Protokoll der Sitzung vom 06.05.2004

Ich bitte Frau Ziegert, die Anfrage zu stellen!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Welche Auswirkungen wird die vom Siemens-Konzern angekündigte Aufgabe seiner Ausbildungswerkstatt in Bremen auf die Ausbildungsplatzsituation im Land Bremen haben?

Zweitens: Ist diese Entscheidung vom SiemensKonzern im Zusammenhang mit der Umsiedlung einer Betriebsstätte in den Technologiepark eventuell eingegangenen Verpflichtung hinsichtlich der Schaffung beziehungsweise Sicherung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen vereinbar?

Drittens: Welche Schritte hat der Senat unternommen beziehungsweise beabsichtigt der Senat zu unternehmen, um die Rücknahme dieser Konzernentscheidung zu erreichen und/oder auf andere Weise auf die Kompensation des Verlustes dieser Ausbildungskapazitäten hinzuwirken?

Die Anfrage wird beantwortet von Herrn Bürgermeister Perschau.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage eins: Laut Auskunft der Siemens Aktiengesellschaft sind keine unmittelbaren Auswirkungen zu erwarten. Mit Schreiben vom 24. März 2004 an den Senator für Bildung und Wissenschaft teilt die Siemens AG mit, dass die Einstellung der Auszubildenden an allen bisherigen Standorten, so auch in Bremen, erhalten bleibe und dass die Anzahl der Auszubildenden sich nicht verändern werde. Beabsichtigt ist jedoch, den – den Berufsschulunterricht ergänzenden – theoretischen Anteil der Ausbildung in einem der bundesweit 20 Kompetenzzentren der Firma Siemens durchzuführen. Das sind etwa 20 Prozent der Ausbildung, die dort stattfinden.

Zu Frage zwei: Im Zuge der Umsiedlung der Niederlassung des Siemens-Konzerns von der Bahnhofsvorstadt in den Technologiepark Universität wurden von Seiten Bremens weder Grunderwerb noch bauliche Investitionen gefördert. Das Unternehmen ist daher in diesem Zusammenhang keine Verpflichtungen hinsichtlich der Schaffung oder Sicherung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen innerhalb des Landes Bremen eingegangen.

Zu Frage drei: Weder der Senat noch die landeseigenen Gesellschaften waren in die Entscheidungsprozesse des Siemens-Konzerns eingebunden. Der Senat beabsichtigt in diesem Zusammenhang, kurzfristig ein weiteres Gespräch mit der Geschäftsführung der Niederlassung Bremen zu führen, in dem er sein Interesse am Erhalt der Ausbildungskapazitäten in Bremen auf längere Sicht geltend machen wird. Da es sich hier aber um souveräne Entscheidungen des Unternehmens noch nicht einmal vor Ort handelt, sondern um eine Konzernentscheidung, sind die Einflussmöglichkeiten des Senats gleichwohl begrenzt. – Soweit die Antwort der Senats!

Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? – Bitte sehr!

Nach meinen Informationen findet über ein Drittel der Ausbildung in der Ausbildungswerkstatt statt. Sie haben ja gesagt, und das ist ja auch bekannt, dass weiterhin hier am Ausbildungsort Bremen Lehrlinge durch Siemens eingestellt werden. Ist Ihnen aber eigentlich bekannt, dass dadurch, dass die Unterweisung in der Ausbildungswerkstatt in Hamburg stattfinden soll, es dann eben hier vor Ort auch Schwierigkeiten in der Koordinierung der Lernorte gibt, weil der Berufsschulunterricht in Hamburg und in Bremen nicht aufeinander abgestimmt ist und die meisten Auszubildenden in Hamburg dann auch entsprechend auf die Hamburger Berufsschulen ausgerichtet sind, so dass die Gefahr besteht, dass für die Auszubildenden die Ausbildung am Standort Bremen unattraktiv ist und

dadurch dann hier letzten Endes die Ausbildung bei Siemens sozusagen ausgehungert wird?

Bitte, Herr Bürgermeister!

Frau Abgeordnete, wir haben eine präzise Auskunft von der Unternehmensleitung, dass es sich um 20 Prozent des Ausbildungszeitraums handelt. Siemens bildet 4,7 Prozent aus, das ist bei einem Bundesdurchschnitt in der Industrie von 4,1 Prozent eigentlich ein ganz gutes Ergebnis, obgleich insgesamt die Industrie mit ihren Quoten zu wenig ausbildet.

