Protokoll der Sitzung vom 14.12.2005

Es ist Punkt 13.00 Uhr, und wir unterbrechen jetzt die Landtagssitzung bis 14.30 Uhr. Wir werden dann ab 14.30 Uhr mit diesem Tagesordnungspunkt fortfahren. Guten Appetit wünsche ich Ihnen!

(Unterbrechung der Sitzung 13.00 Uhr)

Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 14.31 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Besuchergruppe der CDU-Fraktion und eine Besuchergruppe der Abgeordnetengemeinschaft der SPD Bremen-Nord.

Herzlich willkommen in unserem Hause!

(Beifall)

Wir setzen die Aussprache zum Tagesordnungspunkt E-Government in Bremen und Bremerhaven fort.

Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Frau Stahmann.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es geht um das Thema elektronische Verwaltung und elektronische Regierung. Es geht darum: Kann ein Bürger wie Klaus Möhle sich zu Hause an den Computer setzen und mit den öffentlichen Stellen des Landes kommunizieren?

(Abg. K l e e n [SPD]: In seinem Baumhaus? – Heiterkeit)

Kollege Kleen, das gilt auch für Sie! Kann Kollege Kleen genauso wie Kollege Möhle von zu Hause aus das Internet nutzen und mit den bremischen öffentlichen Stellen Kontakt aufnehmen und Behördengänge durchführen, ohne dass er sich einen Zettel ausdrucken, diesen unterschreiben muss und per Post dann an die Behörden sendet oder ihn gar zu Fuß dort hinbringen muss? Ich muss sagen, das ist leider nicht immer der Fall.

Es gibt positive Punkte, Kollege Strohmann und Kollege Schildt haben einige hervorgehoben, aber ich muss sagen, das Thema E-Government ist bisher ein Thema für einen eher kleinen Zirkel. Es ist bisher nicht in der Breite der Bevölkerung verankert, weil die Bürgerinnen und Bürger den Mehrwert noch nicht genau erkennen können: Was bringt es eigentlich, wenn ich zu Hause den Computer anschalte, gelingt es wirklich, ohne dass ich dann doch noch wieder zum Amt laufen muss, oder kann ich wirklich etwas online erledigen? Es gibt eine Menge Barrieren, die das E-Government behindern.

Ich möchte auch hier einmal dem Mythos entgegentreten, Kollege Strohmann und Kollege Schildt, die große Koalition hätte in den letzten zehn Jahren alles getan, um das Thema hier im Land Bremen zu befördern. Ich möchte Sie daran erinnern, dass das ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Thema Informationsfreiheitsgesetz, das sehr eng mit dem Thema Verwaltungsmodernisierung zusammenhängt, eine absolute Hängepartie dieser großen Koalition ist, und wir sind sehr erfreut, dass die große Koalition heute Morgen zumindest einen Entwurf in die Bremische Bürgerschaft eingebracht hat. Lange hat es gedauert, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber wir haben die Hoffnung auch nicht aufgegeben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Warum braucht man ein Informationsfreiheitsgesetz? Wir haben lange gefordert, dass es ein zentrales Informationsregister gibt im Internet, wo die Behörden dazu angehalten werden, ihre Gesetze, Verordnungen, ihre Ankündigungen und ihre Informationen zentral ins Internet einzustellen, damit die Bürgerinnen und Bürger auch die Daten finden und nicht lange herumsuchen müssen. Das ist bisher nicht der Fall gewesen, und wir erhoffen uns, dass dieses Thema mit einem Informationsfreiheitsgesetz noch einmal vorangetrieben werden kann. Elektronische Verwaltung ist kein Selbstzweck, sie hilft, Bürokratie abzubauen, und kann, wenn man will, die Transparenz staatlichen Handelns erhöhen. Von einem papierlosen Büro sind wir dennoch weit entfernt. In der Antwort wird im Vorspann etwas gesagt, E-Government gewinnt sicher zunehmend an Bedeutung und kann sich in den kommenden Jahren behaupten. Ich bin aber sehr skeptisch, liebe Kolleginnen und Kollegen, ob es sich, wie in der Anfrage von CDU und SPD formuliert, zur wichtigsten Kommunikationsplattform zwischen staatlichen Stellen und den Bürgerinnen und Bürgern entwickelt. Ich glaube, da ist noch riesig viel Arbeit zu leisten, bevor wirklich jeder sagt, als Erstes gehe ich an den Computer. Ich glaube, die meisten von uns suchen dann noch einmal per Telefonbuch, zu welcher Behörde sie müssen, oder sie besorgen sich über das Telefon die richtige Kontaktadresse.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Bremen befindet sich in Sachen elektronischer Verwaltung verglichen mit den anderen Bundesländern in einer Poleposition, das muss man sagen, aber diese Vorrangstellung muss man auch verteidigen. Wir hatten das Glück, dass wir seit 1999 Fördergelder des Bundes bekommen haben, dass es eine erfolgreiche Ausgründung gegeben hat im Land Bremen durch bremen online services, Kollege Schildt ist darauf eingegangen. Diese Ausgründung hat dazu geführt, dass wir jetzt ein erfolgreiches Unternehmen im Land Bremen haben in einer Public private partnership, also öffentliche Hand und Private sind an dieser Gesellschaft beteiligt, dort werden 70 qualifizierte IT-Mitarbeiter beschäftigt, und elf Bundesländer kaufen das Know-how aus Bremen ein. Das ist ein Erfolg, und den müssen wir hier auch würdigen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

