Protokoll der Sitzung vom 28.11.2001

Wie dringend eine solche Neubürgeragentur ist, zeigt, glaube ich, ein Blick in die gerade aktuelle heutige Presse Bremens selbst. Zwei Beispiele, ein schönes und gutes und eines, das ein bisschen die Probleme deutlich macht: Der „Weser-Kurier“ hat heute die Ergebnisse eines Lesertelefons veröffentlicht und einen Bericht darüber gemacht, wie eine Aktion zur Frage der Wohnungsbauförderung gelaufen ist, Informationen über die Angebote, die Bremen hier vorhält, welche Produkte sozusagen geboten werden, um Bremerinnen und Bremer, aber vor allem auch Neubürger anzulocken.

Es zeigt sich dabei, dass es einen großen Bedarf gibt und vor allem einen großen Informationsbedarf über das, was wir schon bieten, denn wenn ich in dem Bericht nicht nur die Zeilen selbst, sondern auch, was zwischen den Zeilen steht, richtig verstehe, war man in der Redaktion selbst überrascht, wie vehement das Interesse daran war und wie viel Interesse dort besteht. Das macht doch deutlich, dass wir mit den Pfunden, die wir haben, nicht hinterm Berg halten sollten, sondern hinaus müssen. Eine Neubürgeragentur hätte die Aufgabe, so etwas zu systematisieren und dafür zu sorgen, dass die Werbung und Information systematischer und regelmäßiger erfolgen.

Das zweite Beispiel reflektiert das Problem von der anderen Seite. In der „Welt“ des heutigen Tages ist zu lesen, dass in diesem Jahr weniger Studentinnen und Studenten in Bremen ihren Wohnsitz angemeldet haben als in den Vorjahren. Obwohl wir ja, initiiert durch das Innenressort, glaube ich, da einiges an Aktivitäten entfaltet haben mit Meldemöglichkeiten, ist die Zahl trotzdem wieder nach unten gegangen. Unter 50 Prozent, habe ich dort gelesen, der Studenten, die neu nach Bremen kommen, haben nur ihren Erstwohnsitz in Bremen angemeldet. Das ist natürlich unbefriedigend und noch nicht hinreichend. Es macht richtig deutlich, dass da die Anstrengungen verbessert werden müssen und für einen besseren Anlauf gesorgt werden muss. Eine gute Nachricht also zur Wohnungsbauförderung, eine schwierige Nachricht an der Stelle, was die Mel

debereitschaft betrifft im Bereich der Universität und der Studentinnen und Studenten!

Das heißt also, mit einer Neubürgeragentur müssen wir dafür sorgen, dass das Marketing verbessert wird, die Informationen darüber, dass Service und Information aus einer Hand erfolgen. Dies soll ja, was Bremen betrifft, räumlich konzentriert werden. Gestern hat es die Stadtbürgerschaft diskutiert mit dem Bürgerzentrum in der Pelzerstraße.

Ich will hier nach nochmaligem Lesen des Berichts des Senats noch einmal deutlich machen, dass eine Neubürgeragentur kein Thema für die Stadtgemeinde Bremen allein ist, sondern wir immer gesagt haben, Bremerhaven braucht so etwas auch. Dort ist es angesprochen worden, aber ich halte es für dringend, dass es auch gerade für Bremerhaven weiterentwickelt wird und wir auch in Bremerhaven entsprechende Aktivitäten entfalten. Hier geht es um das ganze Land.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben heute diesen Zwischenbericht vorliegen, Zwischenbericht insofern, als der Senat darin schon ankündigt, dass er das eigentliche Konzept im Frühjahr 2002 vorlegen wird. Ich will an dieser Stelle nur vier Anmerkungen machen zu einzelnen Punkten, bei denen ich finde, dass es gute Ansätze gibt, die aber noch weitergebracht werden müssten.

Der Schwerpunkt der Neubürgeragentur, das ist Punkt eins, ist eindeutig das Marketing, also die Überlegung, dass wir Bremen und Bremerhaven deutlich präsentieren. Dabei, denke ich, muss man ins Auge fassen, dass sich eine solche Neubürgeragentur von der Natur der Sache her natürlich an Butenbremer oder Butenbremerhavener richten muss, eine klare Angelegenheit, Leute, die in die Stadt kommen, die Fernwanderer sind, die Arbeitsplätze hier haben, die eventuell auch einmal in früheren Lebensphasen im Umland in den Nachbargemeinden ihren Wohnort gesucht haben und jetzt wieder in die Stadt wollen.

