Protokoll der Sitzung vom 20.03.2002

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es geht an dieser Stelle nicht um die Frage, ob man meint, man müsse gegenüber Jugendlichen, die als sehr junge Menschen schon eine erhebliche, eine erschreckende Anzahl von Straftaten begangen haben, „hart durchgreifen“ oder nicht. Darüber wird ja gestritten. Unsere Position ist da: Wir sind nicht die Partei des Wegsehens, weiß Gott nicht! Wir sind der Auffassung, dass schnell reagiert werden muss, aber differenziert, und vor allen Dingen, meine Damen und Herren, sind wir der Auffassung, dass darüber bei uns im Land immer noch Richter entscheiden, und zwar auf der Grundlage geltender Gesetze. Sie verhängen ja auch in vielen Fällen neben anderen Maßnahmen Haftstrafen.

Jetzt geht es um die Frage, und das ist der Kern, an welchen Zielen die Haftstrafe, die dort verhängt wird, für solche jungen Menschen auszurichten ist und wie sie zu organisieren ist. Das ist wirklich eindeutig und klar festgeschrieben. Ich darf aus Paragraph 2 des Strafvollzugsgesetzes zitieren: „Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel). Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.“ In Paragraph 91 Jugendgerichtsgesetz ist dies durch den Erziehungsauftrag für die jungen Menschen präzisiert.

Meine Damen und Herren, seit den Reformen der siebziger Jahre gibt es eine klare Rangfolge. Das Ziel, die Legitimation der Haft, ist die Erziehung, ist die Resozialisierung. Im Übrigen ist der Strafvollzug so zu organisieren, dass auch der Schutz vor weiteren Straftaten gewährleistet ist. Das reine Wegschließen, das reine Wegsperren aber, weil man einen Menschen als unverbesserlich, als unveränderbar aufgegeben hat, das ist durch unsere Gesetze einfach nicht gedeckt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, diese Gesetze sind damals von der sozialen und in diesem Fall auch liberalen Koalition nicht gemacht worden, weil diese Damen und Herren Tagträumer gewesen wären. Die

Gefängnisse waren damals voller, als sie heute sind, und die Verbrechen genauso schrecklich, wie sie es heute sind. Diese Reformen fußten auf einem humanistischen Menschenbild, das keinen Menschen jemals als unveränderbar aufgibt; auf der Sichtweise, dass zwar der Einzelne verantwortlich ist, Verantwortung trägt, dass wir aber auch um die Verantwortung der Gesellschaft wissen, denn der Einzelne ist in der Gesellschaft so geworden, wie er ist. Es gibt keine Menschen, die nicht sozialisiert sind. Es fragt sich bloß wie, durch wen und in welcher Weise. Das ist dann eben eine andere Frage.

Die gesetzliche Grundlage beruht auch auf einer Sichtweise, die sich darüber klar ist, dass der beste Schutz der Gesellschaft und auch der beste Opferschutz auf Dauer nicht das schlichte Wegsperren von Menschen ist, sondern eben die Resozialisierung, auch dann und gerade dann, wenn sie schwierig und nicht auf den ersten Blick erfolgreich zu sein scheint.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir machen das aus eigenem, wohlverstandenem Interesse, um das ganz klar zu sagen.

Mit seinen Äußerungen hat Herr Mäurer im Gegensatz zum gesetzlichen Auftrag das Ziel der Resozialisierung, das Ziel der Erziehung für eine Gruppe von Jugendlichen aufgegeben, und ich frage Sie: Was ist das für eine Anmaßung zu meinen, als Staatsrat für Justiz könne man selbst entscheiden, wer dazu gehört und wer nicht dazu gehört? Das ist doch eine unglaubliche Anmaßung!

(Abg. T e i s e r [CDU]: Das hat er nicht gemacht!)

