Protokoll der Sitzung vom 23.01.2002

D a z u

Mitteilung des Senats vom 4. Dezember 2001 (Drucksache 15/1012)

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Perschau, ihm beigeordnet Staatsrat Metz.

Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die

Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Herr Bürgermeister Perschau, möchten Sie sie wiederholen? – Das ist nicht der Fall.

Das Präsidium geht davon aus, dass eine Aussprache erfolgen soll.

Das ist der Fall.

Die Aussprache ist eröffnet.

Das Wort hat der Abgeordnete Jägers.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Sie werden mir sicherlich Recht geben, dass keiner von uns allzu gern Steuern bezahlt, dass wir aber alle einsehen, dass Steuern bezahlt werden müssen, um das Gemeinwesen zu finanzieren, Schulen und Straßen zu bezahlen und so weiter.

Die Frage, die mich auch umtreibt, Anfragen zu stellen und hier zu debattieren, ist, ob es bei der Steuererhebung gerecht zugeht, ob alle, die Steuern bezahlen müssten und müssen, auch zum Steuern zahlen herangezogen werden. Hier, meine Damen und Herren, liegt ein Problem, das wir wahrscheinlich gemeinsam oder ganz bestimmt gemeinsam lösen müssen.

(Vizepräsident D r. K u h n übernimmt den Vorsitz.)

Der Arbeitnehmer wird direkt zur Steuerkasse gebeten. Jeden Monat, wenn man seine Abrechnung ansieht, ist der Abzug der Lohn- oder Einkommensteuer gleich darauf. Es wird sozusagen jeden Monat auch eine Steuerprüfung beim Arbeitnehmer vorgenommen. Freiberufler und Gewerbetreibende haben da andere Möglichkeiten. Sie können Einkünfte deklarieren, sie verfügen eben über mehr Möglichkeiten und haben die Möglichkeit, Gestaltungsspielräume auszunutzen. Der Arbeitnehmer, der zu viel Steuern bezahlt hat, bekommt sie erst im Lohnsteuerjahresausgleich oder Einkommensteuerausgleich im Folgejahr zurück. Bei Freiberuflern und Gewerbetreibenden ist das etwas anders.

(Abg. D r. S c h r ö r s [CDU]: Wieso ist das anders?)

Die Arbeitnehmer sind diejenigen, die am zuverlässigsten die Steuerkassen füllen. Diese Steuerarten sind auch am berechenbarsten und gehen am zuverlässigsten ein. Die veranlagte Einkommensteuer ist stark rückläufig. Ich habe von Finanzämtern gehört, die mittlerweile Steuern zurück- und auszahlen und da negative Steuereinnahmen haben, Körperschaftsteuern gehen stark zurück. Der „We––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

ser-Kurier“, der eine oder andere wird es vielleicht gelesen haben, vom 10. Januar dieses Jahres schreibt: „Mit legalen Tricks Geld aus der Staatskasse“. Hier wird geschrieben, dass die Körperschaftsteuer zur Bagatellesteuer verkommt. Eine wichtige Einnahmequelle der Länder geht da verloren.

Im System ist also schon nach meiner Auffassung und nach Auffassung der Sozialdemokraten eine gewisse Ungerechtigkeit angelegt. Diese Ungerechtigkeit wollen wir nicht. Es soll ein Ausgleich bei der Heranziehung von Steuern gefunden werden, indem man Betriebsprüfungen vornimmt. Dazu haben wir ja die Anfrage eingebracht.

Meine Damen und Herren, Bremen nimmt bei dem Vergleich der Prüfquoten in Deutschland eine Spitzenstellung ein. Das ist darauf zurückzuführen, dass offensichtlich die Finanzverwaltung und damit auch der Finanzsenator in diesem Punkt gut arbeiten. Ich finde, dass man das auch durchaus einmal hier sagen kann, dass da in der Finanzbehörde eine gute Arbeit geleistet wird!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Das ist in der Rankingtabelle, Quelle Bundesminister für Finanzen, nachzulesen. Ich nenne nur wenige Zahlen. Dort ist nachzulesen, dass Mittelbetriebe in Bremen alle acht Jahre geprüft werden und in Nordrhein-Westfalen, dem Schlusslicht, alle 13,7 Jahre. Kleine Betriebe werden in Bremen alle 16,4 Jahre geprüft, in Hessen alle 24,8 Jahre, immer im Durchschnitt. Kleinstbetriebe, das sind Betriebe, die einen Gewinn von 20 000 bis 25 000 Euro haben, früher 48 000 DM, werden in Bremen alle 37,5 Jahre geprüft, im Saarland alle 210,3 Jahre. Da ist das Risiko, erwischt zu werden, etwas gering. Die Arbeitnehmereinkommen, ich sage das noch einmal, werden monatlich mit der Lohnabrechnung geprüft.

