirkung dieser Fehlbelegungsabgabe ist eine gewesen, die aus meiner Sicht ausgesprochen kritisch zu betrachten ist. So gesehen bin ich ausgesprochen froh, dass wir dieses Gesetz heute beschließen und mit der Fehlbelegungsabgabe Schluss machen. Es hat nämlich in vielen Quartieren insofern zu einer Entmischung geführt, als sich die gewachsene soziale Struktur in Quartieren, in Stadtteilen verändert und aufgelöst hat und natürlich dort ge
rade die stärkeren Haushalte ausgezogen sind, was eben dazu führt, dass auch die Netze von Nachbarschaften, auch das Selbstorganisationspotential von Quartieren, geschwächt worden sind. Heute spricht man ja davon, dass funktionierende Nachbarschaften an vielen Stellen ausgehebelt worden sind.
Das ist eine Fehlentwicklung, die stadtentwicklungspolitisch ein Problem darstellt und uns vor die Aufgabe stellt, eben genaueres Augenmerk auf diese gewachsenen Quartiere zu legen, die aber auch sozialpolitisch problematisch ist, weil eben gute Netze aufgelöst werden, und im Übrigen auch fiskalisch kontraproduktiv ist, weil es Folgekosten gibt, die dann wieder über den öffentlichen Haushalt dargestellt werden müssen.
Vor dem Hintergrund begrüße ich es außerordentlich, dass wir hiermit dieses Kapitel der Wohnungsbaupolitik der Vergangenheit schließen, die Fehlbelegungsabgabe abschaffen und damit, glaube ich, auch in stärkerer Weise einen Blick in die Zukunft werfen, nämlich die Aufgabe uns vornehmen, gerade die gewachsenen Quartiere des Geschosswohnungsbaus zu gestalten, dort wieder Bestandsstärkung zu schaffen, dort funktionierende Nachbarschaften zu schaffen, was ein wichtiges Ziel bremischer Politik sein sollte. Hier beseitigen wir ein Hindernis. – Ich bitte um Zustimmung!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kollege Dr. Sieling hat eingangs zu Recht darauf hingewiesen, dass das Thema, das wir hier heute behandeln, eigentlich ein Thema für Nostalgiker des sozialen Wohnungsbaus ist. Das mag auch der Grund sein, warum etliche doch sonst so antikapitalistische und klammheimlich klassenkämpferische Kollegen aus den letzten Reihen der SPD hier nicht anwesend sind. Ganz offen gesagt, es handelt sich jetzt erst einmal um ein Projekt der Umverteilung, das muss man ganz ehrlich so sagen, auch wenn es nicht mehr viel ist, was hier umzuverteilen ist.
Ursprünglich war der Gedanke dieses Gesetzes, Sie haben das sehr richtig erläutert, Herr Kollege Dr. Sieling, wer zuviel Geld verdient, hat eigentlich in staatlich subventionierten Wohnungen nichts zu suchen, und deshalb soll er wenigstens ein bisschen mehr Miete zahlen. So schlicht und einfach war der Grundgedanke, wenn da schon einmal ein Reicher wohnt, in Anführungsstrichen ein Reicher muss man sagen,
(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Sprechen Sie doch einmal mit dem Saaldienst, was die Kollegen darüber denken!) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. (A) (C)
Sie wissen doch, dass wir zugestimmt haben, das aufzuheben, weil in der Tat die Bedeutung dieser Angelegenheit im Rahmen des gesamten sozialen Wohnungsbaus mit Windeseile gegen Null geht. In Wirklichkeit – deswegen habe ich gesagt, das ist ein Thema für Nostalgiker des sozialen Wohnungsbaus – ist es eigentlich nur ein weiteres Indiz dafür, dass der staatlich subventionierte soziale Wohnungsbau, wie er in den sechziger, siebziger, achtziger Jahren und sogar bis zum Jahr 1992 in Bremen stattgefunden hat, überholt ist. Im Jahr 1992, als ich mein erstes Parlamentsjahr hier verbracht habe, haben wir in Bremen rund 2500 Wohnungen gebaut, über 800 davon waren staatlich gefördert, von denen noch eine große Menge richtig sozial geförderte Mietwohnungen waren.
Heute ist auch diese Zahl fast gegen Null gegangen, Herr Kollege Sieling, das wissen Sie so gut wie ich. Es ist eigentlich nicht nur die Beerdigung der Fehlbelegungsabgabe, sondern es ist die Beerdigung des sozialen Wohnungsbaus in öffentlicher Hand.
So schlicht und einfach ist das. Wir stimmen dem dennoch zu, aber nicht, weil wir glauben, dass das prinzipiell richtig ist. Es ist angesichts der aktuellen Situation richtig, die jetzige Form des sozialen Wohnungsbaus tatsächlich so auslaufen zu lassen.
