Protokoll der Sitzung vom 09.12.2004

Wenn man zum Beispiel der Meinung ist – ich schaue einmal, wer gerade nicht im Raum ist –, man möchte die interessanten bildungspolitischen Debatten von Herrn Rohmeyer und Frau Hövelmann in diesem Haus erhalten, weil sie das Parlament insgesamt beleben, dann wählt man mit der einen Stimme Frau Hövelmann und mit der anderen Stimme Herrn Rohmeyer und kann damit sicherstellen, dass

die beiden das Parlament auch in Zukunft weiterhin befruchten werden.

(Heiterkeit – Abg. F o c k e [CDU]: Das sind ja Aussichten!)

Das ist das Modell, das jetzt diskutiert wird.

Das Hamburger Modell wurde hier ja auch schon in der Bürgerschaft in der letzten Woche sehr ausführlich dargestellt. Jetzt muss man prüfen, inwieweit man das Hamburger Modell auch auf Bremen übertragen kann. Mehr Demokratie e. V. hat dazu einen konkreten Vorschlag gemacht, der auch die rechtlichen Probleme, die es in Bremen gibt, aufgreift, und davon gibt es einige. Das muss man auch einmal sagen. Es ist nicht so einfach, das Hamburger Modell eins zu eins auf Bremen zu übertragen, sondern man muss bremische Besonderheiten dabei beachten. Dazu gehört – das ist in Bremen anders als in Hamburg –, dass es in Bremen zwei Wahlbereiche gibt und damit auch zwei Landeslisten. Es gibt den Wahlbereich Bremen, und es gibt den Wahlbereich Bremerhaven.

Beachten muss man, dass man in Bremen – anders als in Hamburg – die Fünf-Prozent-Klausel getrennt für die beiden Wahlbereiche hat. Dies kann sich auf Überhang- und Ausgleichsmandate auswirken. Beachten müssen wir insbesondere, dass wir ein schon jetzt relativ schwierig gestaltetes Unionsbürgerwahlrecht haben, denn die Unionsbürger dürfen wählen und in die Stadtbürgerschaft gewählt werden, jedoch nicht in den Landtag.

Ich möchte gar nicht näher auf diese drei Punkte eingehen, weil das Aufgabe des Ausschusses sein wird, genau zu beraten und sicherzustellen, dass den rechtlichen Besonderheiten in Bremen bei einem neuen Wahlrecht auch Rechnung getragen wird. Ich glaube, dass man die rechtlichen Hürden nicht zu hoch hängen sollte. Man darf sie aber auch nicht unter den Tisch kehren. Ich glaube nicht, dass man es sich so einfach machen kann zu sagen, alle rechtlichen Probleme wischen wir beiseite und schaffen uns ein neues Wahlrecht, sondern wir wollen ordentlich und gründlich prüfen, um ein sicheres Wahlrecht zu haben. Ich glaube, es kann nichts Schlimmeres passieren, als dass eine Wahl angefochten wird und das Land Bremen dann über kein gewähltes Parlament verfügt.

Wie gesagt, das Ganze nicht mit den verfassungsrechtlichen Problemen, die es geben wird, zu hoch hängen, aber schon eine ordnungsgemäße Prüfung, dass alles korrekt ablaufen wird und wir in einem sauberen Verfahren sicherstellen werden, dass wir ein Wahlrecht haben, das auch vor dem Staatsgerichtshof in Bremen Bestand haben wird!

Ich freue mich auf eine spannende, auf eine lebendige, auf eine interessante Diskussion in diesem Ausschuss und hoffe, dass wir mit einem guten Er

gebnis hier im Parlament wieder debattieren können. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Aufgabe des einzusetzenden Ausschusses wird es sein zu überprüfen, ob das bisher in Bremen praktizierte Wahlrecht veränderungsbedürftig ist. Das bisherige Wahlrecht ist als reines Verhältniswahlrecht mit starren Listen ausgestaltet. Es stellt sicher, dass dem urdemokratischen Grundsatz „ein Mensch, eine Stimme“ auch Rechnung getragen wird. Dies gilt, egal, ob ein Sozialhilfeempfänger oder ein Professor seine Stimme abgibt oder ob in Blumenthal, Oberneuland oder Bremerhaven-Lehe gewählt wird.

