Protokoll der Sitzung vom 20.02.2003

Jetzt gibt es zwei Alternativen: Ich nutze die Redezeit aus, die wir wegen des Überziehens durch den Senat haben, oder aber ich beschränke mich auf die Bemerkung, ich möchte eigentlich nicht, dass sich so etwas wiederholt, sondern dass wir von dem Instrument der Aktuellen Stunde so Gebrauch machen, wie es in der Geschäftsordnung vorgesehen ist und wie es sinnvoll ist, und dabei will ich es belassen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Wort erhält Bürgermeister Dr. Scherf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will natürlich jetzt nicht den Rat übersehen, den der Kollege Böhrnsen gerade gegeben hat, aber eines möchte ich sagen: Wir müssen endlich aufhören, ständig Wahlkampf machen zu wollen und dabei Lösungen zu erzielen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist das Problem auf allen Ebenen. Wenn mit dieser Aktuellen Stunde Wahlkampf eingeleitet werden sollte, dann darf ich all denen raten, die das wollen, sich bitte auf die Sache zu konzentrieren! Wir brauchen nicht Wahlkämpfer, die pausenlos die Leute quälen, sondern wir brauchen Verständigung. Verständigung bekommt man hin, wenn man sich auf die Sache konzentriert.

Meine neue Rolle als Vermittlungsausschussvorsitzender ist absolut chancenlos, wenn dort Wahlkampfveranstaltungsfortsetzungen stattfinden, dann bekomme ich das nicht zusammen. Wir müssen, und ich glaube, dazu haben wir alle Anlass, uns auf das konzentrieren, was wir zusammen in der Lage sind zu bewegen. Dann müssen wir wenigstens das anpacken und nicht immer uns damit erschöpfen, dass wir dem jeweilig anderen vorwerfen, dass er der Grund dafür ist, dass nichts passiert ist. Das ist meine Bitte, das gilt nicht nur für Berlin, lieber Herr Focke, sondern das gilt auch für uns, und darum müssen wir auch in den nächsten Monaten – –.

(Abg. F o c k e [CDU]: Kein Wahlkampf!)

Kein Wahlkampf? Da habe ich Sie missverstanden. Das gilt auch für die nächsten Monate. Ich spüre überall, egal, ob ich mit Unternehmern rede oder mit Arbeitnehmern – ich muss gleich wieder zu einer Betriebsversammlung zu den Stahlwerken –, alle haben den Wahlkampf satt. Sie können Wahlkampfsprüche nicht mehr ertragen.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen wissen, woran sie sind, und zwar ganz real, da, wo sie ihr Leben organisieren, und da, wo sie ihre Risiken organisieren, und da, wo sie mit ihren privaten und mit ihren übrigen Familienrisiken sind, da wollen sie wissen, woran sie sind. Ich kann mir nicht vorstellen, und da bin ich dann wieder ganz eng mit meinen Senatskollegen zusammen, dass in der Bundesrepublik plötzlich die Lust notleidend wird, dass wir uns auf Konsense konzentrieren und dass wir plötzlich nur noch Spaß haben, uns gegenseitig die Schuld zuzuweisen. Ich setze darauf, auch in Berlin, dass wir bitte endlich zusammenkommen und das, was wir regeln können, regeln, und endlich herauskommen aus dieser Schuldzuweisungsveranstaltung.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Linnert. Bis zu 13 Minuten haben Sie.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Senator Hattig, ich habe gedacht, Mensch, wie schade, jetzt hält er seine politische Abschiedsrede. Ehrlich gesagt, da hätte ich mir ein würdevolleres Ambiente und auch einen besseren Tagesordnungspunkt für Sie gewünscht, schon deshalb, weil wir uns über konkrete Sachverhalte immer gern mit Ihnen gestritten haben. Ein solcher Rundumschlag, so wie das hier heute in der Aktuellen Stunde war, aber auch von Ihnen gekommen ist, hilft wirklich nicht weiter, weil er sich einfach der Tatsache verstellt, dass die Probleme deshalb vielleicht nicht immer so einfach zu lösen sind, weil ihnen Konflikte zugrunde liegen und unterschiedliche Interessen und weil man nicht so tun kann, als gäbe es sie nicht, und als hätte die bloße Tatsache, dass man Löhne ausschließlich als Kosten sieht, als hätte man damit die gesamte gesellschaftliche Realität erfasst. Das ist nicht so, und das wissen Sie eigentlich auch. Das, was für die einen Kosten sind, nämlich die Löhne, sind für die anderen das lebensnotwendige Einkommen, mit dem sie am Leben in der Gemeinschaft teilnehmen,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

