Protokoll der Sitzung vom 16.03.2005

Die neunte Anfrage in der Fragestunde befasst sich mit dem Thema „Gravierende Datenschutzmängel bei Hartz IV“. Die Anfrage trägt die Unterschrift der Abgeordneten Grotheer, Frau Peters-Rehwinkel, Böhrnsen und Fraktion der SPD.

Bitte, Frau Peters-Rehwinkel!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Wie beurteilt der Senat die von der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder im Oktober 2004 beanstandeten Datenschutzmängel bei Erfassung, Speicherung und Bearbeitung von Daten, die im Rahmen der Bewilligungsverfahren für Arbeitslosengeld II erfasst wurden, insbesondere, dass für die Sachbearbeitung ein uneingeschränkter bundesweiter Zugriff auf alle Daten besteht, auch soweit diese Daten für die Sachbearbeitung nicht erforderlich sind, dass eine Protokollierung der Zugriffe nicht erfolgt und missbräuchliche Zugriffe nicht ermittelt werden können?

Zweitens: Lassen sich die von den Datenschutzbeauftragten beanstandeten Mängel auch in Bremen und Bremerhaven feststellen?

Drittens: Ist in Bremen und Bremerhaven gewährleistet, dass den Bedenken der Datenschutzbeauftrag

ten Rechnung getragen wird und eventuelle Mängel abgestellt werden?

Die Anfrage wird beantwortet von Frau Senatorin Röpke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage eins: Der Senat hält die in der Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder aus dem Oktober 2004 vorgetragene Kritik bei der Erfassung, Speicherung und Bearbeitung von Daten im Verfahren A2LL für berechtigt. Die Software A2LL wurde im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit entwickelt und wird in den Arbeitsgemeinschaften für das Bewilligungsverfahren von Arbeitslosengeld II eingesetzt.

Die beanstandeten Mängel wurden in der Weiterentwicklung der Software A2LL aufgegriffen. Der Senat erwartet, dass in Kürze die technischen Voraussetzungen für Zugriffsbegrenzungen geschaffen werden.

Zu Frage zwei: Da sich die beanstandeten Mängel auf die technischen Möglichkeiten der bundesweit eingesetzten Software A2LL beziehen, sind sie auch in Bremen feststellbar. Durch Bearbeitungshinweise an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist klargestellt, dass unberechtigte Zugriffe nicht gestattet sind.

Zu Frage drei: Mit den technischen Zugriffsbegrenzungen und den klarstellenden Bearbeitungshinweisen sollen die festgestellten Mängel abgestellt werden.

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Nein, vielen Dank! Erfreulich ist, dass die Mängel erkannt wurden und auch abgestellt werden sollen.

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Die zehnte Anfrage steht unter dem Betreff „Unparteilichkeit und Unabhängigkeit von Sachverständigen bei der Erstattung von Gutachten über öffentliche oder öffentlich geförderte Investitionsprojekte“. Die Anfrage ist unterzeichnet von den Abgeordneten Grotheer, Frau Busch, Böhrnsen und Fraktion der SPD.

Bitte, Herr Kollege Grotheer!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Wie viele Aufträge der öffentlichen Hand, einschließlich „Konzern Bremen“ hat das Bremische Institut für Wirtschaftsforschung, BAW, von 2000 bis zu seiner Privatisierung erhalten und wie viele Auf

träge von rein privaten Auftraggebern, bitte nach Anzahl der Aufträge und Auftragsumfang gliedern?

Zweitens: Hält der Senat angesichts einseitig politischer Kommentare des Geschäftsführers der BAW GmbH in einem bremischen Anzeigenblatt – „Frank und frei“ – die für die Vergabe von Gutachtenaufträgen erforderliche Unparteilichkeit und fachliche Neutralität, wie sie auch von jedem anderen unabhängigen Sachverständigen etwa nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung, des Bremischen Verwaltungsverfahrensgesetzes, der Strafprozessordnung und so weiter verlangt wird, noch für gegeben?

Die Anfrage wird beantwortet von Herrn Senator Lemke.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage eins: Nach Auskunft des BAW wurden im Zeitraum Januar 2000 bis September 2004 65 Drittmittelprojekte mit einem Finanzvolumen von 3,6 Millionen Euro bearbeitet. Davon entfallen 51 Projekte auf Bremen und Bremerhaven einschließlich „Konzern Bremen“ mit einem Volumen von 2,95 Millionen Euro. Die übrigen 14 Projektaufträge mit einem Volumen von 0,65 Millionen Euro wurden von anderen Auftraggebern erteilt.

Zu Frage zwei: Die Anforderungen, die an die Unparteilichkeit gerichtlich bestellter Sachverständiger in Straf-, Zivil- und Verwaltungsprozessen gestellt werden müssen, sind nicht vergleichbar mit den Anforderungen an Wissenschaftler von außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die Gutachten im Rahmen von Aufträgen Dritter, unter anderem der öffentlichen Hand, erstatten. Nach dem deutschen Prozessrecht haben Sachverständige beziehungsweise Gutachter, die das Gericht bestellt, eine streit- und prozessentscheidende Beweisfunktion. Allein aus diesem Grund unterliegen sie den gleichen Anforderungen an die Unparteilichkeit wie die Richter selbst.

