Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

Allerdings ist auf der anderen Seite auch damit verbunden, dass viele Menschen, die dann hochbetagt sind, gesundheitlich beeinträchtigt sind, wenn sie zum Beispiel dement werden oder so gesundheitlich beeinträchtigt sind, dass damit auf der anderen Seite die Notwendigkeit von Pflegebedürftigkeit steigt. Wir haben diese Entwicklung auf jeden Fall mit in den Blick zu nehmen. Allerdings, Herr Oppermann, das wissen Sie auch, was die stationäre Pflege betrifft, kann man das ja nur bedingt steuern. Das, was hier an Kapazitäten aufgebaut wird, ist den Wettbewerbern überlassen. Diese stehen tatsächlich im Wettbewerb, und wir können das nicht von der Behörde aus dirigistisch steuern. Ich bin aber auch davon überzeugt, da teile ich Ihre Auffassung, dass wir in Bremen eine sehr gute Qualität haben, was die stationäre Pflege betrifft. Das ist mit Sicherheit auch ein Wettbewerbsvorteil gegenüber Niedersachsen, wenn Menschen nicht nur nach dem Preis schauen, sondern auch nach der Qualität.

Wir haben aber natürlich auch Versorgungsbedarf für jüngere Menschen mit Behinderungen. Da gibt es einen Trend, dass sie früher von Zuhause weg wollen. Es ist häufig auch so, dass die familiäre Struktur nicht so gestaltet ist, dass die Pflege zu Hause stattfinden kann. Im Vordergrund für diese Personengruppe steht die Aufgabe, ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.

Steigende Fallzahlen haben wir auch bei Menschen, die seelische Behinderungen erleiden, psychisch kranke Menschen, suchtkranke Menschen und Menschen, die geistig und mehrfach behindert sind. Insgesamt ist die Zahl der Menschen, die Eingliederungshilfen bekommen, in der Bundesrepublik exorbitant gestiegen. Das will ich nur anhand einer Zahl deutlich machen: Von 1991 bis zum Jahre 2004 ist die

Zahl dieser Menschen um 94 Prozent, also fast 100 Prozent, angestiegen. Es ist klar, dass damit auch eine Kostensteigerung in fast der gleichen Höhe einhergeht.

Dieser Trend wird sich, wie gesagt, fortsetzen. Wir haben schon einmal versucht, das für Bremen zu prognostizieren. Wir haben daraufhin Verhandlungen mit der Landesarbeitsgemeinschaft für Wohlfahrtspflege aufgenommen, was die geistig und mehrfach behinderten Menschen betrifft. Wir haben einen schwierigen Verhandlungsprozess miteinander gestaltet, aber es ist dann doch zu einem von beiden Seiten getragenem Ergebnis gekommen, um zumindest einen Beitrag zu leisten, um gegenzusteuern, was die Kostenentwicklung betrifft. Bei den Menschen mit seelischen Behinderungen befinden wir uns noch im Verhandlungsprozess. Wir hoffen, dass wir Ende des Jahres zu einem Abschluss kommen können.

Die Gesellschaft ist gefordert, für Menschen, die von seelischen Behinderungen betroffen oder geistig mehrfach behindert sind, adäquate Angebote der Versorgung, der Betreuung und des Wohnens vorzuhalten. Da gibt es vielfältigste Angebote. Es ist die Aufgabe, je nach Hilfeplanung im Einzelfall, ein differenziertes Angebot zu machen. Im Vordergrund steht dabei auch hier in Bremen die Linie, dass wir die Integration in die Stadtteile fördern wollen und stärker als in der Vergangenheit versuchen wollen, vorhandenen Wohnraum zu nutzen.

Begleitet wird diese Aufgabe dadurch, dass wir an vielen Stellen tagesstrukturierende Maßnahmen anbieten. Menschen haben eine Möglichkeit, in Werkstätten einen Arbeitsplatz zu finden. Da kommt für uns das neue Problem, dass diese Menschen, die dort arbeiten, so allmählich das Rentenalter erreicht haben, so dass wir hier gefordert sind, neue altengerechte Angebote zu entwickeln. Die Werkstatt Bremen hat hier ja schon eine fortschrittliche Idee ins Leben gerufen und eine Möglichkeit für die älteren Menschen, sich auf dem Gelände der Werkstatt in schönen Räumen zu treffen, etabliert.

Ältere Menschen brauchen andere Wohnformen, wollen alternative Wohnformen, machen sich zum Teil selbst auf den Weg, sind dabei, sich in Wohngemeinschaften zu organisieren. Das ist etwas, was wir sicher alle nur unterstützen können. Da gibt es sehr viel Eigeninitiative von Menschen, die versuchen, sich das Leben schon jetzt vorzustellen, wie sie es im Alter gern haben wollen. Die Wohnungsbaugesellschaften sind natürlich auch gefordert. Es ist so, dass sich langsam ein Umdenken, ein Herandenken bei der Wohnungswirtschaft etabliert. Aber ich wünschte mir wie Herr Schmidtmann, dass das noch etwas progressiver nach vorn geht und der Erkenntnisgewinn bei den Wohnungsbaugesellschaften noch deutlich zunimmt.