ihre Kinder ernähren, Häuser bauen, konsumieren und die Binnennachfrage ankurbeln. Dieses komplizierte wirtschaftspolitische Geflecht, nämlich von Kosten auf der einen Seite und Einnahmen und Lebensunterhalt auf der anderen Seite, was ja der Motor der Wirtschaft ist, dieses Zusammenspiel muss funktionieren. Das ist doch ein Konflikt von Interessen von der einen und von der anderen Seite, und da tun Sie so, als könnte man da einfach eben einmal auf der einen Seite an der Schraube drehen, ohne dass es Konsequenzen auf der anderen Seite hat.

Dann sage ich noch einmal, das ist hier ja heute auch häufiger angeklungen, hier kamen Zwischenrufe von neoliberal oder so: Das amerikanische Wirtschaftsmodell, wo untere Einkommen so weit abgesenkt sind, dass man nicht mehr in Würde davon leben kann, das ist für die Grünen kein Vorbild, es erodiert eine Gesellschaft.

Deshalb ärgere ich mich auch darüber, wenn hier so einfach darüber geredet wird, dass die hohen Transferleistungen, also Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, aber auch die Sozialhilfe, im Grunde ein wirtschaftsschädigender Faktor sind. Ich möchte das nicht, dass man in dieser Gesellschaft gezwungenermaßen für 500 Euro im Monat eine Vollzeitstelle annehmen muss, weil es nämlich kein soziales Sicherungssystem mehr gibt, das Menschen hilft zu sagen: Nein, ich nehme nicht jede Arbeit für jeden noch so miesen Lohn an. Deshalb muss man gerade in solchen Zeiten das soziale Sicherungssystem, was umgebaut und verändert werden muss, verteidigen von seiner Qualität her für den Zusammenhalt der Gesellschaft, und das ist das, was bei Ihnen einfach vollkommen unterbelichtet ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ein letzter Satz noch zur hohen Staatsquote: Es wird niemand bestreiten, dass das ein Problem ist, aber so allgemein, wie Sie damit umgehen, hilft uns das auch nicht weiter. Moderne und komplizierte Gesellschaften ziehen das nach sich, und daran sind wir in der Tat allesamt beteiligt, dass der Staat sich für das eine und andere, vielleicht auch Überflüssige zuständig fühlt, aber dass auch gesellschaftliche Gruppen das von ihm verlangen. Dass man ein modernes Bildungswesen nicht machen kann, wenn es nicht einen Staat gibt, der ausreichend über Einkünfte verfügt, dass Wirtschaftsförderung, Logistik und eine moderne Infrastruktur nur dann funktionieren, wenn es einen Staat gibt, der dafür auch das Geld hat, das wissen Sie.

Also, die Wirtschaft selbst muss ein Interesse daran haben, dass es einen Staat gibt, der diesen Aufgaben auch nachkommen kann. Auch diesen Konflikt, Herr Senator Hattig, verschweigen Sie, indem Sie hier so global auf die hohe Staatsquote schimpfen, aber auch nicht sagen, an welchen Punkten sich der Staat denn eigentlich konkret zurückziehen soll. Mir sind die großen Initiativen aus der Wirtschaft, wenn es darum geht, aus Staatsmitteln ihre eigenen Bedingungen zu verbessern, nicht bekannt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aktuelle Stunde ist geschlossen.

