Protokoll der Sitzung vom 04.06.2004

Auch wenn man sich die Straftaten anschaut, bei denen das Jugendstrafrecht angewandt wird, wird deutlich, dass insbesondere bei den schweren Kapitalverbrechen fast zu 100 Prozent Jugendstrafrecht angewandt wird. Dies sind gerade Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Raub, Erpressung, gemeingefährliche Straftaten, aber auch bei Körperverletzung ist eine deutliche Tendenz zur Steigerung zu erkennen. Dies liegt sicherlich mit daran, dass die Rechtsprechung davon ausgeht, dass bei einem Heranwachsenden die Anwendung von Jugendund Erwachsenenstrafrecht nicht im Verhältnis Regel zur Ausnahme steht, sondern im Zweifelsfalle immer das Jugendstrafrecht Anwendung finden soll.

Dies war aber sicherlich nicht die Idee des Gesetzgebers, denn schaut man sich den Gesetzentwurf an, heißt es dort: „Die Reaktion auf Verfehlungen geistig und charakterlich normal entwickelter Heranwachsender wird sich dagegen wie bisher nach den Vorschriften des allgemeinen Strafrechts richten.“ Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber wollte, dass es ein Regel-Ausnahme-Verhältnis gibt, dass also in der Regel für Heranwachsende das Erwachsenenstrafrecht gilt und nur, wenn festgestellt werden kann, dass sie geistig und charakterlich noch nicht die Reife eines Erwachsenen haben, dann das Jugendstrafrecht gilt.

Schaut man sich einmal die Gutachten an, anhand derer beurteilt wird, ob das Jugendstrafrecht oder das Erwachsenenstrafrecht Anwendung findet, dann sieht man doch eine sehr große Spannbreite. Nun wird als Kriterium dafür angelegt, ob der Jugendliche/der Heranwachsende eine realistische Lebensplanung hat, ob er eine ernsthafte Einstellung gegenüber Arbeit und Schule hat, ob eine realistische Alltagsbewältigung vonstatten gehen kann, ob er eigenständig ist, ob er gleichaltrige und ältere Freunde hat. Meine Damen und Herren, schaut man sich diese Kriterien an, müsste auf ganz viele Erwachsene auch das Jugendstrafrecht Anwendung finden!

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube daher, dass es richtig ist, dass man im Gesetzestext dazu kommt, deutlicher herauszuarbeiten, dass es in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zueinander stehen sollte. Dazu gibt es eine Gesetzesinitiative von Sachsen, Niedersachsen und Bayern, die eben im Jugendstrafgesetz verankern wollen, dass klargestellt wird, dass die Anwendung von Jugendstrafrecht auf Heranwachsende, also Achtzehn- bis Einundzwanzigjährige, die Ausnahme bleiben muss. Meine Damen und Herren, ich würde mir wünschen, dass wir uns als Bundesland Bremen dieser Gesetzesinitiative anschließen.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, dass es richtig ist, wenn man mit der Volljährigkeit alle Rechte und Pflichten erhält und sich nicht nur auf die positiven Effekte beziehen kann, sondern auch sein Tun, sein Verhalten dementsprechend einkalkuliert und auch die Konsequenzen dementsprechend spüren muss. Ich glaube auch, dass es ein falsches Signal ist, allen Jugendlichen, deutlich zu machen, dass es gar nicht so schlimm ist, sondern man ja noch unter das Jugendstrafrecht fällt. Man muss ihnen schon das strafrechtlich relevante Verhalten vor Augen führen. Ich glaube auch, und diesen Aspekt sollte man bei dieser Diskussion nicht vergessen, dass es auch eine generalpräventive Wirkung hat, wenn man das Erwachsenenstrafrecht auf Heranwachsende anwendet als Regel und nicht nur als Ausnahme. Ich glaube, dass das ein richtiges Signal ist, dass wir so vorgehen sollten.

Der Senat hat sich aufgrund der Mehrheitsverhältnisse entschieden, sich in dieser Frage bei der Gesetzesinitiative zu enthalten. Ich hoffe, dass wir aber noch etwas Arbeit leisten können, um den Senat dort auch vollständig zu überzeugen, dass wir in dieser Frage richtig liegen, dass das Erwachsenenstrafrecht auf Heranwachsende in der Regel anwendbar ist und nur in besonderen Ausnahmefällen weiter Jugendstrafrecht Anwendung finden sollte. Das heißt nicht, dass es nicht Strafmilderung geben kann. Auch wenn das Erwachsenenstrafrecht angewandt wird, kann man zum Beispiel bei der Strafbemessung das Alter des Straftäters mildernd berücksichtigen. Dies würde dem Gedanken auch gerecht werden, dass man Heranwachsende besonders berücksichtigt.

