Protokoll der Sitzung vom 19.09.2002

Die Beratung ist eröffnet. – Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Hier ist die Überweisung zur Beratung und Berichterstattung an den Datenschutzausschuss vorgesehen.

Wer der Überweisung der Stellungnahme des Senats zum 24. Jahresbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz mit der Drucksachen-Nummer 15/1224 zur Beratung und Berichterstattung an den Datenschutzausschuss seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) überweist entsprechend.

(Einstimmig)

Gesundheits-, umweltschutz- und stadtplanungsverträgliches Vorgehen beim Ausbau des Mobilfunknetzes

Mitteilung des Senats vom 3. September 2002 (Drucksache 15/1230)

Wir verbinden hiermit:

Gesundheits- und Umweltschutz beim Ausbau des Mobilfunks wirklich praktizieren

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 17. September 2002 (Drucksache 15/1240)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Wischer.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mathes.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Mitteilung des Senats suggeriert, dass hier im Land Bremen ein gesundheits-, umwelt- und stadtplanungsverträglicher Ausbau des Mobilfunknetzes stattfinden würde. Dem ist nicht so! Die Worte und die Taten stimmen nicht überein. Unser grüner Antrag besteht darin, dies in Deckung zu bringen. Ich nenne hier ein Beispiel, das das verdeutlicht: Die Sendeanlagen auf dem Bunker in der Scharnhorststraße sind so angebracht, dass sie unmittelbar in geringer Entfernung in Daueraufenthaltsbereiche hineinstrahlen, und das Straßenbild mehrerer dort betroffener Straßen kann man deutlich dominiert von diesen Anlagen wahrnehmen. Was das mit Gesundheitsverträglichkeit und Stadtplanungsverträglichkeit zu tun hat, muss mir in diesem Haus bitte schön jemand erklären!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich komme jetzt aber zum Vorgehen in der Stadt insgesamt! Es ist so, dass es allein in der Stadt Bremen mit dem UMTS-Mobilfunkausbau eine Zunahme von Antennenanlagen in der Größenordnung von 600 geben wird, und das an 400 verschiedenen Standorten. Nun hat die große Koalition in der Deputation beschlossen, 26 UMTS-Antennen auch an solchen Standorten zu errichten, an denen sich die Beiräte jeweils einstimmig dagegen ausgesprochen hatten, diese Standorte für solche Anlagen zu nutzen. Die Beiräte haben die kritischen Standorte herausgefiltert, das war ihre Aufgabe. Was macht die Deputation? Sie sagt trotzdem: Wir werden diese Anlagen dort errichten. Zusätzlich bekommen die Mobilfunkbetreiber auch noch ein Bonbon: Die Sendeanlagen werden auch noch baugenehmigungsfrei gestellt. Das ist ein Entgegenkommen ohne Berücksichtigung des Bürgerwillens und ohne Berücksichtigung des vorsorgenden Gesundheitsschutzes.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte hier nur kurz auch die Problematik der Baugenehmigungsfreistellung einschieben. Es gibt gerade neuere Urteile, die es verdichten, dass es

überhaupt nicht zulässig ist, dieses Instrument der staatlichen Kontrolle aus der Hand zu geben. Solange aber auch eine Vielzahl von Studien vorliegt, und zwar Studien von namhaften Instituten, die eben sagen, dass eine Gesundheitsbeeinträchtigung durch die Mobilfunksendeanlagen nicht ausgeschlossen werden kann, muss einem vorsorgenden Gesundheitsschutz erheblich mehr Aufmerksamkeit gezollt werden. Das ist unser Ansatz.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das wurde im Übrigen auch von der Bundesregierung anerkannt. Hier wird ein erheblicher Forschungsbedarf insbesondere hinsichtlich der gesundheitlichen Auswirkungen festgestellt, und die Bundesregierung hat gehandelt: Sie hat bis zum Jahr 2005 20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um eine entsprechende Forschung zu finanzieren, und sie hat es erreicht, dass auch die Mobilfunkbetreiber noch einmal 8,5 Millionen Euro dazutun. Soweit dazu an der Stelle! Es ist also klar, dass noch ein erheblicher Bedarf besteht, im Sinne eines vorsorgenden Gesundheitsschutzes beim Ausbau des Mobilfunknetzes im Land Bremen vorzugehen. Das, wie gesagt, was zu tun ist, ist unser grüner Antrag, der aus drei Punkten besteht. Ich komme zum ersten Punkt! Bei diesen bereits erwähnten kritischen Standorten, die von den Beiräten abgelehnt wurden, fordern wir den Senat auf, alternative Sendetechniken zu prüfen. Es gibt die Möglichkeit – und es gibt auch Städte, die das mittlerweile zumindest als Pilotprojekte betreiben –, bei kritischen Standorten so genannte Mikrozellen einzusetzen, das sind Miniantennen, die auf Ampeln oder Lichtmasten installiert werden können. Damit wird erstens das Stadtbild geschont und möglicherweise auch die Gesundheit, weil nämlich diese Miniantennen bedeutend geringere Strahlungsleistungen haben. Wir Grünen wollen, dass bei diesen kritischen Standorten diese neue Technologie geprüft wird, und zwar nicht nur hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des Erreichens des Ziels der entsprechenden Sendeleistung oder Übertragungsleistung, sondern auch hinsichtlich der Frage der gesundheitlichen Auswirkungen. Meine Damen und Herren von der großen Koalition, ich glaube, einem solchen Prüfauftrag können Sie sich doch nicht verstellen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Ergebnis ist dabei, und das muss ich auch erwähnen, offen, aber es kann eben auch eine sinnvolle Alternative sein. Es kann aber auch herauskommen, dass es nicht zu einer Verbesserung beiträgt. Dann muss als Möglichkeit auch geprüft werden, die Strahlungsleistung entsprechend herunterzufahren.

