Protokoll der Sitzung vom 26.09.2001

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Pflugradt, Frau Wiedemeyer, lassen Sie mich nur ganz kurz, damit das hier nicht so stehen bleibt, noch einmal etwas sagen!

Sie haben den Eindruck erweckt, als hätten Sie gegen meine Argumentation gesprochen. Haben Sie aber nicht, Sie haben sie im Grunde genommen bestätigt! Es wird eine Investition der Bremer Spielcasino GmbH und Co. KG, die zu 51 Prozent im Besitz der Westdeutschen Landesbank und somit ein ganz normales privates Unternehmen ist, durch eine vorübergehende Absenkung der Abgabe refinanziert. Das haben Sie eben auch bestätigt, und das ist genau das, was ich hier vorgetragen habe. Dass wir das unterschiedlich bewerten, das ist Ihr gutes Recht, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

aber die Tatsache haben Sie durch Ihre ganzen Ausführungen von vorn bis hinten bestätigt.

Sie sollten auch nicht so tun, als ob hier von einem Abgeordneten Unsinn oder etwas Falsches vorgetragen wurde! Wie Sie das dann bewerten, ist Ihre Sache. Die Fakten waren bei Ihnen genau die gleichen wie bei mir.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Zulassung einer öffentlichen Spielbank, Drucksache 15/817, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, CDU und Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Bündnis 90/Die Grünen)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe – wir haben sie vorhin schon begrüßt, aber da waren sie noch nicht da –, möchte ich jetzt ganz herzlich die Schülerinnen und Schüler der elften Klasse des Cato Bontjes van Beek-Gymnasiums aus Achim begrüßen. – Herzlich willkommen!

(Beifall)

Einbeziehung der berufsschulischen und betrieblichen Leistungen in die Abschlusszeugnisse der Kammern

Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 15. Mai 2001 (Drucksache 15/713)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Lemke, ihm beigeordnet Staatsrat Köttgen.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält der Abgeordnete Ravens.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da der Antrag schon im Mai dem Haus vorgelegt worden ist, aber wir ihn jetzt erst aus verschiedenen Gründen behandeln, lassen Sie

mich ihn noch einmal ganz kurz zitieren, damit auch die Zuhörer, die an den Rundfunkgeräten sitzen, wissen, worum es eigentlich geht! Unser Antrag lautet „Einbeziehung der berufsschulischen und betrieblichen Leistungen in die Abschlusszeugnisse der Kammern“. „Der Senat wird aufgefordert darauf hinzuwirken, dass die während der Berufsausbildung in der Berufsschule erbrachten und durch Zeugnis nachgewiesenen Leistungen sowie die durch freie Beschreibung wiedergegebene Leistungsbeurteilung des Ausbildungsbetriebes bei der Abschlussprüfung der Kammern anerkannt und in die Bewertung des Auszubildenden einbezogen werden.“ Mit diesem Antrag setzen wir ein Stück um, was Bundesparteitage und Delegiertenversammlungen beschlossen haben. Ich erinnere an unseren CDUParteitagsbeschluss im November in Stuttgart, wo es heißt: „Die duale Ausbildung muss zu einer attraktiven Alternative zum Studium entwickelt werden. Um die Gleichberechtigung von Ausbildungsbetrieb und Berufsschule zu erreichen, müssen schulische Leistungen ausreichend berücksichtigt werden.“ Im Leitantrag des SPD-Landesvorstandes vom 17. März 2001 steht: „Die Berufsschule muss als gleichberechtigter Ausbildungspartner respektiert werden. Dazu gehört auch, dass Berufsschulleistungen in den Prüfungsergebnissen berücksichtigt werden.“ Beides haben wir in diesen Antrag einfließen lassen. In diesem Antrag ist für mich das Wichtigste, dass wir der immer wieder beteuerten Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung endlich einmal Taten folgen lassen. Das machen wir mit diesem Antrag, nämlich wir wollen eine Änderung des Prüfungswesens im berufsschulischen Bereich.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen keine Revolution mit diesem Antrag. Es sind ja Horrorszenarien an die Wand gemalt worden, als wenn die Bürgerschaft etwas ganz Tolles beschließen will, als wenn es etwas Unanständiges ist, was wir für Berufsschüler wollen. Ich habe mehrere Briefe erhalten, in denen geschrieben steht, es sei ein Angriff auf das duale System, eine Aushöhlung des dualen Systems. Meine Damen und Herren, nichts von dem! Es ist ganz einfach: Hierbei geht es um junge Menschen in der beruflichen Ausbildung, die endlich auch in den Abläufen und Anrechnungen der Prüfungen mit denen der allgemeinbildenden Schulen, auch der Berufsfachschulen, gleichgestellt werden sollen. Nichts anderes ist das. Nichts anderes darf dahinter vermutet werden.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Eine Anmerkung dazu: Es handelt sich hier nicht um Randgruppen, meine Damen und Herren, denn

