Nun hatten wir im Sommer vergangenen Jahres einen Gesetzesvorschlag aus Hessen, da ist ein Herr Koch Ministerpräsident, deshalb hörten wir zu diesem Vorschlag aus Hessen sozusagen reflexartig in Bremen die Zustimmung der CDU zu dieser Idee, einen bestimmten Straftatbestand einzuführen. Auch wenn wir sagen, dass wir das im Prinzip jedenfalls richtig finden, dass wir hier diesen Weg gehen, einen Straftatbestand zu schaffen, haben wir gesagt: Eigentlich schon, aber es muss genauer gefasst werden, so wie vorgeschlagen geht es nicht! Wie wir es diskutiert haben, so sehen es auch außer uns ganz viele andere Juristen. Es gibt mittlerweile eine ganze Fülle von unterschiedlichen Vorschlägen zu dieser Frage. Wir sagen, wir sehen den Bedarf einer Verbesserung. Daran soll der Senat weiter arbeiten, aber es muss im Einzelnen geklärt werden, wie denn die verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllt werden können.
Es gibt aus mehreren Bundesländern Vorschläge, an denen gearbeitet wird. Das ist auf einem guten Weg, und wir sehen, dass sich der Senat sehr differenziert zu den einzelnen Vorschlägen geäußert hat. Manches ist auch noch nicht zu Ende diskutiert. Es geht mir persönlich auch so, dass ich den Vorschlägen im Grundsatz vieles abgewinnen kann, aber ob
es richtig ist, einen neuen Tatbestand in der Strafprozessordnung zu schaffen, der es ermöglichen würde, Stalker zur Abschreckung in Untersuchungshaft zu nehmen, da habe ich so meine Zweifel, ob das der Königsweg ist. Darüber wird man noch weiter diskutieren müssen.
Wir wollen aber auch, dass das Gewaltschutzgesetz präzisiert wird. Dazu gibt es Vorschläge. Auch in den SPD-regierten Bundesländern gibt es Formulierungsvorschläge, aber wir sagen nicht, das ist alles gut, weil es von der SPD in den anderen Bundesländern mitgetragen wird, sondern auch da sagen wir, es muss genau geschaut werden, welche Veränderungen hier beschlossen werden sollen. Wir sagen also, im Grundsatz ist es sinnvoll, aber bitte doch so, dass die Praxis der Gerichte damit etwas anfangen kann. Deshalb ist es notwendig, dass hieran weiter ganz präzise gearbeitet wird. Wenn wir es richtig verstehen, das ergibt sich aus der Antwort des Senats, ist der Senat dabei, über die Arbeitsgruppe des Bundesrates an diesem Thema zu arbeiten.
Insgesamt können wir sagen, das Gewaltschutzgesetz ist ein positives Beispiel dafür, wie gesetzliche Regelungen zum Schutz von sozial Schwächeren in unserer Gesellschaft wirken können. Wir sind da auf einem richtigen Weg. Wir sollten uns um dieses Thema hier nicht politisch zerstreiten, finde ich. Das haben wir in der Vergangenheit auch nicht getan. Ich darf hier für meine Fraktion den Wunsch äußern, dass der Senat uns über die weiteren Beratungen im Bundesrat auf dem Laufenden hält, so dass wir bei nächster Gelegenheit das Thema hier erneut aufrufen können. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beraten heute über die Große Anfrage der Koalition zum Thema Stalking. Stalking ist, wie Herr Grotheer schon sagte, ein englischer Begriff und eigentlich ganz niedlich mit anschleichen oder anpirschen zu übersetzen, was aber in keinem Fall das wiedergibt, was sich hinter Stalking wirklich verbirgt, denn Stalking ist die fortgesetzte Verfolgung, Belästigung und Terrorisierung eines Mitmenschen. Das geht über Monate, teilweise über Jahre, manchmal ein Leben lang! Stalking ist Psychoterror, und darüber sollte man hier deutlich reden.