Diese Maßstäbe sind auf gutachterlich tätige Wissenschaftler außeruniversitärer Forschungseinrichtungen nicht übertragbar. Vergleichbare rechtliche Regelungen gibt es für diesen Bereich folgerichtig nicht. Vielmehr haben diese Wissenschaftler – und so auch der Geschäftsführer der BAW GmbH – das Recht auf freie Meinungsäußerung aus Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz sowie auf die Gewährleistung ihrer Forschungsfreiheit aus Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz. Dies gilt auch für die gutachtliche Forschung.

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Wir sehen eigentlich das Recht auf freie Meinungsäußerung in Bremen nicht als gefährdet an, deshalb haben wir den Senat auch

danach nicht gefragt, sondern uns geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen Gutachter mit solchen wichtigen Aufträgen beauftragt werden.

(Abg. F r a u L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Weil Sie immer begutachten, was dabei herauskommen soll!)

Danke schön, Frau Linnert, dass Sie das jetzt beantworten!

(Heiterkeit)

Ich habe aber noch zwei Nachfragen zur Sache. Zum einem haben wir gehört, dass etwa 80 Prozent der Aufträge aus dem öffentlichen Raum gekommen sind. Da hätten wir gern gewusst, wie sich das in dem Zeitraum von 2000 bis 2004 entwickelt hat, war das über die Jahre gleichmäßig verteilt, oder gibt es eine Tendenz?

Bitte, Herr Senator!

Da gibt es entsprechende Zahlen, die belegen, dass wir das im Jahr 2000 mit 82 Prozent hatten und das leicht rückläufig ist. Nach Auskunft des BAW lagen wir im Jahr 2004 bei zirka 70 Prozent. Ganz genau kann ich das nicht beantworten, weil die Bilanzzahlen der GmbH noch nicht vorliegen.

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Eine letzte Frage! Der Senat hat ja bekanntlich in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Gutachten in Auftrag gegeben zu wirtschaftlichen Fragen, zu Rechtsfragen, zu steuerrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Fragen. Ich erinnere daran, dass verschiedene Unternehmen wie Berger, Wibera jetzt PwC, Putz und Partner und auch bremische Anwaltskanzleien beauftragt wurden mit der Erstellung von Gutachten im Zusammenhang mit der Privatisierung von Verwaltungseinrichtungen. Das liest sich, soweit man es nachvollziehen kann, zum Teil sehr prägnant, also sehr beeindruckend, was etwa die steuerrechtliche und gesellschaftsrechtliche Beurteilung angeht. Sind dem Senat auch andere Fälle bekannt, in denen von ihm beauftragte Gutachter Kolumnen in bremischen Anzeigenblättern unterhalten, oder ist dies ein Einzelfall?

Bitte, Herr Senator!

Wenn ich mich jetzt richtig erinnere, fällt mir da nur einer ein, aber der ist nicht als Gutachter der Freien Hansestadt bestellt, das ist Klaus Allofs, der das in Fortsetzung meiner Kolumne gemacht hat.

(Heiterkeit)

Mehr sind mir aber nicht bekannt.

(Abg. G r o t h e e r [SPD]: Danke sehr, ich habe keine weiteren Fragen!)

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Köhler! – Bitte!

Letztes Jahr ist, daran erinnere ich mich zumindest, ein siebenstelliger Betrag noch einmal an dieses Institut überwiesen worden. Vielleicht können Sie das noch einmal darstellen, was damit für Ziele und Zwecke verfolgt worden sind.

Bitte, Herr Senator!

Wir wollten die GmbH in Richtung Markt orientieren und haben sie deshalb in die Selbständigkeit entlassen. Um das so verträglich hinzubekommen, haben wir damals in der Deputation beschlossen, sie mit diesem Einmalbetrag abzufinden und sie damit in die Eigenständigkeit zu entlassen. Ziel ist es, eine größere Marktorientierung und eine Abkopplung vom Staat zu erreichen.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage, Herr Köhler? – Bitte!

Vielleicht können Sie darstellen, wie das konkret aussieht, sprich wenn diese GmbH pleite geht, weil eben nicht genügend private Aufträge eingehen! Haben dann die Mitarbeiter einen Anspruch darauf, in den öffentlichen Dienst zurückzukehren?

Bitte, Herr Senator!

Die Verträge, die dort geschlossen sind, sehen eine sozialverträgliche Ausgangssituation in diesem Fall vor. Sie haben hier eine Art Bestandsschutz. Details könnte ich Ihnen in der Wissenschaftsdeputation noch einmal erörtern, aber das ist das, was ich aus der Beschlussfassung in der Deputation erinnere.