Protokoll der Sitzung vom 25.11.2003

Wenn wir also künftig über neue Projekte nachdenken, dann nur in dem Zusammenhang, welche alten Sie denn streichen wollen, anders funktioniert das nicht. Sagen Sie bitte schön, Sie wollen die Westerweiterung des Technologieparks nicht machen, statt dessen wollen Sie die Überseestadt entwickeln! Das ist ein ordentlicher Vorschlag, der ist seriös. Dann kann man auch das Geld für dieses wichtige Projekt zusammenkratzen. Tun Sie aber nicht so, als hätten Sie noch Haushaltsmittel ohne Ende!

Ich wäre Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, wenn Sie das künftig auch bei der Bewertung solcher Rankinglisten mit bedächten. Wir wären dann insgesamt ein Stück weiter in der Frage von ehrlicher und glaubwürdiger Politik. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Staatsrat Dr. Färber.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Überschrift dieses Tagesordnungspunktes lautet „Bremen ganz vorn beim Bundesländer-Dynamik-Ranking“. Ich denke, das ist ein Anlass, hier eine ausgesprochen positive, erfreuliche Diskussion über Bremen zu führen. Herr Möhle, wie es Ihnen dann gelingen kann, hier einen Vortrag zu halten, den ich nur als Summe von negativen Äußerungen über Bremen wahrgenommen habe, beeindruckt mich doch sehr.

Ich meine, das sehen wir deutlich, dass sich die Umfragen nun häufen, in denen Bremen hervorragend abschneidet. Insbesondere sind es die Umfragen, die auf Veränderungen in den letzten Jahren abstellen, die die Dynamik hier am Standort Bremen aufzeigen. Die Argumente, die Gründe aus dieser Analyse dieser Bewertung sind von Herrn Liess

und Frau Winther entsprechend dargestellt worden, so dass ich das nicht wiederholen muss. Für mich zeigt sich, dass Bremen sein Ziel, hier einen Aufholprozess zu gestalten, schon ein deutliches, ein gutes Stück erreicht hat.

Die Zuwachsraten des BIP heben sich positiv vom Bundesdurchschnitt ab. Sie haben sich stabilisiert, und zwar auf einem hohen Niveau, und das alles in einer zugegebenermaßen schwierigen Gesamtsituation. Die Stimmung in der Wirtschaft ist besser als anderswo. Die Arbeitslosigkeit hat sich in Bremen relativ verbessert, leider nicht so, wie man es sich wünschen würde. Außerhalb Bremens wird Bremen, denke ich, wieder positiv wahrgenommen.

Dies zeigt, dass in den letzten Jahren eine vernünftige Politik gemacht wurde, die jetzt hier Früchte trägt, die aber unbedingt fortgesetzt werden muss. Weil das Ganze aber ein Bundesländer-Ranking ist, denke ich, sollten wir auch ein Auge auf Bremerhaven werfen. Da wäre es für mich wichtig, dass unsere Konzentration oder die besondere Herausforderung darin besteht, dass wir hier die gute Entwicklung in Bremen, die ja hauptsächlich in der Stadt Bremen stattfindet, auf die besonders schwierige Situation in Bremerhaven übertragen. Ich denke, das ist die besondere Herausforderung in den nächsten Jahren. – Schönen Dank!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Winther.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Möhle, das, was Sie hier eben von sich gegeben haben, zeigt nun wirklich, dass Sie Erfolg einfach nicht verkraften können und dass Sie überhaupt nicht verstanden haben, um was es hier eigentlich wirklich geht.

(Beifall bei der CDU)

Das, was Sie hier überzogene Megaprojekte nennen, sind Infrastrukturprojekte, und dann darf ich Ihnen jetzt einmal sagen, welche Ergebnisse diese Infrastrukturprojekte gehabt haben. Ich fange an mit dem Vulkan-Gelände: 1000 Arbeitsplätze in 59 Firmen; Airport-City: 3000 Arbeitsplätze; Hansalinie, Sie haben es gerade erst vor ein paar Tagen zur Kenntnis genommen: fast 100 Millionen Euro privates Invest, 800 neue Arbeitsplätze und 400 Arbeitsplätze gesichert.