Die Menschen, die Opfer von Stalking werden, werden im Leben, in ihrem psychischen Dasein stark beeinträchtigt, stark gestört. Es gibt in Deutschland ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Woran erkennt man Stalking? Herr Grotheer hat vorhin schon ein paar Beispiele genannt. Es kann mit harmlosen Telefonanrufen beginnen, mit SMS, die geschickt werden, E-Mails, die geschickt werden. Da wird sich jeder denken, okay, das hat man auch schon einmal erlebt, dass man eine SMS oder EMail bekommen hat, die man nicht haben wollte, es wird dann aber vernachlässigt. Es steigert sich aber. Es geht zu einer ständigen Präsenz, dass derjenige, der das Opfer verfolgt, vor der Haustür steht, dass Drohungen ausgesprochen werden, dass Beleidigungen ausgesprochen werden, dass Verleumdungen ausgesprochen werden. Es geht so weit, dass tatsächlich Sachbeschädigungen eintreten, jeder kennt das, die zerstochenen Autoreifen zum Beispiel, dass es zu Einbrüchen kommen kann, auch zu Körperverletzungen, selbst Totschlag und Mord sind nicht ausgeschlossen. All das kann eine Folge sein und im Zusammenhang mit Stalking gesehen werden.
Charakteristisch für Stalking ist eben, dass es kontinuierlich stattfindet, dass es häufig stattfindet. Statistisch gesehen dauern diese Stalkingfälle über zwölf Monate. Das heißt, dass ein Mensch zwölf Monate verfolgt wird, und das muss man sich einmal vorstellen, selbst wenn es nur Telefonanrufe sind. Wenn Sie zwölf Monate lang zu jeder Tages- und Nachtzeit Telefonanrufe bekommen, wissen Sie, wie das Ihr Leben beeinträchtigen kann.
Die Stalkingopfer sind nicht, wie es am Anfang oftmals in der Presse dargestellt wurde, prominente Fälle wie Jeanette Biedermann und andere, die belästigt worden sind, sondern Stalking kommt in allen gesellschaftlichen Schichten vor, es ist überall vorhanden. Die Opfer sind meistens Frauen, Männer auch, aber nur zu geringeren Anteilen. Männer sind in diesem Fall eher Täter als Opfer. Die Menschen, die von Stalking betroffen sind, sind oftmals zwischen 20 und 40 Jahre alt. Das ist die Altersgruppe, die am meisten von den Stalkingfällen betroffen ist.
Was können die Opfer tun, was kann die Frau tun, die Opfer eines anderen geworden ist, der sie belästigt, der sie verfolgt, der sie bedroht? In anderen Ländern gibt es derzeit schon die Möglichkeit, dass dies strafrechtlich verfolgt wird. In den USA, Kanada, Australien, Großbritannien, Irland, Belgien und den Niederlanden gibt es Gesetze, die das Stalking als Straftatbestand eingeführt haben. Dort finden sich Formulierungen, die lauten, dass eben das vorsätzliche, mit böswilliger Absicht und wiederholte Verfolgen und Belästigen einer anderen Person oder Drohen unter Strafe gestellt wird. In Deutschland gibt es bisher keinen separaten Straftatbestand. Es ist zwar so, dass Stalking oftmals in der Verbindung mit schon erfassten Straftatbeständen läuft wie dem
Hausfriedensbruch, falschen Verdächtigungen, Beleidigung, Körperverletzung, Nötigung, aber die Mehrzahl der Handlungen, die zum Stalking gehören, wird eben von diesen klassischen Tatbeständen nicht erfasst. Derzeit haben die Opfer von Stalking in Deutschland nur die Möglichkeit, sich auf zivilrechtlichem Weg oder über den durch das Gewaltschutzgesetz ausgewiesenen Weg zu wehren.
Nun muss man aber sagen, auch wenn Herr Grotheer das Gewaltschutzgesetz hier gelobt hat, das Gewaltschutzgesetz ist nicht erlassen worden, um die Menschen, insbesondere die Frauen, vor Stalking zu schützen, sondern das Gewaltschutzgesetz ist in erster Linie ein Instrument gegen häusliche Gewalt und nicht gegen Stalking. Insofern weist es natürlich auch viele Lücken auf, wenn man an die Verfolgung von Stalkingfällen denkt, weil es eben nicht der eigentliche Sinn dieses Gesetzes war.
