Protokoll der Sitzung vom 14.09.2005

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Fragen eins und zwei: Die Vermittlung der Geschichte des Landes Bremen betrifft sehr viele und unterschiedliche Institutionen in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen. Sie richtet sich darüber hinaus an die unterschiedlichsten Adressaten.

Institutionalisierte Kooperationsabsprachen zwischen diesen Institutionen existieren insbesondere im Kulturbereich für die Museen. So gibt es enge Kooperationen zwischen dem Staatsarchiv und dem Focke-Museum ebenso wie zwischen dem Focke-Museum und dem Historischen Museum in Bremerhaven zur Vermittlung der Geschichte des Landes Bremen. Viele kulturelle Einrichtungen sind durch diese Kooperationen zu anerkannten und kontinuierlich besuchten außerschulischen Lernorten für die Vermittlung der Geschichte Bremens geworden.

Angesichts der Fülle und Vielfalt der Angebotsmöglichkeiten wäre eine umfassende und jeweils aktuelle Programmkoordinierung nur sehr schwer und mit hohem personellen sowie finanziellen Aufwand zu realisieren. Die bestehenden bilateralen Kooperationen haben sich bewährt. Darüber hinaus ist insbesondere bei Sonderaustellungen und themen- beziehungsweise anlassbezogenen Veranstaltungen eine intensive Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Institutionen gegeben.

Die Geschichte Bremens ist in den Lehrplänen des Landes Bremen für Sachunterricht, Welt/Umwelt/ Gesellschaft sowie Geschichte verankert. Neben der thematischen Auseinandersetzung mit der Geschichte Bremens sind auch Erkundungen zu außerschulischen Lernorten Bestandteil des Unterrichtsangebotes.

Die Schulen sind in der Regel über die jeweiligen Institutionen, die Kenntnisse über die bremische Geschichte vermitteln, informiert. Es gibt zwischen den Museumspädagoginnen und Museumspädagogen einzelner Institutionen und den Schulen eine enge Zusammenarbeit. Als weitergehende Hilfestellung für die Schulen wird das LIS gebeten, eine an den curricularen Standards orientierte Zusammenfassung der vielfältigen Angebote zur Geschichte Bremens zu erarbeiten. Diese Übersicht wird über das Internet allen Lehrkräften zugänglich gemacht.

Zu Frage drei: Ein runder Tisch der verschiedenen Anbieter kann kontinuierliche historische oder zeitgenössische Themenabende sowie die Herausgabe eines gemeinsamen abgestimmten Programms für bestimmte Vermittlungsthemen vorbereiten. Die betroffenen Ressorts werden einen solchen Prozess unterstützen. – Soweit die Antwort des Senats!

Haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Herr Senator, vielen Dank für die Antwort! Ich fange hinten an! Zu Frage drei: Sie sagen, die betroffenen Ressorts werden einen solchen Prozess unterstützen. Gehe ich richtig davon aus, dass das Bildungsressort die Federführung haben wird?

Bitte, Herr Senator!

Ich weiß nicht, wie das abgestimmt ist, aber ich hätte keine Probleme, die Federführung zu übernehmen. Es ist ein wichtiges Thema, aber von diesen Themen haben wir ganz viele, und ich habe hier noch keine Beschwerden bekommen, dass die Geschichte Bremens nicht in ordentlicher Form abgearbeitet würde. Wir haben da sehr viele positive Ansätze, so wie ich sie eben verlesen habe.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Herr Senator, Sie erinnern sich, wir haben im letzten Jahr eine Debatte über eine Große Anfrage zu dem Thema hier im Hause durchgeführt. Ich möchte Ihnen etwas widersprechen, und von daher bitte ich Sie, das nur zur Kenntnis zu nehmen: Es ist in der Regel so, dass nicht die Schulen informiert sind, sondern dass es immer einige engagierte Lehrerinnen und Lehrer gibt und es hier eben

keine institutionalisierte Form gibt. Von daher würde ich Sie bitten,

(Zuruf der Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD])

wie in der Debatte, Frau Hövelmann, im letzten Jahr schon geschehen, dafür zu sorgen, dass es hier doch zumindest etwas mehr gibt als den Verlass darauf, dass einzelne Lehrkräfte sich darum kümmern. Vielleicht kann man auch das Internetangebot noch etwas weiter nutzen. Sie wissen, das gibt es, aber ob alle Schulen es nutzen, ist eine andere Frage. – Vielen Dank!

