Herr Präsident, meine Damen und Herren! Also, Herr Oppermann, die Berichterstattung über die Armut in der Bundesrepublik Deutschland einfach mit der Bezeichnung Klassenkampf pur abzutun, das weise ich hier zurück!
Es ist ein absolut richtiger politischer Ansatz, dass wir uns natürlich auch ansehen, wie sich die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland entwickeln, was die Armut betrifft und natürlich auch, was das Vermögen betrifft. Diese Frage muss doch wohl zulässig sein!
Wenn wir uns mit der Problematik der Armut beschäftigen, werden wir uns natürlich mit vielen Ursachen auseinander zu setzen haben, und dazu gehört natürlich auch, dass wir eine sich verschärfende Einkommensschere haben. Das ist damit problematisiert worden, und ich finde es richtig, dass solche Erkenntnisse dann auch in unsere sozialpolitischen Diskussionen auf Bundes-, auf Landes- und auf kommunaler Ebene einfließen.
Herr Oppermann, Sie sagen, reisen bildet! Ich habe doch nichts dagegen, wenn Ihr Ministerpräsident auch einmal ins Ausland fährt. Mein Problem ist doch einfach nur, dass er nicht erkennt, was in seinem eigenen Bundesland alles schon läuft, und dass jede Menge fortschrittliche Projekte, die da stattfinden, von ihm offenbar nicht erkannt worden sind und dass er dann glaubt, eine Debatte mit einem Gesetzentwurf nach vorn treiben zu können, der hinter dem Diskussionsstand zurückbleibt. Das Problem ist doch, er bleibt hinter dem Diskussionsstand zurück. Er versucht, einem Zug hinterherzulaufen, obwohl der sogar den Zielbahnhof schon längst durchfahren hat. Das ist das Problem, meine Damen und Herren!
Insofern muss ich Ihnen wirklich sagen, der Gesetzentwurf ist ja das Ergebnis von viel Arbeit. Das sehe ich auch ein. Ich finde das auch immer toll, wenn die CDU sich auch damit beschäftigt. Wir müssen nur leider sagen, das Ergebnis ist nicht gut genug, um so etwas zu unterstützen. Deswegen hoffe ich, natürlich im Gegensatz zu Ihnen, dass wir da
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Oppermann, ich bin immer gern bereit, neue Wege zu gehen. Das habe ich ja jetzt gerade wieder unter Beweis gestellt.
Herr Güldner hat durch einen Zwischenruf aber zu Recht darauf hingewiesen, man muss aufpassen, dass man nicht in einer Sackgasse landet, und, Herr Oppermann, nicht alles, was aus Geberländern kommt, muss gut sein.
Meine Damen und Herren, über eine Strukturreform der Sozialhilfe gab es einen Konsens unter allen Arbeits- und Sozialministern der Länder – allen Ländern! –, und zwar im November 2001. Die Konferenz war sich über die Richtung einer Strukturreform der Sozialhilfe einig, das heißt: Vorrang der aktivierenden Hilfen gegenüber den passiven, abgestimmte Hilfen aus einer Hand, die verbindliche und aktive Einbeziehung der Hilfeberechtigten und deren Verantwortung für den Hilfeprozess und auch Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Ich weise aber noch einmal darauf hin, das ist nur die Richtung! Die Umsetzung muss dann noch sehr genau untersucht werden, wie es denn gehen soll. Es ist nämlich sehr kompliziert und vielleicht sehr viel komplizierter, als Herr Koch sich das vorstellt.
Die Konferenz war sich auch einig über einen Fahrplan der Reform, nämlich zu Beginn der nächsten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages. Da dieser Beschluss auch von Hessen mitgetragen wurde, verwundert es mich schon, dass jetzt dieser Gesetzentwurf von Herrn Koch vorgelegt wird. Dies entspricht nicht den damaligen Verabredungen. Sollte das vielleicht etwas mit dem Bundestagswahlkampf zu tun haben?