Das Gewaltschutzgesetz verweist weiterhin auf den Zivilrechtsweg. Herr Grotheer hat es ausgeführt. Sie brauchen zunächst eine richterliche Anordnung im Wege der Unterlassungsklage oder eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, dass dienjenige Person, die Sie verdächtigen für den Stalkingfall, sich Ihnen nicht mehr nähern darf. Das bedeutet, dass die Frau sich zunächst an ihren Anwalt wenden muss oder selbst zum Gericht geht, um dort eine einstweilige Anordnung zu beantragen oder eine Klage einzureichen.
Erst wenn der Richter diese Anordnung erlassen hat, hat sie die Möglichkeit, über Paragraph 4 des Gewaltschutzgesetzes Strafanzeige zu stellen, wenn der Täter sich gegen diese Auflage des Gerichts gewandt hat. Es ist nach wie vor ein zivilrechtlicher Weg und kein strafrechtlicher Weg, der gegangen wird. Das führt zu dem Problem, dass natürlich eine unterschiedliche Handhabung der Gerichte entstanden ist. Wer sich etwas näher mit den Stalkingfällen befasst hat, wird auch Gerichtsentscheidungen lesen, die mehr als entmutigen und dazu führen, dass die Opfer nicht diesen Tatbestand weiterverfolgen, sondern resignieren und es weiter hinnehmen, denn dort wird in Entscheidungen oder Beschlüssen ausgeführt, das wäre reine Privatsache, und es wäre eine Tatsache, die nichts mit Gerichten zu tun hat.
Ich sage ausdrücklich, das sind Gerichtsentscheidungen nicht aus Bremen! Bremen ist in diesem Bereich sehr vorbildlich. Bremen hat sich sowohl, was die Staatsanwaltschaft als auch, was die Polizei angeht, sehr vorbildlich dieses Themas angenommen, eine Hotline geschaltet, bietet Beratung an, bietet Hilfe an, aber wir reden nicht nur über Bremen, sondern wir reden über Stalkingfälle in ganz Deutschland und eine Handlungsmaxime, die eben auch dann auf ganz Deutschland gerichtet werden muss.
Ein weiteres Problem, das wir haben, wenn wir das Ganze nur zivilrechtlich verfolgen können, ist, dass
auch den Tätern nicht geholfen wird. Das Gewaltschutzgesetz sieht natürlich keine Vorkehrungen vor, was mit dem Täter passiert. Der Täter ist oft psychisch krank. Das sind oftmals sehr kranke, hilflose Menschen, die eben auch nicht mehr wissen, wie sie mit bestimmten Situationen umgehen müssen. Nach dem Gewaltschutzgesetz und den zivilrechtlichen Maßnahmen hat man keinerlei Möglichkeit, hier die Täter in einer Therapie unterzubringen, das heißt, auch dort wird es dem Stalkingtatbestand nicht gerecht, was es bisher in Deutschland gibt.
Wir präferieren daher, dass Stalking als Straftatbestand in das Strafgesetzbuch aufgenommen wird. Es gibt dazu einen Entwurf von Hessen, der im Sommer vorgelegt wurde, der vorsieht, dass Stalking als Straftatbestand in Form des unzumutbaren Nachstellens und Verfolgens in das Strafgesetzbuch aufgenommen und mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft wird. Dazu muss man wissen, die Strafandrohung im Gewaltschutzgesetz liegt erheblich darunter.
Nun wurde im Laufe des letzten halben Jahres Kritik an diesem Vorschlag von Hessen laut, man sagte, der Tatbestand sei zu unbestimmt gefasst. Es gab daraufhin weitere Initiativen, die das aufgegriffen und versucht haben, den Begriff Stalking näher und besser zu definieren, um einen Straftatbestand zu schaffen. Es gibt jetzt einen Vorschlag von Bayern, dem sich zwischenzeitlich auch Schleswig-Holstein, Hessen, Niedersachsen und Hamburg angeschlossen haben, der eine Ergänzung des Strafgesetzbuches um den Straftatbestand einer schweren Belästigung vorsieht. Diese wird dann mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft.