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Aber unterrichten müssen die Lehrer schon selbst!)

Bitte, Herr Senator!

Ich nehme Ihre Frage zur Kenntnis.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Die sechste Anfrage trägt die Überschrift „Genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung in der Familie“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Frau Dr. Hannken, Perschau und Fraktion der CDU.

Bitte, Frau Kollegin!

Wir fragen den Senat:

Inwiefern unterstützt der Senat die Forderung, durch genetische Untersuchungen die Abstammung von Kindern in der Familie zu überprüfen beziehungsweise zu ermitteln?

Wie bewertet der Senat die bayerische Bundesratsinitiative, die darauf abzielt, insbesondere den Vätern einen Rechtsanspruch auf Einwilligung in den Test und auf Gewinnung der dafür erforderlichen genetischen Probe gegen das Kind beziehungsweise andere Vergleichspersonen zu gewähren?

Wird der Senat dieses Gesetzesvorhaben unterstützen?

Die Anfrage wird beantwortet von Herrn Bürgermeister Dr. Scherf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

In gerichtlichen Verfahren auf Feststellung der Abstammung sind genetische Untersuchungen neben

anderen wissenschaftlichen Methoden schon jetzt ein zulässiges Beweismittel. Der Bundesgerichtshof hat aber mit zwei Urteilen vom 16. Januar 2005 entschieden, dass eine heimlich eingeholte genetische Abstammungsanalyse im gerichtlichen Vaterschaftsanfechtungsverfahren nicht verwertet werden darf. Ein solches heimlich eingeholtes Gutachten kann auch nicht zur Begründung einer Klage auf Anfechtung der Vaterschaft verwendet werden.

Nicht zuletzt wegen dieser Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ist in der Öffentlichkeit die Frage diskutiert worden, ob gesetzliche Regelungen über heimliche Abstammungsuntersuchungen erforderlich sind. Die Lösungsvorschläge reichen von der Strafbarkeit heimlicher Gentests bis hin zur gesetzlichen Zulassung auch dann, wenn die betroffene Person nicht zugestimmt hat.

Der Diskussionsentwurf eines Gendiagnostikgesetzes aus dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung vom Oktober 2004 zielt darauf ab, umfassende Regelungen zum Schutz des Rechts der betroffenen Personen auf informationelle Selbstbestimmung zu schaffen. Der Entwurf sieht strenge Voraussetzungen für genetische Untersuchungen zum Zweck der Klärung der Abstammung vor. Danach ist die Durchführung einer genetischen Abstammungsuntersuchung abhängig von einer Einwilligung des Kindes, einer Einwilligung der Mutter des Kindes, einer Einwilligung des Mannes, dessen Vaterschaft festgestellt werden soll, und unter Umständen auch von der Einwilligung des rechtlichen Vaters.

Ein Gesetzesantrag des Landes Baden-Württemberg vom 21. April 2005 sieht vor, eine genetische Untersuchung von heimlich entnommenen Proben auch dann zuzulassen, wenn damit eine gerichtliche Anfechtung der Vaterschaft vorbereitet werden soll. Gegen diesen Ansatz ist einzuwenden, dass damit das Selbstbestimmungsrecht des Kindes zugunsten der Interessen des Anfechtungsberechtigten unberücksichtigt bliebe. Proben zur Untersuchung könnten ohne Wissen des Kindes und seiner Mutter und ohne Rücksicht auf das Kindeswohl legal beschafft und zur Untersuchung gegeben werden.

Der in der Anfrage angesprochene bayerische Entwurf vom 20. Mai 2005 geht einen anderen Weg. Er gibt dem Anfechtungsberechtigten einen Anspruch auf Einwilligung in eine gendiagnostische Abstammungsuntersuchung. In der Regel kann also der an seiner biologischen Vaterschaft zweifelnde Vater von dem Kind und der sorgeberechtigten Mutter die Einwilligung und die Abgabe einer Untersuchungsprobe verlangen.

Beide Gesetzentwürfe sind in den Ausschüssen des Bundesrats vertagt worden. Es gibt inzwischen auch weitere Lösungsvorschläge, zum Beispiel wird eine gerichtliche Entscheidung zur Anordnung einer gentechnischen Untersuchung vorgeschlagen. Die Diskussion ist also noch nicht reif für eine Entscheidung.

