Protokoll der Sitzung vom 16.03.2005

Die Verträge, die dort geschlossen sind, sehen eine sozialverträgliche Ausgangssituation in diesem Fall vor. Sie haben hier eine Art Bestandsschutz. Details könnte ich Ihnen in der Wissenschaftsdeputation noch einmal erörtern, aber das ist das, was ich aus der Beschlussfassung in der Deputation erinnere.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege? – Bitte!

Ist der Geschäftsführer dieser GmbH immer noch Beamter des Landes Bremen?

Bitte, Herr Senator!

Das müsste ich überprüfen, das kann ich Ihnen so nicht sagen.

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Mit der Beantwortung dieser Frage ist die Fragestunde beendet.

Aktuelle Stunde

Meine Damen und Herren, für die Aktuelle Stunde ist von den Abgeordneten Dr. Güldner, Frau Linnert und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen folgendes Thema beantragt worden:

Sparpolitik der großen Koalition – chaotisch und unsozial!

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Dr. Scherf.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Linnert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man kann ja schon auch unschwer erkennen, dass die Fürsorge des Senats nicht allen Bremerinnen und Bremern gleich intensiv gilt. Als Ende Januar die Öffentlichkeit darüber informiert wurde, dass die Sache mit dem Kanzlerbrief erwartungsgemäß keine 530 Millionen Euro konsumtiv jährlich in unsere Kassen spült, wurde dem parlamentarischen Haushaltsausschuss eine Information über die Beratungsergebnisse zunächst vorenthalten. Gegenüber der Bremischen Bürgerschaft wurde eine so genannte Regierungserklärung abgegeben, und dann tagte der Koalitionsausschuss. Die Regierungserklärung ließ viele Fragen offen. Der Haushaltsausschuss hat in seiner letzten Sitzung versucht, wenigstens ein paar davon aufzuklären, auch nur mit mittelmäßigem Erfolg. Aber das Leben geht weiter, und die Hoffnung stirbt zuletzt, jetzt werden wir regelmäßig über die Ergebnisse des Koalitionsausschusses informiert.

Klar geworden ist auch, dass die Aussage von Bürgermeister Scherf im DeutschlandRadio, dass es nämlich einen so genannten Plan B gibt, also für den über einen längeren Zeitraum hin zu erwartenden Fall, dass der Kanzlerbrief nicht das bringt, was man sich hier erhofft hat. Die Aussage, dass es diesen Plan B gibt, entsprach nicht der Wahrheit. Es gab keinen Plan B!

Die Koalition, wie ein Hühnerhaufen, hat sich nun überlegt, dass jetzt aber endlich einmal richtig ordentlich gespart werden soll. Da wurde dann auch das Ziel erfunden, einen ausgeglichenen Primärhaushalt vorzulegen, und Senator Nußbaum hat sich heroisch bereit erklärt, Sparvorschläge zu machen. Ganz schön selbstbewusst, aber man kann es auch übertreiben, Herr Senator! Ich glaube nämlich, dass für das Erar

beiten von Sparvorschlägen in diesen Zeiten und auch mit dieser Vorgeschichte nicht die Achse HoffmannNußbaum allein ausreicht, sondern dass man dafür andere Verfahren und auch ein anderes Politikverständnis braucht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dieses Verfahren, was Sie da wählen, entspricht jedenfalls nach grüner Sicht dem Politikverständnis des vorletzten Jahrhunderts. Einsame Männer in den mittleren Jahren

(Heiterkeit)

meinen hier, sie könnten hinter verschlossenen Türen vorgeben, wo es langgeht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zurufe von der SPD)

Privat einsam, das habe ich damit nicht gemeint!

Sparlisten erreichten die Koalitionsausschüsse, und die beschäftigen sich damit dann am 28. Februar und 25. Februar und am 13. und 14. März. Die Öffentlichkeit bekommt dann zum Teil Widersprüchliches, zum Teil Sonderbares, zum Teil auch Erschreckendes geboten, keine Beteiligung von Fachdeputationen, keine Beteiligung des Haushalts- und Finanzausschusses. Herr Kollege Böhrnsen, das will ich jetzt hier doch einmal sagen zu der Frage, wie Sie hier Politik machen, das verantworten Sie auch, aber Ihnen, ich glaube, Ihnen allein habe ich das immer abgenommen, dass es Ihnen wichtig war, die Rechte des Parlaments zu stärken, zu sehen, dass es in der Demokratie etwas anderes ist, als ein Unternehmen zu leiten, und dass man hier Beteiligungs- und demokratische Prozesse braucht und man das Problem, das eine große Koalition per se für die demokratische Kultur bedeutet, nicht weiter anheizen darf, indem man in so einer Art und Weise mit dem Koalitionsausschuss umgeht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es wäre weltfremd, es geht hier nicht darum zu sagen, dass es keine Koalitionsausschüsse geben darf. Die gab es in Ampelzeiten auch, die haben sich auch regelmäßig getroffen und haben auch gearbeitet, das ist nicht der Punkt. Aber es ist so weit gekommen, dass der Kollege Schrörs sich hier gestern in der Debatte über die Kulturhauptstadt hinstellt und Koalitionsausschussbeschlüsse zitiert. Es ist so weit gekommen, dass Köpfe erfunden werden für Koalitionsausschussvorlagen, die man dann der Verwaltung aufgibt, wie sie da arbeiten sollen. Es ist so weit gekommen, dass man bei Senator Gloystein gar nicht weiß, ob er den Unterschied zwischen Koalitionsaus

schuss und Senat überhaupt kennt! Ich empfehle ihm einmal einen Blick in die Verfassung!