Ich finde es richtig, dass übergreifend – und ich glaube, das ist auch keine Frage zwischen den drei Parteien, sondern es ist mehr eine Frage, wie man das Ganze bekämpfen möchte – zwischen diesen Ländern der Weg gewählt worden ist, eine verfassungsrechtlich sichere Norm ins Strafgesetzbuch aufzunehmen, aber nach außen hin auch deutlich zu machen, dass wir Stalking als Straftatbestand sehen und dieses Unrecht auch bestraft haben möchten. Ich würde mir wünschen, dass der Senat den Antrag dieser eben genannten Bundesländer unterstützt und auch die Initiative unterstützt, den Bereich Stalking mit ins Strafgesetzbuch aufzunehmen.
Ich möchte gar nicht so sehr auf die einzelnen Formulierungen eingehen und darüber definieren, ob das nun bestimmt genug ist oder nicht. Das ist vielleicht eine Frage, die man einmal im Rechtsausschuss diskutieren kann. Ich glaube, das würde diese Debatte heute etwas sprengen. Worum es mir geht, und das möchte ich ganz deutlich sagen: Momentan haben die Opfer, es sind meistens Frauen, nur die Möglichkeit, dass sie sich ans Gericht wenden und selbst herausfinden müssen, welchen Weg sie dort gehen können, und zivilrechtlich vorgehen.
Das sind aber meistens nicht Frauen, die sich wie Herr Grotheer oder vielleicht Herr Köhler oder Herr Scherf genau mit den Gesetzen auskennen, genau wissen, an wen sie sich wenden sollen, genau wissen, was sie machen sollen, sondern sie sind in einer Situation, in der sie psychisch schon ganz unten sind, weil sie nicht erst seit drei Tagen, sondern meist schon über einen sehr langen Zeitraum belästigt und bedroht worden sind. Sie sind psychisch unten, und ich finde, man kann ihnen in dieser Situation nicht zumuten zu sagen, nun gehe erst einmal zum Gericht, reiche erst einmal deine Klage ein, und dann sieh einmal, was weiter passiert.
Ich finde, man muss diesen Frauen sagen können, ihr könnt euch an den nächsten Polizisten wenden. Er kann eingreifen, er kann vorangehen, er kann zu dem Täter nach Hause gehen, er kann den Täter auch damit abschrecken, dass er sagt, es ist ein Straftatbestand, und er wird mit bis zu zwei oder drei Jahren Haft bestraft. Das muss man diesen Frauen, wie gesagt, meist sind es Frauen, den Opfern ganz deutlich machen und ihnen die Hilfe bieten, sie aber nicht auf den zivilrechtlichen Weg verweisen.
Ich denke, da ist schneller Handlungsbedarf jetzt gegeben. Die Diskussion läuft auf Bundesebene. Ich finde, Bremen sollte sich engagiert in diese Diskussion einbringen, um eben den Opfern von Stalking wirklich zu helfen. – Danke!
Meine Damen und Herren, bevor ich Herrn Köhler das Wort erteile, begrüße ich auf dem Besucherrang recht herzlich Mitglieder der SPD und der Arbeiterwohlfahrt aus Huchting. Sie werden begleitet von unserer ehemaligen Kollegin Helga Jansen. – Herzlich willkommen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktionen hier im Haus streiten lediglich um die Frage, welches die besten Mittel sind, mit denen der Staat dem Stalking begegnen kann. Damit passen wir das Recht an veränderte gesellschaftliche Verhältnisse an. Vor allem das Frauenbild hat sich verändert. Frauen werden nicht mehr als die Objekte männlicher Herrschaft angesehen.
