Protokoll der Sitzung vom 14.05.2003

(Beifall bei der SPD)

Bei all diesen Forderungen muss der Grundsatz aber immer noch lauten: Die ärztliche Versorgung muss zu jeder Zeit und überall zur Verfügung stehen.

(Beifall bei der SPD)

Die Qualität der gesundheitlichen Versorgung muss auch vor Kostenüberlegungen stehen. Im Januar dieses Jahres hat das EU-Parlament ein Aktionsprogramm zur Gesundheit beschlossen. Bis zum Jahre 2008 sollen dabei Inhalte wie Prävention, chronische Krankheiten, Kostendämpfung, Patientenmobilität, Verbesserung der Transparenz, Abbau des Pflegenotstandes, Weiterbildung des Pflegepersonals sowie der Ausbau der Patientenrechte bearbeitet werden.

Das Thema Gesundheit soll mit anderen Politikfeldern wie Beschäftigung, Einkommenswahrung, Wohlfahrt, Wohnung und Bildung verknüpft werden. In diesem Zusammenhang sind wir in Bremen schon dabei, wenn ich die Präventionsprojekte an unseren Schulen sehe, oder auch gestern war wieder eine Veranstaltung zur bremischen Gesundheitswirtschaft im Krankenhaus Links der Weser. Ich glaube, das sind die Bereiche, in denen wir eben andere Politikfelder auch mit dem Thema Gesundheit verknüpfen.

Was uns allerdings in Zukunft fehlen wird für den Bereich Gesundheit, sind öffentliche Investitionen. Die Investitionsquote im Gesundheitsbereich muss im Lande Bremen noch deutlich erhöht werden,

(Beifall bei der SPD)

damit unsere Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen auch wettbewerbsfähig werden im europäischen Kontext.

Zum Thema Europa und Gesundheit wollte ich erwähnen, dass Bremen und Nordrhein-Westfalen im Juni 2002 einen Antrag zu Grundlinien der europäischen Gesundheitspolitik erarbeitet haben und dieser auch letztlich von der Gesundheitsministerkonferenz verabschiedet wurde. Also, hier spielen wir auch im Konzert der Gesundheitsminister eine Vorreiterrolle, wofür wir unserer Gesundheitssenatorin vor allem danken.

(Beifall bei der SPD)

Hier wird noch einmal deutlich, wie weit wir im Lande Bremen sind.

Was die Anfrage angeht, muss man sagen, durch die Kompetenzabgrenzung und die Subsidiarität wird

das Bremer Gesundheitswesen nur mittelbar von den Maßnahmen auf EU-Ebene betroffen. Aber die Leitlinien, die keinen Gesetzescharakter haben, wirken sich auch hier aus. Wenn man heute über ambulante Versorgung im Ausland liest, da trifft es natürlich auch unsere Krankenkassen. Allerdings gehen wir davon aus, dass die Krankenkassen weniger betroffen sein könnten. Wenn unsere Gesundheitseinrichtungen qualitativ, servicemäßig und im Dienstleistungsangebot an der Spitze stehen, dann kann man durchaus diese Wettbewerbsnachteile ausgleichen. Ich möchte hier nur ein Beispiel nennen, in der vergangenen Woche wurde das Krankenhaus Links der Weser mit dem KTQ-Zertifikat ausgezeichnet, das heißt, es ist eines der zwölf Krankenhäuser in der Bundesrepublik, die diese Bezeichnung tragen dürfen. Das, denke ich, sind die Dinge, die dazu führen, dass unser Gesundheitswesen vorankommen kann.

(Beifall bei der SPD)

Bezogen auf die Erlössteigerung für unsere Krankenhäuser möchte ich nur noch einmal erwähnen, dass auch unsere Krankenhäuser Kontakte zu Großbritannien, zu Norwegen und auch zu Dänemark haben, so dass man unter Umständen zusätzliche Erlöse über freie Kapazitäten noch erzielen kann.

Also, wie gesagt, für uns Sozialdemokraten hier im Lande Bremen ist Gesundheit ein integraler Bestandteil der EU-Politik, denn Gesundheit ist ein Fundament für alle weiteren Arbeitsfelder in der Europäischen Union und auch hier im Lande Bremen. Wir als Fraktion begrüßen deshalb die Aktivitäten, die in dieser Mitteilung des Senats benannt wurden, und wir meinen, wir können durch diese Aktivitäten einen Prozess beginnen, mit dem wir den Wettbewerb auch im europäischen Kontext bestehen können. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Haker.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die große Koalition hat zu dem Thema „Europäische Dimension der Gesundheitspolitik, Chancen und Risiken für Bremen“ eine Große Anfrage an den Senat gerichtet. Zu der Antwort des Senats möchte ich aus Sicht der CDU nun einige Ausführungen machen.