Er hat für eine Gruppe von Leuten, auf die hat er sich sogar konkret bezogen, erklärt, dass sie aufgegeben werden müssen. In der Tat, das ist eine ungeheure Anmaßung, so etwas zu machen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Jeder weiß, und wir haben da viel Verständnis, das ist auch eine Alltagstatsache, dass auf Straftaten, zumal wenn man sie selbst erlebt, das Einschließen, die Haftstrafe, die harte Strafe die erste Reaktion ist. Das ist menschlich. Ich habe auch Verständnis für den Stoßseufzer von Leuten, ob das Eltern sind, Lehrer oder Sozialarbeiter, die sagen, mit dem habe ich alles versucht, ich weiß nun wirklich nicht mehr weiter. Auch das ist völlig verständlich, aber als Richtlinie der Politik, meine Damen und Herren, für die Strafverfolgung, den Strafvollzug zu formulieren: „Die geben wir auf“, wie Herr Mäurer das getan hat, dafür haben wir kein Verständnis!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir erwarten, dass der Senator für Justiz und Verfassung dies heute klipp und klar zurücknimmt, damit würden Sie sonst nicht nur fortgesetzt gesetzeswidrig handeln, sondern auch der engagierten Arbeit im Vollzug und bei den Richtern völlig den Boden entziehen.

Ich will noch kurz auf weitere Äußerungen von Herrn Staatsrat Mäurer in dem Interview eingehen! Er hat dort auch erklärt, Zitat: „Das heißt also, die Staatsanwaltschaft muss die Strafverfolgung zentral organisieren, und in der Regel verbleibt in der Tat nur die Abschiebung in diesen Fällen.“ Das klingt natürlich populär, aber vielleicht darf man doch daran erinnern, dass man Russlanddeutsche nicht abschieben kann, auch nicht junge Deutsche, und bei der zweiten Hälfte, die keinen deutschen Pass hat, gibt es geregelte Verfahren, die einmal so enden und einmal anders enden. Sie können noch so sehr den Eindruck erzeugen, Sie werden dieses Problem durch Abschiebung jedenfalls nicht los.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Schließlich hat Herr Mäurer von, ich darf zitieren, „Familien“ gesprochen, „die an sich als Intensivtäter auftreten“.

(Zurufe von der CDU: Das weiß man ja! Die kennt man ja!)

Ich frage mich, ich höre ja das Echo, was gibt Ihnen das Recht, ohne jedes rechtsstaatliche Verfahren, ohne jede richterliche Aussage dazu, ganze Familien, Großeltern, Eltern, Mütter, Töchter, Geschwister als Intensivtäter hinzustellen? Sie meinen wohl, Sie könnten das machen, weil diejenigen sich nicht wehren können? Der Justizsenator hat noch eines darauf gesetzt, ich darf aus dem „Weser-Report“ vom Sonntag zitieren: „Scherf teile die Auffassung seines Staatsrates, dass ausländische Familien mit mehreren straffälligen Mitgliedern ihr Gastrecht verwirkten.“

(Beifall bei der CDU)

Also, die Schwester, die Mutter werden abgeschoben, weil die Brüder Autos knacken? Da können Sie noch so viel Beifall klatschen, für solche Sippenhaftphantasien gibt es in unserem Rechtssystem Gott sei Dank nicht die geringste Grundlage, meine Damen und Herren, nicht die geringste!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich rate Ihnen dringend, Herr Scherf, auch ich baue Ihnen da noch einmal eine Brücke, erklären Sie hier und heute, dass Ihr Sprecher da wohl irgendetwas missverstanden hat!

Meine Damen und Herren, wohlmeinende Kritiker des Justizressorts haben gemeint, das sei alles Wahlkampf, ziemlich übler Wahlkampf, aber eben nur Wahlkampf. Herr Mäurer habe zeigen wollen, dass man Schill hier in Bremen nicht brauche, weil man ihn selbst schon habe. Andere allerdings sind der Auffassung, dass wir gegenwärtig bei der Sozialdemokratie einen Verfall politischer Substanz erleben. Nur so könne man erklären, dass in solcher Weise und ohne nennenswerten Widerspruch aus den eigenen Reihen große sozialdemokratische Reformtraditionen aufgegeben werden.

Dass die CDU Morgenluft wittert, ist doch klar. Sie waren von Anfang immer dagegen, schon in den siebziger Jahren. Wenn überhaupt, haben Sie das nur murrend mitgemacht.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Und wer hat Recht behalten?)

