Herr Senator, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen – ich weiß nicht, ob Sie nicht genau zugehört haben oder das nicht hören wollten –, dass ich in dieser Debatte ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass Eltern eine Vorbildfunktion haben? Wenn Sie das als DVU-Gewäsch abqualifizieren, dann muss ich sagen, tun Sie mir Leid!
Das kann ich umgekehrt nicht bestätigen, Herr Tittmann. Sie tun mir nicht Leid, das will ich an dieser Stelle ganz ehrlich sagen.
(Beifall bei der SPD und bei der CDU – Abg. T i t t m a n n (DVU): Nein, dann tun Ihnen wahrscheinlich auch die Kinder nicht Leid, die dadurch ums Leben kommen!)
(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Das hat aber mit der Sache doch jetzt nichts zu tun! Ich wollte nur, dass Sie zur Kenntnis nehmen, dass ich die Elternvorbildfunktion deutlich genannt habe!)
(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Ja, ich weiß! – Abg. K l e e n [SPD]: Könnt ihr euch nicht zum Mittagessen verabreden, und wir ma- chen Pause? – Heiterkeit)
Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 16/530, auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD Kenntnis.
ist unser ehemaliger Kollege und Ortsamtsleiter a. D. Karl Lüneburg. – Herzlich willkommen im Hause!
Herr Senator, ich gehe davon aus, dass Sie die Antwort nicht noch einmal vorlesen wollen. – Das ist der Fall.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorab möchte ich mich für die durchaus positive Einschätzung bedanken, die der Senat mit der Beantwortung unserer Großen Anfrage vorgelegt hat.
Was ist Lions Quest eigentlich? Lions-Quest-Programm, Erwachsenwerden ist ein unspezifisches, aber vor allen Dingen präventives Programm mit konkreten Unterrichtsbausteinen, die Lehrerinnen und Lehrer zehn- bis fünfzehnjährigen Jugendlichen vermitteln, um die soziale Kompetenz und Ich-Stärke der jungen Menschen zu fördern.
Das Lions-Quest-Programm wird seit Mitte der neunziger Jahre in Deutschland praktiziert und stellt eine Kooperation dar zwischen Lions Club International – eine in über 180 Ländern verbreitete, politisch und konfessionell neutrale Serviceorganisation, die sich für das soziale und moralische Wohlergehen der Allgemeinheit und ganz besonders der jungen Menschen, der Heranwachsenden einsetzt – und Quest International, einer ebenfalls politisch und konfessionell neutralen gemeinnützigen Stiftung mit dem Zweck, Erziehungs- und Unterrichtsprogramme zur harmonischen und gesunden Entwicklung von Kindern und Heranwachsenden zu erarbeiten.
Das amerikanische Programm wurde allerdings nicht einfach so in Deutschland übernommen, sondern natürlich den hiesigen Strukturen und Schulverhältnissen angepasst. Diese Adaption wurde natürlich auch wissenschaftlich begleitet unter Leitung
Warum braucht man solch ein Programm? Jugendliche haben im Verlauf ihres Heranwachsens viele Aufgaben zu bewältigen. Sie müssen während ihrer Pubertät ihre persönliche Identität herausbilden, sie müssen sich mit Werten und Normen auseinander setzen, aber auch für sich ein eigenes Wertesystem finden, sie müssen sich eine schulische Qualifikation für eine erfolgreiche Berufsausbildung erwerben, und sie müssen lernen, sich zu integrieren, gleichzeitig sich aber auch in einer Gruppe durchsetzen zu können. In diese Zeit fällt auch die erste Partnerschaft.
In dieser Zeit haben die Heranwachsenden häufig Probleme, die sicherlich auch bedingt sind durch den Verlust und Wandel von Werten in der heutigen Zeit, durch unsichere Zukunftsperspektiven, auch die Beeinflussung durch die Medienvielfalt spielt mit Sicherheit eine Rolle, nicht zuletzt das nicht immer mehr so klassische Familienmodell bedingt durch die Zunahme allein erziehender und erwerbstätiger Elternteile stellt immer höhere Anforderungen an Jugendliche, eine eigene Identität zu finden und ein eigenes Selbstwertgefühl zu entwickeln.