Gesetz zur Änderung des Lehrerarbeitszeitaufteilungsgesetzes und des Bremischen Beamtengesetzes

Mitteilung des Senats vom 4. Februar 2003 (Drucksache 15/1364) 1. Lesung 2. Lesung

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Lemke.

Wir kommen zur ersten Lesung.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Hövelmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist bundesweit nicht mehr zu übersehen, das Pflichtstundenmodell aus dem neunzehnten Jahrhundert ist nicht geeignet, den Rahmen für zukunftsfähige Schulen zu bieten. In Deutschland wird die Arbeitszeit der Lehrkräfte seit eh und je über die Festlegung der erteilten Unterrichtsstunden von jeweils 45 Minuten bestimmt. Hierbei werden andere, ebenfalls notwendige Arbeiten der Lehrkräfte ausgeblendet.

(Vizepräsident D r. K u h n übernimmt den Vorsitz.)

Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Fortbildung, Schul- und Unterrichtsentwicklung, der Kontakt zu Schülern, Eltern und außerschulischen Kooperationspartnern werden zuweilen als zusätzliche Belastung empfunden. Das tradierte Pflichtstundenmodell lässt es kaum zu, zwischen einzelnen Schulstufen zu unterscheiden, von den unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Fächer ganz zu schweigen. Ich bin fest davon überzeugt, meine Damen und Herren, dass die, ich nenne das einmal so, 45-Minuten-Währung mit dafür verantwortlich ist, dass sich die Schul- und Unterrichtsentwicklung in Teamstrukturen nur zögerlich vollzieht. Das Lehrerbild heute ist oft noch von dem des einsamen Einzelkämpfers im Unterricht geprägt.

Meine Damen und Herren, der runde Tisch Bildung hat in seinen einstimmig verabschiedeten Empfehlungen dem Thema Neuregelung der Lehrerarbeitszeit einen ganz besonderen Stellenwert gegeben. Er regt an, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten, „Schaffung der räumlichen, organisatorischen und rechtlichen Voraussetzung für eine neue Arbeitszeitregelung für Lehrer.“ In Klammern: „Schulen, in denen die Lehrer ihre Arbeit in Teams organisieren und dafür ihren Hauptarbeitsplatz in der Schule haben, besitzen wesentlich günstigere Entwicklungschancen.“ Wohl gesprochen, deshalb haben auch alle zugestimmt beim runden Tisch!

Deshalb wird die Bremische Bürgerschaft heute die Rechtsgrundlagen für die Umsetzung der Emp––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

fehlungen des runden Tisches Bildung schaffen. Die SPD-Fraktion geht dabei davon aus, dass das im Dialog mit den Schulen und Verbänden unter Berücksichtigung eben dieser zitierten Empfehlung schrittweise geschieht und dass auch schrittweise neue Arbeitszeitmodelle entwickelt werden.

(Abg. S c h r a m m [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Arbeitsplätze auch!)

Arbeitsplätze sowieso, das wissen wir, danke schön, Herr Kollege Schramm, das wird sowieso passieren. Hierzu gehören auch Arbeitsplätze für Lehrer, die im Rahmen der zahlreichen Bau- und Sanierungsmaßnahmen mitgedacht werden sollen. Wir wissen aber von unseren Schulbesuchen, dass dies auch an einigen Standorten passiert, und ich bin ganz sicher, dass das auch weitergehen wird.

Ich komme zu einem anderen Punkt, den wir heute behandeln werden. Vor drei Jahren waren etwa 5400 Lehrkräfte, also Personen, an Bremens Schulen tätig. 40 Prozent davon waren angestellt. Angestellte Lehrer zahlen im Gegensatz zu ihren verbeamteten Kollegen in die Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherungskassen ein. Ergebnis: weniger Netto in der Kasse und in der Tasche. Das ist in der Tat eine komplizierte Situation. Wir erinnern uns alle an die Aktionen, die die Gewerkschaften im Interesse der angestellten Kolleginnen und Kollegen organisiert haben. Die GEW und der Senat haben verhandelt, um diese Ungerechtigkeit auszugleichen. Unser Altbürgermeister Hans Koschnick verdient Dank und Anerkennung dafür, dass er als Schlichter diesen komplizierten Prozess erfolgreich zu einem Ergebnis geführt hat.