Meine Damen und Herren, im Hinblick auf meine ablaufende Redezeit und im Hinblick auf die beiden folgenden Redner möchte ich noch eine Bemerkung zum Abschluss machen. Sie werden sicherlich gleich, wie ich meine beiden nachfolgenden Redner kenne, sehr gute, sehr fundierte juristische Ausführungen zu diesem Themenkomplex hören, aber es ist kein rein juristisches Thema, es ist eine politische Entscheidung, die wir leider hier heute nicht treffen, aber die in dieser Frage getroffen werden muss. Wir als Gesetzgeber können das Gesetz verändern, wir können nicht die Rechtsprechung ver

ändern, das wollen wir auch nicht. Die Richter sind frei, wie sie im Rahmen der Gesetze Recht sprechen. Wir können aber die Gesetze verändern, und das ist Aufgabe der Parlamentarier. Daher ist es eine politische Frage und nicht eine rein juristische Frage. – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Grotheer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es passt dann ganz gut, dass ich hier heute nicht als Jurist, sondern als Politiker zu diesem Thema Stellung nehmen darf. Trotzdem will ich noch einmal darauf hinweisen: Es ist richtig, das Jugendgerichtsgesetz differenziert nach den Jugendlichen, die zwischen 14 und 17 sind, und denen, die als Heranwachsende zwischen 18 und 21 Straftaten begehen. Für die Jugendlichen, die bis zu einem Alter von 17 Jahren eine Straftat begehen, gilt ohne Zweifel das Jugendrecht, und im Jugendrecht steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund. So steht es im Gesetz, und so ist es bisher auch nicht von CDU in Zweifel gezogen worden. Es geht um Erziehung, es geht darum, dass man Jugendlichen, die auf den falschen Weg gekommen sind, eine Chance gibt, eine vernünftige Lebensplanung vorzunehmen.

Wir als Sozialdemokraten halten das für richtig. Es wird von uns überhaupt an keinem Punkt in Zweifel gezogen, dass diese Bestimmungen im Gesetz Bestand haben müssen. Das stammt übrigens nicht erst aus der großen Strafrechtsreform Anfang der siebziger Jahre, als wir mit der FDP zusammen damals große Gesetzesvorhaben umgesetzt haben, sondern das geht noch weiter zurück.

Für diejenigen, die als Heranwachsende im Alter zwischen 18 und 21 Jahren Straftaten begehen, kommt es nach dem Jugendgerichtsgesetz darauf an, ob sie nach dem Entwicklungsstand einem Jugendlichen gleichstehen oder ob es sich bei der Tat möglicherweise um eine so genannte Jugendverfehlung handelt. In diesen Fällen gilt weiter Jugendrecht, sonst gilt das Erwachsenenstrafrecht.

Das Erwachsenenstrafrecht differenziert mehr nach den Taten. Das Erwachsenenstrafrecht kennt Vergehen und Verbrechen. Auf Verbrechen steht eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr. Das ist eine sehr viel feiner ausdifferenzierte Sanktionspalette, als wir das im Jugendstrafrecht haben. Im Jugendstrafrecht geht es eben wegen des Erziehungsgedankens darum, dass sehr flexibel reagiert werden kann. Dort reichen die Sanktionsmöglichkeiten von der Ermahnung bis hin zur Verhängung einer Jugendstrafe von unbestimmter Dauer, die im Ernstfall auch bis zu zehn Jahre betragen kann. Es ist also nicht so, dass im Jugendstrafrecht nur mit Ermahnungen reagiert wird, sondern es können dort

sehr harte Strafen verhängt werden, und im Einzelfall ist das durchaus der Fall.

Wir haben, Frau Hannken hat darauf hingewiesen, in der Tat ein Nord-Süd-Gefälle bei der Differenzierung zwischen Erwachsenen- und Jugendstrafrecht in der Anwendung. Das hat offenbar historische Gründe und scheint nicht politisch motiviert zu sein, weil – darauf ist hingewiesen worden – auch in den süddeutschen Ländern gelegentlich die SPD mitregiert, wobei das nicht heißen muss, dass die SPD die Rechtsprechung bestimmt, denn bekanntermaßen gibt es einen Unterschied zwischen dem, was die Parlamente beschließen, und dem, was die Gerichte dann im Einzelfall entscheiden.