In meinem Debattenbeitrag werde ich mich jetzt auf die kritischen Punkte dieser umfänglichen Antwort des Senats beschränken, die nicht immer einfach zu verstehen ist, weil sie mit Fachbegriffen gespickt ist. Jeder, der nicht mit dem Thema zu tun hat, ist nicht unbedingt in der Lage, die Antwort des Senats auch richtig zu deuten. Das möchte ich hier kritisch anmerken.

Der Senat formuliert, E-Government führe zur Steigerung der Leistungsqualität. Durch E-Government sollten die Leistungen der öffentlichen Verwaltung für die Wirtschaft und den Bürger in besserer Qualität erbracht werden. Unsere Bewertung: Der Einsatz und die Nutzung des Internets hat sich zu einem Massenmedium und zu einem normalen Arbeitsmittel entwickelt, und die Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern durch E-Government bildet einen neuen und zentralen Bereich in der Nutzung von elektronischen Medien ebenso wie die Optimierung von Arbeitsabläufen innerhalb der Verwaltung. Dieses Potential kann allerdings nur dann wirklich ausgeschöpft werden, wenn möglichst niemand von der Nutzung der Systeme ausgeschlossen wird. Für Menschen mit Behinderungen bietet diese Entwicklung eine ganz große Chance, gesellschaftliche Partizipationen mit Integration in das Arbeitsleben zu verwirklichen.

Jetzt ein Knackpunkt in der Vorlage, den ich ansprechen möchte: Es wird schon als E-Government abgefeiert, und das möchte ich auch so sagen, dass PDF-Dokumente im Internet E-Government bedeuten würden. Das bedeutet es aber zum Beispiel nicht für blinde Menschen, denn PDF-Dokumente sind für sie überhaupt nicht lesbar mit den Hilfsmitteln, die man braucht, sie müssen sie sehr kompliziert umtransferieren, um dann lesbar zu sein für blinde Menschen, aber die Textformatierungen sind dann verschwunden. Mit einem PDF-Dokument haben wir also noch kein barrierefreies Internet. Ein Appell der Grünen wäre, diese Barrierefreiheit konsequent umzusetzen, damit auch behinderte oder sehbehinderte Menschen das Internet nutzen können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Steigerung der Effizienz ist angesprochen durch den Senat! Unsere Bewertung: In dem Bereich der Kommunikation und Zusammenarbeit der Verwaltung insgesamt hat es sich bewährt. Es gibt sehr positive Modellprojekte im Bereich der Justiz. Das elektronische Mahnverfahren ist ein Erfolgsmodell, das an viele Bundesländer verkauft worden ist. Seit dem 1. Dezember gibt es einen elektronischen Gerichtspostkasten. Das ist ein sehr positives Projekt. Bremen greift damit einer Entwicklung voraus, die einen solchen Zugang auch bundesweit eröffnet. An dieser Stelle kann man nur sagen, weiter so, das Modell muss man auch weiter vermarkten. Es kann aber nicht sein, dass wir Formulare im Internet haben und