Oder nehmen Sie den Technologiepark, auch das konnten Sie heute gerade der Zeitung entnehmen: 322 Firmen haben sich dort mit 6000 Arbeitsplätzen angesiedelt. Wenn das kein Erfolg ist! Die Entwicklung gerade im Technologiepark belegt, dass wir hier fast 100 neue Firmen haben mit einem Zuwachs von 2800 Beschäftigten. Das ist ein Zuwachs von 22 Pro

zent pro Jahr. Wo finden Sie das, und wo wollen Sie das finden, wenn Sie nicht investieren in Flächen und in Infrastruktur? In anderen Gewerbegebieten haben wir einen Zuwachs von rund fünf bis sieben Prozent. Abgesehen davon hat Herr Pflugradt versucht, Ihnen heute Morgen die Finanzfragen zu erklären. Tilgung war damals überhaupt nicht möglich, weil wir gar keine Einnahmen hatten. Sie müssen doch bitte einmal verstehen, das, was wir hier haben, ist ein Einnahmeproblem und kein Ausgabeproblem! Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, das ist Ihnen auch bekannt, dass sich dieses Jahr die Steuereinnahmen um 65 Millionen Euro gegenüber der Steuerschätzung aus dem Mai 2003 erhöht haben. Das heißt doch ganz deutlich, dass diese Maßnahmen greifen, dass Sie das aber leider nicht erkennen wollen, Herr Möhle. – Danke schön!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, ja, das habe ich schon vorhergesehen, immer nach dem Motto: Ihr könnt den Erfolg nicht ab! Nein, nein, glauben Sie mir, ich bin Bremer, ich bin in Bremen geboren, ich wäre heilfroh, wenn wir eine andere wirtschaftliche und haushaltspolitische Situation hätten. Ich sage nur technologische Leistungsfähigkeit! Es gibt ein Ranking, einen Technologieatlas, der sagt, da haben wir den Rang 54 von 97 Befragten. Beim Nutzungsgrad des technologischen Potenzials sind wir von 97 Plätzen auf Platz 97. Ich wollte das eigentlich nicht erwähnen, ich sage Ihnen das doch jetzt nur, weil Sie auch erkennen müssen, dass viele Probleme existieren. Herr Färber, das gilt für Sie ja fast noch mehr als für die Koalitionäre, die da sitzen! Die Regierung muss sich doch Gedanken darüber machen, wo die Schwachpunkte der Bremer Wirtschaft sind. Es ärgert mich zum Beispiel auch, dass immer gesagt wird, wir brauchen Wachstum. Ja, natürlich! Aber welches Wachstum wollen Sie eigentlich erzeugen, damit diese Arbeitslosigkeit zurückgeht? Es ist doch absurd zu glauben, dass Sie mit einem Wachstum allein die Arbeitslosigkeit tatsächlich noch bekämpfen können in der Dimension, in der die Arbeitslosigkeit jetzt herrscht. Ich kann Sie genauso fragen: Wie viel wirtschaftliches Wachstum wollen Sie eigentlich haben, bis das auf Einnahmen im Haushalt durchschlägt? Die wirtschaftliche Entwicklung ist doch komplett von der Einnahmeseite des Haushalts abgekoppelt.

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Das ist doch schlicht Unsinn, was Sie da erzählen!) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Das ist abgekoppelt! Sie sagen, das macht sich bemerkbar. Ich sage Ihnen, dass Sie die Möglichkeiten, Strukturwandel zu organisieren, in den Fragen der Technologie nicht ernst genug nehmen, das ist das Problem, und zwar nicht, weil das ein Flächenproblem ist. Für Sie ist das ein Flächenproblem, und dann ist es fertig! (Abg. F o c k e [CDU]: Quatsch!)

Natürlich, Herr Focke, so argumentieren Sie permanent. Mir hängt es doch sozusagen aus den Ohren heraus. Ich kann doch gar nichts dafür, dass Sie solch eine Position ständig vertreten.

Wir wollen eine kluge Wirtschaftspolitik, die mit den geringer werdenden Mitteln größere Wirkung erzielt. Dann sind wir sozusagen geradezu begeistert, wenn das ein Erfolgsmodell wird. Da haben Sie die Grünen bei der Party, bei der es dann um das Feiern des Erfolgs geht, ganz sicher auf Ihrer Seite. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Aussprache geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 16/55, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.