In Bremen jedenfalls wird im Durchschnitt der letzten zehn Jahre in der Mehrzahl der Fälle das Jugendrecht angewendet. In etwa einem Drittel der Fälle kommt das Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung. Damit liegen wir etwa im Mittelfeld dessen, was im Bundesgebiet üblich ist. Eine kleine Abweichung von zwei Prozent von dem Mittelwert ist, glaube ich, kein Anlass, hier besondere Kritik anzumelden. Wir sind damit in richtig guter Gesellschaft.

Wenn es im Paragraphen 105 des Jugendgerichtsgesetzes heißt, dass im Einzelfall entschieden werden muss, dann ist eben nicht damit gemeint, dass in der Mehrzahl der Fälle das Erwachsenenstrafrecht angewendet werden muss, sondern gemeint ist, dass tatsächlich jeweils im Einzelfall der Jugendrichter zu entscheiden hat, welches Recht angewendet werden muss. Ich meine, dass wir damit gute Erfahrungen gemacht haben.

Ich möchte an dieser Stelle auch ganz ausdrücklich die bremischen Jugendrichter loben, die mit sehr großem Engagement diese gesetzlichen Bestimmungen anwenden und die sich auch wirklich darum bemühen, dass Haft, Strafhaft bei Jugendlichen vermieden wird. Ich finde das im Grundsatz eine richtige Idee. Alle diejenigen, die mit Strafhaft in Strafanstalten zu tun haben, erzählen uns, und zwar von den Bediensten in den Anstalten bis hin zu den Bewährungshelfern, dass der Jugendknast die Schule des Verbrechens ist. Wenn es gelingt, junge Leute auf den richtigen Weg zu bringen, ohne sie einsperren zu müssen, dann ist das allemal besser und allemal erfolgreicher.

Wenn wir die Ausführungen der CDU hören, schimmert ja durch, dass mehr Erwachsenenstrafrecht angewendet werden soll, wohl mit dem Ziel, dass auch härtere Strafen verhängt werden sollen. Das halten wir nicht für generell richtig. Es mag im Einzelfall berechtigt sein, gerichtliche Entscheidungen kritisch zu diskutieren. Die Rechtsprechung ist eine Angelegenheit, auch die Strafrechtsprechung, die öffentlich stattfindet. Natürlich müssen auch die Gerichte und die Richter sich gefallen lassen, dass ihre Entscheidungen öffentlich diskutiert werden. Eine generelle Änderung der Richtung aber halten

wir überhaupt nicht für angemessen und für nicht notwendig. Höhere Strafandrohungen sind nicht geeignet, Straftaten zu vermeiden.

Was wir brauchen, sind schnelle Reaktionen. Wir brauchen eine gut ausgebildete, eine präsente Polizei. Wir brauchen gutes und ausreichendes Personal bei den Staatsanwaltschaften, bei den Gerichten, bei der Jugendgerichtshilfe, bei der Bewährungshilfe und im Strafvollzug, dann wird es uns auch gelingen, hier das Notwendige zu tun. Wir müssen die vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Wer so tut, als könne man vielleicht Personal einsparen bei der Polizei oder bei den Gerichten, wenn man andererseits Strafandrohungen erhöht, der führt eine Scheindebatte. Wegsperren mag im Einzelfall angemessen sein, als generelle Linie ist es nicht geeignet.

Ich möchte zum Schluss noch etwas zu der Gesetzesinitiative aus Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Thüringen zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes sagen. Diese Vorschläge werden von unserer Fraktion nicht geteilt. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass wir darüber erfreut sind, dass sich der Senat diesen Vorschlägen nicht angeschlossen hat, sondern sich in diesen Fragen enthält. Es mag einzelne Fragen geben, über die man reden kann.

Wenn im Übrigen in diesem Zusammenhang mit dem Anstieg der Jugendkriminalität argumentiert wird, das begegnet uns gelegentlich, dann kann ich nur sagen, es wird ein Phantom aufgebaut. Das ist völlig unzutreffend, denn richtig ist vielmehr, dass sich seit 1995 bis heute die Jugendkriminalität, die Anzahl der verurteilten Jugendlichen, in einem Bereich zwischen 1,5 und 2,5 Prozent der Bevölkerung bewegt. Es gibt keine großen Bewegungen, keine Ausschläge nach oben und nach unten, und deshalb ist dieses Argument völlig falsch, es ist nur dazu geeignet, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen.

Wir bleiben deshalb dabei, dass in ambulante Maßnahmen, in Erziehung investiert werden muss. Das ist, für Jugendliche jedenfalls, der richtige Weg. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Köhler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mehr junge Menschen länger einsperren, das ist die Botschaft der CDU. Sie haben das Vorurteil, dass Jugendstrafrecht angeblich weniger wirksam sei als das Erwachsenenstrafrecht, weil Sie glauben, dass zu milde Strafen dabei herauskommen. Weder stimmen die Fakten, noch stimmen die Zusammenhänge. Grundlinie Ihrer Politik ist, dass angeblich mit mehr Knast mehr Sicherheit geschaffen wird.