Behandlungsvollzug vor Verwahrvollzug war nicht Ihre Philosophie, aber es war lange Zeit die Philosophie dieses linken Teils des Hauses. Meine Damen und Herren, Sie haben es in der Hand, heute klarzustellen, dass es nach wie vor so ist! Sie haben es in der Hand klarzustellen, dass wir wenigstens sicher sein können, dass der Senat erklärt, sich an Gesetze zu halten. Das jedenfalls erwarten wir von dieser Aktuellen Stunde!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist erschreckend und bezeichnend, wie die Vertreter vom Bündnis 90/ Die Grünen in einer undemokratischen Art und Weise eine skrupellose Hetzjagd auf anders denkende Menschen veranstalten, die das im Grundgesetz verankerte Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung öffentlich wahrnehmen.

(Glocke)

Herr Abgeordneter Tittmann, Sie haben gesagt, es sei eine undemokratische Hetzjagd. Das weise ich zurück! Das macht keine demokratisch gewählte Fraktion in diesem Haus!

(Beifall)

Ist in Ordnung! Deshalb sollten die Vertreter vom Bündnis 90/Die Grünen schnellstens einmal ihr Demokratieverständnis überprüfen! Ich habe noch nie, außer gegen die Deutsche Volksunion, eine solch niederträchtige Schmutzkampagne erlebt wie gegen den mutigen Staatsrat

Mäurer. Sie beleidigen und verunglimpfen hier einen mutigen, ehrlichen Menschen, der es einmal gewagt hat, deutlich die Wahrheit auszusprechen. Es ist mir schon klar, dass Ihnen diese scharfen Töne nicht in Ihr Multikultiwahnweltbild passen. Sie kümmern sich ja lieber in erster Linie um das Wohl von ausländischen Intensivstraftätern, anstatt durchgreifende Maßnahmen zu ergreifen, die unsere Bürger vor solchen ausländischen kriminellen Subjekten schützen. Sie stellen Täterschutz vor Opferschutz.

Meine Damen und Herren, Herr Staatsrat Mäurer fordert öffentlich die Abschiebung ausländischer krimineller Jugendlicher. Recht hat er! Hierbei handelt es sich um eine jahrzehntelange Forderung der Deutschen Volksunion. Deshalb hat Herr Staatsrat Mäurer auch die volle Unterstützung und den Rückhalt der Deutschen Volksunion. Darüber hinaus fordert die Deutsche Volksunion nicht nur „kriminelle Ausländer raus!“ und somit abzuschieben, sondern auch, die Erziehungsberechtigten wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht ebenfalls zur Verantwortung zu ziehen. Meines Erachtens ist diese klare Aussage von Herrn Staatrat Mäurer selbstverständlich keine fortgesetzte gesetzeswidrige Einlassung. Ihr Antrag, Ihre Aktuelle Stunde ist doch nur ein schäbiger Versuch, einen mutigen und gesetzestreuen Staatsrat an den Pranger zu stellen, und sonst gar nichts. Dafür sollten Sie sich zutiefst schämen!

Wenn Sie richtig zugehört hätten, dann würden Sie heute wissen, dass der Staatsrat Mäurer mit keinem Wort jugendliche Straftäter aufgegeben hat. Herr Staatsrat Mäurer hat wörtlich von Intensivstraftätern gesprochen. Er hat aber nicht gesagt, jugendliche Straftäter aufgeben! Hören Sie also beim nächsten Mal besser hin, dann würden Sie hier heute nicht eine solch blödsinnige und unsinnige Aktuelle Stunde beantragen. Nutzen Sie diese vergeudete Zeit dieser unnötigen Aktuellen Stunde, sich einmal intensiv Sorgen um die Opfer solcher ausländischen Jugendbanden zu machen! Das wäre wirklich sinnvoller!