Diejenigen, die das bisherige Wahlrecht kritisieren, merken zu Recht an, dass bei dem bisherigen Wahlrecht die Auswahl der Kandidaten durch die Parteien erfolgt und dem Wähler nur die Wahl zwischen den Parteilisten bleibt, wobei er oftmals Kandidaten mitwählen muss, die ihn nicht überzeugen. An diesen Punkten setzen die bisher in der Diskussion befindlichen Veränderungsvorschläge an. Veränderungen des bisherigen Wahlrechts können durch kumulieren und panaschieren und/oder durch die Einführung von Wahlkreisen erfolgen.

Kumulieren und panaschieren sind in vielen Bundesländern bewährte Instrumente der Kommunalwahl. Erstmals sind diese Instrumente durch Volksgesetzgebung in Hamburg auch für eine Landtagswahl eingeführt worden. Beim Kumulieren und Panaschieren machen die Parteien weiterhin Listenvorschläge, der Wähler kann aber – soweit er von diesem Recht Gebrauch macht – die Reihenfolge auf den jeweiligen Listen ändern.

Nach den bisherigen Erfahrungen machen in vergleichbaren Städten bei Kommunalwahlen zirka 20 bis 35 Prozent der Wähler von dieser Möglichkeit Gebrauch. Durch den Umfang der Stimmzettel steigt die Anzahl der ungültigen Stimmen geringfügig an. Nach Einführung dieser Instrumente ist im Regelfall keine signifikante Steigerung der Wahlbeteiligung zu beobachten.

Der Ausschuss wird zu überprüfen haben, welches der zahlreichen Modelle von kumulieren und panaschieren – es gibt nicht nur eines, sondern mindestens acht in den verschiedenen Ländern, die es auf Kommunalebene anwenden – am geeignetsten ist, den Wählerwillen abzubilden. Gleichfalls wird er sich damit auseinander setzen müssen, wie das derzeit gültige Wahlrecht der EU-Bürger für die Stadtbürgerschaft in ein solches System zu integrieren ist.

Wahlkreise sind in allen Flächenländern üblich und insoweit ein bewährtes Instrument des Wahlrechts. Soweit man das in Deutschland nicht zulässige und auch undemokratische reine Mehrheitswahlrecht wie in England außer Acht lässt, kann man in Deutschland bei Landtags- und Bundestagswahlen ein so genanntes personalisiertes Verhältniswahlrecht feststellen. Durch die übliche Kombination mit dem Verhältniswahlrecht können Wähler durch Wahlkreise einen regionalen Abgeordneten einer der großen Parteien gegenüber seiner Listenposition vorziehen. Die Wähler bleiben aber in ihrer Wahlentscheidung weiterhin auf die Vorschläge von Parteien beschränkt. In Einzelfällen wird es nun aber möglich, dass unabhängige Kandidaten gewählt werden.

Nachteil der Einrichtung von Wahlkreisen ist es, dass durch die unterschiedliche Größe der Wahlkreise die Stimmen von Wahlberechtigten in verschiedenen Wahlkreisen einen unterschiedlichen Einfluss auf die Zusammensetzung der Fraktionen haben. Dieser Nachteil wird in Flächenländern bewusst in Kauf genommen, um eine regionale Repräsentanz sicherzustellen.

In vergleichbaren Städten gibt es pro 100 000 bis 150 000 Wahlberechtigten einen direkt gewählten Landtagsabgeordneten. In Köln sind es beispielsweise acht, in Dortmund sechs, in Hannover sieben. Eine höhere Wahlbeteiligung als bei unserem bisherigen Wahlsystem ist durch die Wahl in Wahlkreisen nicht festzustellen.