Sie meinen, wenn man die Strafen verschärfen würde,

(Abg. K n ä p p e r [CDU]: Wollen wir ja gar nicht verschärfen!)

dass dann schon weniger Straftaten begangen werden würden. Wenn man jungen Leuten nur klar machen müsste, dass sie schwer bestraft werden, wenn sie Straftaten begehen, lassen die das einfach so sein. Das hat aber mit Realität nicht viel zu tun. Kein Täter geht davon aus, erwischt zu werden. Darum gibt es nicht mehr Generalprävention durch angeblich härtere Sanktionen. Abschreckung ist ein Prinzip, das nicht funktioniert, erst recht nicht bei Jugendlichen und Heranwachsenden.

Wir brauchen einerseits eine Gesellschaftspolitik, die gegen Ghettos, gegen Verarmung, gegen Ausgrenzung, gegen Stigmatisierung kämpft. Opfer von Straftaten brauchen Unterstützung. Andererseits brauchen wir einen Umgang mit jungen Straftätern, der rational ist. Was müssen wir tun, aber auch, was müssen wir lassen, damit dieser konkrete Mensch künftig ein Leben ohne Straftaten führt? Das ist der einzig wirksame Schutz der Bevölkerung vor Kriminalität. Wer will, dass mehr Heranwachsende nach Erwachsenenstrafrecht im Gefängnis Gitterstäbe anschauen, der tut nichts dafür, dass diese Menschen nach ihrer Entlassung nicht wieder straffällig werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ihre Argumentation für eine Veränderung der Vorschrift, die die Anwendung von Jugend- beziehungsweise Erwachsenenstrafrecht für Heranwachsende regelt, bricht zusammen, wenn man sie sich einmal näher anschaut. Es ist übrigens eine juristische Argumentation, eine historisch-teleologische Auslegung, die Sie machen, die aber im Übrigen auch falsch ist. Sie stimmt schlichtweg nicht.

Ihr Hauptargument ist, dass der Wille des historischen Gesetzgebers von 1953 etwas anderes gewesen sei als das, was Praxis ist. Sie verwechseln den Willen des Gesetzgebers mit seiner Einschätzung, wie das Gesetz 1953 wirken würde, denn ein RegelAusnahme-Verhältnis hat er gerade nicht geregelt. Das wollen Sie ja erst mit der Bundesratsinitiative einführen.

Der historische Gesetzgeber 1953 war viel klüger, er hat nämlich im Gesetz zwei abstrakte Kriterien genannt, die sich an der Sache orientieren und nicht an irgendwelchen ideologischen Vorstellungen. Es soll, das war die tatsächliche Intention des Gesetzgebers, und so hat er es auch gemacht, das Strafrecht angewendet werden, mit dem der Täter am besten dazu gebracht wird, keine weiteren Straftaten zu begehen.

Jugendrichter müssen sich zwingend mit zwei sachlichen Kriterien auseinander setzen, wenn sie einen Heranwachsenden vor sich haben: Handelt es sich um eine Jugendverfehlung, dieses Kriterium vergessen Sie immer, oder ist die Persönlichkeit des heranwachsenden Täters noch auf dem Stand eines Jugendlichen? Der von einigen CDU-Ländern im Bundesrat eingebrachte Entwurf sagt, dass Heranwachsende auch dann nach Erwachsenenrecht behandelt werden sollen, wenn ihre Tat eine typische Jugendverfehlung war. Sie wollen dieses Kriterium schlichtweg streichen. Ich möchte einmal ein Argument in der Sache hören, warum es sinnvoll sein soll, einen Heranwachsenden, der eine typische Jugendverfehlung begangen hat, nach Erwachsenenstrafrecht zu behandeln.

Die Gesellschaft von heute ist nicht mehr die von 1953. Es ist absolut richtig und logisch, dass dieselben abstrakten Kriterien in verschiedenen Zeiten zu unterschiedlichen Zahlen führen. Wäre das nicht der Fall, dann müssten wir uns Sorgen machen. Wer sich anschaut, wie Jugend heute aussieht, der stellt etwas Paradoxes fest. Einerseits werden Jugendliche scheinbar früher erwachsen, was vor allen Dingen an Konsumgewohnheiten zu sehen ist. Es gibt auch eine große Zahl von Jugendlichen, die tatsächlich früher in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen. Andererseits aber gibt es immer mehr Jugendliche, denen es nicht gelingt, in das Arbeitsleben hineinzukommen, privat und beruflich Verantwortung zu übernehmen, eine Familie zu gründen und so weiter.