mehr als 70 Prozent aller Jugendlichen durchlaufen eine berufliche Ausbildung, das heißt, sie durchlaufen die Berufsschulen und gehen in eine Abschlussprüfung. Es geht hier um die Mehrheit von jungen Leuten, und deshalb wollen wir es ändern, um ihnen ein Stück Zukunft zu geben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, in der beruflichen Ausbildung heißt es im Berufsbildungsgesetz: „Im dualen System sind Betrieb und Berufsschule gleichberechtigte Partner“, und das Berufsbildungsgesetz schreibt fest, „dass in der Abschlussprüfung am Ende der Berufsausbildung festzustellen ist, ob der Prüfling die erforderlichen Fertigkeiten beherrscht, die notwendigen praktischen und theoretischen Kenntnisse besitzt und mit dem ihm im Berufsschulunterricht vermittelten, für die Berufsausbildung wesentlichen Lehrstoff vertraut ist“. Soweit das Berufsbildungsgesetz!

Wenn wir uns das Prüfungswesen ansehen, meine Damen und Herren, sind das nur Lippenbekenntnisse, die wir bisher immer abgegeben haben. Wir haben noch nie Taten folgen lassen. Es hört sich immer gut an: Wir wollen mehr tun für das berufliche Bildungswesen, damit nicht alle ins Studium gehen. Nur, hierbei, wo es wirklich um einen wichtigen Punkt geht, haben wir bisher nicht gehandelt. Das machen wir jetzt aber gemeinsam!

(Beifall bei der CDU)

Wer das Abitur gemacht hat, weiß, es können in der gymnasialen Oberstufe zur Abiturprüfung bis zu zwei Drittel aller erreichbaren Punkte als Vornoten mitgenommen werden. Ich frage mich eigentlich: Warum bleiben alle Leistungsbeurteilungen des ausbildenden Betriebes sowie alle erbrachten Leistungen in einer Berufsschule als Vornote unberücksichtigt? Wo ist der Unterschied zwischen einem Abiturienten und einem Maschinenschlosser, der in die Prüfung geht? Warum sind bei der Feststellung des Ausbildungserfolges, meine Damen und Herren, nicht beide Träger ausreichend berücksichtigt? Es steht doch im Berufsbildungsgesetz festgeschrieben, dass beide gleichberechtigte Partner sind!