Der Senat wird seine Haltung deshalb erst festlegen, wenn die Beratungen des Bundesrats wieder aufgenommen werden. – Soweit die Antwort des Senats!

Haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr, Frau Dr. Hannken!

Der Gesetzentwurf der Bundesjustizministerin Zypries sieht vor, dass Männer, die ohne Einwilligung der Mutter genetische Spuren testen lassen, mit einem Jahr Haft bestraft werden können. Dies führt derzeit dazu, dass bei der bestehenden Rechtslage einem Vater nur die Möglichkeit bleibt, eine Anfechtungsklage einzureichen. Das heißt, ein Gerichtsverfahren wird in Gang gesetzt. In dem Gerichtsverfahren muss der Mann Gründe darlegen, die für den Verdacht sprechen, dass das Kind nicht von ihm ist. Glauben Sie, dass ein solches Gerichtsverfahren, das sowohl die Mutter als auch das Kind, als auch den Vater belastet, im Moment eine sinnvolle Alternative ist?

Bitte, Herr Bürgermeister!

Mit Glauben hat das alles nichts zu tun, den habe ich für andere Fragen reserviert. Ich bin davon überzeugt, dass das so delikat ist, dass es klug ist, dass wir uns dafür Zeit nehmen. Im Übrigen fallen natürlich alle Gesetze in die Diskontinuität. Wir müssen alle nach der Bundestagswahl ganz neue Anläufe machen.

Die Justizverwaltungen haben eine Arbeitsgruppe gebildet, um überhaupt zu beratbaren, konsensfähigen Vorschlägen zu kommen. Man muss damit sehr sensibel umgehen. Es geht um das Kind, das möglicherweise wissen will, wer der richtige Vater ist. Es geht aber genauso um die Familie, um die Mutter, den rechtlichen Vater, wo plötzlich ein Dritter hinzukommt und sagt: Ich will aber in diese Familie hineinfunken. Er hat natürlich auch ein Interesse! Das umsichtig miteinander zu balancieren, ist hoch kompliziert. Ich halte es für möglich, zurzeit aber überhaupt nicht ausdiskutiert, dass darüber am Schluss ein Gericht zu entscheiden hat, ob man in der Abwägung dieser oft kontroversen Interessen – es sind nicht alle auf das gleiche Ziel gerichtet – zu einer halbwegs fairen Entscheidung kommt. Zurzeit, Frau Hannken, ist es wirklich noch nicht sortiert.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Herr Bürgermeister Dr. Scherf, ich stimme Ihnen zu, dass es ein sensibles Thema ist, bei dem man ganz genau schauen muss, welche Rechte betroffen sind und wie man damit vorgeht. Ich glaube aber schon, dass die Diskussion geführt werden sollte und auch geführt wird. Ganz weit entfernt sind wir davon nicht mehr, denn es gibt

einen konkreten Gesetzesvorschlag von der Bundesjustizministerin, das habe ich eben skizziert, der ein Jahr Haft vorgesehen hat. Es gibt, Gott sei Dank, im Bundesrat andere Mehrheiten, die es bisher verhindert haben, dass dieser Vorschlag Zustimmung fand.

Ich halte es aber schon für ratsam, dass wir als Bremen uns eine Position dazu bilden. Sie werden nach der Bundestagswahl im Senat dazu hoffentlich auch bald eine Position bilden müssen. Insofern möchte ich Sie fragen: Sind Sie bereit, dies im Rechtsausschuss der Bürgerschaft mit uns zu diskutieren?

Bitte, Herr Bürgermeister!

Diskutieren können wir alles, auch im Rechtsausschuss der Bürgerschaft. Eines sage ich Ihnen: Es gibt da keine bremische Sonderregelung, sondern wir machen da etwas im Einvernehmen mit den anderen, damit wir zu einer wirklich tragfähigen, bundeseinheitlichen Regelung kommen.

(Beifall bei der SPD)

Das Thema eignet sich überhaupt nicht dafür, gegenwärtig kontrovers diskutiert zu werden. Es verwirrt die Leute. Das hilft nicht, zu guten Lösungen zu kommen. Ich bin an guten Lösungen interessiert, und so sehen es meine Kollegen im Senat auch.

(Beifall bei der SPD – Abg. Frau D r. H a n n k e n [CDU]: Das hoffe ich!)