Protokoll der Sitzung vom 29.01.2004

Letzter Satz, Herr Präsident! Wir glauben, dass Sie mit dieser Anfrage wenig für den sozialpolitischen Diskurs in Bremen tun. Die CDU verfolgt meiner Meinung nach das Ziel, über Abschreckung die Sozialhilfeempfängerzahlen zu senken. In Wirklichkeit ist es aber so, dass wir in Bremen sehr viele Menschen haben, die Leistungen, die ihnen zustehen, nicht in Anspruch nehmen. Wir sollten ein gemeinsames Interesse daran haben, dass Menschen Leistungen in Anspruch nehmen. Dieser Diskurs hier fördert all diejenigen, die gern Sozialhilfeempfänger dafür verantwortlich machen wollen, dass sie in dieser Lage sind. Für das Politikverständnis der Grünen zählt immer noch, dass wir uns weniger an Einzelnen und schon gar nicht Schwächeren vergreifen und lieber über Strukturen reden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erhält der Abgeordnete Karl Uwe Oppermann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Pietrzok, über den Datenabgleich werden wir uns in der nächsten oder übernächsten Sitzung der Deputation mit einer Vorlage noch einmal austauschen. Ich habe mir in der Zwischenzeit in „Wirtschaftliche Hilfen“ einmal die Handreichung für diesen Datenabgleich angesehen. Ich glaube schon, dass das für die Mitarbeiter in den Sozialzentren einer sehr großen Anstrengung bedarf, das genau befolgen zu können. Das ist auch so ein bisschen meine Kritik, dass es in einigen Sozialzentren schneller geht und in anderen länger dauert.

Wenn wir uns aber schon über die Personalausstattung in den Sozialzentren unterhalten, dann müssen wir das sicherlich auch demnächst im Zusammenhang mit Hartz machen. Wir sollten vielleicht auch einmal offensiver angehen, ob wir die Hausbesuche nicht aus den Sozialzentren und von den

Sachbearbeitern mit einer extra Einheit herauslösen, ich nenne das jetzt auch einmal Hausbesuche, um die Fallmanager von den Arbeiten dort zu befreien, damit sie sich um die Auswegberatung kümmern können. Ich biete das gern an, wir haben darüber auch schon einmal gesprochen.

Frau Linnert, bei Ihrem Beitrag hatte ich über weite Strecken das Gefühl, wir sind jetzt hier auf einer völligen Harmonieveranstaltung. Zum Glück ist das dann aber hinterher wieder etwas anders geworden, Sie haben die Teile gebracht, die Herr Pietrzok und ich sicher auch erwartet haben.

Hilfe zur Selbsthilfe gibt es in Bremen, die bieten wir an. Sie wissen doch selbst, wie viele Beratungen wir finanzieren, wie viele Beratungsstellen es für Sozialhilfeempfänger gibt. Die Broschüren kennen Sie auch alle. Aber wissen Sie, ich werde gleich, weil wir das noch gar nicht angesprochen haben, zu Hartz III und IV kommen! Wer Hartz III und IV mitbeschlossen hat, und das hat Ihre Partei auf Bundesebene, der kann sich hier nicht hinstellen und sagen, das, was jetzt läuft, ist alles schlimm und grausam, denn das wird grausamer.

(Beifall bei der CDU)

Nun gibt es einen Reklamespruch, der heißt: Die Zukunft wird blau! Ich sage aber einmal, die Zukunft wird Hartz heißen. Davon sind auch wir hier betroffen, insbesondere die Empfänger von Sozialhilfe, und wir müssen beginnen, uns damit auch zeitnah in Deputationen auseinander zu setzen. Das Gesetz Hartz III ist das dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen und umfasst eine Vielzahl von unterschiedlichen Änderungen im Bereich der Beitragsund Leistungsrechte, der Arbeitslosenversicherung sowie der Umgestaltung einzelner arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen. Für mich die gravierendste Änderung ist die, dass das Arbeitslosengeld I ab 1. Januar 2006 deutlich schlechtere Laufzeiten hat. Das wird sicherlich auch Auswirkungen auf unsere Sozialpolitik haben müssen.