Das Gesundheitswesen in den Ländern der Europäischen Union ist nicht nur ein Wirtschafts- und Standortfaktor, sondern auch ein erheblicher Faktor, der in hohem Maße zum sozialen Frieden und zur Gesundheit beiträgt. Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Gesundheitsversorgung sind ohne Transparenz des Leistungsgeschehens nicht möglich. Diese Transparenz muss auf zwei Säulen stehen. Mün

dige Patienten und ihre selbstbestimmte Teilhabe an der Gesundheitsversorgung sind nicht denkbar ohne transparente Informationen über Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen. Insbesondere die Qualität der gesundheitlichen Versorgung ist so zu gestalten, dass alle EU-Bürger die gleiche gute Versorgung erhalten, um so auch eine Vergleichbarkeit zu erreichen.

Zukünftig muss aus Sicht der CDU entsprechend bei der Festlegung und Durchführung aller Gesundheitsmaßnahmen ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt werden, bei dem der Grundsatz der Subsidiarität gewahrt werden muss.

(Beifall bei der CDU)

Bei der eingeforderten aktiven Rolle der Gestaltung der europäischen Gesundheitspolitik seitens der Gesundheitsministerkonferenz muss das Land Bremen Initiativen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, der Gesundheitsberichterstattung und der Entwicklung von Projekten zum grenzüberschreitenden Vergleich der Gesundheitssysteme entwickeln. Weiterhin unterstützt die CDU die Einbeziehung des Arbeitskreises Gesundheitspolitik der Brüsseler Vertretungen der Länder unter bremischer Leitung und unter Einbindung der Gesundheitsministerkonferenz.

Bei der Definition von Kriterien und Standards im Gesundheitswesen bietet die Methode der offenen Koordinierung den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, sich im Rahmen des Informations- und Erfahrungsaustausches auf gemeinsame Ziele zu verständigen. Dieser offenen Methode der Koordinierung kommt nach Meinung der CDU sowohl im europäischen als auch im nationalen Kontext eine große politische Bedeutung zu. Insofern ist große Sorgfalt bei der Definition von Zielen, der Festlegung von Indikatoren, der Erstellung des Vergleichs sowie bei der Analyse der Ergebnisse anzuwenden.

Die Länder müssen zukünftig stärker unmittelbar an der Gestaltung der Gesundheitspolitik in Europa durch eigene Aktivitäten mitwirken. Für das Land Bremen ist aus Sicht der CDU der Gesundheitsbereich ein Zukunftsmarkt mit vielen Chancen und Möglichkeiten.

(Beifall bei der CDU)

Für die CDU stehen daher folgende Ziele im Mittelpunkt: mehr Gesundheit und höhere Lebensqualität für die Menschen, höhere Wirtschaftskraft für den Standort Bremen, mehr qualifizierte Arbeitsplätze für Bremen und Bremerhaven sowie verstärkter Absatz für bremische Produkte und Dienstleistungen.

(Beifall bei der CDU)

Für das Land Bremen und die hiesigen stationären Einrichtungen ist es ein vorrangiges Ziel, War

telistepatienten anderer EU- oder EFTA-Länder für die Behandlung vor Ort zu gewinnen, um unsere Einrichtungen auszulasten und den hohen Stand der Leistungserbringer im Gesundheitswesen in unserem Land europaweit bekannt zu machen. Dadurch können hier Arbeitsplätze gesichert werden.

Der Bundesrat hat erhebliche Bedenken gegen den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments über die Anerkennung von Berufsqualifikationen angemeldet, dem sich das Land Bremen angeschlossen hat. Die EU-Kommission bereitet zurzeit eine neue Richtlinie vor, in der eine Abkehr von einer abgestimmten und einfachen gegenseitigen Anerkennung von Abschlüssen innerhalb der sektoralen Richtlinien vorgesehen ist.