Das ist das Ungleichgewicht, das weg muss. Dazu kommt folgender Punkt: Es wird von einigen, auch hier in Bremen, als Standortnachteil gesehen, wenn die Betriebe geprüft werden, ob sie ihre Steuern ordnungsgemäß zahlen. Dieser negative Wettbewerb muss weg, muss aufgehoben werden!

(Beifall bei der SPD)

Es kann nicht sein, dass sich ein Betrieb entschließt, über die Landesgrenze zu gehen, weil man dort vielleicht nicht geprüft wird. Das kann nicht sein! Dieser Wettbewerb ist schädlich für das Gemeinwesen und für uns alle. Dieser Wettbewerb muss weg und aufgehoben werden. Das ist auch Ziel und Sinn dieser Anfrage. Bremen muss seinen guten Spitzenplatz behalten. Meine Damen und Herren, den wollen wir behalten!

(Beifall bei der SPD)

Dafür brauchen wir gut ausgebildetes Personal. Die Steuergewerkschaft hat geschrieben, dass in den nächsten paar Jahren 300 Leute altersbedingt ausscheiden. Da muss ausgebildet werden, weil wir bei den Betriebsprüfern in den Betrieben auch eine Chancen-, eine Waffengleichheit brauchen. Die Betriebe kaufen sich Fachwissen ein, das ist auch deren gutes Recht, dem müssen wir Fachwissen entgegensetzen. Wir brauchen gut ausgebildete Leute.

(Beifall bei der SPD)

Hochmotivierte, gut ausgebildete Betriebsprüfer holen das Geld wieder herein, das wir alle brauchen. Leider werden die Betriebe nicht lückenlos geprüft, auch Großbetriebe nicht. Das hängt mit der Absetzung zusammen. Absetzung heißt, dass bestimmte Betriebe von der Steuerprüfung ausgenommen werden, wenn eingeschätzt wird, ich verkürze das ein bisschen, dass es sich nicht lohnt, dort nachzusehen, es sei schon alles in Ordnung.

Die Antwort des Senats sagt ja zum Beispiel bei mittleren Betrieben, das sind Betriebe, die so 200 000 Euro Gewinn machen, dass dort dieser Betrieb alle 8,6 Jahre geprüft wird, dann drei Jahre rückwirkend. Das heißt, es entstehen prüfungsfreie Zeiten. Dazu kommt noch eine Absetzungsquote von 5,5 Prozent bei Betrieben, die dann doch nicht mehr geprüft werden. Bremen ist da noch gut. Beim Bund sind das 11,1 Jahre mit der Prüfung. Auch das muss nicht so bleiben.

Wir müssen unsere Finanzverwaltung stärken. Laut „FAZ“ vom 10. Dezember 2001, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten, sagt ein Finanzamtschef, dass er von den 15 000 Betrieben in seinem Bezirk nur noch knapp vier Prozent überprüfen kann. Er empfindet das als rechtsfreien Raum. Er geht davon aus, darüber muss man nachdenken, dass wir in Deutschland faktisch schon eine Selbstveranlagung haben. Die Amerikaner kennen das ja. Wenn der Amtsleiter in der internen Vergleichsstatistik sehe, dass die Behörden unterdurchschnittliche Erledigungszahlen aufweisen, rufe er zwei Durchwinkmonate auf. Das heißt, da gehen zwei Monate die Steuerbescheide heraus, damit die Quote wieder stimmt.