Der Ausschuss wird zu bewerten haben, ob unter den Bedingungen des Zwei-Städte-Staates die systemimmanenten Verzerrungen des Stimmenwertes von Wahlberechtigten in unterschiedlichen Wahlkreisen ein Mehr an Bürgerbeteiligung bedeuten kann. Gleichfalls wird er sich mit der Frage auseinander zu setzen haben, ob der Schwerpunkt der persönlichen politischen Aktivität eines Abgeordneten im Städtestaat Bremen in sinnhafter Weise in einem regional bemessenen Wahlkreis zu setzen ist, zumal Bremen eine Stadt mit hoher Umzugsrate zwischen den Stadtteilen ist.

Zu bewerten ist nach dem vorliegenden Antrag insbesondere auch der Vorschlag der Initiative Mehr Demokratie e. V., welcher die Einrichtung von Mehrpersonenwahlkreisen mit dem Kumulieren und Panaschieren kombiniert. Nach den Vorstellungen der Initiative sollen in der Stadtgemeinde in fünf Mehrpersonenwahlkreisen jeweils fünf bis acht Abgeordnete direkt gewählt werden, wobei den Wählern auch hier die Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens zustehen soll.

Durch die Kombination der verschiedenen Elemente einer Wahlrechtsveränderung steigert sich nun auch die zu prüfende Problemlage, von der ich nur kurz eine Auswahl anreißen möchte. Wie wirkt sich das Unionsbürgerwahlrecht unter den veränderten Bedingungen auf die verfassungsrechtlich

gebotene Realunion zwischen Stadtbürgerschaft und Landtag aus? Wie ist die in Bremen in der Verfassung verankerte und ausgesprochen strikt ausgefallene Fünf-Prozent-Hürde im Hinblick auf die in Wahlkreisen direkt gewählten Abgeordneten auszulegen? Wie lässt sich ein Wahlkreissystem bei gleichzeitigem Bestehen einer Stadtliste im verfassungsrechtlich festgelegten Wahlbereich Bremerhaven etablieren, und wie wird sichergestellt, dass direkt gewählte Abgeordnete beziehungsweise Mitglieder einer Stadtliste, welche die Fünf-ProzentHürde übersprungen hat, in die Bürgerschaft auch wirklich einziehen? Wie wird sichergestellt, dass in Bremen und Bremerhaven abgegebene Stimmen einen vergleichbaren Erfolg auf die Zusammensetzung des Landtags haben?

Die zahlreichen rechtlichen Bremensien werden eine hochkomprimierte Debatte im Ausschuss erfordern. Gegebenenfalls sind auch Stellungnahmen des Staatsgerichtshofs einzuholen. Trotzdem werden wir uns bemühen, dem Plenum innerhalb der gesetzten Frist Bericht zu erstatten über die zulässigen Möglichkeiten einer Wahlrechtsänderung. Es gibt in diesem Sinne viel zu tun, packen wir es an!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Hannken und Herr Tschöpe haben die Aufgaben, die vor diesem neuen Ausschuss stehen, meines Erachtens schon sehr ausführlich erklärt. Ich habe das Vergnügen, für Bündnis 90/Die Grünen auch in diesem Ausschuss mitzuarbeiten.

Ich kenne dieses Wahlrecht, das in vielen Bundesländern auf kommunaler Ebene schon praktiziert wird, sehr gut, da in Baden-Württemberg, wo ich einen Teil meines Lebens verbracht habe, in dem ich auch schon wählen durfte, die Menschen es für vollkommen normal halten, dass sie die Auswahl haben zwischen verschiedenen Listen, zwischen verschiedenen Personen und dass das, was erst einmal so etwas komisch kumulieren und panaschieren heißt, einfach nur heißt mehr Auswahl für die Wählerinnen und Wähler auf den Listen, die die Parteien vorher aufgestellt haben. Das ist für die Menschen in Baden-Württemberg, in Bayern, in Hessen ganz normal. Man kann inzwischen fast überall dieses Wahlrecht anwenden. Ich glaube, wir tun gut daran, uns sehr genau anzusehen, dass wir dies auch in Bremen noch in dieser Legislaturperiode einführen werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) ––––––– *) Vom der Redner nicht überprüft

