Protokoll der Sitzung vom 18.09.2002

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ich kann nur noch eine Feststellung machen:

(Zurufe von der SPD: Nein!)

Wir beide sind mit dem Wirtschaftswachstum nicht zufrieden!

Zusatzfrage? – Bitte, Frau Ziegert!

Ich darf noch einmal zur Jugendarbeitslosigkeit zurückkommen! Ich meine, sonst kann ich auch gleich noch die Einwanderungspolitik auf das Tapet bringen.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Ich bitte darum! Volle Unterstützung der CDU-Fraktion! – Heiterkeit)

Zur Jugendarbeitslosigkeit! Können Sie bestätigen, dass die Jugendarbeitslosigkeit im Bereich der Jugendlichen ohne Ausbildung, auf die das Jugendsonderprogramm der Bundesregierung zielt, beim Arbeitsamt Bremen kontinuierlich zurückgeht, und dass wir auch bei den nichtausgebildeten jungen Menschen einen Rückgang der Arbeitslosigkeit hatten, nachdem wir vor etlichen Jahren vor allen Dingen beklagen mussten, dass 66 Prozent der Jugendlichen keine Ausbildung haben?

Würden Sie mir zustimmen, dass dieses Jugendsonderprogramm der Bundesregierung da sehr große Erfolge aufzuweisen hat und dass es aber umso mehr unserer Anstrengung bedarf, dass junge Leute, die jetzt eine qualifizierte Ausbildung haben, teilweise auch mit der Unterstützung staatlicher Programme oder der Arbeitsämter aus Mitteln der Bun

desanstalt, nun auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und in die Betriebe tätig werden können?

Bitte, Frau Senatorin!

Das ist in der Tat bei diesem schwierigen Thema Jugendarbeitslosigkeit eine erfreuliche Entwicklung. Ich habe sie immer sehr aufmerksam durch die Monatsberichte der Arbeitsämter verfolgt. Es zog sich immer wie ein roter Faden durch die Berichte, jedes Mal stand ein Absatz darin, dass die Jugendprogramme der Bundesregierung sehr erfolgreich waren. Da haben wir in der Tat auch im Land Bremen einen Rückgang von 11,6 Prozent bei arbeitslosen Jugendlichen ohne Abschluss zu verzeichnen. Das ist insgesamt schon eine positive Entwicklung.

(Beifall bei der SPD – Abg. T e i s e r [CDU]: In welche Maßnahmen haben Sie die denn geschickt?)

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. – Vielen Dank, Frau Senatorin! Meine Damen und Herren, damit ist die Zeit für die Fragestunde abgelaufen. Die zehnte, elfte und zwölfte Anfrage werden schriftlich beantwortet. Damit ist der erste Tagesordnungspunkt erledigt.

Konvent der Präsidentinnen und der Präsidenten und der Fraktionsvorsitzenden der deutschen Landesparlamente

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 3. September 2002 (Drucksache 15/1229)

Wir verbinden hiermit:

Föderalismusreform voranbringen – Länderparlamente stärken

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD vom 17. September 2002 (Drucksache 15/1245)

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Dr. Scherf. Die Beratung ist eröffnet. Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Anstelle einer Diskussion über Bildung und Schule jetzt also eine Diskussion, die sich im Kern mit uns selbst beschäftigt, mit unserem Selbstverständnis, mit unserer zukünftigen Rolle in der Politik! Die Bildung ist für heute von der Tagesordnung, aber wir sind überzeugt, dies muss auch sein.

Wir sprechen auf Antrag der Fraktion der Grünen über die Absicht der Landtagspräsidentinnen und Landtagspräsidenten, einen so genannten Konvent der deutschen Landtage zum 31. März nach Lübeck einzuberufen mit dem erklärten Ziel, Position, Macht und Ansehen der deutschen Landtage zu stärken. Unsere Frage ist: Wird dieses Ziel auf dem eingeschlagenen und vorgeschlagenen Weg auch wirklich erreicht? Wir haben Ihnen als Einleitung zu unserem Antrag den Text zweier Beschlüsse der Landtagspräsidentenkonferenz vom Juni dieses Jahres zur Verfügung gestellt. Diese Texte haben Sie, anders als die Mitglieder anderer Landtage, sonst nicht zur Kenntnis erhalten. Ich komme auf diese Tatsache noch zurück.