Ich bin davon überzeugt, dass die Berücksichtigung von schulischen und betrieblichen Leistungen als Vornoten in der Prüfung für die Berufsschüler und -schülerinnen einen zusätzlichen Motivationsschub geben wird. Eine Beurteilung der Auszubildenden in der Kammerprüfung unter Einbeziehung dieser Leistungen, meine Damen und Herren, gewährleistet eine kontinuierliche und umfassende Beurteilung, sie ist meines Erachtens auch objektiver, gerechter und realistischer, und, meine Damen und Herren, sie enthält weniger Fehlerquellen als eine ausschließliche Punktlandung. Auch Zufallsergeb

nisse werden weitgehend ausgeschlossen, und es wird auch der Effekt des Lernens ausschließlich für die Kammerprüfung verhindert.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Lassen Sie mich aus einem Schreiben der Handelskammer vom 12. Juni an die Fraktionsvorsitzenden dieses Hauses zitieren! Die Handelskammer schreibt: „Die Beurteilung von Berufsschule und Betrieb ist bereits jetzt Bestandteil der Zeugnismappe der Auszubildenden. Eine Aufnahme der Berufsschulabschlussnote in das Kammerzeugnis wäre denkbar, wirft aber datenschutzrechtliche Probleme auf.“ Ich weiß nicht, ob mit dem Datenschutz sich alles regeln lässt! „Die Leistungsbewertung der Betriebe“, jetzt kommt der Satz, der mich ein bisschen geärgert hat, „dürfte hingegen kaum vergleichbar sein und für eine Anrechnung keinesfalls in Frage kommen.“ Meine Damen und Herren, ich sehe das als Affront gegen die vielen Meister und Ausbildungsgesellen der Betriebe an. Ich glaube, dass die Meister und die Ausbilder – dafür haben sie eine Ausbildereignungsprüfung abgelegt – durchaus in der Lage sind, junge Menschen zu beurteilen und einzuschätzen, mit welchen Noten sie im Betrieb zensiert werden können. Ich glaube, dass sie es können. Man sollte nicht einfach sagen, das ist alles nicht machbar. (Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, gestern habe ich noch etwas Nettes gefunden. Ich darf einmal aus einem Protokoll zitieren. Es geht um die Neuordnung der industriellen Metall- und Elektroberufe auf Bundesebene. Ich möchte nur einen Teil aus einem Protokoll mit Genehmigung des Präsidenten zitieren, nämlich den Teil „Neue Prüfungen – drei Teile –“. Es heißt dort: „Weitestgehendes Einvernehmen konnte in einer Reihe von Punkten zwischen den Arbeitgeber- und Fachverbänden, dem Deutschen Industrie- und Handelstag und der IG Metall hergestellt werden.“ Im Punkt zwei „Neue Prüfungen“ heißt es dann: „Es besteht Einvernehmen zwischen Verbänden, Kammern und Gewerkschaft, dass die bisherige Zwischenprüfung entfallen soll. An ihre Stelle soll etwa am Ende des zweiten Ausbildungsjahres eine Teilprüfung als vorgezogener Teil der Abschlussprüfung treten. Durch diese Teilprüfung werden die Kernqualifikationen eines Berufes in je einem praktischen und schriftlichen Teil abschließend abgeprüft.“ Jetzt kommt der entscheidende Satz: „Das Ergebnis wird voraussichtlich zu etwa 30 bis 40 Prozent die Gesamtnote bestimmen.“ Ich weiß gar nicht, was dieses Geheul im Vorwege soll, nur weil wir diesen Antrag verabschieden werden!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Ich habe trotzdem eine Bitte an die Kammern. Sie sollten ihre Position, die sie uns geschrieben haben, überdenken. Man kann über alles reden. Wir können auch über den Antrag noch einmal diskutieren.