Ich möchte hier eine Frage formulieren, die als Frage kein Tabu sein darf, nämlich: Müssen wir denn wirklich im hintersten Hobbykeller die UMTS-Technologie anwenden können, oder kann es durchaus sein, dass man im Sinne eines vorsorgenden Gesundheitsschutzes die Strahlung auch herunterfährt, so dass nicht jeder Punkt in dieser Stadt zu jeder Zeit erreicht wird?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Um diese Forderungen noch einmal zusammenzufassen und an der Stelle nicht missverstanden zu werden: Es handelt sich also um einen Prüfauftrag, neue innovative Technologie zu prüfen und zu untersuchen, inwieweit sie sowohl aus städtebaulichen als auch aus gesundheitsvorsorglichen Aspekten geeigneter ist. Die zweite Forderung unseres Antrags zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes besteht darin, durch die Ausrichtung der Antennen die Strahlenbelastung in Daueraufenthaltsbereichen und in Bereichen sensibler Nutzungen zu minimieren. Hierzu sind alle für die Berechnung der Belastungssituation erforderlichen Daten öffentlich zugänglich zu machen. Wie das aussehen könnte, haben wir Grünen bereits durch ein Gutachten initiiert. Wir wollen, dass dieser innovative Ansatz, nämlich mittels der Berechnung der Belastungssituation beziehungsweise auf dieser Basis zur Optimierung der Ausrichtung der Sendeanlagen zu kommen und damit den Gesundheitsschutz zu verbessern und dies auch hier in Bremen an allen kritischen Standorten zu praktizieren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, wir stehen übrigens mit dieser Forderung nicht allein, wir erheben sie seit mehreren Monaten. Aktuell können Sie feststellen, dass der SPD-geführte Senat in Berlin genau das beschlossen hat. Wenn Sie in das Internet gehen und auf berlinonline.de schauen, dann finden Sie da, ich gebe das jetzt wieder: Der Senat hat dort deutlich gemacht, dass der notwendige Abstand zwischen Gebäuden und Sendeanlagen im Einzelfall zu berechnen ist, da dies von der Strahlungsstärke und von der Strahlungsrichtung der jeweiligen Mobilfunkanlage abhängig ist. Außerdem müssen die Betreiber der Anlage ein so genanntes Antennendiagramm vorlegen. Aus diesen, sagt der Senat, ist klar zu erkennen, wie hoch die Belastung durch die Strahlen ausfallen wird. Das ist genau der Ansatz, den wir hier seit Monaten bei der Einführung des Mobilfunknetzes zu integrieren versuchen, und wir erwarten und können in der Tat dann auch nicht begreifen, wenn das selbst der SPD-geführte Senat in Berlin beschließt, warum sich hier die SPD dem nicht anschließt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der dritte und letzte Punkt unseres Antrags besteht darin, dass wir bei der Einführung des UMTSMobilfunknetzes eine begleitende medizinische Forschung für Bremen und Bremerhaven fordern. Solche epidemiologische Forschung ist insbesondere bei der Einführung einer flächendeckenden neuen Technologie dringend erforderlich, um negative Gesundheitswirkungen überhaupt rechtzeitig entdecken zu können, und da haben wir hinreichend Erfahrung bei der Einführung anderer Technologien.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte das noch einmal durch ein Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der Kassenverbände in Bremen untermauern, das sie kürzlich an die Bürgerinitiative gegen den Funkturm Hammersbeck gerichtet hat. Es heißt dort, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: „Wir möchten Ihnen daher empfehlen, Ihre dahin gehenden Sorgen der zuständigen senatorischen Dienststelle für Gesundheit aufzuzeigen, damit von dort gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen wie Vorsorgeuntersuchungen und Untersuchungen über mögliche Langzeitwirkungen veranlasst werden.“ Soweit dieses Zitat!