Es war sehr interessant bei einer Anhörung hier vor kurzem in der Bremischen Bürgerschaft, zu der verschiedene Wissenschaftler geladen waren – auch der Leiter des Wahlamtes in Hamburg –, dass die Einschätzung der Professoren, die dort gesprochen haben, im Grunde genommen war, dass wir in Bremen jetzt nicht nur auf einem normalen Niveau Beteiligung von Wählern und Wählerinnen an Wahlen organisieren und jetzt sozusagen noch etwas daraufsatteln wollen, sondern sie haben auf dieser Veranstaltung den Eindruck vermittelt, dass wir in Bremen eigentlich weit und breit das eingeschränkteste Wahlrecht in Deutschland haben.

Wenn man einmal sieht, dass wir in Bremen mit einer einzigen Stimme für die Wählerinnen und Wähler Kommunalparlament und Landtag wählen, ohne jede Auswahlmöglichkeit auf den Listen, ohne jede weitere Variante, dann glaube ich, dass sie Recht haben. Bisher waren die Wählerinnen und Wähler in Bremen darauf angewiesen, mit einer Stimme die von den Parteien vorgegebenen Listen entweder abzusegnen oder aber sich gänzlich der Wahl zu enthalten. Man kann wohl mit Recht sagen, dass wir hier – und das drückt ja die Einsetzung dieses Ausschusses auch aus – einen Nachholbedarf haben, was ja nun alle Fraktionen in diesem Haus und der Abgeordnete Wedler wohl auch anerkannt haben. Das ist gut so.

Es ist im Grunde genommen hier gesagt worden, woraus die Änderung besteht, die jetzt im Ausschuss geprüft und diskutiert werden soll. Im Kern besteht sie darin, dem Wähler und der Wählerin mehr Möglichkeiten zu geben, darauf Einfluss zu nehmen, wer am Ende in diesem Parlament sitzt. Es hat hier niemand gesagt, dass es eine schlechte Sache wäre, den Wählerinnen und Wählern diese Möglichkeit einzuräumen. Ich glaube, es ist auch für alle Fraktionen gut, ob es nun CDU, SPD oder Bündnis 90/ Die Grünen sind, dass sich niemand ausrechnen kann, dass diese oder jene Partei mit diesem neuen Wahlrecht nun besonders bevorzugt oder benachteiligt würde. Ich glaube, wenn dies der Fall wäre, hätten wir erheblich mehr Probleme, in diesem Hause zu einem Konsens zu kommen.

Alle Berechnungen zeigen aber eigentlich, dass insgesamt an der Zusammensetzung des Hauses der Wählerwille an diesem Wahltag abgebildet wird, genauso wie er abgebildet werden würde, wenn das alte Wahlrecht noch gelten würde, dass sich also keine Partei – weder die großen noch die kleinen Parteien – einen einseitigen Vorteil von diesem Wahlrecht versprechen kann. Das ist, glaube ich, eine gute Grundlage für die Zusammenarbeit im Ausschuss, um hier dann auch gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

Was sich aber in der Tat verändern wird, ist die Frage: Wie wirken sich kumulieren, panaschieren und die anderen Veränderungen des Wahlrechts auf die konkrete Zusammensetzung in den einzelnen

Fraktionen aus? Ich kann die Damen des Hauses zunächst einmal nur ermutigen, sich aktiv an der Diskussion zu beteiligen, da es in Baden-Württemberg – da, wo ich an Kommunalwahlen als Wähler teilgenommen habe – immer so war, dass Frauen in allen Parteien massiv nach oben gewählt worden sind. Weil Wählerinnen offensichtlich Frauen auf den Listen angekreuzt haben und die Männer sowohl Männer als auch Frauen gewählt haben, war es so, dass Frauen auf den Listen nach oben gekommen sind. Das ist vor allen Dingen bei den Parteien, die nicht wie die Grünen ohnehin schon eine quotierte Liste mit festen Plätzen für die Kandidatinnen haben, glaube ich, eine interessante Erfahrung, da es die Frauen in den beiden großen Fraktionen bei der nächsten Wahl dann auch stützen würde, wenn wir dieses Wahlrecht hätten. Das ist zumindest die Erfahrung, die wir dort gemacht haben.

