Protokoll der Sitzung vom 16.03.2005

Ich finde, hier kann Bremen richtig von Bremerhaven lernen, und das ist doch auch einmal etwas Schönes im Lande. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Krusche.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Große Anfrage „Verkehrssicherheit für Kinder optimieren“ geht schon durch die Fragestellung stark davon aus, dass Kinder aufgeklärt, trainiert, durch Helme geschützt werden können, um ihre Gefährdung zu verringern. Ich finde, die Fragen reduzieren einseitig die Gefahrensituation auf Kinder, das heißt die Schwächsten des Verkehrsgeschehens. Die Verkehrssicherheit wird nicht durch die Kinder gemindert, sondern ich bin der Auffassung, dass sie durch die allgemeine Verkehrssituation in den Städten gemindert wird, durch die gebaute und auch oft verbaute Umwelt, durch das Fehlen von Freiflächen in den Städten und auch durch manchen rücksichtslosen Erwachsenen.

Meine Vorredner haben es gesagt: Viele Unfälle passieren beim Spielen der Kinder. Klar, sie rennen unvorhergesehen zwischen parkenden Autos auf die ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Straße, sie rennen hinter Bällen her, sie überqueren plötzlich Straßen. Natürlich kann man Kinder weitestgehend darauf dressieren, dass sie nichts Unerwartetes oder Unüberlegtes tun, nur, die Frage ist dann einfach: Sind sie dann noch Kinder?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das, was die Kinder tun, tun sie, weil sie Kinder sind. Kinder müssen rennen, toben, laufen und finden kaum noch öffentliche Räume, wo sie das ohne Gefahr tun können. Das ist, glaube ich, ein Hauptproblem unserer Städte, unseres Städtebaus und nicht so sehr eine Sache von Herrn Röwekamp, sondern eigentlich eine Sache unseres Bausenators, sich in Zukunft darüber Gedanken zu machen, wie man hier kinderfreundlicher vorgehen könnte.

Die Gefährdung der Kinder im Straßenverkehr hat ihre Ursachen also zuallererst eben nicht darin, dass Kinder da sind, sondern es geht um das Umfeld. Wir Grünen sagen daher auch: Wenn man Kinder schützen will oder die Sicherheit der Kinder optimieren will, dann müssen wir vor allen Dingen die gebaute Umwelt verändern, sie kinderfreundlicher machen, aber auch bestimmte verkehrspolitische Maßnahmen ergreifen.

Erwachsene fahren Autos, häufig zu schnell, planen und bauen Straßen und Häuser, aber Flächen, in denen Kinder ihre Freiheit finden, werden nicht immer mitgedacht. Aus meiner Sicht sind es die folgenden Punkte, die Verkehrssicherheit mindern: Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit, Fahren mit der Haltung, ich bin im Recht, Fahren ohne das Bewusstsein, eine Tonne Stahl zu bewegen, und breit ausgebaute Straßen, die zu hoher Geschwindigkeit herausfordern. Die Verkehrssicherheit wird durch das Verhalten Erwachsener gemindert, meine Damen und Herren, und nicht durch die Kinder selbst. Darauf lege ich Wert.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Gleichwohl: Bremerhaven und Bremen sind keine Dörfer, keine friedlichen idyllischen Landschaften. Wir leben in Großstädten, und insofern muss man sich natürlich darum kümmern, was man tun kann, um Kinder besser zu schützen. Vieles haben meine Kollegen schon genannt. Ich glaube aber, dass in den Kindergärten und nach meiner Erfahrung auch in den Grundschulen Verkehrsunterricht sehr sorgsam betrieben und sehr ernst genommen wird und dass auch die Polizei hier eine gute Arbeit leistet. Auch darauf wurde schon hingewiesen. Trotzdem muss uns Erwachsenen immer wieder bewusst sein, dass Kinder eben nicht umsichtig und alles wahrnehmend wie kleine Erwachsene im Straßenverkehr funktionieren, und darauf, finde ich, müssen sich die Erwachsenen

einstellen und ihre Umwelt so gestalten, dass Kinder möglichst wenig Gefahren ausgesetzt sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Für uns Grüne ist es von zentraler Bedeutung, dass Tempo-30-Zonen in unseren beiden Städten überall da sind, wo gewohnt wird, und insbesondere natürlich im Umfeld von Schulen, aber noch wichtiger ist natürlich, dass nicht nur Schilder aufgestellt werden. Wir alle wissen, dass Schilder das eine sind, aber das Verhalten von Erwachsenen das andere. Von daher gehört natürlich zu Tempo-30-Zonen auch die wirksame Überprüfung, dass Verkehrsbeschränkungen tatsächlich eingehalten und dann am besten auch kontrolliert werden.