Es wird aber deutlich, dass es originäre Aufgabe,

(Glocke)

ich komme gleich zum Schluss, des Senats ist, so ein entsprechendes Forschungsprogramm zu initiieren, und hier – wir haben vorhin über das Partizipieren an Bundesforschungsgeldern gesprochen – müsste Bremen das gar nicht selbst bezahlen, sondern könnte an den eben erwähnten bereitgestellten Forschungsgeldern auch partizipieren.

In der Summe: Was wir Grünen wollen, ist, dass Sie diese Vorschläge aufgreifen, den Bürgerwillen respektieren und dass Sie sich nicht nur mit der Einführung der Technik profilieren, sondern dadurch, dass Sie wirklich innovativ sind, und das heißt, sich dadurch profilieren, dass man eine Technik parallel mit moderner Technikfolgenabschätzung einführt. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Imhoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir debattieren hier heute über die Mitteilung des Senats und den Antrag der Grünen, der sich mit dem Ausbau des Mobilfunknetzes beschäftigt. Zunächst möchte ich erst einmal auf das von uns gewählte Verfahren zum Ausbau des Mobilfunknetzes eingehen, denn dieses ist zwischen Öffentlichkeit und Politik so transparent abgestimmt worden, dass es seinesgleichen in Deutschland sucht.

Die ressortübergreifende Arbeitsgruppe unter der Führung der Senatskanzlei hat mit den Mobilfunkbetreibern auch nach anfänglichen Schwierigkeiten eine gute Arbeit abgeliefert, denn die Suchbereiche wurden von 900 auf 600 Anlagen reduziert. Diese werden auf 400 Standorte, wie Frau Dr. Mathes bereits sagte, verteilt sein. Bei den 400 Standorten sind die jetzt bereits in Nutzung befindlichen Anlagen einbezogen. Das heißt also, dass es auf ein Minimum reduzierte Standorte geben wird. Dies sehen wir schon einmal als Erfolg an.

Um weiterhin eine möglichst große Einbeziehung der Bevölkerung zu gewährleisten, sind alle Standorte und Suchräume in den verschiedenen Beiräten vorgestellt und diskutiert worden. Dabei hat sich erst einmal herausgestellt, dass ungefähr die Hälfte der Anlagen unstrittig ist. Diese stellen den Grundstock von Anlagen dar, um einen Netzstart durchführen zu können, wobei wir in der Baudeputation 26 Anlagen zugestimmt haben, die wir im Gegensatz zu den Beiräten aber für vertretbar hielten.

Der Netzstart soll im Frühjahr nächsten Jahres durchgeführt werden. Wir denken, dass dies gut funktionieren wird. Die von den Mobilfunkbetreibern geäußerten großen Bedenken, dass es durch das transparente Verfahren zu Verzögerungen kommen könnte, sind zum Glück nicht eingetreten. Bei den jetzt noch ausstehenden strittigen Standpunkten wird versucht, sich durch Verschiebung, Zusammenlegung oder andere Maßnahmen zu einigen. Ich denke, dies wird zur Zufriedenheit von allen führen.

Auch wir als Parlamentarier haben und werden uns in den Deputationen mit diesem Thema weiterhin befassen, so dass wir dadurch immer auf der Höhe der Zeit sind. Auch wenn die Fraktion der Grünen bei der Einleitung ihres Antrags wieder einmal versucht hat, diesen negativen Touch und diese Angstschürerei hineinzubringen, finden wir, dass das Verfahren, welches wir hier in Bremen haben, sehr vorbildlich ist.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, kommen wir noch einmal zu dem Gesundheitsaspekt! Es gibt viele Studien über Gesundheitsrisiken, die mit „wenn“, „vielleicht“ und „es ist nicht auszuschließen“ aufhören, das ist richtig. Gesundheitsrisiken kann keiner wie bei so vielen Dingen des Lebens ausschließen. Auch die CDU kann das nicht! Fakt ist aber, dass es keine wissenschaftliche Untersuchung gibt, die uns sagt, dass die Strahlungen, die von dem UMTS-Netz ausgehen, gesundheitsschädlich sind. Fakt ist auch, dass wir uns nach der sechsundzwanzigsten Verordnung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes richten und die vorgegebenen Werte nicht überschreiten. Fakt ist, dass wir Aufklärung in der Bevölkerung betreiben, ob es im Internet, in der Internetpräsentation

ist, wo man unter www.umts-bremen.org viele Informationen zu den Standorten bis hin zu Auskünften vom Gesundheitsamt bekommt, oder zum Beispiel in der Broschüre über Risiken bei Mobilfunkanlagen. Frau Dr. Mathes, wenn Sie das vielleicht schon gesehen haben, ansonsten kann ich Ihnen das einmal zur Verfügung stellen!

(Abg. Frau D r. M a t h e s [Bündnis 90/ Die Grünen]: Das habe ich schon lange ge- sehen!)

Das ist ja schön!