Sozialpolitisch von viel größerem Tiefgang ist das Gesetz Hartz IV, das den Bezug von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld für erwerbsfähige Hilfeempfänger und deren Familien – man muss sich in diesem Zusammenhang an eine ganz neue Terminologie gewöhnen, weil es neue Wortschöpfungen gibt, Angehörige von Erwerbsfähigen und so weiter, die in der Vergangenheit noch nicht so gebräuchlich waren – in einem SGB II neu und einheitlich regelt. Dieses Gesetz soll am 1. Januar 2005 in Kraft treten. Nun mögen Sie sagen, das ist noch lange hin, aber Teile davon, die den Organisationsaufbau betreffen, sind schon am 1. Januar 2004 in Kraft getreten. Viel Zeit bleibt uns also nicht, uns vorzubereiten, denn dann wird unterschieden zwischen Personen, die arbeitsfähig sind, die drei oder mehr Stunden am Tag arbeiten können, und Personen, die weniger als drei

Stunden arbeiten können und aus den unterschiedlichsten Gründen weniger als drei Stunden am Tag arbeitsfähig sind.

Dieses Hartz IV wird deshalb so viele Einflüsse auf uns haben, weil es im Wesentlichen die passive Geldleistung für Erwerbsfähige regelt, das so genannte Arbeitslosengeld II, die passive Geldleistung für deren Familienangehörige, das heißt dann Sozialgeld. Es regelt die Eingliederungsleistungen, die psychosozialen Dienste, zum Beispiel Suchtberatung, Schuldnerberatung, Drogenberatung, Kindergeldzuschlag und einige andere Dinge.

Dieses Gesetz räumt den Kommunen drei mögliche Varianten ein, wie sie mit diesem Gesetz umgehen. Die Variante eins, der Regelfall: Die Bundesanstalt ist Träger der Leistung. Die Variante zwei: Die Kommunen werden Träger dieser Leistung. Die Variante drei: Kommunen und Bundesanstalt bilden unter Leitung der Bundesagentur für Arbeit gemeinsam eine Arbeitsgemeinschaft. Bis zum 31. August 2004 muss hier eine Entscheidung fallen, wofür sich die Kommunen Bremerhaven und Bremen entscheiden. Das ist nicht mehr allzu lange. Wir wissen, wie lange manche Überlegungen dauern.

Wir müssen hier ganz spitz rechnen, welche Entscheidung die Kommunen Bremerhaven und Bremen am meisten entlastet. Was können die Kommunen schultern? Eine Antwort darauf gibt es zurzeit noch nicht. Wir haben danach in der Großen Anfrage gefragt, und es ist nur natürlich, dass der Senat darauf nicht im Wesentlichen eingehen konnte, weil die Beantwortung dieser Anfrage zeitgleich verlief mit den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss, so dass wir auch damit gerechnet haben, dass Sie sagen, was wir von Hartz III und IV eigentlich erwarten, aber noch keine schlüssigen Antworten, wie wir damit umgehen werden.

Für Bezieher von Arbeitslosengeld II wird es für den Familienvorstand einen Pauschbetrag von 345 Euro im Monat geben. Zurzeit gibt es als Hilfe zum Lebensunterhalt 296 Euro. Die Veränderung aber, die dann kommt, ist, dass alle einmaligen Leistungen wegfallen. Man geht also einen neuen Weg. Man pauschaliert alles das, was sonst in der Sozialhilfe, sage ich einmal so umfassend, mit einmaligen Leistungen beantragt werden kann. Mein Vorschlag, Pauschalierungen bei einmaligen Leistungen in der Hilfe zum Lebensunterhalt vorzunehmen, ist mindestens sechs Jahre alt. In der Vergangenheit hat es dafür im Senat keine Mehrheit gegeben. Bei Hartz führen wir es jetzt ein. Vielleicht besteht hier ja irgendwann, in einigen Jahren, wenn das gut läuft, die Möglichkeit zu weiteren Pauschalierungen. Ich sage jetzt Restsozialhilfe, weil Sozialhilfe nicht mehr so einen großen Umfang einnehmen wird. Ich meine Rest nicht abwertend, sondern das ist einfach nur das, was übrig bleibt.