Trotzdem ist es so, dass sie eine Zentralisierung der theoretischen Ausbildung als Konzernentscheidung getroffen haben. Da ist als zentrales Kompetenzzentrum in Norddeutschland insbesondere Hamburg festgelegt worden. Das führt dazu, dass eben diese berufsschulbegleitende theoretische Ausbildung in Hamburg stattfinden muss. Das ist eine Frage der inneren Organisation des Konzerns. Sich dagegen einzusetzen, würde ja voraussetzen, dass wir uns nicht nur hier mit der Unternehmensleitung Siemens Bremen auseinander setzen, sondern dass wir uns in einem kritischen Dialog über diese Zentralisierungsmaßnahmen der Ausbildung im Bereich der theoretischen Ausbildung einsetzen.

Das Unternehmen hat zugesichert, dass es auch in Zukunft weiterhin eine vergleichbare Quote ausbilden wird, das heißt, es hat keinen Einfluss auf die Zahl der Auszubildenden. Ob es Koordinierungsprobleme zwischen der Berufsschule und dem theoretischen Ausbildungszentrum in Hamburg geben wird, vermag ich nicht zu sagen. Ich nehme an, dass es sich auch bei Ihnen um eine Vermutung handelt, weil Sie es sicherlich auch nicht präzise sagen können. Wir werden über diese Fragen mit der Unternehmensleitung reden. Es hat mehrere Telefonate gegeben, und ich denke, dass wir wissen, was dort geschieht, und dass wir versuchen, Einfluss auszuüben. Ich bitte Sie aber auch um Verständnis dafür, dass wir als öffentliche Hand sozusagen in der Hierarchie des Unternehmens keine Weisungsbefugnis haben.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Das hatte ich auch nicht unterstellt, aber gleichwohl sind wir hier in Bremen betroffen, die Bremer Politik ist verantwortlich. Mir geht es darum, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden.

Was die mangelnde Koordinierung betrifft, ist es bereits so, dass in der kaufmännischen Ausbildung, bei der das zum Teil schon so läuft, Bremer Auszubildende benachteiligt sind, weil zum Beispiel Angebote in der Ausbildungswerkstatt zu Zeiten stattfinden, zu denen hier in Bremen Berufsschule ist.

Ich würde dann darum bitten, in diesen Gesprächen noch einmal auf diesen Punkt einzugehen! Nächste Frage: Ist es Ihnen eigentlich bekannt, dass die Siemens-Ausbildungswerkstatt bisher auch Angebote für den Mittelstand in der ganzen Nordwestregion macht, und haben Sie einmal darüber gesprochen, ob diese Angebote dann ersatzlos wegfallen – es sieht ja so aus – oder wie sich das auswirkt?

Bitte, Herr Bürgermeister!

Es sieht vermutlich so aus, dass auch dies zentralisiert wird und von der neuen Zentrale in Hamburg, zum Teil auch in Hannover diese mittelständischen Angebote auch in Zukunft aufrechterhalten werden.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ja, aber in Hamburg! Ich meine, das wahrzunehmen wird natürlich ein Problem werden, vor allem für die Firmen im Nordwesten, für die Bremen ja das natürliche Oberzentrum war. Wie gesagt, ich nehme jetzt zur Kenntnis, was Sie über Ihre begrenzten Einflussmöglichkeiten gesagt haben. Würden Sie mir aber darin zustimmen, dass diese Entscheidung des Siemens-Konzerns zur Zentralisierung der Ausbildung für den Standort Bremen auf jeden Fall negativ ist?

Bitte, Herr Bürgermeister!

Ich würde es nicht so kategorisch sagen, Frau Abgeordnete. Es wäre dann negativ, wenn damit auch gleichzeitig die Zahl der Auszubildenden deutlich herabgesetzt würde. Da das aber nicht der Fall ist, handelt es sich hier ausschließlich um eine unternehmensinterne Entscheidung über Teilausbildungsorte, in denen theoretische Ausbildung stattfindet. Ich glaube, dass man darüber mit dem Unternehmen reden kann und dass dieses das auch alles sehr genau weiß. Ich glaube nicht, dass die bremische Unternehmensleitung das begeistert begleitet, weil es auch Transport- und Koordinierungsprobleme macht, dass aber natürlich ein Konzern durchaus in der Lage ist, seinen Niederlassungen eindeutige Weisungen zu geben, was bei uns leider oder Gott sei Dank nicht möglich ist. Ich würde das einmal offen lassen, weil ich glaube, dass es auch klug ist, dass der staatliche Einfluss auf Wirtschaftsunternehmen begrenzt ist.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Nein, es würde mich zum Kommentar reizen, aber das verkneife ich mir jetzt einmal. Vielen Dank!