(Bürgermeister D r. G l o y s t e i n : Ich habe hier gestern eine Senatsaussage ge- macht!)

Sie haben hier fröhlich erzählt, was der Koalitionsausschuss beschlossen hat, das können wir ja im Protokoll nachlesen. So weit ist es gekommen! Das ist ein Unterschied zu der demokratischen Kultur, wie sie vorgesehen ist und wie sie hier auch früher praktiziert wurde. Niemals wäre es in Ampelzeiten so weit gekommen, dass Koalitionsausschussverabredungen hier dem Parlament als Beschlüsse serviert worden wären. Bürgermeister Wedemeier hat immer peinlich darauf geachtet, dass dabei nichts weiter herauskommt als Empfehlungen an den Senat. Wie wird hier mit den Verfassungsgremien in Bremen in dieser Zeit umgegangen! Herr Böhrnsen, das enttäuscht mich auch von Ihnen persönlich. Ich habe Ihnen das geglaubt, dass Ihr Verfassungsverständnis ein anderes ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die vorgelegten Sparlisten, sie sickern ja nun langsam oder mehr oder weniger schnell durch, die Zeitung hat sie meistens schon am selben Tag, jedenfalls der „Weser-Kurier“, enthalten für Eingeweihte, für diejenigen, die hier schon länger Politik machen, dazu gehöre ich, alles alte Bekannte: vom Gewoba-Verkauf über das Streichen der Wettmittel und das Landespflegegeld und die Aufhebung der Lehr- und Lernmittelfreiheit. Es gibt niemanden, der in den letzten Jahren nicht über diese Punkte hier schon intensiv diskutiert hat! Deshalb haben Sie die aufgenommen, die alten Bekannten. Dann hätte man die alten Bekannten vielleicht auch neu fachlich beraten können. Es hat ja Gründe, warum einige dieser Vorschlägen in der Vergangenheit zum Teil auch mehrfach verworfen wurden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Sparlisten enthalten neben vielen alten Bekannten auch viel Murks, Privatisierung der Toiletten, die noch laufende Verträge über zwanzig Jahre haben, Streichung der Landschaftsprogramme, das hörte sich irgendwie grün an, das konnte man da noch gut hineinpfriemeln, oder die Fusion von Einrichtungen, die es gar nicht mehr gibt, wie das Arbeitsförderungszentrum oder die Schulpädagogische Arbeitsstelle. Daran kann man sehen, dass es besser ist, wenn man mit ein bisschen mehr Sachverstand und ein bisschen mehr Mut für öffentlichen Diskurs Sparpolitik angeht.

Es gibt auch sinnvolle Maßnahmen in den Listen wie die Neuordnung des Bereiches Immobilien- und Gebäudemanagement, das wäre dann der dritte Versuch der großen Koalition, in den Bereich end

lich einmal Grund hineinzubekommen, oder die, glaube ich, schon mehrfach beschlossene Auflösung von Judit oder der Abbau des Zuschusses für die Rennbahn. Wir werden diese sinnvollen und richtigen Maßnahmen, wenn Sie sie denn verabredet haben und die parlamentarischen Gremien auch davon in Kenntnis setzen, was jetzt genau verabredet ist, nach einer sachgerechten parlamentarischen Beratung mitbeschließen. Für uns steht die Notwendigkeit weiterer eigener bremischer Sparanstrengungen außer Frage.

Wir sind allerdings dafür, im Personalbereich den Tarifvertrag zu übernehmen, der zwischen dem Bund, den Kommunen und ver.di verabredet wurde. Wir können ja beim Nachtragshaushalt morgen noch ein bisschen intensiver darüber reden. Da haben wir eine ganz klare Auffassung. Der Entwicklung Bremens und auch den notwendigen Sparanstrengungen tut es besser, wenn man diese Taube nimmt, die man da bekommen kann, und nicht auf einen ungefangenen Fisch verweist.