Wir müssen aber auch einen Zusammenhang dazu schaffen, dass wir in Bremen selbst etwas dafür tun, denn wenn man sich allein anschaut, welche Veränderungen zwischen den Stadtteilen erfolgen, muss es deutlich werden, dass auch in Bremen und Bremerhaven der Stolz darauf, in dieser Stadt zu wohnen, auch im Rahmen einer solchen Neubürgeragentur und des Marketings eine Rolle spielen muss.

Der zweite Punkt ist für mich noch einmal die Frage mit den fachpolitischen Zusammenhängen. Es darf nicht nur Marketing sein, denn ein Marketing funktioniert nur, wenn das Produkt gut ist und wenn das, was da geboten wird, wirklich Qualität hat. Ich komme noch einmal zurück auf das Beispiel Wohnungsbauförderung. Da ist es offensichtlich so, dass dieses Angebot auf große Nachfrage stößt und es

ein Interesse gibt. Wenn wir die Leute aber dafür gewinnen wollen, dass sie in Bremen wohnen, Einwohner werden, ist doch gerade in der Ansiedlungskonkurrenz oder Wohnkonkurrenz zu den Nachbargemeinden immer wieder deutlich, dass die Frage der Infrastruktur eine große Rolle spielt. Das Grün auf dem Dorf kann man nicht ersetzen. Wer da wohnen will, der muss da wohnen. Das kann man nicht so einfach in eine Stadt hineinziehen. Aber der Aspekt der sozialen Infrastruktur, der Kindergärten, der Bildungsinfrastruktur ist ein elementarer Zusammenhang, und das ist für mich an der Stelle politisch ein wichtiger Punkt. Wollen wir Einwohnerinnen und Einwohner gewinnen und halten, müssen wir in Zukunft noch stärker darauf achten, dass diese soziale Infrastruktur in beiden Städten stimmt, und stimmen heißt auch, dass sie auch eindeutig noch besser wird.

Der dritte Punkt betrifft die Überlegung, die bei uns, als wir es in der SPD-Fraktion diskutiert haben, eine Rolle gespielt hat. Das war der Gedanke: Es gibt Firmen und Aktivitäten, die sich neu in Bremen ansiedeln, die Internationale Universität, die Fluglotsen, die nach Bremen kommen sollen. Da muss man doch gezielt darauf hinwirken, dass diese Leute sich, zum Beispiel IUB, eben nicht in Schwanewede ansiedeln, sondern dass sie auch im Bereich Bremen-Nord Angebote bekommen, oder beim Thema Fluglotsen, dass dort auch gezielt auf die Menschen, die dort ihren Arbeitsplatz haben oder ihr Studium aufnehmen werden, Angebote formuliert werden. Ich finde, dieser Gedanke müsste noch etwas weiter, auch im Konzept, ausgereift werden. Man müsste auch einmal darüber nachdenken, wie wir eigentlich damit umgehen können. Da habe ich keine Antwort parat.

Das Problem liegt aber auf der Hand, das Problem nämlich, dass gerade unsere großen Industriebetriebe überwiegend Beschäftigte haben, die in Niedersachsen wohnen, Daimler-Chrysler, bekannt, 60 Prozent. Das ist bei vielen anderen auch der Fall. Nun hänge ich nicht der Illusion nach, dass man die Leute, die da teilweise auf dem Dorf wohnen, wirklich im ländlichen Bereich auch groß geworden sind, sehr schnell in die Stadt wird locken können. Aber auch da muss man noch einmal überlegen, ob es Wege gibt, wenigstens an Teile dieser Beschäftigten heranzukommen und auch einen Beitrag dazu zu leisten, dass sich ihr Weg zur Arbeit verkürzt und sich damit ja im Ergebnis noch einmal Verkehrsaufkommen verringert, aber vor allem für die Leute sich auch Lebensqualität mehrt. Ich will nicht sagen, dass es da einfache Antworten gibt, aber eine Verkopplung auch mit unseren Wohnungsbauangeboten, die wir hier durchaus haben, Wohnbauflächen und solchen Aktivitäten in Betrieben müsste man sich einmal genauer überlegen.