Wenn die Sachbearbeiter mit diesen Bearbeitungen, wo es um Töpfe und Pfannen geht, und dann

auch noch ein Widerspruchsausschuss beschäftigt werden, der sich mit zehn Menschen zusammensetzt, hoch qualifizierte Sachbearbeiter darüber entscheiden müssen und das Porto manchmal teurer ist als das, was beantragt worden ist, dann ist das unnötig, und diese Sachbearbeiter hätten diese Zeit viel besser in der Auswegberatung für ihre Klientel einzubringen, damit diese, was Frau Linnert ja eingefordert hat, nicht nur fördern und fordern, sondern auch das Fördern stärker unterstreichen, meine Damen und Herren.

Beim Arbeitslosengeld II, und das ist für mich eine große Schwierigkeit, sind die Zumutbarkeiten und Anrechnungskriterien deutlich festgelegt und genauso die Sanktionen in 30-Prozent-Schritten. Wenn wir die Hilfe zum Lebensunterhalt androhen zu kürzen, machen wir 25-Prozent-Schritte. Beim Arbeitslosengeld II wird von vornherein von 30-ProzentSchritten geredet, und es schließt nicht aus, dass die Sanktionen auch die Kosten für die Unterkunft treffen, Frau Linnert, und das finde ich ganz schlimm! Wenn wir bei der Hilfe zum Lebensunterhalt kürzen, treffen wir in keinem Fall die Unterkunftskosten. Die Wohnung ist immer noch gesichert.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Ihre Fraktion hat dem zugestimmt wie wir auch!)

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Sage ich doch!)

Beim Arbeitslosengeld II besteht die Gefahr, dass Verwaltungshandeln Obdachlosigkeit produziert, und wir müssen darauf achten, dass so etwas nicht passieren kann.

(Beifall bei der CDU und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die Einführung des Arbeitslosengelds II wird uns in der Sozialpolitik vor große Aufgaben stellen, meine Damen und Herren. Ich habe Angst, dass es zwei Züge geben wird. Auf dem einen Zug steht als Richtungsschild Hartz IV, SGB II, der fährt in Richtung Beschäftigung, möglicherweise über einige Stationen Qualifizierung. An dem anderen Zug steht Sozialhilfe für nicht erwerbsfähige Leistungsbezieher, dieser Ausdruck ist schon ein schreckliches Wort. Dieser Zug darf nicht in einem Kopfbahnhof, früher nannte man das Sackbahnhof, landen, dieser Kopfbahnhof heißt Kommune, ohne dass man sich um die Insassen kümmert. Wir können auch diese Menschen nicht ihr Leben lang alimentieren, sondern müssen uns um sie kümmern.

Ich sagte vorhin schon einmal, es ist im höchsten Maße unchristlich, Menschen nicht am Leben in der

Gemeinschaft teilhaben zu lassen und sie nur zu alimentieren. Wir dürfen diesen Zug nicht vor dem Puffer im Bahnhof stehen lassen. Wir müssen auch hier sozialpolitisch aktiv werden, um auch diese Personen zu befähigen, ihr Leben aktiv selbst zu gestalten.

(Beifall bei der CDU)

Das wird eine Aufgabe für uns sein. Je eher wir uns dieser Aufgabe annehmen, desto besser sind wir auch vorbereitet, diese Umsetzung in den beiden Kommunen Bremerhaven und Bremen durchzuführen. – Danke schön!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Frau Senatorin Röpke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon mehrfach gesagt worden, Sozialhilfe hat die Aufgabe, Menschen zu helfen, aber sie hat auch gleichzeitig die Aufgabe, Menschen von der Hilfe unabhängig zu machen. Frau Linnert hat es völlig zu Recht gesagt, diese Systeme, nicht nur das System der sozialen Leistungen, sondern auch die gesamten sozialen Sicherungssysteme sind nicht für die Rahmenbedingungen gemacht worden, mit denen wir heute zu tun haben, nicht für die Rahmenbedingungen der Globalisierung, nicht für die Rahmenbedingungen der demographischen Entwicklung und schon gar nicht für die Rahmenbedingungen einer lang anhaltenden strukturellen Massenarbeitslosigkeit. Da ist einiges aus den Fugen geraten, und Sie kennen alle die Diskussion, die wir jeden Tag in den Medien nachlesen können, über den Reformprozess, mit dem wir uns unter ganz schwierigen Bedingungen, aber dennoch notwendig befassen, auch im Diskurs und auch nicht immer einer Meinung. Zumindest teilen aber alle die Auffassung, dass eine Reform der sozialen Sicherungssysteme unabdingbar ist.