Es hat ansonsten, glaube ich, die Auswirkungen, und da ist verschiedentlich spekuliert worden, ob wir nun nicht zu viele Elemente einer Personendemokratie bekommen würden, wenn wir dieses Wahlrecht hier in Bremen einführen. Das kann man ja so und so sehen, das hat sicherlich Vor- und Nachteile. Ich glaube aber, es ist heutzutage sowieso schon so, dass Wählerinnen und Wähler sehr stark auf Personen schauen und wir dies auch nicht grundsätzlich verdammen sollten, dass Personen und die Glaubwürdigkeit von Personen tatsächlich auch in der Politik eine große Rolle spielen.

Natürlich werden die Wählerinnen und Wähler, wenn sie die Auswahl haben, diejenigen Personen eher ankreuzen mit ihren fünf Stimmen, die sie haben – und zwar bis zu fünf Stimmen für eine Person –, die sie für glaubwürdig halten, die sie sozusagen in der parlamentarischen Erfahrung, in der öffentlichen Wahrnehmung positiv bewerten, und sie werden möglicherweise Menschen, denen sie aufgrund der bisherigen Erfahrungen nicht so über den Weg trauen, eher weiter nach unten wählen und somit auf die manchmal anderen Kriterien folgende Auswahl von Parteien, wie Listen aufgestellt werden, Einfluss nehmen.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen, das ist ein Punkt, den dieser Ausschuss sehr ernst nehmen sollte, nämlich die Frage: Besteht Demokratie ausschließlich aus einem Kreuzchen hier bei uns im Lande Bremen oder besteht Demokratie aus mehr? Hier sind diese zwei Stränge: Die direkte Demokratie stärken durch die Frage Volksbegehren, Volksentscheid, durch das direkte Abgeben von Macht und Einfluss an die Bevölkerung – das ist ja eine Schiene, die wir mit dem Bürgerantrag jüngst auch wieder in ihren Möglichkeiten verbessert haben – und die andere Schiene, bei Wahlen selbst zu den Parlamenten mehr Möglichkeiten einzuräumen, eine Auswahl zu treffen und den Wählerinnen und Wählern mehr Möglichkeiten zu geben, auf die Arbeit

der Parteien bei der Personenaufstellung auch Einfluss zu nehmen!

Ich hoffe, dass die sehr positiven Reden von Frau Hannken und Herrn Tschöpe auch signalisieren, dass SPD und CDU auch an einem positiven Ergebnis dieses Ausschusses interessiert sind. Ich gehe davon aus. Es ist meine Arbeitsgrundlage, dass dies so ist. Dann können wir im Oktober, noch rechtzeitig, um möglicherweise zur Bundestagswahl so weit zu sein, einen Vorschlag zur Änderung des Wahlrechts vorlegen.

Sie wissen sehr genau, dass die Initiative Mehr Demokratie e. V., die schon erwähnt worden ist, die diesen ganzen Vorschlag ausgearbeitet hat – und in Hamburg im Übrigen gegen den Willen von CDU und SPD auch durch Volksbegehren durchgesetzt hat –, parallel zu unseren Beratungen hier Unterschriften für die Einleitung eines Volksgesetzgebungsverfahrens sammeln wird. Das finde ich eine gute Sache. Wir Grünen haben die Initiative in diesem Punkt auch immer unterstützt.