Es gibt erste Ansätze, die wir hier haben, nach dem Modell Bielefelds. Das ist der richtige Weg, wo in vorhandenen Wohnblöcken Wohnungen genutzt und um

funktioniert werden, um ein Gemeinschaftsangebot dort zu leisten, wo sich die älteren Menschen treffen können. Das muss sich dann nach der Konzeption in stärkeren Nachbarschaftsverbünden und -beziehungen entwickeln. Wir wünschen uns eine deutlich stärkere Vernetzung in dem Stadtteil. Da sind wir also auch eher am Anfang einer solchen Entwicklung.

Ich hoffe, dass wir diese drei Modelle, die hier auch schon vorgetragen worden sind, so positiv in die Öffentlichkeit tragen können, dass sich weitere Modelle hier in Bremen anschließen können. Es ist aus meiner Sicht der richtige Weg, vernetzt in den Stadtteilen die Leistungen anzubieten.

„Zukunft Wohnen“ ist von Herrn Oppermann schon erwähnt worden! Es ist aus meiner Sicht wichtig, dass die Stadtentwicklung sich auch auf die demografische Entwicklung einstellt und schon jetzt Antworten entwickelt. Barrierefreies Wohnen gehört unabdingbar zur Beratung dieser Thematik. Da gibt es auf der einen Seite die Notwendigkeit, sich beraten zu lassen, wenn ich älter oder behindert werde, um mich zu informieren, was es eigentlich alles so auf dem Markt gibt, um meine Wohnung behindertengerecht auszustatten. Da haben wir zum Beispiel „Bremen kom.fort“, was ich hier gern erwähnen würde. Das ist eine sehr gute Einrichtung, wo Sie sich anschauen können, welche Hilfen es für eine barrierefreie Wohnung gibt.

Unser Amt für Soziale Dienste bietet ebenfalls eine entsprechende Beratung an. Die Datenbank, die ich sehr gut finde, „Barrierefreies Wohnen“, hat Herr Schmidtmann schon erwähnt. Sie wurde übrigens gemeinsam vom Bausenator zusammen mit der Wohnungswirtschaft erstellt. Auch die sehr detaillierte Übersicht „Bremen baut Barrieren ab“, die das Sozialressort zusammen mit den Behindertenverbänden erarbeitet hat, ist eine wichtige Grundlage, um Schritt für Schritt in den Stadtteilen Barrierefreiheit herzustellen. Dafür gibt es aus dem Aktionsprogramm 2010 auch Geld. 300 000 Euro stehen dafür zur Verfügung.

(Beifall bei der SPD)

Barrierefreies Wohnen, das ist von allen Rednern gesagt worden, und das teile ich, ist eine wichtige Zukunftsaufgabe. Das dürfen wir auch nicht auf die Gruppe der älteren oder der behinderten Menschen beschränken, sondern das ist eine Zukunftsaufgabe für die gesamte Gesellschaft. Es ist schon erwähnt worden, gerade Familien mit Kindern profitieren davon. Deswegen müssen wir auch weiter dafür werben, Wohnungsbaugesellschaften, Architekten und Bauherren dafür zu gewinnen, dass sie von vornherein jeden Baukörper, der neu entsteht, unter diesem Gesichtspunkt betrachten. Der Umbau, wenn der Baukörper erst einmal steht, Sie haben einige Beispiele genannt, ist vielfach teurer als von vornherein ein Einbau von Barrierefreiheit.

Deswegen bin ich mir auch sicher, dass wir zusammen, wenn wir immer wieder jede Gelegenheit benutzen, dafür zu werben, vielleicht doch so langsam das Anliegen in die Köpfe derjenigen bekommen, die dafür zuständig sind. Bauen muss von vorn herein barrierefrei sein. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Aussprache geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und SPD Kenntnis.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schlage Ihnen vor, nunmehr die beiden Tagesordnungspunkte aufzurufen, bei denen eine Behandlung während dieser Sitzung sichergestellt werden soll, sowie den Punkt, bei dem nachträglich auf eine Aussprache verzichtet wurde.

Geschäftsordnung der Bremischen Bürgerschaft

Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 5. September 2006 (Drucksache 16/1120)

D a z u

Änderungsantrag des Abgeordneten Wedler (FDP) vom 13. September 2006

(Drucksache 16/1139)

Meine Damen und Herren, die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf drückt das aus, was viele in diesem Parlament eigentlich erwarten. Parlamentsdebatten sollen lebhafter werden, Parlamentsdebatten sollen auch für die Öffentlichkeit und für die hier Anwesenden, die nicht direkt mit dem Thema befasst worden sind, nachvollziehbarer sein.