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Die fünfte Anfrage trägt den Titel „Club-of-RomeSchule“. Die Anfrage ist unterschrieben von dem Abgeordneten Wedler, FDP.

Bitte, Herr Kollege Wedler!

Ich frage den Senat:

Erstens: Sind dem Senat die Initiativen des Club of Rome hinsichtlich der Lizenzierung von Schulen als Club-of-Rome-Schule bekannt?

Zweitens: Teilt der Senat die Ansicht des Club of Rome, dass eine zukunftsfähige, innovative Schule der Selbstständigkeit hinsichtlich sämtlicher zentraler Handlungsfelder, insbesondere Budgethoheit, Personalsrekrutierung und Organisation von Unterricht und Schulleben, bedarf?

Drittens: Beabsichtigt der Senat, Schulen in Bremen und Bremerhaven, die an diesem Schulprojekt teilnehmen wollen, bei der Bewerbung zu unterstützen und ihnen die erforderliche weitreichende Autonomie in pädagogischen, finanziellen und personellen Angelegenheiten einzuräumen?

Die Anfrage wird beantwortet von Herrn Staatsrat Köttgen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage eins: Dem Senat ist die Initiative des Club of Rome Deutschland bekannt, der in den nächsten fünf Jahren ein Netzwerk von vorerst 30 „Club-ofRome-Schulen“ gründen will. In diesen weitgehend autonomen Schulen sollen insbesondere nachhaltiges ganzheitliches Lernen und die Übernahme von Verantwortung für sich und andere gefördert werden. Der Club of Rome unterstützt die Schulen durch die Finanzierung von Fortbildung, Vermittlung von Experten und Kontakten zur Wirtschaft. Die Schulen verpflichten sich dafür auf die vom Club of Rome formulierten Grundsätze zur Gestaltung von Schule. Bislang haben sich zirka 60 Schulen aus elf Bundesländern beworben, eine Bremer Schule ist noch nicht darunter.

Zu Frage zwei: Der Senat teilt die Grundposition des Club of Rome Deutschland. In allen drei genannten Handlungsfeldern betreibt beziehungsweise ermöglicht der Senat daher seit einiger Zeit entsprechende unterschiedlich fortgeschrittene Entwicklungen: Schulen mit wirtschaftlicher Autonomie, teilweise schulbezogene Lehrereinstellung und neue Organisationsformen von Lerngruppen und Unterricht kennzeichnen zurzeit diesen Prozess.

Zu Frage drei: Der Senat beabsichtigt, die Schulen im Land Bremen auf das Programm aufmerksam zu machen. Wie die Landesregierungen bisher

einbezogener Bundesländer, darunter Hamburg, Schleswig-Holstein, Brandenburg und NordrheinWestfalen, wird auch der Senat gemeinsam mit dem Bremerhavener Magistrat Anträge auf entsprechende Schulversuche unterstützen und zusammenführen. Dabei wird sichergestellt, dass die Schulen die für die Antragstellung erforderliche Autonomie in pädagogischen, finanziellen und personellen Angelegenheiten erhalten.

Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? – Bitte, Herr Kollege!

Das ist ja erfreulich anzuhören, gleichwohl stellt sich für mich folgende Frage: Wie verhält sich diese Überlegung mit der von Ihnen auch konzipierten Bildungs-GmbH, die, wenn ich das richtig verstehe, einen völlig anderen Weg geht?

Bitte, Herr Staatsrat!

Herr Wedler, das kann ich nun gar nicht nachvollziehen, warum die BildungsGmbH einen völlig anderen Weg geht. Ich kann die Frage schlicht nicht verstehen, weil die BildungsGmbH, das ist in allen Papieren doch so dargestellt, insbesondere die Autonomie auch von Schulen fördern soll.

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Zu dieser Antwort: Es wird ja im Zusammenhang mit dieser Bildungs-GmbH auch gesagt, dass eine weitere Gängelung der Schulen stattfindet, also genau das Gegenteil von autonomerer Gestaltung des Schullebens und der Schulen. Das ist für mich ein Widerspruch.

(Zuruf von der SPD)

Doch! Ich weiß auch nicht, wie dieser Widerspruch aufzuklären ist.

Bitte, Herr Staatsrat!