Insgesamt glaube ich, dass wir nur gemeinsam kinderfreundliche Städte schaffen können, wenn der Bausenator dafür sorgt, dass Straßen möglichst schmal gebaut werden, wenn Ampelphasen so geschaltet sind, dass Fußgänger und insbesondere die Schwächsten, Kinder und auch die älteren Leute, genügend Zeit haben, Straßen zu überqueren. Ich persönlich würde mir wünschen, dass es wieder Zebrastreifen in unseren Städten geben sollte, und insgesamt sollten wir schauen, dass wir unseren Kindern in allen Stadtteilen Flächen zur Verfügung stellen, wo sie gefahrlos herumtollen und toben können und eben nicht wie Erwachsene funktionieren müssen. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort hat Herr Senator Röwekamp.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar, dass wir uns heute hier im Parlament noch einmal gesondert dem Thema „Verkehrssicherheitsarbeit für Kinder“ widmen können, auch wenn die Überschrift der sehr Großen Anfrage vielleicht nicht die ganze Bandbreite der Arbeit abdeckt. Deswegen will ich vorweg sagen, Herr Tittmann, das sollte ja wohl der Versuch einer versöhnlichen Rede sein, aber es war trotzdem nichts anderes als dumpfes DVU-Geschwätz, weil wir an diesem Thema schon arbeiteten, als es die DVU noch nicht gegeben hat.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Verkehrssicherheitsarbeit für Kinder war immer ein Schwerpunkt unserer Tätigkeit und wird es auch weiterhin bleiben.

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Und wo sind die Ergebnisse?)

Hören Sie einmal zu, bevor Sie anfangen zu sabbeln! Die Ergebnisse werde ich Ihnen gern sagen. Wir haben in Bremen im letzten Jahr den niedrigsten Stand an Verkehrstoten gehabt, nämlich nur sieben Verkehrstote im ganzen Jahr. Das sind zwar immer noch sieben zu viel, aber es ist ein dramatischer Rückgang gegenüber den Vorjahreszahlen, und ich bin besonders froh darüber, dass wir kein einziges verkehrstotes Kind im letzten Jahr gehabt haben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Das ist ein gutes Zeichen dafür, dass die Verkehrssicherheitsarbeit, die wir sehr breit gefächert machen, Frau Krusche, ihre Wirkung erzeugt. Natürlich bearbeiten wir, deswegen bin ich, auch wenn ich figürlich nicht so aussehe, zurzeit Bausenator wie auch Senator für Inneres, das Problem.

Wir haben eine Verkehrsunfallkommission, die sich sehr intensiv mit den Verkehrsunfallschwerpunkten in Bremen befasst, und da analysieren wir sehr genau: An welchen Punkten haben wir hier Gefährdungssituationen? Wo werden auch Kinder gefährdet? Wir sind sehr froh darüber, dass wir durch die Verkehrsunfallkommission in der Vergangenheit ressortübergreifend viele Schwerpunkte in Bremen identifizieren und die Verkehrsunfallhäufigkeit an diesen Standorten auch tatsächlich minimieren konnten. Indem wir teilweise nur Beschilderungen geändert haben, teilweise aber auch bauliche Maßnahmen ergriffen haben, haben wir einen erheblichen Beitrag zur Verkehrssicherheitsarbeit geleistet.

Da können Sie das Bauressort nicht ausnehmen. Das ist sehr konstruktiv in diesen Verhandlungen und Ergebnissen, und nach meiner Erfahrung gibt es nach wie vor, weil Sie gesagt haben, es gebe keine Zebrastreifen mehr, noch genauso Zebrastreifen in Bremen, wie es Zebras gibt.

(Abg. K l e e n [SPD]: Noch mehr!)

Ich glaube, es gibt auch in Bremen noch Zebrastreifen, wahrscheinlich noch mehr als Zebras, zumindest in Bremen, und deswegen ist Ihr Hinweis ein bisschen trügerisch.

Aber wir machen noch viel mehr als bauliche Maßnahmen, Frau Krusche, und das wird in der Antwort des Senats deutlich. Wir leisten eine sehr proaktive Verkehrssicherheitsarbeit durch die Polizei und da insbesondere durch die Kontaktbereichspolizisten. Wir sind in allen Kindergärten, wir sind in allen Schulen, wir machen Schulwegbegleitung, Schulwegerfahrung, wir sind vor den Schulen, wenn die Hauptverkehrszeiten sind. Was den polizeilichen Teil der Tätigkeit betrifft, glaube ich, sind wir so gut aufgestellt wie noch nie in Bremen und in Bremerhaven, und das zeigt eben auch der Rückgang der Zahlen.

Gleichwohl, und da appelliere ich an Sie alle, ist natürlich in diesem Bereich etwas zu verbessern. Da will ich ehrlicherweise etwas sagen, was in der Debatte bisher noch gar keine Rolle gespielt hat: Wir müssen über das Verhalten von Erwachsenen reden,

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Habe ich gesagt!)

aber wir müssen insbesondere auch, finde ich, über das Erziehungsverhalten von Erwachsenen reden. Wir tun ja in dieser Debatte so, als ob Verkehrserziehung Aufgabe des Staates wäre. Nein, meine Damen und Herren, die Aufgabe der Verkehrserziehung ist und bleibt auch vordringlichste Aufgabe der Erziehungsberechtigten!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Niemand kann Kindern verkehrsgerechtes Verhalten so gut beibringen, wie Erziehungsberechtigte für Kinder das können, und ich glaube, dass wir in dem Bereich noch eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten haben.