Bericht über die Tätigkeit der mit Förderaufgaben beauftragten juristischen Personen des privaten Rechtes für das Jahr 2002 (Beleihungsbericht 2002)

Mitteilung des Senats vom 30. September 2003 (Drucksache 16/46)

Dazu als Vertreter des Senats Staatsrat Dr. Färber.

Meine Damen und Herren, die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Köhler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir reden hier insgesamt über einen Betrag von 122 Millionen Euro öffentlicher Mittel, die im Jahr 2002 im Bereich der Arbeitsförderung und der Wirtschaftsförderung von so genannten ausgegliederten, privaten Gesellschaften bewilligt worden sind.

Es liegt der fünfte Beleihungsbericht vor, seitdem CDU und SPD den so genannten Konzern Bremen ausgerufen haben. An ungefähr 250 privatrechtlich organisierten Gesellschaften ist der Staat beteiligt, und darunter sind über 40 strategische Mehrheits

beteiligungen mit zahlreichen Untergesellschaften. Im Beleihungsbericht geht es um die privatrechtlich organisierten Gesellschaften, die öffentliche Mittel verteilen und die Bewilligungsbescheide erteilen, die den Staat unmittelbar binden, wie gesagt, in einem Umfang von 122 Millionen Euro. Über die fachpolitischen Inhalte ist in den zuständigen Deputationen geredet worden. Hier geht es jetzt um die haushaltspolitischen Aspekte der Beleihung.

Sie wissen, dass wir Grünen dagegen waren, den Staat zum Konzern umzumodeln, und zwar vor allem deshalb, weil die Kontrolle der Gesellschaften, sowohl durch das Parlament als auch durch die Verwaltung, erheblich schwieriger ist. Der Beleihungsbericht soll das ein bisschen kompensieren. Er soll dazu beitragen, dass wir als Parlamentarier unsere Aufgabe wahrnehmen können. Man sollte meinen, dass der fünfte Beleihungsbericht dann wesentlich besser sein sollte als der vierte und die vorangegangenen, aber leider ist genau das Gegenteil der Fall.

Wir wollen nach wie vor wissen, wie viel Geld aus welcher Haushaltsstelle für welches Förderprogramm durch welche Gesellschaft ausgegeben worden ist und wie hoch die Belastungen für zukünftige Haushalte sind, sowohl durch Vorfinanzierungen als auch durch Bindungen, die die Gesellschaften sozusagen auf eigene Kappe eingegangen sind, wo also Bescheide erteilt worden sind, für die weder das Parlament noch der Haushaltsausschuss irgendwelche Genehmigungen erteilt haben.

Meine Fraktion hatte schon letztes Jahr angemahnt, dass wir als Abgeordnete wissen wollen, welcher Zusammenhang zwischen dem vom Parlament beschlossenen Haushalt und dem besteht, was BIG, BIS, bag, BRAG, BIA und WfG so treiben.

Im Bericht 2001 gibt es wenigstens noch eine Auflistung der Haushaltsstellen, in diesem Bericht fehlt sie völlig. Wer sich den vom Parlament beschlossenen Haushaltsplan anschaut – und dabei ist es egal, ob man den kameralen Haushalt nimmt oder ob man den Produktgruppenhaushalt nimmt – und dann diesen Beleihungsbericht daneben legt, der wird keinen unmittelbaren Zusammenhang feststellen können. Mir stellen sich diese Gesellschaften nach wie vor wie eine Black Box dar, wo viel Geld hineingesteckt wird, wo auch viel Geld ausgegeben wird, aber ob das für die Zwecke passiert, die der Haushaltsgesetzgeber, das Parlament, verfolgt hat, als er diese Mittel bewilligt hat, das ist unklar.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist ein ganz erhebliches Problem, denn der Haushalt ist das wichtigste Steuerungsinstrument, das das Parlament in der Hand hat, um den Senat und um die Verwaltung zu kontrollieren und damit auch die Gesellschaften, für deren Handeln der Senat komplett verantwortlich ist. Es mag ja sein, dass bei der großen Koalition der Eindruck vorherrscht,

dass über Wirtschaftsförderung und Arbeitsförderung am besten die Geschäftsführer der Gesellschaften entscheiden, schließlich bekommen sie ja auch genügend Geld dafür, auch wenn sie uns nach wir vor nicht verraten wollen, wie viel denn eigentlich.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Schade eigentlich!)