Mein letzter Punkt zum Bericht selbst: Wir haben seitens der SPD sehr viel Wert darauf gelegt, dass

diese Neubürgeragentur keine Verwaltung, kein Amt wird, sondern sie soll eine Einrichtung, eine Einheit, die nicht nur Dynamik und Energie ausstrahlt und natürlich für Bremen lockt, werden, sondern die auch gleichzeitig Private mit ins Boot nimmt. Das ist mehrfach im Bericht angesprochen, aber nur als Aufgabenstellung: Wie kann es gelingen, Institutionen, aber auch Makler und andere einzubinden in diese Aktivität, für Bremen und Bremerhaven neue Einwohner zu finden?

Meine Damen und Herren, die Vorlage sagt ja auch, dass die Finanzierung des Themas noch offen ist. Die Finanzierung wird sich auch nicht in 14 Tagen, wenn wir hier den Haushalt beraten, lösen. Die Auffassung, die wir dazu vertreten, ist, dass es erforderlich ist, dass wir erst einmal ein Konzept haben, und zwar ein fertiges Konzept, welches wir beschließen und dann angehen, und dass man dann schaut, wie die Finanzierung darzustellen ist. Das wird eine Aufgabe sein, die im nächsten Jahr erst richtig rund werden wird. Sagen will ich nur an dieser Stelle, dass, ich sagte es vorhin schon, die Früchte, die Einnahmen, die wir daraus erwarten, naturgemäß beim Finanzsenator landen, und das ist auch gut so, die Aufgabe, die wir haben, ist eine Aufgabe des Gesamtsenats. Ich denke, so wird sich auch gerade die Frage der Finanzierung stellen müssen.

So stellt sich ja auch die Aufgabe der Umsetzung an alle Ressorts, an das Bauressort, an das Ressort Inneres, an das Ressort Bildung und Wissenschaft, an das Ressort Soziales, an alle Ressorts, die hier Aktivitäten entfalten müssen, bis hin auch zum Wirtschaftsressort. Gerade der Zusammenhang zum Marketing liegt da ja auf der Hand, und da kann es nicht sein, dass es eine Einzelaufgabe bleibt. Dies ist ein offener Fleck, der aber, wenn das Thema gelöst ist, auch angegangen wird.

Ich komme zum Schluss und darf zusammenfassen, dass der Blick in den Städtevergleich, den dieser Bericht bietet, ja eines zeigt: Wir sind in Bremen und Bremerhaven mit dieser Idee Neubürgeragentur ganz weit vorn. Wir sind die einzigen bundesweit, die eine solche Überlegung entwickelt haben. Keine Stadt in Deutschland hat eine Neubürgeragentur. Wir entwickeln hier also ein Unikat, einen richtigen Piloten, und bekommen quasi in dem Marketingsegment, wenn man es so nennen will, für die Stadt, für das Leben in der Stadt, ein richtiges Alleinstellungsmerkmal. Ich bitte sehr darum, dass in der weiteren Arbeit daran dieses Innovative nicht untergeht, sondern weiter daran gearbeitet wird und der Senat uns im Frühjahr eine gute Konzeption vorlegt. – Danke sehr!

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Trüpel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Juni ist von den Koalitionsfraktionen hier im Hause dieser Antrag verabschiedet worden, bis Ende September sollte ein Konzept vorgelegt werden. Anders als mein Kollege Sieling kann ich nicht feststellen, dass das besonders substanzreich ist, was bisher an Arbeit geleistet worden ist. Ich finde, es ist ziemlich viel heiße Luft. Die Idee ist überhaupt nicht ausgegoren, und wenn wir jetzt einmal zu den konkreten Umsetzungsschritten kommen, kann ich überhaupt nicht feststellen, dass man in diesen Monaten, die nun seit dem Sommer vergangen sind, wirklich viel weitergekommen wäre.