Ich will Ihnen einige Beispiele nennen. Es ist doch sicherlich kein Zufall, wenn wir – und ich lade Sie herzlich ein, vielleicht einmal bei der nächsten Schwerpunktmaßnahme dabei zu sein – vor Schulen Geschwindigkeitskontrollen in Tempo-30-Zonen machen, was meinen Sie, wen wir am häufigsten erwischen? Die Eltern, die in der letzten Minute ihre Kinder zur Schule fahren, und die Lehrer, die in letzter Minute zur Schule kommen!

Ich will nur sagen, da müssen wir auch über Vorbildverhalten reden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich habe aus Autos so viele Menschen aussteigen sehen, insbesondere Kinder, dass das reif für „Wetten, dass...?“ gewesen wäre, und die sind alle nicht mit richtigen Gurtsystemen und mit Kindersitzen ausgestattet gewesen! Die Eltern sind häufig schlechte Vorbilder für die Verkehrserziehung der Kinder, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Deswegen müssen wir daran arbeiten, dass Eltern sich verkehrsgerecht verhalten.

Ist es denn ein Wunder, dass die Bereitschaft zum Tragen von Helmen abnimmt? Wenn ich jetzt einmal eine Umfrage hier im Parlament mache: Wie viele von Ihnen kommen denn mit dem Fahrrad ins Parlament?

(Zurufe)

Ich habe schon mehrere gesehen. Wie viele von Ihnen tragen denn einen Helm auf dem Fahrrad?

(Zurufe)

Herr Güldner auch nicht! Ich sage nur ganz bewusst, wieso sollen wir Kinder dazu erziehen Helme zu tragen, wenn wir es selbst nicht machen? Ich glaube, wir müssen selbst unsere Vorbildfunktion noch sehr viel ernster nehmen. Ich will jetzt gar nicht die Frage stellen, wer von Ihnen schon einmal bei Rot über die Straße geht. Ich nehme an, Sie verhalten sich alle regelkonform, sonst würden Sie hier ja auch nicht sitzen als Vertreter der bremischen Bevölkerung.

(Heiterkeit)

Ich will damit sagen, das Verhalten von Kindern hängt ganz entscheidend davon ab, welches Verhalten wir als Erwachsene den Kindern vorleben. Mein Appell an Sie ist, dass Sie genauso, wie Sie uns auffordern, in unserer Verkehrssicherheitsarbeit als Staat nicht nachzulassen, sich selbst und andere auffordern, an ihrer Verkehrserziehungsarbeit noch weiterzuarbeiten, dann werden wir es schaffen, noch besser in den Zahlen und noch besser bei der Verkehrserziehung der Kinder zu werden. Jedes Vorbild, meine sehr verehrten Damen und Herren, lohnt sich. Jeder Helm, der getragen wird, lohnt sich. Er verhindert natürlich keine Verkehrsunfälle, aber er verhindert schwerwiegende Folgen von Verkehrsunfällen. Deswegen kann ich auch nur an Sie appellieren, dass Sie diese Vorbildfunktion ausüben. Im Übrigen ein kleines Vorurteil als Bonmot kurz vor der Mittagspause noch am Rande: Während früher immer der Eindruck herrschte, Frauen würden keine Helme tragen, weil sie ihre Frisuren zerstörten, hat sich dies im Zeitalter der Gleichberechtigung geändert. Wenn Sie männliche Jugendliche heutzutage anschauen, mit welchen kunstvoll frisierten Haaren die zur Schule erscheinen oder nachmittags Verabredungen treffen, auf diese Haare passen auch keine Helme mehr!

(Heiterkeit)

Es ist also ein geschlechterübergreifendes Problem geworden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deswegen stellen wir ja auch fest, zum Beispiel bei elfjährigen Kindern nimmt die Bereitschaft zum Tragen drastisch ab. Bei den Kindern im Kindergarten und in der Schule ist die Bereitschaft, den Helm zu tragen, mindestens bei 60 Prozent vorhanden, aber die Quote nimmt weiter ab. Sie ist nahe null, wenn wir in das Erwachsenenalter kommen, und deswegen möchte ich an Sie alle appellieren, seien Sie Vorbild! Zeigen Sie in Ihrem täglichen Verkehrsverhalten, dass Sie auch die Verkehrssicherheitsarbeit ernst nehmen, dass Sie dazu beitragen wollen, dass Kinder und Jugendliche im Straßenverkehr sicher sind und unbeschadet in die Schule und in den Kindergarten kommen! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU – Glocke)

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Tittmann?

Ja, bitte!