ausdrucken müssen, um sie dann wieder per Postboten oder per Schneckenpost, Snail-Mail heißt es ja, an die richtige Behörde weiterzuleiten. Das ist das Gegenteil von E-Government.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Steigerung der Arbeitsqualität, darauf ist Kollege Schildt umfänglich eingegangen! Ich möchte jetzt noch einmal den Punkt Förderung der Wirtschaft ansprechen, denn ich habe genau das Gegenteil gehört, Herr Kollege Strohmann, von dem, was Sie gesagt haben. Ich habe eher kritischere Stimmen gehört. Die Wirtschaft hat sich im Bereich der digitalen Signatur in Bremen eher nicht engagiert. Deutschland verpasst derzeit im Vergleich mit anderen europäischen Ländern schon den Anschluss. Österreich, daran möchte ich erinnern, hat den Personalausweis mit der digitalen Signatur. Da bestehen ganz andere Möglichkeiten, dann E-Government umzusetzen. Diesem Beispiel von Österreich werden auch andere Länder in Europa folgen, und Deutschland ist dabei nicht Vorreiter. Hier finden wir Grünen, dass wir die digitale Signatur zwar nicht mehr fördern müssen, aber dass man schon politisch darauf achten muss, und das ist auch eine Aufforderung an alle Fraktionen hier im Haus, für die digitale Signatur auch die Rahmenbedingungen zu setzen, so dass Anreize geschaffen werden und auf Bundesebene diskutiert wird, ob es nicht einen Standard gibt, dem dann auch alle folgen.

Jetzt ein wichtiger Punkt zum Abschluss meiner Rede: Förderung der Partizipation! Wir sagen, die Beteiligung der Bürger am politischen Geschehen kann nicht nur, sie muss durch E-Government gefördert werden. Die große Koalition hat in keinster Weise die Potentiale erkannt, die ein Informationsfreiheitsgesetz mit sich bringt. Herr Perschau hat sich hier als Senator oft hingestellt und gesagt, zum Informationsfreiheitsgesetz sei die Finanzbehörde Vorreiter. Ich frage mich, warum die Koalition vier Jahre geschlafen hat. Es lagen ja Informationsfreiheitsgesetze vor, die hätten beschlossen werden können.

(Abg. P e r s c h a u [CDU]: Sie hat nicht geschlafen! Sie hat es täglich verbessert!)

Es wurde täglich verbessert, Herr Perschau, ich höre die Ironie! Die große Koalition hat an dieser Stelle geschlafen, das muss man hier laut und deutlich sagen!

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Stimmt doch nicht!)

Das stimmt doch wohl! Wo sind denn die Gesetze, die im Internet veröffentlicht sind, wo sind denn die Verordnungen, Frau Kollegin Busch? Sie sind nicht vorhanden!

Die Nutzung von E-Government scheitert am Nichtvorhandensein von Informationen, sie scheitert an

solch einfachen Dingen, liebe Kollegen, wie dem Einstellen vorhandener Textdokumente in das Internet. Bestes Beispiel ist die Bremische Bürgerschaft selbst, denn derzeit werden Dokumente der Bürgerschaftsdebatten nicht ins Netzangebot eingespeist, weil es seit längerer Zeit keine Mitarbeiterin gibt, die die Verschlagwortung dort vornimmt. Es gibt lediglich den Hinweis auf die Plenarprotokolle. Wenn wir selbst als Bremische Bürgerschaft nicht ernst machen mit der Umsetzung von E-Government, wer um Himmels willen soll es dann tun? Die Bremische Bürgerschaft muss an dieser Stelle auch eine Vorbildfunktion einnehmen und das Thema E-Government voranbringen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Seit Ende 2004 ist jedenfalls nichts mehr passiert. Fazit: E-Government ist eine sinnvolle Strategie, um eine Verwaltungsmodernisierung voranzutreiben, allerdings ist sie derzeit und absehbar kein Ersatz für echten Bürgerservice. Wir Grünen sagen, Bürgerservicecenter sind ein richtiger und sinnvoller Ansatz, um bürgernah mit einem schnellen Medium die Arbeit zu erledigen. Der Bürger kann direkt kommen, kann bedient werden von einem Mitarbeiter, der sich im Internet auskennt, der auch dann bestimmte Punkte erledigen kann. Gerade für ältere Menschen ist es sinnvoll. Wir wollen auch, dass von zu Hause aus das Internet genutzt werden kann. Dafür müssen wir uns aber viel intensiver dafür einsetzen, die digitale Signatur voranzutreiben.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Und die Vor- aussetzungen für die Nutzer schaffen!)