Meine Damen und Herren, diese armen Opfer sind oft nicht nur körperlich schwer verletzt, nein, sie sind auch über Jahre hinaus schwer traumatisiert, und ihre Seele ist oft unheilbar verletzt. Eine erstellte Liste der Polizei über kriminelle Jugendliche im Land Bremen beweist eindeutig, dass die meisten dieser ausländischen kriminellen Jugendlichen unter dem Schutz von Familiengangs ihre Verbrechen begehen. Sie erpressen, zocken ab, misshandeln, klauen, begehen Körperverletzung und so weiter. Darüber könnten wir noch stundenlang reden. Sie terrorisieren in einer unerträglichen Art und Weise ganze Stadtteile in Bremen und Bremerhaven.

Meine Damen und Herren, das Land Bremen ist ja geradezu hinreichend und ausreichend mit solchen ausländischen kriminellen Erzengelchen gesegnet. Ich erinnere hier nur einmal an den auslän

dischen Jugendlichen aus Horn-Lehe, an die erschreckenden unendlichen Mordserien auf dem ausländischen Schrottplatz in Woltmershausen oder aber auch an die kriminelle libanesische Großfamilie in Bremerhaven, nur um ein paar wenige Beispiele zu nennen. Ich fordere die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen noch einmal deutlich auf, endlich einige von diesen lieben ausländischen Intensivstraftätern bei sich zu Hause aufzunehmen, damit sie endgültig von ihrer Multikultiwahnvorstellung therapiert werden! Ich sage in aller Deutlichkeit: Solche ausländischen Intensivstraftäter sind nicht resozialisierungsfähig und schon gar nicht therapiefähig! Diese Tatsache sollten Sie im Interesse und zum Wohle der Bürger endlich begreifen!

Der Gipfel war die Äußerung der Staatsanwaltschaft, das Abziehen und Abzocken wäre ein jugendtypisches Verhalten. Diese Äußerung der Staatsanwaltschaft ist eine ganz klare und eindeutige Bankrotterklärung vor ausländischen jugendlichen Intensivstraftätern. Wir werden es aber niemals zulassen, dass ausländische kriminelle Subjekte hier in Deutschland machen können, was sie wollen. Wir werden unter voller Anwendung und Ausschöpfung des demokratischen Strafrechts schon dafür sorgen, dass hier Recht und Ordnung einkehren. Das ist auch im Sinne und Interesse der hier lebenden Ausländer.

Bevor Herr Dr. Güldner hier gleich wieder nach vorn kommt, bevor Sie meine Rede zur Aktuellen Stunde wieder einmal verächtlich machen, sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit: Glauben Sie ja nicht, dass die Deutsche Volksunion, an der Spitze unser Bundesvorsitzender und Herausgeber der „Nationalzeitung“ Dr. Frey, Angst vor einer so genannten neuen Partei hat, die gestern als AFB und STATT Partei gescheitert und abgewählt worden ist, die sich heute auf einmal nach der Ein-Mann-Partei Schill nennt und von der kein Mensch weiß, wie dieses obskure Sammelbecken, bestehend aus unzufriedenen Wichtigtuern, gescheiterten und verkrachten Politexistenzen, sich nun morgen nennen wird. Demzufolge, Herr Dr. Güldner, habe ich schon immer solche Reden hier gehalten.

Abschließend sei bemerkt, dass ein solch mutiger und ehrlicher Staatsrat wie Herr Mäurer nicht Staatsrat sein sollte, nein, er sollte sogar Innensenator werden! Herr Staatsrat Mäurer hat die volle Unterstützung und den Rückhalt der Deutschen Volksunion. Ich sage nur: Schade, dass es nicht mehr solcher mutigen Staatsräte gibt! Dann nämlich, meine Damen und Herren, wäre das Land Bremen nicht zum Tummelplatz, zum Eldorado für ausländische Intensivstraftäter und ausländische Jugendbanden verkommen.

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Sehr geehrter Herr Staatsrat Mäurer, vor manchen Freunden kann man sich nicht schützen.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Doch, man könnte schon!)

Wichtig ist aber, dass Sie in diesem Haus für die von Ihnen vertretene Wende, so muss man das ja wohl sagen, in der Justizpolitik zumindest die Unterstützung einer großen Fraktion haben, nämlich die der CDU-Fraktion. Ich versichere Sie in dieser Frage unserer vollen Unterstützung!

(Beifall bei der CDU)