Wir haben diese Große Anfrage, das ist gesagt worden, vor dem Hintergrund, dass die Ausgabenentwicklung der sozialen Leistungen in Bremen und Bremerhaven dem damaligen Kontrakt, der geschlossen worden ist, nicht mehr entspricht. Das betrifft eben auch den Hintergrund, dass die positiven Annahmen, Konjunkturentwicklung, Reduzierung der Arbeitslosigkeit, eben leider nicht eingetroffen sind. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir in Bremen und Bremerhaven nur ganz geringe Spielräume haben, die Ausgabenentwicklung überhaupt zu beeinflussen. Das sind Bundesvorgaben, das sind Rechtsansprüche von Menschen auf Hilfen, die ihnen zustehen und die wir zahlen müssen, selbst dann, wenn es uns als Kommunen finanziell schlecht geht. Wir haben allerdings einige Spielräume, die sich aber nicht in erster Linie monetär auswirken.

Das sind Spielräume, wie wir die Instrumente gestalten, um den Menschen zu helfen, um ihnen Perspektiven zu geben, aus der Sozialhilfe herauszukommen.

Wenn wir in die Zukunft blicken, macht mir in der Tat die demographische Entwicklung große Sorge. Wir werden mit einer wachsenden Gruppe von alten Menschen zu tun haben, die auf Pflege angewiesen sind, und da sind unsere Sicherungssysteme, unsere finanziellen Grundlagen mit Sicherheit nicht ausreichend. Das wissen wir heute. Darunter leiden alle Kommunen. Das ist auch ein Thema auf den Ministerkonferenzen. Die Lösung, das muss man auch ganz deutlich sagen, ist bundesweit noch nicht in Sicht. Ferner haben wir das Problem der Erziehungshilfen, auch kein typisch bremisches oder Bremerhavener Problem. Die sozialen Lagen vieler Familien geraten aus den Fugen, und sie brauchen Hilfe bei der Erziehung von Kindern, auch das kostet Geld.

Gleichwohl bemühen wir uns, gemeinsam mit der Deputation gegenzusteuern. Das hat gerade in den letzten Jahren im Bereich der Stadt Bremen, was die Nettoausgabenentwicklung im Bundesvergleich betrifft, zu monetären Erfolgen geführt, in Bremerhaven leider nicht. Die Fallzahl, das ist ja auch immer wieder eine Messgröße, ist im Land Bremen, ich denke auch im Bundesvergleich, nicht dramatisch hoch, selbst wenn wir immer noch an der Spitze der Sozialhilfedichte stehen.

Wir haben große Anstrengungen unternommen, Menschen aus der Sozialhilfe herauszuholen, die Fallzahlen zu minimieren. Wir haben Kooperationen mit dem Arbeitsamt geschaffen, jetzt heißt es ja Agentur für Arbeit. Ich muss die neue Sprache auch erst noch lernen, Herr Oppermann. Wir haben insbesondere einen Schwerpunkt auf junge Menschen gelegt. Wir haben quasi schon im Vorgriff auf Hartz IV Jobcenter mit Fallmanagement in der Stadt Bremen eingerichtet.

Sie haben es zu Recht beschrieben, es gibt viele Erfolge in diesen Jobcentern, wo jungen Menschen ein Arbeits- oder Ausbildungsplatz vermittelt werden konnte, aber leider eben auch die Erkenntnis, dass sich viele junge Menschen, warum auch immer, der Hilfe auch entziehen, die Unterstützung nicht wollen, den Arbeitsplatz nicht annehmen wollen und einfach aus dem System verschwinden. Wir wissen auch nicht, wo sie bleiben, ob sie sozusagen von ihrer Familie miternährt werden, ob sie aus der Stadt gezogen sind oder ob sie irgendwann einmal wieder im Hilfesystem auftauchen. Es ist natürlich klar, dass sie weiterhin Anspruch auf Hilfe haben. Das sind vor allem junge Menschen, die keinen Schulabschluss haben, und das macht es noch einmal deutlich, wie wichtig es ist, dass wir Bildung von Anfang an als Priorität in der Politik in Bremen und Bremerhaven weiter an die erste Stelle setzen.