Es ist mehrfach gesagt worden, es gibt gute Gründe, eine Strukturreform der Sozialhilfe, die auch das Verhältnis zum SGB III und die Beziehung zwischen Arbeitsverwaltung und Träger der Sozialhilfe umfasst, nicht in einem Schnellschussverfahren umzusetzen. Vor dem Hintergrund bereits laufender Mo
dellprojekte, das ist hier auch schon ausführlich dargestellt worden, auf Bundes- und auf Landesebene – und es fällt mir auf, Herr Oppermann, dass Sie sehr viele SPD-Modellprojekte dargestellt haben,
das spricht für Sie, das gebe ich zu! –, steht nicht die Schaffung einer neuen Experimentierklausel auf der Tagesordnung. Es geht vielmehr um Rechtssicherheit und, das ist sicherlich auch in Ihrem Interesse, um eine tragfähige Zukunftslösung.
Der Grund, bei einer Strukturreform der Sozialhilfe Gründlichkeit und Augenmaß walten zu lassen, ist eine wichtige Systemfrage. Hierbei geht es insbesondere auch um die Frage der zukünftigen Rolle von Bund und Ländern und auch von Kommunen. Noch schwieriger ist die Lösung der verfassungsrechtlichen Frage, der Organisation und Finanzierung der Hilfe aus einer Hand. Frau Linnert hat ja auch schon dargestellt, wie kompliziert die Situation dort ist. Der hessische Gesetzentwurf enthält hierzu keine, aber auch nicht ansatzweise, Antworten. Die Beantwortung dieser grundlegenden Fragen bildet nach meiner Ansicht jedoch das Fundament, auf das sich eine Strukturreform, die auch das SGB III einbeziehen muss, begründet.
Erst wenn dieses solide Fundament gegossen ist, das ist bei allen Baustellen so, dann können wir auch in die Detailfragen über die Ausgestaltung gehen. Damit wir uns nicht falsch verstehen, Herr Oppermann: Wir sind uns alle einig, es ist Zeit zu handeln, so wie es die Arbeits- und Sozialministerkonferenz beschlossen hat. Wir werden weitere Schritte ins Auge fassen, um allen Personen in prekären Lebenssituationen eine Perspektive und eine Integration ins Erwerbsleben zu ermöglichen.
Man darf nicht den Eindruck erwecken, da sei schon genug getan. Da sind wir uns alle einig. Wir haben noch sehr viel zu tun. Wir müssen absichern, dass jeder, der sich in einer prekären Lebenssituation befindet, und das kann jeden treffen, vom ersten Tag an eine erstklassige Hilfe zur Lösung seiner Probleme und zur Integration ins Erwerbsleben bekommt. Hier sind alle gefordert: der Gesetzgeber, der die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen muss, Kommunen und Arbeitsverwaltung, die aktivierende Hilfe bedarfsgerecht vorhalten und anbieten müssen, und natürlich auch die Betroffenen selbst, die zur Lösung und Überwindung ihrer Lebenslage aktiv beitragen müssen. Wir dürfen aber die Schwachen dabei auf keinen Fall vergessen.
Das, was Herr Koch in seinem Entwurf beschreibt, ist eine einseitige Entwicklung zu Lasten der Schwachen. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass in Nordrhein-Westfalen sehr erfolgreich Modellversuche laufen. Die sollten wir abwarten und genau untersuchen, was dabei herauskommt. In diesen Projekten geht es um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und darum, Sozialhilfeberechtigten und ihren Familien einen Weg aus ihrer Notlage aufzuzeigen. Auch aus dem Modellvorhaben Pauschalierung, das in Nordrhein-Westfalen auch seitens des Landes wissenschaftlich begleitet wird, erwarten wir wichtige Erkenntnisse zur Weiterentwicklung und Modernisierung der Sozialhilfe. Zusammengefasst: Meine Linie ist, die Drohung mit Sanktionen kann eine sinnvolle Sozialhilfepolitik nicht ersetzen.
Fördern und Fordern müssen im Gleichklang erfolgen, und die Richtung muss stimmen. Es geht um das beste Konzept zur Überwindung von Notlagen und nicht um den Wettbewerb darum, wie man mit dem Holzhammer das meiste herausholen kann.