Sinn dieser ganzen Angelegenheit soll sein, dass die Parlamentsdebatten auch attraktiver werden. Attraktivere Parlamentsdebatten sollen dazu dienen, dass die Identifikation mit dem Parlamentarismus gesteigert werden kann, dass insgesamt die parlamentarische Auseinadersetzung eventuell einen höheren Standard erreichen könnte. Man muss ja ganz ehrlich sagen, dass die seit den fünfziger Jahren geltenden Formen dieses Parlaments gelegentlich nicht dazu

Anlass geben, uns alle und die Öffentlichkeit zu erfreuen.

Ich weiß nicht, ob wir mit der Änderung die große Freude einkehren lassen, aber es ist mit Sicherheit einen Versuch wert. Diesen Versuch sollten wir an den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss überweisen, dort müssen wir die Details noch einmal erörtern. Wie sieht es aus, soll die Kurzintervention tatsächlich drei Minuten dauern, soll sie vielleicht kürzer sein, soll sie länger sein? Wir müssen dort auch erörtern, ob wir Herrn Wedler die Möglichkeit der Kurzintervention ermöglichen wollen oder nicht.

Ganz wichtig, denke ich: Wenn man über Lebhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit von Debatten redet, sollten wir auch über die hier bereits praktizierte, aber nur auf Vereinbarung beruhende sogenannte kurze GO reden, bei welcher wir dreimal fünf Minuten Redezeit vereinbart haben, ob wir diese Regelung nicht endlich kodifizieren und mit in unsere normierte Geschäftsordnung aufnehmen. Auch diese kurze GO hat sich, glaube ich, bewährt. Ich wäre sehr dafür, sie auch in die Geschäftsordnung aufzunehmen, denn auch diese Regelung dient dem Zweck, Parlamentsdebatten attraktiver, lebhafter zu machen. Ich hoffe, dass der Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss schnell zu einem Ergebnis kommt, welches Parlamentsdebatten in Zukunft attraktiver und lebhafter machen kann. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, begrüße ich recht herzlich auf der Besuchertribüne Herrn Mohan Murti. Herr Murti ist EuropaRepräsentant von Reliance-Industries Ltd, einem der großen Konzerne Indiens.

(Beifall)

Herr Mohan Murti hat Ende August die deutsche Delegation unter Leitung von Bundeswirtschaftsminister Glos nach Indien begleitet, er ist heute Gast von Herrn Christian Sigismund Prinz von Preußen. Seien Sie herzlich willkommen in der Bremischen Bürgerschaft!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Pflugradt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielen Dank, dass Sie mich eben übersehen haben, als ich dort stand und mich gemeldet habe! Unsere Fraktion wäre als erste an der Reihe gewesen zu reden.

(Zurufe)

Herr Kollege Pflugradt, Sie haben das Wort!

Herr Tschöpe hat aber bereits so eine wunderbare Begründung gegeben, die ich fast voll und ganz unterschreiben kann, insofern ist das gar nichts Schlimmes.

Ich glaube nicht, dass wir den Parlamentarismus völlig aus den Angeln heben werden, wenn wir das hier machen. Ich glaube nur, dass das, was andere Landtage schon machen, der Bundestag macht, nämlich diese Kurzintervention von drei Minuten, eine Belebung der Debatten ist. Ich finde, wenn uns das gelingt, dass die Debatten interessanter werden, wir auch alle vielleicht noch ein wenig mehr zuhören, dann ist das ein guter Beitrag, und ich finde, dass wir das im Geschäftsordnungsausschuss diskutieren sollten.

Den Antrag des Kollegen Wedler von der FDP, eine Änderung vorzunehmen, sollten wir ebenfalls gemeinsam im Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss beraten und dann zur nächsten oder übernächsten Sitzung hier eine Änderung vorlegen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Linnert.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Grünen unterstützen das, sind auch mit Antragsteller, und wir bedanken uns bei der CDU für die Initiative. Wir werden das an den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss überweisen, wie auch den Antrag des Kollegen Wedler, der von den Grünen unterstützt wird, dass die Kurzintervention nicht nur von Fraktionsmitgliedern in Anspruch genommen werden kann, sondern von allen Abgeordneten des Parlaments. Wir werden uns über die weiteren Modalitäten im Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss unterhalten.

Ich möchte hier nur an einem Punkt noch Debattenbedarf anmelden, damit alle das wissen: Der Text, der hier vorgelegt wurde zu Paragraf 44 Geschäftsordnung, sagt, dass der Präsident einem Mitglied des Hauses einer Fraktion das Wort geben kann. Wir möchten gern darauf hinwirken, dass es sich dann auch um etwas Verbindliches handelt, also alle sollen dabei gleich behandelt werden.

Ich wollte im Namen meiner Fraktion auch noch einmal sagen, dass wir natürlich die Debatte, die in Niedersachsen gerade dazu stattfindet, auch verfolgen. Das gilt eigentlich für alle Dinge, die mit der Geschäftsordnung geregelt werden: Sie sind nur so tauglich wie der Umgang damit, und wenn wir so ein Ins––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

trument haben wollen, dann verspreche ich für meine Fraktion, dass wir damit verantwortlich umgehen werden.