In dem Papier selbst steht, dass man leider nicht in der Lage ist, die Idee umzusetzen, von der Sie ja auch ausgegangen sind, dass es nämlich Dienstleistung aus einer Hand sein soll, sondern dass man erst einmal anfängt mit Dienstleistungen unter einem Dach. Das ist aber wirklich nicht das, was auch Sie jetzt selbst noch einmal gesagt haben, was Sie sich eigentlich vorstellen, sondern es ist deutlich suboptimal, was hier jetzt vorgeschlagen wird, also eine schlechte pragmatische Lösung, um überhaupt erst einmal anzufangen.

Dann ist noch völlig unklar, aus welchen Geldern das eigentlich bezahlt werden soll. Wenn man sich aber jetzt noch einmal den Anspruch ansieht, nämlich wirklich neue Leute nach Bremen zu holen, einerseits Bremer zu binden und andererseits neue Bürgerinnen und Bürger hierher zu bekommen, kann ich nicht feststellen, dass es eine qualitative Mängelanalyse geben würde, um sich genau zu überlegen, mit welchen Pfunden Bremen denn wuchern könnte. Da finde ich diesen Bericht leider sehr, sehr mangelhaft.

Mein Kollege Sieling hat eben schon darauf hingewiesen, dass heute in der „Welt“ diese kleine Notiz war, dass immer weniger Studenten sich mit dem Erstwohnsitz anmelden. Da müsste man ja auch einmal fragen, woran das eigentlich liegt. Sie haben völlig Recht, dass das eine Querschnittsaufgabe des Senats ist, dass alle Ressorts hier gefordert sind, ihre Politik zu koordinieren. Ich kann im Moment aber überhaupt nicht feststellen, dass das wirklich passiert.

Jetzt haben Sie so schön gesagt, Sie als SPD setzen sich hier ein neues Hütchen auf, keine andere Stadt hat eine solche Neubürgeragentur, und das sei ein Unique selling point, ein Alleinstellungsmerkmal. Das Problem ist, der Name allein und der Anspruch reichen ja nicht. Die Frage ist ja, ob diese Agentur wirklich das leisten kann, was Sie von ihr erwarten!

Jetzt möchte ich kurz den früheren Staatsrat Haller zitieren. Es kommt ja nicht so oft vor, dass ich mit ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

ihm einer Meinung bin. Wenn es aber einmal so ist, dann möchte ich Ihnen das doch nicht vorenthalten. In der „Nordsee-Zeitung“ vom 25. November im Sonntagsjournal ist Herr Haller zu vernehmen, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Herr Haller ließ beispielsweise keinen Zweifel daran, dass die Abwanderung von bis zu 2000 Menschen jährlich für die Seestadt Bremerhaven als dramatisch einzustufen sei. Es ist eine existenzielle Frage, den Abwanderungstrend umzukehren, sagte Herr Haller, und nannte als wesentliche Voraussetzung die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen.“

Ja, wie wahr! Da muss man einmal feststellen, ich meine, abgesehen davon, dass Herr Haller ja nun mit zu den politischen Akteuren gehört, die das mitzuverantworten haben, dass die Verhältnisse, sowohl die wirtschaftspolitischen wie die Lebensbedingungen in Bremerhaven, so sind, wie sie sind,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

es ist aber erst einmal eine richtige Erkenntnis, dass gerade in Bremerhaven die Situation dramatisch ist, und offensichtlich kommt man ja mit den Instrumenten, die man bisher gewählt hat, nicht weiter.

Wenn ich mir jetzt aber die Antwort des Senats ansehe und wenn ich an Ihre Regierungserklärung erinnern darf, mit welchem Tamtam hier der Bürgermeister Scherf davon gesprochen hat, gerade Bremerhaven sei ein Schwerpunkt in der zweiten Legislaturperiode der großen Koalition, eine Bremerhaven-Beauftragte des Senats, Frau Winther, wird installiert, und Sie sich dann einmal ansehen, was in diesem Senatsbericht zu Bremerhaven steht, ist das doch eine Peinlichkeit. Da gibt es ganze zwölf Zeilen, da wird Bremerhaven sozusagen unter ferner liefen behandelt! Was haben Sie eigentlich bisher in den letzten Monaten, was hat die BIS, was hat Herr Adelmann da eigentlich gemacht?