Ursachenforschung ist sicherlich die eine Sache, um Fehler in der Zukunft zu verringern, Schuldzuweisungen sind an dieser Stelle absolut nicht am Platz. Die ausschließliche Vermittlung von Fachwissen – ich glaube, da besteht einhellige Meinung – ist in der heutigen Zeit auch nicht mehr ausreichend. Es ist darüber hinaus notwendig, soziale Kompetenzen zu vermitteln und die Jugendlichen so für ihr Leben zu stärken.
Das Lions-Quest-Programm fördert die Entwicklung von Selbstvertrauen, die Entwicklung eines Selbstwertgefühls, die kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Gedanken, aber auch mit denen der anderen. Es fördert die Bereitschaft, sich zu engagieren, Verantwortung zu übernehmen, aber auch gleichzeitig Bestätigung aus dieser Verantwortungsübernahme zu erfahren, und die Entschlusskraft der Jugendlichen bis hin zum Neinsagen bei Gefährdungen wird gefördert, letztendlich auch das Finden eigener Werte und Ziele.
Wissenschaftliche Studien belegen, dass die Vermittlung von Lebens- und Sozialkompetenzen, das so genannte Life-Skills-Prinzip, die wirkungsvollste Vorbeugung gegen Suchtgefährdung, Gewalt und Suizidbereitschaft bei Jugendlichen ist. Oftmals verbessert sich auch das Verhältnis der Jugendlichen zu ihren Eltern wieder, sie sprechen wieder mehr über Schule, über Unterricht, über ihre Probleme. Die Schulleistungen werden besser, da die Jugendlichen mehr Spaß an der Schule und am Lernen haben. Da vorrangig Interessen und Bedürfnisse von Heranwachsenden behandelt werden, kein Leistungsdruck besteht, treten auch hier kaum Disziplinschwierigkeiten auf. Die Schule kann hierbei natürlich nicht aus
schließlich, aber in hohem Maße neben der Familie förderlich auf die Jugendlichen einwirken, da die Schule ein gesellschaftlicher Ort ist, den alle Heranwachsenden über einen längeren Zeitraum gemeinsam teilen.
Wie kommt jetzt Lions Quest an die Schulen? Lehrer aus allen Schulformen, in denen Zehn- bis Fünfzehnjährige unterrichtet werden, werden in einem dreitägigen Grundseminar mit der Methodik und Umsetzung des Programms vertraut gemacht. Die Mehrzahl der Lehrerinnen und Lehrer ist bereits nach diesem Grundseminar sehr motiviert, und damit das dann so bleibt, gibt es eine weitere Praxisbegleitung, um auch in der Umsetzung des Programms an der Schule behilflich zu sein. Die Kosten für diese Einführungsseminare übernehmen die Lions Clubs in der Region, für die Praxisbegleitung stehen als Kooperationspartner hier in Bremen das LIS zur Verfügung und in der Stadt Bremerhaven das LFI.
Das Lions-Quest-Programm ist fächerübergreifend angelegt und bezieht die Arbeit mit den Eltern ein. Die Programminhalte werden durch verschiedene interaktive Übungs- und Trainingsmethoden wie Aktivierungsspiele, Rollenspiele und Gruppenarbeit vermittelt. Das Programm kann in besonderen Unterrichtsstunden, aber auch in den Fächern Deutsch, Sozialwissenschaften, Religion, Gemeinschaftskunde oder Biologie eingesetzt werden.
Zusammengefasst kann man Folgendes sagen: Die Erfahrungen mit dem Lions-Quest-Programm sind durchaus positiv. Es ist wissenschaftlich bewertet worden, dass das Selbstwertgefühl gestärkt wird, eine stärkere Ablehnung gegenüber Drogen, Gewalt und Suizidbereitschaft zu verzeichnen ist, weniger aggressives Verhalten auftritt, das Verhalten der Jugendlichen untereinander verbessert sich, auch das Verhältnis zu ihren Eltern wird besser, das Klassenklima verbessert sich, und die Lernbereitschaft ist gestiegen.