Die grenzüberschreitende Mobilität von Angehörigen der Gesundheitsberufe hat nach Ansicht der CDU in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Diese Wahrnehmung des Rechts auf Freizügigkeit ist möglich durch eine weitgehende Harmonisierung der Anerkennung von Aus- und Weiterbildungsabschlüssen vor allem durch sektorale Linien, die auch von meiner Fraktion unterstützt werden.

(Beifall bei der CDU)

Bei der wirksamen Bekämpfung von Gesundheitsgefahren sind ein Auf- und Ausbau von Systemen für den Daten- und Erfahrungsaustausch nach Meinung der CDU unerlässlich. Die Gemeinschaft hat ein Netz für epidemieologische Überwachung und die Kontrolle übertragbarer Krankheiten eingerichtet, das auf einer engen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten beruht und gleichzeitig auf eine verstärkte Koordinierung im Bereich der schweren und übertragbaren Erkrankungen abzielt. Das SARS-Virus ist ein Beispiel dafür, wie wichtig diese Koordinierung in Zukunft sein wird.

Bei einer stärkeren Abstimmung über die Gesundheitspolitik in der EU muss der Grundsatz der Subsidiarität auch bei den weiteren Entwicklungen in diesem Bereich hohe Priorität haben. Die historisch gewachsenen Systeme der Gesundheitsversorgung müssen hinsichtlich Organisation und Finanzierung auch künftig in der Kompetenz der Mitgliederstaaten verbleiben. Wegen der alleinigen Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten für die Gesundheitssysteme ergeben sich aus Sicht der CDU keine Auswirkungen auf das bremische Gesundheitswesen.

Das Land Bremen ist aus Sicht der CDU ein starker Wissenschaftsstandort in den Bereichen Medizininformatik und Medizintechnik, Pflegewissenschaften, Public Health und Lebensmitteltechnologie. Das Senatsprojekt „Förderung der Gesundheitswirtschaft“ bietet Unterstützung in diesem Bereich. Bremerhaven steht im Bereich Gesundheitswirtschaft für die Themen gesundheitsfördernde Ernährung und marine Technologie.

Im Rahmen der zunehmenden grenzüberschreitenden Versorgung sieht die CDU-Fraktion kaum Wirkungen auf die hiesigen Kassen. Erfahrungen belegen dies mit den vorhandenen Kooperationen wie zum Beispiel mit Polen, den Niederlanden und Großbritannien. Von den Gesundheitsdienstleistern und Krankenhäusern sind in den letzten Jahren aus Sicht der CDU positive Aktivitäten entwickelt worden, um Patienten aus den EU-Mitgliedsstaaten und dem sonstigen Ausland zur Behandlung nach Bremen zu holen, ich habe eingangs schon darauf hingewiesen. So wurden Patienten unter anderem aus folgenden Staaten in den Krankenhäusern behandelt: Polen, Türkei, Niederlande, Russland, Großbritannien, Österreich, Frankreich, Spanien und Norwegen. Des Weiteren gibt es Patienten unter anderem aus Bahrain, Kuwait, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Ägypten, die aufgrund von Verträgen beziehungsweise der damit verbundenen Vermittlungsstruktur als Selbstzahler vorwiegend durch niedergelassene Ärzte und Krankenhausärzte behandelt wurden.

Für die europäische Gesundheitspolitik ist nicht nur die Haltung der Regierungen von Bedeutung, wichtig ist auch, dass die Beteiligten, also die Leistungserbringer und die Kostenträger, aber nach Meinung der CDU auch die Patienten, Europa positiv annehmen und ihre Erwartungen an die Inhalte europäischer Gesundheitspolitik definieren. Gerade ein so kleines Bundesland wie Bremen wird die Vorteile der übersichtlichen und kleinräumigen Strukturen in Zukunft eher nutzen und in den Vordergrund stellen müssen, wenn es im Wettbewerb mit vielen anderen modernen und starken Regionen in Deutschland und Europa bestehen will. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Hoch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gesundheitspolitik in Europa hat in den letzten Jahren einen deutlich höheren Stellenwert auch in der öffentlichen Wahrnehmung erreicht. Deshalb ist es umso wichtiger, Chancen und Risiken einer europäischen Gesundheitspolitik auch deutlich zu machen. Die Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern muss verstärkt werden. Dazu gehört eine umfassende Informationspolitik.