Der Beschluss zur Zukunft der deutschen Landtage zum Konvent gibt schon eine Reihe von Antworten, stellt aber auch in anderen Komplexen nur Fragen, aber sowohl Fragen wie Antworten machen doch die Richtung, in die es gehen soll, eindeutig. Es ist die Richtung auf einen Trennföderalismus, also ein Auseinanderlegen der Verantwortlichkeiten von Bund und Ländern, und vor allen Dingen auch, damit verbunden, die Richtung auf einen strikteren Wettbewerbsföderalismus. Ich glaube, dass der Landtag der Freien Hansestadt Bremen allen Grund hat, sich das genauer anzusehen, weil es den Kern unserer Möglichkeiten betrifft, im Konzert der Länder und des Bundes zu handeln. Wir wollen das mit dem Antrag tun, und ich füge gleich hinzu, Sie werden das merken, dass wir dieser Richtung, die dort eingeschlagen werden soll, skeptisch gegenüberstehen.

Meine Damen und Herren, der Vertreter im europäischen Verfassungskonvent, der Vertreter des Deutschen Bundestags, Herr Jürgen Meyer, war vor zwei Wochen in diesem Haus und hat über seine Arbeit und über die Tatsache berichtet, dass der Konventspräsident versucht hat, den Konvent sozusagen zu einem Anhang des Präsidiums zu machen. Herr Meyer hat mit Erfolg diesem Versuch den Satz entgegengehalten: Der Konvent ist der Konvent! Ich möchte diese schlichte Wahrheit übernehmen und sagen: Das Parlament ist das Parlament, hier müssen wir diskutieren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist leider keine Selbstverständlichkeit, meine Damen und Herren! Wie gesagt, der Konvent soll einberufen werden, um das Ansehen der Landtage zu stärken. Wir fragen uns, ob es da nicht ein bisschen seltsam ist, dass die Präsidentinnen und Präsidenten im Jahr 2000 schon beschließen, dass, ich darf mit Genehmigung des Präsidenten zitieren, „gerade die Landesparlamente der Ort sein müssen, an dem die Debatte zur Föderalismusreform geführt wird und diese somit zum Impulsgeber für eine breite öffentliche Diskussion werden“, dass die Bremische Bürgerschaft diesen Beschluss vom Jahr 2000 über

haupt nicht zur Kenntnis bekommen hat geschweige denn, dass er hier im Haus umgesetzt worden wäre, sei es im Plenum oder im zuständigen Ausschuss! Ein bisschen seltsam!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ist es nicht ein bisschen seltsam, dass weder der Vorstand noch der zuständige Ausschuss noch gar das Plenum dieses Hauses bei der Vorbereitung des nun vorliegenden Beschlusses zu Rate gezogen worden sind, und das, obwohl der Europaausschuss sich sehr wohl auf unseren Antrag hin mit dieser Frage beschäftigt hat, nämlich der Föderalismuskommission der Landesregierungen?

Drittens, meine Damen und Herren, ist es nicht noch seltsamer, dass die Vertreter von CDU und SPD im Vorstand der Bremischen Bürgerschaft meinen Antrag, diesen nun in unserer Drucksache vorliegenden Beschluss dem Landtag als Drucksache offiziell zur Kenntnis und zur Beratung zu geben, wie das eine Reihe anderer Landtage machen, von Thüringen bis zu unseren Nachbarn in Hannover, dass die Mehrheit dieses Vorstands, die Vertreter von der SPD und CDU, diesen einfachen und simplen Vorschlag, dies als Drucksache bekannt zu machen, abgelehnt haben? Ich meine, ein Beschluss über die zukünftige Rolle der Landtage wird ausdrücklich diesem Landtag nicht zugänglich gemacht, das ist nicht nur seltsam, das ist einfach absurd! Es drängt sich schon ein bisschen der Verdacht auf, dass es hier eigentlich vielleicht auch um etwas anderes geht, als das Ansehen der Landtage zu stärken, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Vielleicht können Sie das heute einmal erklären, wieso das eigentlich zustande kommt!

In dem Beschluss der Präsidentinnen und der Präsidenten heißt es ausdrücklich, die Präsidenten seien zu solchen doch ziemlich weitgehenden politischen Beschlüssen legitimiert. Ich gestehe, dass ich da meine Fragen habe. Genauer gesagt, die Legitimation kann geschaffen werden, sie ist nicht automatisch da, sie kann geschaffen werden dann, wenn sie auf Konsultation, Erörterung, Meinungsbildung hier im Landtag beruht. Dann gibt es eine Legitimation, aber automatisch zu sagen, die Präsidenten können zu allen möglichen entscheidenden Fragen von Föderalismusreform, Europäischer Union Stellung nehmen, das halte ich für ziemlich gewagt. Es nützt, glaube ich, auch den Präsidenten nicht.