Das sind ja die Kriterien, wenn man Soziologen glauben mag, die das Ende der Jugend kennzeichnen. Dieses Ende der Jugend findet heute einfach später statt als 1953. Heranwachsende sind heute anders als vor über 50 Jahren, und darum ist es gar kein Wunder, dass heute mehr Heranwachsende nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden, als es 1953 der Fall war.

Die Zahlen in Bremen, darauf hat der Kollege Grotheer schon hingewiesen, sind unauffällig. In den letzten elf Jahren, die Sie abgefragt hatten, lag Bremen sieben Mal über dem Bundesdurchschnitt bei der Anwendung des Erwachsenenstrafrechts, vier Mal darunter. Einmal liegt Bremen deutlich über dem Schnitt und einmal auch deutlich darunter. In den letzten beiden Jahren beträgt der Anteil 22 bis 23 Prozent, während der Bundesdurchschnitt 2002 bei zirka 30 Prozent liegt. Gleichzeitig ist aber auch die Zahl der insgesamt verurteilten Heranwachsenden in Bremen gegenüber 2001 deutlich gesunken. Es geht, das muss man sich klar machen, wenn man sich die Statistiken anschaut, insgesamt um eine Zahl von zirka 430 bis 630 Jugendlichen. Das verändert sich jedes Jahr. Das ist eine viel zu geringe Zahl, um dann aus einem Verhältnis etwas Abstraktes oder etwas Allgemeines herauszulesen.

In Wirklichkeit geht es der CDU ja nicht um die sinnvolle Regelung eines Problems, sondern um Ideologie. Die CDU versucht ständig, den Eindruck zu erwecken, im Jugendstrafrecht passiere nur Trallala, während erst das richtige harte Erwachsenenstrafrecht wirklich geeignet sei, den Täter zu beeindrucken. Was für eine ideologische Vorstellung! Tatsache ist doch, dass im Jugendstrafrecht wesentlich mehr Instrumente zur Verfügung stehen, um auf heranwachsende Täter einzuwirken. Im allgemeinen Strafrecht geht es im Wesentlichen um Gefängnis- oder um Geldstrafe, im Jugendstrafrecht gibt es individuelle Lösungen, die von Weisungen über Auflagen hin bis zur Jugendstrafe gehen.

Das heißt auch, dass die Sanktionen im Einzelfall im Jugendstrafrecht härter sind, als es im Erwachsenenstrafrecht der Fall ist. Wenn Sie sich nur einmal anschauen, wie es bei der so genannten einfachen Kriminalität, bei nicht schweren Straftaten ist, da ist es für die Heranwachsenden häufig erheblich günstiger, nach Erwachsenenstrafrecht behandelt zu werden, weil sie einfach einen bestimmten Betrag zahlen, und das war es, während sie, wenn sie nach Jugendstrafrecht verurteilt werden, häufig mit mehr mit Sanktionen rechnen müssen, mit einem wesentlich intensiveren Eingriff. Das heißt, dass Jugendstrafrecht nicht generell milder oder schärfer als das allgemeine Strafrecht ist, sondern es ermöglicht Lösungen, die dem Einzelfall besser gerecht werden. Genau das brauchen wir.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn als Argument angegeben wird, dass die gerichtliche Praxis in den Bundesländern unterschiedlich ist, dann gibt es eine einfache Möglichkeit: Der Zusammenschluss der Fachleute, die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen, DVJJ, schlägt vor, das Jugendstrafrecht generell für Heranwachsende anzuwenden, weil es eben wesentlich differenziertere und erfolgversprechendere Maßnahmen im Jugendstrafrecht gibt als im Erwachsenenstrafrecht. Wir Grünen halten diesen Vorschlag für überlegenswert.

Meine Damen und Herren, Bündnis 90/Die Grünen steht für eine rationale Kriminalpolitik. Deshalb fordern wir den Senat auf, im Bundesrat gegen die CDU-Pläne zu stimmen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Hannken.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Aufgrund der Rede von Herrn Köhler möchte ich mir hier doch noch ein paar ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Bemerkungen gönnen. Ich glaube, Herr Köhler, dass es Leute wie Sie sind, Leute aus Ihrer Fraktion, die dazu geführt haben, dass das Jugendstrafrecht gerade nicht mehr in den Anwendungsbereich kommt, in den es kommen sollte,