(Beifall bei der SPD)

Die von ihm vorgeschlagene Lösung vollzieht die Bremische Bürgerschaft heute rechtlich nach. Ich habe übrigens Verständnis dafür, dass die GEW als Interessenvertreterin der Lehrkräfte hierbei in einer Art Zwickmühle war und ist, kann man sagen. Sie will natürlich gern die 9000 Euro für die angestellten Lehrkräfte als Zulage. Die Gegenfinanzierung jedoch lehnt die Gewerkschaft ab. Das Parlament kann es sich jedoch nicht so leicht machen. Deshalb werden wir der von Hans Koschnick vorgeschlagenen Schlichtung in ganzer Breite entsprechen. Dazu gehören eben auch neben der Erhöhung für die angestellten Lehrkräfte, finanzpolitisch notwendig, auf zwei Jahre befristete Unterrichtserhöhungen um eine Stunde für Lehrkräfte unter 50 Jahren ebenso übrigens wie die Änderung des Bremischen Beamtengesetzes. Wir werden heute beschließen, dass Lehrkräfte bis 45 und im Einzelfall bis zum fünfzigsten Lebensjahr verbeamtet werden können.

Also, ich wiederhole, meine Damen und Herren, wir folgen dem Schlichtungsspruch von Hans Kosch

nick. Damit lösen wir ein Problem, das, das gestatten Sie mir sicher, bei näherer Betrachtung eher ein Problem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist. Nun hoffe ich, dass im Interesse der Schülerinnen und Schüler von allen Verantwortlichen weiter intensiv an der Verbesserung der Qualität unserer Schulen gearbeitet wird. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Mützelburg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin dafür, dass wir uns mit dem befassen, was uns hier heute zur Beschlussfassung vorliegt, und nicht mit den schönen Worten, die Sie gesprochen haben, Frau Hövelmann.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir sollen hier heute über eine Änderung des Lehrerarbeitszeitaufteilungsgesetzes und über eine Änderung des Bremischen Beamtengesetzes sprechen. Lehrerarbeitszeitaufteilungsgesetz, das ist erstens ein schrecklicher Begriff, zweitens sagt er uns aber, dass die Arbeitszeit der Lehrer in offensichtlich unterschiedliche Teile zerfällt, meine Damen und Herren. Frau Hövelmann hat eingangs darauf hingewiesen.

Diese Erkenntnis ist nicht neu, sondern ziemlich alt, deshalb hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schon in der letzten Legislaturperiode beantragt, diese Lehrerarbeitszeit insgesamt zu berücksichtigen und nicht nur auf die Unterrichtsstunden Wert zu legen. Das ist in der letzten Legislaturperiode abgelehnt worden. Informelle Bemühungen der damaligen Bildungssenatorin, in dieser Frage mit der Gewerkschaft übereinzukommen, sind gescheitert, ich muss ehrlich sagen, weil damals die Lehrer auch noch so simpel gestrickt waren und gesagt haben, lieber eine oder zwei Stunden Unterrichtsverpflichtung mehr, als insgesamt über die Arbeitszeit zu reden. Das war dumm!

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Die Zeit war noch nicht reif!)

Das war dumm, fand ich! Bündnis 90/Die Grünen hat noch vor den Beratungen des runden Tisches Bildung im Mai letzten Jahres erneut einen Antrag gestellt, und dieser Antrag läuft darauf hinaus, erstens die Arbeitszeit insgesamt neu zu regeln, und tatsächlich war das Interesse dahinter, das auch Frau Hövelmann benannt hat, nämlich alle Tätigkeiten zu erfassen und unter Umständen auch zu differen––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.