Wir haben mit unseren enormen Anstrengungen in der Stadt Bremen trotz steigender Arbeitslosigkeit in den vergangenen Jahren die Fallzahl senken können. Sie ist von 48 800 Hilfeempfängern im Jahr 2000 auf 47 000 im Jahr 2003 zurückgegangen, trotz der enormen Arbeitslosigkeit. Wir haben die Sozialhilfequote im Land Bremen senken können von 102 im Jahr 1998 auf 89 im Jahr 2002. Ich halte das für einen Erfolg, wenn man das an der Tatsache misst, dass eben viele Menschen aus der Sozialhilfe herausgeholt werden konnten. Die Zahl 65 von Mummert und Partner, die hier genannt worden ist, zeigt deutlich, dass wir davon sehr weit entfernt sind. Ich habe dieses Gutachten damals noch nicht mitverfolgt, aber es scheint mir doch eine wirklich sehr optimistische Annahme zu sein, die wir trotz großer Anstrengungen perspektivisch nicht erreichen werden.

(Abg. Karl Uwe O p p e r m a n n [CDU]: Sie sprechen aber auch von 85, und bei 90 sind wir ja schon! – Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Die Zahlen sind trotzdem falsch!)

Genau! Wir haben also schon einiges erreicht. Die 85 sind jedenfalls schon in greifbare Nähe gerückt.

Es wird auch immer wieder beklagt, dass wir im Land Bremen einen so hohen Pro-Kopf-Betrag je Sozialhilfeempfänger aufwenden. Das muss man auch noch einmal richtig stellen. Wir haben in Bremen laut Bundesstatistik 601 Euro jährlich pro Kopf der Bevölkerung für Sozialleistungen aufgewandt, und Sozialleistungen heißt eben nicht nur Sozialhilfe, sondern das heißt auch Eingliederungshilfe für Behinderte und Hilfe zur Pflege. Bei einer der höchsten Sozialhilfedichten in Deutschland sind vergleichsweise hohe Ausgaben pro Kopf der Bevölkerung die logische Folge, selbst wenn pro Sozialhilfeempfänger nicht überdurchschnittlich viel ausgegeben wird, und das können wir für Bremen und Bremerhaven in Anspruch nehmen. Wenn wir nur die Hilfe zum Lebensunterhalt nehmen, dann stellen wir für Bremen im Vergleich der Großstädte fest, dass wir im Mittelfeld liegen, und Bremerhaven liegt gar an vorletzter Stelle im Vergleich der Mittelstädte, nur Oberhausen zahlt noch weniger. Also auch da ist das, was man oft in den Medien lesen kann, überhaupt nicht gerechtfertigt.

Auch der Vergleich mit Durchschnitten von Flächenstaaten ist nicht gerechtfertigt. Wir sind ein Stadtstaat, und deshalb ist es richtig, dass wir uns mit vergleichbaren Städten, die vergleichbare Rahmenbedingungen für ihre Bevölkerung haben, vergleichen. Stadtstaaten und größere Städte haben eine höhere Sozialhilfedichte. Das liegt unter anderem daran, dass Menschen, die Hilfe brauchen, die nicht mehr allein zurechtkommen, in die Städte ziehen, weil sie dort weniger auffallen, weil sie nicht stigmatisiert werden und in der Anonymität ver

schwinden können. Außerdem haben sie größere Hoffnung darauf, dass sie bessere Beschäftigungsmöglichkeiten und eher einen Job finden als vielleicht im ländlichen Bereich. Das ist eine starke Anziehungskraft der großen Städte, und wir haben natürlich in der Stadt viel höhere Ausgaben, insbesondere was Kosten von Miete betrifft, als in ländlichen Regionen. Auch deshalb lässt es sich nicht vergleichen.