Ja, die jetzige Form! Ich sage, wir werden in absehbarer Zeit noch sehr viel intensiver dazu kommen, denn die Leute, die klassisch vom sozialen Wohnungsbau betroffen waren, gibt es nach wie vor. Das sind Menschen mit wenig Geld, die Menschen, die sich die hohen Mietpreise auf dem privaten Markt nicht leisten können. Wenn es in Bremen auch relativ zu anderen Städten anders ist, die Marktentwicklung wird auch wieder knapper werden, weil der frei finanzierte Wohnungsbau natürlich rückläufig ist, egal was wir an Bauflächen ausweisen. Die Wirklichkeit ist ja im Moment anders.
Weil das alles so ist, werden wir natürlich zu neuen Programmen kommen, auch zu Programmen, die mehr im Zuge der Entwicklung der Renten zur Eigentumsförderung in allen sozialen Schichten führen müssen. Es werden auch Programme sein, die sich auf die Sicherung des vorhandenen Wohnungsbestandes richten werden, wie es jetzt schon in Ostdeutschland der Fall ist. Ich sage das nur, denn die Frage ist damit nicht vom Tisch, dass wir hier heute ein Gesetz abschaffen, das in der Tat überlebt ist.
Ich komme jetzt, das ist schon laut dazwischengerufen worden, zu den Beispielen. Es ist in der Tat so, dass es viele Leute gibt, die heute die Fehlbelegungsabgabe zahlen müssen, von denen wir auch sagen müssen, das ist aber hart an der Grenze. Sie haben schon das Beispiel erwähnt. Hier ist ein vielen vertrauter Kollege, der lange Jahre im Saaldienst war und heute in Rente ist, unter anderem, nicht nur weil er uns so liebt, sondern weil er auch ein paar DM dazu braucht, weil er über 200 DM Fehlbelegungsabgabe im Monat noch die nächsten Jahre zahlen muss. Das ist für einen Rentner auch beim heutigen Rentenniveau nicht ganz wenig Geld.
Man sieht, die soziale Frage hat verschiedene Seiten, nicht nur zwei, wie das früher manchmal in diesem Fall war. Wir stimmen der Änderung des Gesetzes zu!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt drei Gründe dafür, dass wir das Gesetz heute hier beschließen. Erstens, wenn der Aufwand bald höher wird als der Ertrag, dann macht solch eine Abgabe wenig Sinn. Der zweite Grund ist die Entmischung von Wohngebieten, die hier auch schon angesprochen worden ist und ein dritter ist die soziale Härte. Sie sprechen alle dafür, dieses Gesetz zu beschließen. Das ist der kurz zusammengefasste Sinn dieses Gesetzes. Ich glaube, dass man gar nicht viel länger reden muss,
(Beifall bei der CDU – Abg. Frau W i e - d e m e y e r [SPD]: Das war die beste Rede, die du je gehalten hast! Du hast nur vergessen, unsere Senatorin zu kritisieren! – Heiterkeit)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Kürze der Rede von Herrn Pflugradt zu unterbieten wird mir nicht gelingen. Es ist ja richtig, dass Herr Dr. Sieling und auch Herr Mützelburg im Grunde all die Motive dargestellt haben, um die es eigentlich geht. Ich wollte nur nicht im Raum stehen lassen, dass das das Ende der sozialen Wohnungsbauförderung ist. Das ist es nicht, sondern wir müssen, und da, glaube ich, gibt es großes Einver
nehmen, neue Formen finden. Wir sind ja auch dabei, wie Sie wissen, mit der Wohnungswirtschaft hier im Lande Bremen neue Wege zu beschreiten, die das eine möglich machen, ohne dass es finanziell unmöglich wird. Insofern, meine Damen und Herren, steht der heutige Gesetzentwurf schon im Zusammenhang mit dem, was wir im Frühjahr diskutiert haben, nämlich mit der Frage der Obergrenzen. Das war ja eine der wichtigen Fragen. Ich denke, wir sind in einem guten Übereinkommen mit der Wohnungswirtschaft und den sozialen Zielsetzungen auf der einen Seite dazu gekommen, heute zu sagen, dass wir das bremische Gesetz über den Abbau der Fehlsubventionierung vorlegen müssen. Es soll zwei Dingen Rechnung tragen, es ist schon gesagt worden. Es soll hier erstens insbesondere in problematischen Quartieren beziehungsweise schwierigen Wohnanlagen der sozialen Entmischung Einhalt gebieten. Das war ein Problem, mit dem wir es zu tun gehabt haben. Es soll zweitens in der Tat dazu dienen, dass der Verwaltungsaufwand nicht größer wird als das, was man an Rückflüssen hat. Insofern, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, diesem Gesetz zuzustimmen!
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer das Gesetz zur Änderung des Bremischen Gesetzes über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen in zweiter Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in zweiter Lesung.
Meine Damen und Herren, es ist jetzt unter den Fraktionen geregelt worden, dass wir den Tagesordnungspunkt sechs vorziehen. Das stößt auf keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.
Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen. Herr Senator Lemke, Sie verzichten darauf.