Ich will Ihnen dazu ein besonders krasses Beispiel geben aus der gleich alten Resolution der Präsidenten zu Europa. Das habe ich Ihnen, um nicht die Verwirrung größer zu machen, nicht auch noch mit abgedruckt. Es ist auch so, dass sie eigentlich nicht zu

mutbar ist. Dort heißt es unter II.3: „Die Europäische Union dürfe in Zukunft nicht länger die Befugnis haben, Förderprogramme zu finanzieren, unter anderem in den Bereichen“ – hören Sie gut zu! – „Jugend“, also keine Sokrates- und Erasmus-Austauschprogramme mehr, „Kultur“, also keine europäische Kulturhauptstadt mehr, „Forschung“. Ich meine, da fragt man sich doch, verehrter Herr Kollege Weber, haben Sie nicht gewusst, dass bremische Wissenschaft und Forschung jährlich fast zehn Millionen Euro aus dem EU-Forschungsprogramm ziehen, dass wir hier mehrfach im Haus diese Programme diskutiert haben, sie begrüßt haben? Ist Ihnen das egal? Ich glaube, zu einer Unterschrift für eine solche Forderung, dass die Europäische Union in all diesen Bereichen keine Förderprogramme mehr machen soll, haben Sie aus diesem Haus jedenfalls keine Legitimation!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der einzige Trost bei dieser Europaresolution ist wie bei früheren, dass niemand sie ernst nehmen wird, aber das ist ja gerade ein Teil des Problems. Jetzt zu den inhaltlichen Aussagen, zu der politischen Richtung, die in dieser Entschließung, die Ihnen vorliegt, der Präsidentenkonferenz steckt! Ausgangspunkt ist die Feststellung des Kompetenz- und Machtverlusts der Landtage, Machtverlust gegenüber der Europäischen Union. Das wundert mich immer. Man will eine Europäische Union machen, wo man Kompetenzen der Nationalstaaten gemeinsam politisch gestaltet, aber man möchte gern, dass die Landtage alles behalten, so wie es gewesen ist. Irgendwie, fürchte ich, meine Damen und Herren, wird das nicht gehen. Machtverlust aber auch gegenüber der Landesregierung, das Phänomen wird seit vielen Jahren beschrieben, denn es wird richtig festgestellt, die Landesregierungen haben sich viel Kompetenz der Länder über den Bundesrat zurückgeholt. Bloß, die Landtage haben den entsprechenden Einfluss nicht wiederbekommen, auf diese Bundespolitik der Länder dann wieder Einfluss zu nehmen. Das gilt auch für die vielen Fachministerkonferenzen und Staatsverträge, wo wir dann am Ende immer nur staunend zur Kenntnis nehmen können, was die Ministerpräsidenten wieder beschlossen haben. Einige Ministerpräsidenten diskutieren die Sache übrigens im Wesentlichen so, dass sie gern wieder mehr entscheiden können möchten. Deswegen haben auch die so genannten Südländer im vergangenen Jahr ihre Zustimmung zum neuen Länderfinanzausgleich davon abhängig gemacht, dass es zu ernsthaften Beratungen über eine Föderalismusreform kommt. Das ist mit der Kommission der Länderchefs dann angeschoben worden. Soweit die Diagnosen über die Schwächen des Föderalismus! Als Heilmittel wird nun verschiede

nes propagiert, die Trennung und Rückholung von Zuständigkeiten vom Bund, eine Neuordnung der entsprechenden Regelungen im Grundgesetz. Ich sage Ihnen klar, es gibt eine Reihe von Punkten, über die man ernsthaft diskutieren kann, tut man übrigens schon lange. Man fragt sich bloß, warum das Ergebnis nicht so groß ist. Also ob das Jagdrecht wieder Landessache wird, da habe ich nicht so große Leidenschaften.

(Heiterkeit)

Ich glaube aber, Leidenschaften sollten wir in der Frage entwickeln, die ja von einigen vorgeschlagen wird, dass das Besoldungsrecht allein Sache der Länder ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ob Bremen Interesse daran hat, dass wir Konkurrenz eingehen mit anderen Bundesländern über das Mittel der Beamtenbesoldung, da habe ich meine ganz großen Fragezeichen, zum Beispiel in der Lehrerbezahlung. Wir jedenfalls warnen sehr davor. Das kann man auch in anderen Punkten zeigen, zum Beispiel beim Hochschulrecht. Wenn man da genau hinschaut, meine Damen und Herren, sind das sowieso keine fein ziselierten verfassungsrechtlichen Erörterungen, da geht es immer um handfeste Politik, etwa beim Hochschulrecht um die von einigen gewünschte Freiheit, von sich aus und ohne Rücksprache mit anderen Studiengebühren einführen zu können. Das ist der harte Kern dieser ganzen Diskussion und weniger verfassungsrechtliche Überlegungen.