Ich darf weiter zitieren: „Die Frustration in der Finanzverwaltung, die sich überlastet fühlt, ist jedenfalls groß. Viele Sachbearbeiter stört es, dass sie einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit mit dem reinen Abhaken von Angaben in Formularen verbringen. 70 Prozent des gut ausgebildeten Personals veranlagen Einkommensteuer und Körperschaftsteuer und erzielen damit inzwischen weniger als zehn Prozent des Steueraufkommens.“ Das sind Zustände, die wir nicht haben wollen. Deswegen auch unsere Debatte hier!

Zum Schluss: Die Steuerdebatte eignet sich, glaube ich, nicht zum parteipolitischen Gezänk. Die Steuerdebatte muss parteiübergreifend und auch länder

übergreifend geführt werden. Unser Ziel ist es, eine gerechte Besteuerung aller zu erreichen, damit wir unseren Staat und unser Land auch ausreichend finanzieren können. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Speckert.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Obwohl wir vor zwei Jahren eine ähnliche Debatte geführt haben, hat unser Koalitionspartner den Wunsch geäußert, die Problematik Betriebsprüfung und Steuerfahndung im Lande Bremen erneut zu diskutieren. Genau wie vor zwei Jahren machen wir auch diesmal gern mit, denn es ergibt sich erneut die Gelegenheit, die Leistungen der bremischen Prüfer und Fahnder ins rechte Licht zu rücken.

(Beifall bei der CDU)

Die von Zeit zu Zeit aufgestellte Behauptung, die Finanzbehörde würde im Bereich der Betriebsprüfung und Steuerfahndung nicht ausreichend genug tätig, trifft auch im Jahr 2002 nicht zu.

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Haben wir auch nicht gesagt! Immer vor- bereitete Reden halten!)

Die Betriebsprüfung im Lande Bremen kann sich im Bundesvergleich in der Spitzengruppe behaupten. Auch die Prüfungsdichte hat sich noch einmal verbessert. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass sich die personelle Ausstattung auf 180 Betriebsprüfer ausgeweitet hat. Die Zusage von vor zwei Jahren wurde also eingehalten.

(Beifall bei der CDU)

Nach den Statistiken, die uns in der Mitteilung des Senats, Drucksache 15/1012, vorgelegt wurden, haben wir 77 Millionen DM an Steuermehreinnahmen im Vergleich zum Vorjahr erzielt. Dieses Ergebnis ist genau die Folge dieser Mehreinstellungen. Ich kann nur immer wieder betonen, dass es unser Ziel sein muss, durch Steigerung der Steuereinnahmen die Abhängigkeit Bremens und Bremerhavens vom Länderfinanzausgleich zu mildern.

(Beifall bei der CDU)

Für die Steuergerechtigkeit ist eine funktionsfähige Steuerverwaltung notwendig, die eine effektive Betriebsprüfung und Steuerfahndung einschließt. Deshalb muss auch die Aus- und Fortbildung einen hohen Stellenwert haben. Die Chancen, durch Wei

terbildung neue anspruchsvolle Aufgaben zu übernehmen, erhöhen die Motivation der Bediensteten. Wir haben allerdings schon vor zwei Jahren darauf hingewiesen, dass es sich Bremen nicht leisten kann, den Eindruck einer wirtschaftsfeindlichen Standortpolitik zu erwecken. Deshalb ist es zu begrüßen, wenn Finanzsenator Hartmut Perschau sich weiterhin dafür einsetzt, dass bundesweit gleiche Standards für die Betriebsprüfung und Steuerfahndung gelten beziehungsweise angestrebt werden.

Meine Damen und Herren, wir müssen aufpassen, dass wir den Menschen in Bremen und Bremerhaven in den Betrieben nicht das Gefühl vermitteln, sie würden überproportional schlechter behandelt als beispielsweise die Menschen im Umland.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen uns im Geleitzug der Länder bewegen, allerdings weit vorn, denn wir sind nach wie vor ein Notlageland.

Meine Damen und Herren, die Antwort des Senats zeigt, dass sich Bremen auf dem richtigen Weg befindet. Die Leistungen in den Bereichen Betriebsprüfung und Steuerfahndung können sich bundesweit sehen lassen, ohne dass die Standortqualität gelitten hat. Vielen Dank an Finanzsenator Hartmut Perschau und seine Mitarbeiter für die sehr gute geleistete Arbeit! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Mützelburg.