Neben der fachlich positiven Bewertung ist die Akzeptanz dieses Programms an den Schulen durchaus positiv. Wie der Antwort des Senats zu entnehmen ist und auch Gespräche mit Lehrern zeigen, wird sowohl die didaktische Konzeption als auch die Umsetzbarkeit im Unterricht sehr positiv bewertet. Im Übrigen zeigen sich auch bei Lehrerinnen und Lehrern positive Begleiterscheinungen: Sie erlernen neue Kompetenzen, sie werden ermutigt, neue Unterrichtstechniken anzuwenden, lernen neue Methoden und setzen sich auch kritisch mit der eigenen Person auseinander.
Dazu noch einige Zahlen aus dem Evaluationsbericht der Universität Bielefeld, die im Prinzip für sich sprechen: 79 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer sagen, dass die Lernatmosphäre verbessert wird, 75 Prozent sagen, dass durch das Lions-QuestProgramm weitaus weniger Konflikte in den Klassenverbänden auftreten, 64 Prozent berichten, dass Schü
lerinnen und Schüler die Stärken und Schwächen der anderen besser akzeptieren, und 61 Prozent berichten von einer positiven Resonanz der Eltern. Das ist noch eine Sache, von der ich glaube, dass wir da noch einigermaßen Handlungsbedarf haben, denn die Bedeutung der begleitenden Elternarbeit ist erwiesen. Hier liegt aus unserer Sicht noch ein Stück Arbeit vor uns, denn es ist wichtig, alle gesellschaftlichen Schichten zu erreichen. Das ist zurzeit noch nicht in vollem beziehungsweise ausreichendem Maße gelungen.
Gerade in den sozial schwachen und teilweise auch bildungsfernen Familien ist der Erwerb von sozialen Kompetenzen auch gerade im Hinblick auf Suchtund Gewaltprävention und des Auseinandersetzens mit unseren gesellschaftlichen Werten besonders wichtig.
Wir freuen uns natürlich sehr, dass bislang so viele Schulen in Bremen und Bremerhaven von diesem Programm Gebrauch machen. Die genauen Zahlen liegen Ihnen in der Antwort des Senats vor, die brauche ich nicht extra zu wiederholen. Gerade durch Impulse von außen gelangen auch weitere Kompetenzen an die Schulen. Ich denke, das ist ein wesentlicher Schritt weiter in die Richtung zur Verbesserung der Qualität an Schulen.
Wir begrüßen es als CDU-Fraktion sehr, dass sich der Senat für eine Ausweitung und Verstetigung des Programms ausspricht. Besonders freut es mich natürlich dann auch, dass hiermit ein Engagement der Fraktion, namentlich von einer ehemaligen Kollegin, Frau Jamnig-Stellmach, so erfolgreich umgesetzt wurde. Konsens besteht von unserer Seite aus auch darin, dass eine Erweiterung oder Verstetigung dieses Programms nicht per Erlass oder Verordnung geschehen sollte. Gerade auch die CDU-Fraktion tritt für eine größere Selbständigkeit der Schulen ein. Lions Quest ist im Prinzip ein weiteres Instrument, das wir den Schulen an die Hand geben, aber die Musik müssen sie dann damit auch selbst machen.
Wir diskutieren und streiten hier im Parlament gerade im Bildungsbereich oftmals sehr hitzig und kontrovers. Ich glaube aber, einmal unterstellen zu können, dass der Antrieb, der uns dazu bewegt, und unser Ziel doch das gleiche sind. Allerdings haben wir oftmals unterschiedliche Auffassungen und Ansätze, die den Weg anbelangen. Deshalb möchte ich mit Genehmigung des Präsidenten mit einem Zitat von Sokrates enden, und er ist schon so alt, der muss einfach auch Recht haben.