Fördern und Fordern gehören zusammen. Sie stehen in einer Wenn-dann-Beziehung: Nur wenn es gelingt, individuell an die Menschen heranzukommen, neue Wege für sie zu eröffnen, dann ist es auch zumutbar zu handeln. Erst das eine und dann das andere! Wir dürfen nicht nur das eine im Auge haben, nämlich zu Lasten der Betroffenen zu handeln. Das darf nicht der Fall sein!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 15/1095, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.
Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD vom 18. Februar 2002 (Drucksache 15/1069) 1. Lesung 2. Lesung
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was lange währt, wird endlich gut! Die große Koalition zieht mit dem heutigen Tag einen Schlussstrich unter eine seit mehreren Jahren andauernde Diskussion, die ihren Ursprung 1998 hat, als nämlich die Fraktionen des Deutschen Bundestages, und zwar CDU/CSU, SPD und FDP, den Bundesländern empfohlen haben, die rechtlichen Voraussetzungen für die Sonntagsöffnung von Videotheken zu schaffen. Damals war einer der Vorantreiber dieser Entschließung unser Bundestagsabgeordneter Bernd Neumann. Ich finde, das ist auch ganz gut, dass hier jetzt auch ein Schlussstrich gezogen wird, indem wir nun endlich dieses Gesetz ändern, das ja von Bremern in Bonn damals sehr weit vorangetrieben worden ist.
Nach Schleswig-Holstein, wo das schon gemacht wurde, und Niedersachsen, aber auch nach Hamburg ist Bremen nun ein weiteres norddeutsches Land, das es ermöglicht, Videofilme oder Videospiele an Sonn- und Feiertagen ab 13 Uhr auszuleihen. Ich glaube, wir haben hier einen guten Kompromiss gefunden, mit dem auch die Kirchen leben können müssten, meine Damen und Herren. Erstens ist es erst ab 13 Uhr, und zweitens, finde ich, wird das Sonn- und Feiertagsgesetz damit nicht ausgehöhlt. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass im Rahmen ihrer Freizeitgestaltung die Bürger vermehrt spontane Freizeitangebote in Anspruch nehmen wollen und sich auch eben spontan entscheiden wollen, einen Videofilm oder ein Videospiel auszuleihen. Im Übrigen ist es ja auch nicht so, dass niemand sonntags arbeiten müsste. Es gibt ja viele Einrichtungen, in denen sonntags gearbeitet wird, und nicht erst ab 13 Uhr, sondern den ganzen Tag, zum Beispiel in Krankenhäusern oder Notbereitschaften von Ärzten und Apotheken sowie in Gaststätten und Hotels. Es gibt diverse Arten von Arbeitstätigkeiten, die auch sonntags ausgeführt werden, und daher sehe ich nicht, dass wir hier das Sonn- und Feiertagsgesetz aushöhlen. Ich bin froh, dass wir nun zu diesem Ergebnis kommen und es auch in erster und zweiter Lesung beschließen wollen. Es würde sich auch anbieten, im Rahmen dieser Diskussion auch einmal über das Ladenschlussgesetz zu sprechen, meine Damen und Herren.
Das ist ja in den letzten Wochen auch durch unseren Präsidenten des Senats durchaus mit einer beson––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
(Abg. E c k h o f f [CDU]: Nicht nur durch den Präsidenten des Senats, durch den Kir- chensenator ist das in die Debatte gebracht worden!)
Kirchensenator ist er auch, aber ich finde, vielleicht sollte ich das doch nicht damit verbinden. Wir wollen die Gräben nicht noch weiter aufreißen, die zwischen dem Präsidenten des Senats und einigen in diesem Haus dann vielleicht entstehen könnten.
Die Diskussion kommt aber auf jeden Fall auf uns zu, meine Damen und Herren, aber dies ist jetzt erst einmal eine andere Sache, die wir erfolgreich zum Abschluss bringen. – Vielen Dank!