Die Nutzergruppen müssen viel konsequenter als bisher erschlossen werden. Ich habe die Barrieren, die es gibt, benannt, um einen echten Nutzermehrwert zu schaffen. Baden-Württemberg erlässt den Ärzten, die das Internet für ihre Dienste nutzen, rund 30 Prozent der Gebühren, die sie abrechnen müssen gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung. Das sind echte Anreize, damit das Internet genutzt wird. Frankreich erlässt jedem Hundehalter, der seinen Hund online anmeldet, jedenfalls einige Gemeinden, für ein Jahr die Hundesteuer. Auch das wäre ein Anreiz für die Bürgerinnen und Bürger, das Internet zu nutzen, um mit der öffentlichen Verwaltung zu kommunizieren. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Strohmann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich wollte ich mich nicht noch einmal zu Wort melden. Ich ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

hatte angenommen, das wird eine harmonische Debatte. Frau Stahmann, ich habe das mit dem Informationsfreiheitsgesetz nicht richtig verstanden, dass wir nun zehn Jahre geschlafen haben sollen. Das passt mir, ehrlich gesagt, nicht. Ich sage einmal, das Informationsfreiheitsgesetz hat einen gewissen Bezug auch zu E-Government, das gebe ich zu, aber das nun direkt miteinander zu vergleichen, halte ich für ein bisschen weit hergeholt.

Dann möchte ich noch ganz kurz etwas anmerken, Sie sagten, wir hatten das Glück, MEDIA@komm zu haben. Das war ein Wettbewerb, den haben wir gewonnen. Das hat nichts mit Glück zu tun. Das war keine Lotterie, es wurde nicht ausgelost, welche Gemeinde das gewinnt, sondern der Beste hat gewonnen, und das war Bremen zu dem Zeitpunkt, und deswegen konnten wir darauf aufbauen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Das ist im Grunde genommen bei allen kritischen Anmerkungen, die zum Teil in bestimmten Bereichen vielleicht richtig sind – wir können uns natürlich jetzt wieder hinstellen und sagen, dass das alles noch ganz furchtbar und schlimm ist –, aber ein wachsender Prozess. Mich stört daran, dass wir uns wieder hinstellen und sagen, ach, so gut ist das ja nun auch wieder nicht. Das ist eine gute Sache, wir sind noch nicht optimiert,

(Zuruf der Abg. Frau B u s c h [SPD])

aber das sehen Sie, weil Sie damit zu tun haben. Wir müssen auch die Nutzer mitnehmen, für uns beide ist das wahrscheinlich noch nicht genug, weil wir mit elektronischer Signatur arbeiten können und das auch richtig finden, aber wir müssen ja auch die Bürger mitnehmen.

(Beifall bei der CDU)

Ich will Ihnen etwas sagen: Für einen Bürger, der jetzt nicht tagtäglich damit arbeitet, ist es schon ein effektiver Nutzen, dass er im Internet nachschauen kann: Ich will ein Auto zulassen, bekomme schon im Internet eine Liste, was ich dazu mitbringen muss, kann schon das Formular ausdrucken und es dann zu Hause ausfüllen und damit hingehen. Dieses Querulantentum ärgert mich schon wieder ungemein.

(Beifall bei der CDU)