Ausführlich möchte ich in meiner Rede auf die Verabredungen für den Sozialbereich eingehen, weil das wirklich das ist, wovon ich denke, dass die Diskrepanz zwischen Wollen und Können am deutlichsten zutage tritt. Zwanzig Jahre lang gibt es in Bremen, einige von Ihnen werden es vielleicht auch gemerkt haben, Sparpolitik im Sozialbereich. Zwanzig Jahre lang! In Ampelzeiten, ich kann mich noch ziemlich gut daran erinnern, und auch in der Zeit davor ist geschaut worden, wie man im Sozialbereich und bei den Sozialleistungen Geld einsparen kann. Trotz des interessengeleiteten Gerüchtes, dass dort noch ordentlich etwas zu holen ist, und weil es offensichtlich in vielen Kreisen auch als schick gilt, auf dem Sozialbereich herumzuhacken, ist es so, dass dort so gut wie nichts mehr zu holen ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Längst haben wir im Kindergarten Standards, die hinter vergleichbaren Großstädten zurückbleiben, und wir haben die höchsten Elternbeiträge im ganzen Umland und auch im Vergleich mit anderen Kommunen. Was Sie im Kindergartenbereich verabredet haben, bedeutet, dass die jetzt vorhandenen 2900 Ganztagsplätze im Jahr 2009, wenn Sie das Ziel, Ihren Primärhaushalt auszugleichen, auch nicht erreicht haben, auf 500 Plätze geschrumpft sind. Das ist völliger Irrsinn! Das ist eine Politik, die gegen Kinder, Frauen und Familien gerichtet ist. Die Zeche werden die Frauen zahlen und die benachteiligten Kinder, bei denen wir uns hier ja eigentlich immer einig waren, dass sie einer besonderen Förderung bedürfen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Jetzt zum Bereich Sozialleistungen! Da hat der Koalitionsausschuss verabredet, dass in diesem Be

reich, der seit Jahren unter dem größten Spardruck aller Bereiche steht, weitere 25 Millionen Euro eingespart werden müssen. Der Öffentlichkeit gegenüber wird verschwiegen, dass dazu noch weitere 20 Millionen Euro kommen, die aus dem Haushalt 2004 resultieren, den Sie ja in dem Nachtragshaushalt, den Sie morgen vorlegen wollen, nicht ausgleichen wollen. Allein die öffentlich gespielte Posse, dass bei den Asylsuchenden in Bremen Wohltaten ausgeschüttet werden, womit man ja den Rechten immer rote Teppiche ausrollt und irgendwelche Mondzahlen im Vergleich zu Hamburg in die Presse bringt, zeigt, mit welcher Einstellung Sie daran gehen.

Es ist übel, was Sie da tun! Einrichtungen für Behinderte werden diejenigen sein, die als Erste die Zeche zahlen. Wissen Sie eigentlich gar nicht mehr, dass Bremen mit der Auflösung von Blankenburg Schritte gegangen ist, um die uns andere beneidet haben? Da waren Menschen, die selbständig hätten leben können, wenn sie denn gefördert worden wären, die haben ihr Bett nicht verlassen. Der angeblich so hohe Standard der bremischen Behinderteneinrichtungen hängt mit der Blankenburgnachfolge zusammen, wofür wir bundesweit gelobt werden und uns immer noch Leute darauf ansprechen, dass das sozialpolitisch der richtige Weg gewesen ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Jetzt Orientierung am Bundesstandard, wie ignorant!

Kürzungen für wohnungslose Menschen und in der Familienhilfe, als sei es nicht richtig, die Familie als Lebensform zu stärken, und als sei es nicht so, dass in Zukunft der Bedarf steigen wird, weil wir mehr Familien haben, die Hilfe brauchen, weil wir mehr behinderte Menschen haben werden, die Hilfe brauchen, und weil wir auch mehr ältere Menschen haben, die in Einrichtungen leben werden.

Was mich, glaube ich, am meisten geärgert hat, ist wirklich die massive Unkenntnis und Ignoranz, mit der Sie an den Bereich Pflegeeinrichtungen herangehen. Das ganze Haus war sich einig – übrigens BAW-Gutachten, das ist jetzt auch ein bisschen verfrüht –, dass der Pflegebereich oberzentral wichtige Funktion für Bremen ausübt und dass wir Dienstleistungen in Konkurrenz zu anderen hier anbieten wollen und dass das ein wichtiger Wirtschaftsstandortfaktor für Bremen ist. Was machen Sie? Jetzt schaffen Sie die gesetzlich geregelten Zuschüsse zu den Investitionskosten ab! Das wird dazu führen, dass es für Menschen, die in Einrichtungen leben, von heute auf morgen, also ab 1. Januar 2006 können Sie das erst umsetzen, eine Steigerung der Miete von 300 Euro pro Monat geben wird. Schütteln Sie nicht den Kopf, Herr Böhrnsen, es ist einfach so, und Sie wollen es nicht wissen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Glocke)

Eine solche Steigerung von Kosten mutet man niemandem sonst in Bremen zu, keiner einzigen Bevölkerungsgruppe. Was glauben Sie eigentlich, was das für die Menschen bedeutet, wenn sie alle paar Tage aus der Zeitung erfahren, dass die große Koalition die 25 Prozent Bremerinnen und Bremer, die auf Hilfe des Staates angewiesen sind, als Kostenfaktoren sieht und als sonst gar nichts!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Art und Weise, wie Sie Ihre Sparpolitik angegangen sind, schadet der demokratischen Kultur, ist chaotisch und unsozial und schadet so, wie Sie es anfangen, auch der Zukunft Bremens.