Man kann also im Einzelnen darüber diskutieren. Ich sage Ihnen aber, vieles ist da jedenfalls nicht im bremischen Interesse, und im Übrigen sind wir der Meinung, dass die Richtung überhaupt nicht einseitig ist, herunter vom Bund hin zu den Ländern. Die Diskussion um Pisa, die wir heute nicht führen, hat ja gezeigt, dass es sehr wohl vernünftige Vorschläge gibt, auch darüber nachzudenken, ob nicht der Bund neue, andere Rahmenkompetenzen erhalten sollte etwa in der Setzung und Kontrolle von Qualitätsstandards der Schulbildung. Das macht doch Sinn, darüber zu diskutieren, da kann man nicht von vornherein sagen, politisch-ideologisch begründet auf gar keinen Fall, die Länder dürfen nichts abgeben, das ist doch einfach Unsinn!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zweites Heilmittel soll sein die Auflösung der Gemeinschaftsaufgaben, also die Wirtschaftsförderung, Hochschulbauförderung, Forschungsförderung. Ich höre, dass sich die Ministerpräsidenten da schon ziemlich einig sein sollen. Wir hatten in einer Kleinen Anfrage im vergangenen Jahr gefragt, wie viel Mittel Bremen aus den Gemeinschaftsaufgaben er

halten hat. Das Ergebnis war, dass vor allem im Hochschulbau, in der Bildungsplanung und in der Forschungsförderung das Land Bremen deutlich mehr Mittel, nämlich das Anderthalb- bis Zweifache, vom Bund erhalten hat, als es seiner relativen Größe, also nach Einwohnerzahlen, entsprechen würde.

Wenn die Gemeinschaftsaufgabe aufgegeben wird und wenn der Bund den Ländern das Geld stattdessen so einfach in die Hand geben würde, wie die Länder das ja fordern, wobei ich das gar nicht sehe – warum sollte der Bund das machen? –, wenn das so passieren würde, und wenn das Geld dann auf die Länder aufgeteilt würde, glauben Sie dann im Ernst, dass das Land Bremen diese Quote auf Dauer behalten würde? Davon kann doch überhaupt keiner ausgehen, natürlich nicht! Bremen hat davon profitiert, meine Damen und Herren, dass die gemeinschaftliche Finanzierung gebunden war an Qualität und Qualitätskontrolle bei der Vergabe. Wir halten das für völlig falsch, dass Bremen sich an der Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe beteiligen würde. Sie sind hier in Ihrem Antrag weder Fisch noch Fleisch. Wir finden es nach der Faktenlage und nach den politischen Interessen des Landes völlig klar, wie sich Bremen verhalten sollte.

Eine dritte Richtung gibt es, und die halten wir nun in der Tat für die realistische und auch notwendige, und da will ich mich gern auf einem solchen Konvent mit anderen Landtagen austauschen, aber darüber sagen die Präsidenten leider nichts, auch nicht die Koalition, die Rechte des Landtags nämlich gegenüber den Landesregierungen zu stärken, vor allen Dingen, was ihr politisches Handeln in Bundesgremien betrifft. Ich meine, da gibt es ja eine Menge von nichtöffentlichen Gremien, Fachministerkonferenzen, Ministerpräsidentenkonferenzen. Wenn wir da einmal ein Verfahren vereinbaren würden, wie da die Rechte des Parlaments gestärkt würden, das fände ich wirklich eine lohnenswerte Diskussion.

Ich weiß, das hat verfassungsrechtliche Grenzen, die halte ich auch für vernünftig, aber innerhalb dieser Grenzen kann man mehr machen. Es wäre wirklich schon viel gewonnen, wenn wir über die Informationspflicht des Senats, die wir in der Verfassung haben, auch festschreiben würden, dass Stellungnahmen des Parlaments in Bundesangelegenheiten berücksichtigt werden müssen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

So, meine Damen und Herren, ist dies ja im Verhältnis von Bundestag und Bundesregierung in Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes festgeschrieben. Ich finde, solchen Diskussionen sollten wir wirklich näher treten.