Ich glaube, dass der Druck, die Fehler von Hamburg zu vermeiden, der Druck, parallel auch einen Volksentscheid und ein Volksbegehren einzuleiten, sicherlich auf dieses Parlament eine positive Wirkung haben wird, dann auch im Herbst 2005 zu einem Ergebnis zu kommen, das keine Alibiveranstaltung ist, was keine Veranstaltung ist zu sagen, wir haben das Wahlrecht zwar geändert, aber nur mit dem Ziel, dass sich möglichst wenig ändert, sondern dass wir in der Substanz da, wo Verfassungsbedenken – und die sind hier zu Recht angesprochen worden –, aber auch politische Bedenken, weil wir bei einzelnen Punkten auch politische Bedenken haben, ob wirklich alles richtig ist, was nun in diesem Vorschlag steht, zwar ernst genommen werden, dass wir auch nicht alles kritiklos übernehmen, was in dem Vorschlag steht, wir aber am Ende ein Paket schnüren, das in der Substanz tatsächliche Verbesserungen für die Wählerinnen und Wähler bringt. Das wird der Maßstab sein, das Kriterium für Bündnis 90/Die Grünen, ob wir diesem Vorschlag dann am Ende zustimmen können.

Gibt es Verbesserungen bei der Entscheidungsmöglichkeit für die Wähler, dann werden wir es mittragen. Ist es nur ein Alibipaket, dann werden wir den Weg gemeinsam mit der Initiative außerhalb des Parlaments in der Volksgesetzgebung gehen, weil ich glaube, dass die Bevölkerung ein Recht hat, in Zukunft bei den Wahlen in Bremen stärker beteiligt zu werden. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort Herr Senator Röwekamp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Senat begrüße ich, dass das Parlament sich in dieser sachkundigen Weise dem Thema einer möglichen Wahlrechtsreform nähern möchte, ohne es natürlich zu unterlassen, darauf hinzuweisen, dass es zahlreiche Aspekte dieser Reform selbstverständlich schon in der parlamentarischen Diskussion der letzten Jahre gegeben hat.

Die Fragen, ob kumulieren und panaschieren, ob Wahlkreise oder keine Wahlkreise für Bremen sinnvoll und verständlich und auch, sagen wir einmal, sinnvoll umzusetzen sind, sind ja Fragen, die uns in der Vergangenheit schon beschäftigt haben. In dieser Komplexität ist es vernünftig, sich noch einmal sehr genau die einzelnen Vorschläge anzuschauen und gegebenenfalls dort, wo Veränderungsmöglichkeiten bestehen, diese zu ergreifen. Ich finde nur, wir sollten uns alle davor hüten, die Erwartungen, die wir mit einer Wahlrechtsreform verbinden, allzu hoch zu schrauben.

Ich glaube, wir werden sehr bald spüren, dass zur Begeisterung für die Beteiligung an Wahlen immer zwei gehören: eine Gruppe, die appelliert, und eine andere Gruppe, die es wahrnimmt. Ob man durch eine organisatorische Veränderung des Wahlrechts tatsächlich mehr Mitbürgerinnen und Mitbürger dafür begeistern kann, am demokratischen Meinungsbildungsprozess teilzunehmen, bleibt abzuwarten. Ich habe da zumindest ein gerüttelt Maß an Zweifel, ob wir durch eine allein organisatorische Veränderung zu einer aktiveren Teilnahme an Wahlen kommen werden.

Darüber hinaus warne ich davor, nun zu glauben, was die Initiative vorgestellt hat, könne man eins zu eins auf Bremen übertragen. Bremen ist anders als Hamburg, und ich glaube, die Hamburger werden selbst in ihrer Umsetzung dieser Wahlrechtsreform auch noch die eine oder andere Erfahrung machen, die wir als Bremer tunlichst vielleicht von Anfang an vermeiden sollten. Dass das gesamte Abstimmungsverfahren zur Wahlrechtsreform in Hamburg unglücklich gelaufen ist, ich glaube, darüber sind wir uns einig. Deswegen würde ich es sehr begrüßen, wenn wir insgesamt zu einem breiten parlamentarischen Konsens kämen, der die ja hier offen gestellten verfassungsrechtlichen Fragen eben auch hinreichend berücksichtigt.

Natürlich ist es schwieriger, in einem kleineren Zwei-Städte-Staat über Wahlbereichslisten zu reden, als es in Hamburg der Fall ist. Wir müssen darauf achten, dass das, was wir umsetzen, auch tatsächlich immer noch eine gewisse Form von Repräsentation hat und das Verhältnis von Bürger zu auswahlberechtigten Abgeordneten nicht zu klein wird.