Es geht aber ja nicht nur um die Kosten, sondern es geht auch um die Qualität von Beratung und Betreuung. Es ist klar, dass alle Anstrengungen, die wir machen, den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Das ist insbesondere, denke ich, auch durch die neue Struktur der Sozialzentren gelungen, selbst wenn es da viel Kritik gegeben hat und gibt, die zum Teil berechtigt ist. Das sehe ich auch, weil wir mit schweren Rahmenbedingungen kämpfen. Das Personal reicht oft nicht aus, um sofort die berechtigten Ansprüche, die die Menschen haben, befriedigen zu können. Wir haben eine hohe Fluktuation. Es kommen dann Urlaub und Krankenstand hinzu. Deswegen habe ich eine hohe Anerkennung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vor Ort in den Sozialzentren ihre Arbeit machen, einen ganz harten Job haben und sich einsetzen, um Menschen zu helfen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Frau Linnert, wir haben, wenn Sie noch einmal nachschauen, in der Großen Anfrage im März letzten Jahres ausführlich über die Arbeit der Sozialzentren berichtet. Dort kann man das noch einmal im Detail nachlesen, inwieweit die Kontrakte erfolgreich waren oder auch nicht. Die Schwierigkeiten haben wir gerade beschrieben, aber ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es eine richtige Entscheidung war, diese Sozialzentren mit den umfangreichen Beratungs- und Hilfeangeboten vor Ort in den sozialen Lebensräumen der Menschen einzurichten.

Es hat sich viel entwickelt in den Stadtteilen, wo die Sozialzentren Teil der Vernetzung von Stadtteilarbeit sind oder auch selbst gute Projekte initiieren und auf den Weg bringen. Was sich hervorragend bewährt hat und worauf auch Hartz als einem zentralen Baustein aufbaut, das ist das Fallmanagement, das heißt die Aufgabe, die sich die Sachbearbeiter stellen, mit den Menschen, die Hilfe brauchen, ihre Stärken herauszuarbeiten und gezielte Perspektiven mit ihnen zu entwickeln, eine gezielte Angebotspalette, damit sie eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Wir haben mittlerweile eine gute Zusammenarbeit zwischen Sozialzentren, Arbeitsamt und Bremer Arbeit GmbH sowie der Bremerhavener Arbeit GmbH mit den Sozialämtern in Bremerhaven.

Die Sozialzentren sind auf ihrem Weg in die neue Struktur, was an sich schon eine große Herausforderung ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

unterwegs dann wieder eingeholt worden von neuen Herausforderungen. Grundsicherung ist eine ganz neue Bundesaufgabe, die sozusagen mitten hinein gekommen ist, die auch noch zusätzlich bewältigt werden musste. Jetzt stehen wir wieder vor einer neuen Aufgabe, einer enormen Aufgabe, Herr Oppermann hat das ja schon sehr detailliert beschrieben, was da auf uns zukommt mit Hartz III und IV, also einer fast historischen Aufgabe, mit der die riesigen beiden Systeme Arbeitslosensystem und Sozialhilfesystem zu einem zusammengefasst werden für die Menschen, die erwerbsfähig sind, mit dem richtigen Ziel, diesen Menschen Hilfen aus einer Hand zu geben und diesen Menschen die gleichen Angebote zu machen und nicht wie bisher in unterschiedlichen Systemen zu beraten und zu betreuen.

Ich habe die gleiche Befürchtung, Herr Oppermann, wie Sie, dass wir hier sozusagen zwei Welten schaffen in diesen Systemen, einerseits diejenigen, die erwerbstätig sind und die Angebote bekommen nach Hartz IV, und die anderen, die diese Chance nicht haben. Ich bin sehr froh, dass Sie das auch für sich gesagt haben. Ich glaube, dass wir alle die gleiche Auffassung vertreten, wir müssen sehr darauf achten in diesem Umstrukturierungsprozess, den wir auch mitgestalten können, wenn es um diese neuen Strukturen geht, natürlich nicht die rechtlichen Grundlagen, die geschaffen worden sind, die sind da, aber die Ausgestaltung können wir mit beeinflussen, und wir werden uns in der Deputation sehr ausführlich und sehr intensiv mit diesem Prozess befassen.