Offensichtlich wissen Sie weder, was da passieren soll, noch sind die Projekte klar, mit denen Sie Menschen locken wollen, und auch das: Im Sommer sollte uns im Grunde schon die Konzeption zum Klimahaus und diese ganze Nachfolgeplanung Ocean-Park vorgestellt werden. Das hängt seit Monaten da, und wenn man sich dieses Ding hier ansieht, ist hier substantiell auch überhaupt nichts passiert. Das ist wirklich eine mangelhafte Leistung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Jetzt bin ich mit Herrn Haller an dem Punkt einig, dass es in der Tat um die Verbesserung von Lebensbedingungen geht. Das bezieht sich auf Bremen, und das bezieht sich auf Bremerhaven. Wir haben deswegen, und das wird uns ja auch in der nächsten Sitzung bei den Haushaltsberatungen beschäftigen, einen Antrag eingebracht, in dem es darum geht, gerade in Bremerhaven die Lebensbedingungen zu

verbessern. Wir möchten da gern zwölf Millionen Euro per anno zur Verfügung stellen. In Bremerhaven zeichnet sich ab, neben den Sachen, die jetzt leider schon zu lange in der Planung sind, dass man mit Sicherheit einen Schwerpunkt Bildung setzen muss, weil nur, wenn eine Bildungsoffensive gelingt und man auch wieder ein Augenmerk hat auf die jungen Menschen, es gelingen wird, neben diesen ganzen Fragen wie angemessene Wohnungspolitik, anregende Milieus, Menschen in der Seestadt zu halten. Der Abwanderungstrend, wie gesagt, ist dramatisch, und wenn man da nicht gegensteuert, dann werden die Probleme in der Stadt und damit natürlich auch die finanziellen Schwierigkeiten exponentiell anwachsen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Aber genauso gilt das natürlich auch für Bremen. Wenn Sie so schön hier beschwören, dass es eine Querschnittsaufgabe ist, muss man ja einmal genauer hinsehen, mit welchen Mitteln man Menschen denn wirklich binden und nach Bremen locken kann. Ich glaube, dass die Frage wichtig ist, die Sie eben auch schon angesprochen haben und die uns in der Fragestunde schon beschäftigt hat und auch gestern in der Stadtbürgerschaft, als es um die Bildungspolitik ging, den Schwerpunkt zu setzen auf die Frühförderung. Alle Studien, die wir in den letzten Jahren bekommen haben, haben uns gezeigt, dass man Kinder nur angemessen fördern kann, wenn man früh genug damit anfängt, und dass es auch nicht allein in der Grundschule reicht, weil die Eingangsvoraussetzungen so unterschiedlich sind, dass man früher im Kindergarten anfangen muss, dass man sozusagen die Perspektive erweitern muss auf die Drei- bis Sechsjährigen und welche Frühförderung und Bildung da schon gemacht wird, da die Voraussetzungen in den Familien so unterschiedlich sind. Deswegen schlagen wir ja auch vor, dass man, und damit wird es aber auch eine wirtschaftspolitische Frage und eine Frage, Neubürger zu gewinnen, für einen gewissen Zeitraum den Kindergarten beitragsfrei macht, um damit richtig zu werben, junge Familien nach Bremen zu holen. Ich glaube, Sie haben Recht, man kann sozusagen die, die wirklich auf dem Dorf leben wollen, damit nicht gewinnen, aber wenn man hier richtig einen Schwerpunkt setzt und sagt, Bremen lädt junge Familien ein, sich in Bremen anzusiedeln, und wir bieten besonders gute Bedingungen für Kinder und für junge Familien, dann kann das mit Sicherheit ein Ansatzpunkt sein, der uns von anderen großen Städten unterscheidet und mit dem man punkten kann. Deswegen unser Vorschlag an diesem Punkt!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich war gestern Abend bei einem sehr interessanten Treffen auf Einladung der BIA, wo junge Unter

nehmer zusammengeholt worden sind, die da überlegt haben, was denn eine neue Form von BremenMarketing sein könnte im Bereich der Kultur und Freizeitwirtschaft. Da haben Leute, die teilweise einmal beim Jungen Theater waren und jetzt mittlerweile aber auch gut im privaten Geschäft sind, etwas deutlich gemacht, was sie eine Ökonomie der Aufmerksamkeit genannt haben.