Meine Damen und Herren, die Länder müssen im Gestaltungsprozess der europäischen Gesundheitspolitik eine aktive Rolle übernehmen. Ziel der europäischen Gesundheitspolitik ist nicht, eine Harmonisierung der Systeme zu erreichen, darauf wurde auch schon hingewiesen, die Zuständigkeit soll eben ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

aufgrund der gewachsenen Strukturen in den Mitgliedsstaaten verbleiben. Das wird nämlich immer fälschlicherweise durcheinander geworfen, und das, denke ich, ist der Sache nicht dienlich. Das Ermöglichen der Vergleichbarkeit der verschiedenen europäischen Gesundheitssysteme eröffnet aber Chancen für gegenseitiges Lernen und Chancen für das Herauskristallisieren der besten Lösungen anhand von Best-Practice-Modellen. Dafür kann die Methode der offenen Koordinierung einen guten Beitrag leisten.

Für uns ist es jedoch wichtig, dass bei diesem Prozess die Länder und Regionen aktiv mitbestimmen und mitbegleiten. Dabei sind auch, und das unterstreiche ich besonders, die Beteiligten im Gesundheitswesen einzubeziehen. Natürlich ist es dann auch wichtig, sich gemeinsame Ziele zu setzen und sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen, zum Beispiel ein gemeinsames Vorgehen beim vorsorgenden Gesundheitsschutz und bei der Seuchenbekämpfung, denn diese Aufgaben, meine Damen und Herren, lassen sich nur auf europäischer Ebene lösen.

Denken wir zum Beispiel zurück an das Verbot für Antibiotika als Wachstumsförderer im Tierfutter! Heute Morgen haben wir über die Resistenzen geredet, das war auch ein Grund dafür, oder das gemeinsame Vorgehen bei der BSE-Krise, jetzt wieder akut bei der Geflügelpest. Ohne Frühwarnsysteme und ohne gemeinsame Absprachen sind solche Problembereiche nicht mehr in den Griff zu bekommen.

Nehmen wir zum Beispiel die Nachrichten über die hohe Acrylamidkonzentration in Lebensmitteln! Es ist noch nicht lange her, dass die Schlagzeilen die Verbraucherinnen und Verbraucher stark verunsicherten. Noch ist nicht erwiesen, ob dieser chemische Stoff, der besonders in stärkehaltigen Lebensmitteln bei extremen Temperaturen wie beim Frittieren, Backen oder Braten entsteht, beim Menschen Krebs verursacht. In Tierversuchen wurde jedoch ein Zusammenhang zwischen Acrylamid und bestimmten Arten von Krebs hergestellt. Nun besteht dringender Forschungsbedarf.

Um den Austausch unter Wissenschaftlern zu erleichtern, hat die EU-Kommission in enger Zusammenarbeit mit der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit eine Datenbank erstellt zur Erforschung von Acrylamid in Lebensmitteln. Ich denke, das ist ein guter Ansatz für gemeinsames Handeln. Auch die Verbesserung der Qualität der medizinischen Leistungen ist ein wichtiger Baustein in der europäischen Gesundheitspolitik.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, auf die EU-Richtlinien zur qualitätsgesicherten Mammographie hinweisen! Auch dieses Thema hat uns in den letzten Jahren mehrmals hier in der Bürgerschaft beschäftigt, aber durch die Auseinandersetzung mit diesen Leitlinien wurde vielen Frauen erst deutlich, dass es in Deutschland viele Personen gibt, die diese Leitlinien nicht erfüllen. Ich denke hier besonders

an Frauen, die auch in Zukunft darauf achten, dass die gesamte Behandlung von Brustkrebs nach den EURichtlinien erfolgt, nicht nur bei der Diagnose, sondern in der gesamten Behandlungskette.

In Zukunft wird die grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen weiter zunehmen, wie heute auch im „Weser-Kurier“ steht. Schon deshalb ist es erforderlich, die jeweils erbrachte Qualität der Leistung in den verschiedenen Gesundheitssystemen stärker als bisher transparent zu machen. Es müssen auch Maßnahmen und Vereinbarungen zwischen den Mitgliedsstaaten und Regionen zur grenzüberschreitenden Qualitätssicherung und zur Entwicklung von europäischen Qualitätssicherungsprogrammen beitragen. Bei dieser Diskussion muss aber auch gegenseitige Anerkennung von Berufsabschlüssen einbezogen werden. Auch die Beitrittsländer sollten so bald wie möglich in EUProgramme einbezogen werden, weil die Mittel zur Weiterentwicklung grenzüberschreitender Zusammenarbeit dann auch ihnen zur Verfügung stehen.