Ich weiß, dass die Änderung des Berufsbildungsgesetzes nur auf Bundesebene geht. Das ist nur mit dem Bund zu machen, und das geht auch nur mit den Kammern, mit den Sozialpartnern. Wir erklären uns gern bereit, noch einmal mit allen zu sprechen. Die Kammern müssen aber selbst noch einmal ihre Positionen überdenken, weil es hier nicht um irgendetwas geht. Ich rufe den Kammern zu, sie sollen mit uns zusammen auf Länderebene, auf Bundesebene und mit ihren anderen Kammern, auch mit dem Deutschen Industrie- und Handelstag, kämpfen, damit diese Änderung eine Zustimmung findet. Sie sollten für unseren Antrag plädieren, denn es geht um viele junge Menschen, die eine berufliche Ausbildung durchlaufen. Die Kammern schreiben ja selbst: „Ausbildung ist Zukunft.“ Meine Damen und Herren, die jungen Menschen sind unsere Zukunft!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Brumma.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ravens hat ja schon einige Punkte genannt, warum es notwendig ist, in dem Bereich endlich aktiv zu werden. Das Thema wurde schon 1986 hier im Parlament behandelt. Ich meine, durch den Reform- und Modernisierungsdruck, den wir haben, werden alle Beteiligten jetzt gezwungen sein, hier endlich etwas zu unternehmen. Ich weiß, dass es auf Bundesebene eine Bund-Länder-Kommission gibt. Die hat schon des Öfteren dazu getagt. Sie spricht sich im Grunde auch dafür aus, dass die berufsschulischen Leistungen in die Abschlussnote einfließen.

Wenn man die Sache betrachtet, die wir im Berufsschulwesen im Moment erleben: Ich habe es heute Morgen in der Fragestunde gesagt, was machen wir denn mit den Geldern im Berufsschulbereich? Da haben wir einige Punkte gehört. Wir wollen die Lehrpläne verändern, handlungsorientierte Ansätze und Modularausbildung schaffen.

Vor einigen Wochen haben wir in der Deputation für Arbeit für Bremerhaven ein Modell verabschiedet, bei dem Bürokaufleute im Modularsystem ausgebildet werden. Damit wir diesen Prozess auch begleiten können und die Sache auch rund wird, sind wir gefordert, dass wir auch das Prüfungswesen entsprechend ausrichten. Von daher bin ich überzeugt, dass die Bund-Länder-Kommission auch in diese Richtung Ergebnisse erzielen wird. Ich hoffe jetzt nur, dass die Kammern sich bewegen und sich nicht die––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

sem Reformdruck widersetzen. Überall sprechen sie ja davon, wir müssen Reformen in der beruflichen Bildung machen. Das ist für mich auch ein Punkt, der erledigt werden muss.

Zu den Parteitagsanträgen kann ich nur sagen, wir als SPD-Fraktion haben diesen Punkt aufgenommen, der wird jetzt auch zum Bundesparteitag im November noch einmal verabschiedet. Ich bin sicher, dass dieser Punkt dort eindeutig durchgesetzt wird. Ich weiß auch, dass die Akteure in Berlin auf ein Zeichen aus Bremen warten, weil sich hier ja alle drei Fraktionen in diesem Bereich einig sind. Sie können dort noch mehr in Bewegung setzen und uns damit sinnvoll unterstützen.

Welche Vorteile hat diese Änderung? Ich will einmal fünf aufzählen. Einmal, Herr Ravens hat es schon gesagt, eine Motivationsverbesserung für die Schüler!

Ein zweiter Punkt ist eine stärkere Berücksichtigung von handlungsorientierten Elementen in der Prüfung. Man muss ja sehen, handlungsorientierte Elemente in einer Zeitpunktprüfung abzuprüfen, ist sehr aufwendig. Wenn wir das während der Berufsschulzeit machen, besteht eben die Möglichkeit, auch solche Elemente nicht aufgesetzt abzuprüfen, sondern innerhalb dieses Unterrichts. Das ist ein großer Vorteil, wenn wir zu einer reformierten und modularen Ausbildung kommen wollen.

Ein dritter Punkt ist eine Aufwertung der Berufsschulen, aber auch eine größere Verantwortung für diese. Das finde ich auch noch einmal ganz wichtig, dass man auch die Berufsschulen als gleichberechtigten Partner sieht, denn das hat in meinen Augen auch etwas mit Demokratisierung zu tun. In diesem Bereich kann ich nur hoffen, dass es geschieht, hier auch demokratischer zu werden.