CDU und SPD stehen für eine Organisationsform des Staates, die nicht transparent ist und die auch aus gutem Grund kein anderes Bundesland gewählt hat. Wir Grünen stehen dafür, dass jeder Bürger nachlesen kann, wie viel Geld das von ihm gewählte Parlament für welchen Zweck bewilligt hat, und dass auch genau das, was das Parlament beschlossen hat, von der Verwaltung umgesetzt wird. Wir Grünen stehen für komplette Transparenz.

BIG, BIS, BIA und WfG belasten zukünftige Haushalte gleich auf doppelte Art und Weise, zum einen dadurch, dass der Bremer Kapitaldienstfonds quasi als normaler Haushaltstopf betrachtet zu werden scheint. Wenn man einmal die BIG nimmt, dann steht insgesamt 36,5 Millionen Euro Haushalts- beziehungsweise Fördermitteln neben WAP, ISP und T.I.M.E. ganz einträchtig bei der Bremer Kapitaldienstfonds mit 10,7 Millionen Euro. Das, was über den Kapitaldienstfonds aufgenommen wird, sind nichts anderes als normale Schulden, nur mit dem einzigen feinen Unterschied, dass im regulären Haushalt davon nichts steht und bei den offiziellen Verlautbarungen, wie hoch denn der Schuldenstand ist, nichts davon gesagt wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zum anderen erteilen die Gesellschaften schon jetzt rechtsverbindliche Bescheide für zukünftige Haushaltsjahre, über die das Parlament noch überhaupt nichts beschlossen hat. Weder Parlament noch Haushaltsausschuss haben dem zugestimmt. Zwar stehen diese Bescheide unter Haushaltsvorbehalt, aber es will hier doch niemand sagen, dass diese Zusagen, die Unternehmen gegeben worden sind, einmal eben so zurückgenommen werden können. Mag auch die theoretische Möglichkeit bestehen, sich aus einer rechtlichen Verpflichtung zu befreien, wird das doch in der Praxis in keinem einzigen Fall passieren. Diese Verpflichtungen für die künftigen Jahre betragen insgesamt 145 Millionen Euro, davon 93 Millionen Euro allein für die BIG. Sind Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sich sicher, dass Sie diese Summe in den nächsten Jahren tatsächlich zur Verfügung stellen werden? Mein Tipp: Machen Sie sich doch einmal eine Prioritätenliste!

Zur Steuerungsproblematik ist zu sagen, dass es zur Steuerung der Bremer Gesellschaften insgesamt ein Pilotprojekt gibt. Das sind nicht hoch komplizierte Abläufe, die da koordiniert werden müssen, sondern

ganz banale Geschichten. Wenn sich zum Beispiel innerhalb eines Jahres herausstellt, dass ganz erheblich vom Plan abgewichen werden wird, weil irgendetwas passiert ist, muss diese Gesellschaft darüber einen Bericht abliefern. Das alles ist ganz weit entfernt von einer strategischen Steuerung, wir sind davon insgesamt noch ganz weit entfernt.

Es gibt gerade einmal sieben Pilotgesellschaften von den 250, in denen solche grundlegenden Steuerungselemente jetzt im Rahmen des Pilotprojektes eingeführt werden. Nach dem ursprünglichen Zeitplan sollte eigentlich im Dezember die stufenweise Einbeziehung aller Gesellschaften in die Steuerung durch den Senat beraten werden. Wir werden da hoffentlich noch viel Spaß miteinander haben. Wenn es dann einmal darum geht, die Steuerung der Verwaltung und der Gesellschaften durch das Parlament voranzutreiben und auf eine moderne Grundlage durch moderne Steuerungsinstrumente zu stellen, zum Beispiel durch Leistungsaufträge des Parlaments, dann sind wir auf derselben Seite. Packen wir es endlich an!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Dr. Schuster.