Es ist nicht lange her, dass männliche Abgeordnete – nicht hier in der Bürgerschaft, sondern im Bundestag – sich vor Lachen auf die Schenkel geklopft haben, als die Grünen das Thema „Vergewaltigung in der Ehe“ auf die Tagesordnung gesetzt haben. Dass sich eine Frau dagegen wehrt, von einem Mann verfolgt zu werden, das wäre mancherorts vor einigen Jahren noch unter dem Motto verbucht worden, „die soll sich nicht so anstellen, das ist Privatangelegenheit“, so wie Frau Kollegin Hannken geschildert hat, dass das heute teilweise noch bei einer veränderten Rechtslage in manchen gerichtlichen Entscheidungen zu lesen ist. Ich finde es gut, dass diese Zeiten vorbei sind, Frauenbewegung sei Dank!
Opfer von Stalking sind auch heute nicht schutzlos den Nachstellungen des Täters ausgesetzt. Das rotgrüne Gewaltschutzgesetz hat eine wesentliche Verbesserung gebracht, natürlich vor allem im Bereich der häuslichen Gewalt. Im Bereich der Polizei gibt es Stalkingbeauftragte, die besonders geschult sind im Umgang mit dieser Art von Gewalt. Das, was wir heute unter dem Begriff Stalking verstehen, ist aber bislang nicht vollständig im Gewaltschutzgesetz geregelt, und auch Strafrechtsschutz – darauf sind meine beiden Vorredner eingegangen – besteht nicht in allen Fallkonstellationen, in vielen besteht Strafrechtsschutz, aber nicht in allen. Wir wissen nun, dass es Lücken gibt im System, die geschlossen werden müssen.
Im Bundesrat liegen verschiedene Vorschläge vor, wie am besten mit Stalking umgegangen werden soll. Das aus unserer Sicht entscheidende Kriterium muss sein, welche die Lösung ist, die den Opfern von Nachstellung und Belästigung am schnellsten und effektivsten hilft. Wir wollen, dass die Opfer nicht allein gelassen werden. Wenn sie sich an die Polizei oder eine andere Stelle gewandt haben, dann muss schnell alles getan werden, dass diese Belästigung aufhört.
Einfach nur einen gesonderten Straftatbestand aufzunehmen hilft da sicher nicht weiter. Es dauert viel zu lange, bis der Fall vor dem Strafrichter ist. Die Frage ist, ob das der einzige Blickwinkel sein kann. Es darf nicht der Täter im Mittelpunkt stehen, die Verfolgung des begangenen Unrechts, sondern es muss im Vordergrund stehen, dass das Opfer endlich wieder ohne Belästigung leben kann.
Hessen schlägt vor, einen gesonderten Straftatbestand für Stalking einzuführen, der – und das ist bislang noch nicht so thematisiert worden – als Privatklagedelikt ausgestaltet werden soll. Das heißt, dass das Opfer den Täter anzeigt und dann in den meisten Fällen die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellt. Das ist der Vorschlag, den Hessen eingebracht hat, der schriftlich vorliegt. Das Opfer muss dann quasi selbst den Strafprozess führen und in die Rolle des Staatsanwalts schlüpfen, unjuristisch gesprochen. Nur dann, wenn über den Lebenskreis des konkreten Opfers hinaus der Rechtsfrieden gestört ist, soll nach Auffassung von Hessen die Staatsanwaltschaft anklagen dürfen, was zum Beispiel dann der Fall wäre, wenn sich das Opfer an die Medien gewandt hat.
Dabei ist doch gerade das Problem, wenn wir uns die konkreten Stalkingfälle ansehen, dass sich die Opfer von Stalking eher zurückziehen und verängstigt sind. Auch und gerade dann, wenn nur der eigene Lebenskreis des Opfers betroffen ist, muss der Staat dem Opfer helfen. Das ist auch der Grund, warum die Gesetzentwürfe aus Bayern und Schleswig-Holstein nicht wirklich zum Ziel führen. Sie haben dasselbe Problem, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau.