Bremen hat in den letzten Jahren viele Transferstellen eingerichtet, aber ob diese Menschen in der Lage sind, mit der nötigen politischen Sensibilität die wirklich jungen Leute aufzuspüren, die etwas im Kopf haben, die leidenschaftlich sind, die etwas erreichen wollen, da habe ich doch meine Zweifel, und ich glaube, diese Frage, wirklich interessante junge Menschen zusammenzubringen, dass Bremen eine Stadt der anregenden Milieus ist, muss man viel mehr verbreiten und muss vor allem dafür sorgen, dass es so ist.

Ich glaube, dass diese Kommunikation wichtig ist, und das haben wir auch im Technologiepark gemerkt, dass es nicht nur die Maßnahmen wie Transferstellen sind, sondern dass es wirklich die Kommunikation von Menschen aus verschiedenen Bereichen ist, dass das viel wichtiger ist, einen Standort interessant zu machen, als immer mehr Geld in irgendwelche Geschäftsführer von Transferstellen zu stecken, weil das offensichtlich nicht das erfolgversprechendste Instrument ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Von daher ist es wichtig, auch wenn es jetzt um diese neuen Marketingmittel geht, eine Initiative „Junges Bremen“ zu machen, ganz gezielt junge Menschen zu werben mit Existenzgründungsmöglichkeiten, damit, dass man ihnen Räume zur Verfügung stellt. Das gilt sowohl für junge Künstler mit Ateliers, das Junge Theater war ein gutes Beispiel, dass hier etwas passiert ist, und die Politik hat es bisher nie geschafft, das schnell genug aufzugreifen und damit auch für Bremen Werbung zu machen, als auch in den Hafengebieten, Räume zur Verfügung zu stellen, wo Leute, die Ideen haben, sich auch unproblematisch und schnell niederlassen können. Das müssen ja nicht immer gleich die tollsten Einsa-Villen sein, sondern da gibt es Übergangsphasen im Leben. Mit solchen Sachen könnte Bremen viel gezielter werben, um auch junge Menschen anzusprechen, etwa Studenten, und, wie gesagt, diese Pressenotiz von heute macht deutlich, welchen Nachholbedarf wir haben.

Ich muss sagen, ich habe den Eindruck, dass die Neubürgeragentur, wie sie jetzt angedacht ist, bei allen Mängeln in der Planung, wie sie jetzt vorliegen, nicht den Esprit hat, den man braucht, um offensichtlich wirklich genau an die Punkte heranzukommen, junge Menschen, junge Familien und auch Arbeitskräfte nach Bremen zu holen.

Ich möchte Sie bitten, diese Aspekte in die weiteren Planungen einzubeziehen. Der eigentliche Bericht soll ja noch kommen, ich hoffe, der ist dann substantieller und vor allem mit mehr politischer Sensibilität für die Fragen, um die es wirklich geht. Nur dann, glaube ich, macht der Versuch hier, ein Alleinstellungsmerkmal hinzubekommen, Sinn. Wenn es nur wieder eine neue Stelle ist mit vier festen Stellen oder auch meinetwegen zeitlich befristet, dann kann das auch schwer nach hinten losgehen, weil es nur Bürokratie ist, aber sozusagen mit Esprit nichts zu tun hat. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Pflugradt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am 21. Juni hat die große Koalition hier den Antrag beschlossen, eine Neubürgeragentur jetzt auf den Weg zu bringen. Diese Idee ist eine gute und eine richtige, das Ziel, dass bis zum 30. September ein Konzept zur Realisierung vorgelegt werden soll, war wahrscheinlich zu ehrgeizig. Wenn man diesen Bericht liest, dann hätte man sich vielleicht doch einen etwas größeren Zeitraum nehmen sollen, um solch eine Konzeption vorzulegen.

Dass hier an der einen oder anderen Stelle noch mehr nachgedacht werden muss, auch nachgebessert werden muss, ich glaube, das ist unstreitig, da sind wir gemeinsam der Auffassung. Trotzdem bleibt das Ziel ein richtiges, und ich will zu Bremerhaven sagen, weil das auch angesprochen worden ist, in Anbetracht gerade der Situation in Bremerhaven ist es noch viel dringender und notwendiger, in diesem Bereich darüber nachzudenken, wie man eine Neubürgeragentur in Bremerhaven auf den Weg bringen kann.