Wir wollen niemandem zumuten, als Opfer einer Straftat auch noch selbst den Täter ermitteln zu müssen und die Beweise zusammentragen zu müssen, um Schutz vor Belästigung zu bekommen. Keiner der Entwürfe im Bundesrat hat zum jetzigen Zeitpunkt eine wirklich befriedigende Lösung dafür.
Ein Ausweg wäre eine Kombination der Möglichkeiten, die das Gewaltschutzgesetz einerseits bietet, und andererseits der Ermittlung der Fakten durch die Staatsanwaltschaft beziehungsweise die Polizei auch in denjenigen Fällen, in denen das bislang nicht passieren muss. Das wäre zum Beispiel möglich durch eine Ergänzung des Gewaltschutzgesetzes und ein Antragsrecht der Staatsanwaltschaft, und ein wichtiger Gesichtspunkt ist, dem Opfer dürfen selbstverständlich keine Kosten entstehen.
Eine solche Lösung hieße, dass Polizei und Staatsanwaltschaft dem Opfer schnell helfen könnten, wie auch bislang durch die besonders geschulten Stalkingbeauftragten, und das Amtsgericht, wenn es nötig ist, innerhalb weniger Tage die notwendigen Maßnahmen zum Schutz des Opfers mit dessen Zustimmung beschließt. Wenn der Täter durch die Gerichtsverhandlung immer noch nicht ausreichend beeindruckt worden ist, gibt es Sanktionsmöglichkeiten, die konkret im Alltag besser handhabbar sind als bei anderen Lösungen.
Wir wollen als Grüne eine solche Lösung, die den Schutz der Opfer in den Mittelpunkt stellt, wobei wir überhaupt nicht die Position vertreten, dass ein Strafrechtsschutz nicht in Frage käme, ganz im Ge
genteil! Eine Problematik ist nur, dass den Opfern überhaupt nicht damit geholfen wird, wenn wir eine Lösung finden, die später vom Bundesverfassungsgericht gekippt wird. Immer dann – das ist ausgeführt worden –, wenn es nicht um den Schutz der Opfer, sondern um die Verurteilung des Täters geht, müssen ganz andere rechtsstaatliche Grundsätze eingehalten werden, wie der Bestimmtheitsgrundsatz. Bei keinem der bisher vorliegenden Entwürfe sehe ich, dass dem Rechnung getragen worden ist. Da schließe ich mich der Auffassung des Justizsenators vollständig an. Wir Grünen werden uns einem Straftatbestand überhaupt nicht verweigern, wenn ein Entwurf vorgelegt wird, der alle Bedenken ausräumt.
Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum es in jedem Fall notwendig ist, das Gewaltschutzgesetz zu verbessern, dass nämlich selbst dann, wenn das Bundesverfassungsgericht zur Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung eines Straftatbestandes kommen würde, das Gesetz von der Polizei vor Ort ganz konkret angewandt werden muss. Hier macht es aus unserer Sicht Sinn, dass in einem frühen Stadium das Gericht einbezogen wird. Wir brauchen in jedem Fall eine Verbesserung im Bereich Gewaltschutzgesetz einerseits, was die Einbeziehung des Stalking betrifft, die Tatbestände, die da noch nicht erfasst sind, aber auch, was Amtsermittlung und Kosten betrifft. Der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit wird dadurch am besten gedient.
Zusammengefasst: Das rotgrüne Gewaltschutzgesetz hat sich im Wesentlichen bewährt und muss ergänzt werden, damit auch das Stalking davon erfasst wird, und es muss geregelt werden, dass in allen Fällen, in denen sich jemand durch Stalking bedroht fühlt, die Staatsanwaltschaft beziehungsweise die Polizei das Opfer unterstützen muss und für die Ermittlung des Sachverhalts zuständig ist.
Die Grünen teilen die Positionen des Justizsenators zum derzeitigen Diskussionsstand im Bundesrat. Diese sollte auch der Senat unserer Auffassung nach im Bundesrat vertreten, wenn sich nicht im weiteren Verfahren eine neue Sachlage ergibt. – Vielen Dank!