Protokoll der Sitzung vom 21.02.2007

(Widerspruch bei der SPD)

Sie wollen ja anscheinend, dass Eltern die Verantwortung für Kinder am liebsten abgeben. Wir wollen, dass Eltern sich um ihre Kinder kümmern, und wenn sie sich dann nicht selbst kümmern, dass es dann staatliche Betreuungs- und Erziehungsangebote gibt! Das ist der Unterschied zwischen uns und Ihnen, meine Damen und Herren. Wir wollen erst einmal die Familie vor Ort stärken und Zusatzangebote schaffen.

(Abg. K l e e n [SPD]: Text lesen, Text verstehen!)

Wir haben im Übrigen nun auch eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht. Sie von der Sozialdemokratie können es nicht verknusen, dass Frau von der Leyen in Berlin eine moderne, eine angemessene Familienpolitik macht. Da hilft nur Gift und Galle bei Ihnen, wahrscheinlich werden Sie noch Jahre brauchen, um das überhaupt zu verstehen.

Herr Dr. Sieling, Sie sind auf Bremen ganz wenig eingegangen. Sie sprachen von einer neuen Schwerpunktsetzung durch Jens Böhrnsen.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Zäsur!)

Ich dachte, Jens Böhrnsen hätte es schon vorher, bevor er Bürgermeister wurde, in der Bremer Landespolitik gegeben und er wäre kein Leichtgewicht, aber gut, das ist dann Ihre Interpretation gewesen. Sie haben irgendwie am Rande erwähnt, dass es ein Versagen gegeben habe. Ja, es hat ein Versagen sozialdemokratischer Ressource gegeben. Dann sprachen Sie von mehr Geld. Meine Damen und Herren, ich habe nicht mehr Geld abgelehnt! Ich habe gesagt, wir müssen doch erst einmal untersuchen, wohin das viele Geld, über eine halbe Milliarde Euro, eigentlich fließt!

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Wie lange wollen Sie denn noch untersuchen?)

Dann können wir über alles Weitere reden!

(Beifall bei der CDU)

Aber Sie können doch nicht per se, das haben Sie schon einmal versucht, immer nur über mehr Geld reden. Sie müssen doch auch darüber reden, wohin das Geld bisher fließt und wo es ankommt. Es muss da ankommen, wo es hingehört, bei den Kindern und Jugendlichen und nicht im System, meine Damen und Herren, das ist Ihr Strukturfehler, den Sie immer noch haben!

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau M ö - b i u s [SPD]: Ich sage nur Wirtschaftsför- derungsausschüsse!)

Frau Möbius, reden Sie doch bitte nur über Themen, von denen Sie etwas verstehen!

(Zurufe von der SPD)

Sie brauchen sich um den Familienfrieden in der CDU keine Gedanken zu machen, meine Damen und Herren. Ich freue mich schon, wenn wir in den nächsten Wochen sehr intensiv thematische Fragen angehen werden. Man merkt, mit Ihnen macht das Regieren Spaß, und darauf freuen wir uns auch in Zukunft. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Linnert.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist ja eine erstaunliche Entwicklung! Ich habe extra versucht, ich weiß gar nicht, ob das in meiner Fraktion alle so gut finden, die Debatte sehr moderat zu gestalten.

(Abg. F o c k e [CDU]: Das hat Herr Sieling wohl nicht so verstanden!)

Gut, es ist vielleicht misslungen. Dass jetzt Herr Sieling hier der Scharfmacher war, gut, Sie können sich ja hier weiter die Schuld in die Schuhe schieben, das ist mir jetzt auch egal. Ich habe die Debatte extra nicht so scharf angelegt, weil ich nämlich glaube, dass wir gemeinsam das Problem der Reichweite der Politik haben, was kann Politik eigentlich wirklich real machen, um die Situation armer Menschen, vor allem von Kindern und Jugendlichen, zu verbessern. Da gibt es eine Menge. Aber man muss sich auch klar machen, dass der Staat vor Herausforderungen steht, denen er nur noch sehr begrenzt begegnen kann. Deshalb ging es mir darum, hier nicht so fürchterlich auf den Lappen zu hauen. Aber gut!

Ich wollte noch einmal sagen, der Spruch von Ihnen, Herr Rohmeyer, wo die CDU regiert, geht es den Kindern gut, der wird jetzt einen prominenteren Platz in meiner ewigen Stilblütenliste bekommen. Aber er hat mich auch nachdenklich gemacht. Könnte es vielleicht sein, dass die Vermutung, die einen manchmal beschleicht, dass Sie gar kein Bewusstsein dafür haben, dass Sie regieren, vielleicht der Wahrheit entspricht? – Eigenartig!

(Abg. Frau M ö b i u s [SPD]: So ist es! Sonst würden Sie sich nicht so verhalten!)

Ihr Vorwurf, dass es sich hier um Wahlkampf handelt, erfüllt die grüne Fraktion mit großem Stolz. Sie ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

glauben nämlich, dass die UNICEF, von uns gesteuert, justament direkt zum Bremer Wahlkampf ihren Bericht herausgibt!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. R o h m e y e r [CDU]: So viel Einfluss ha- ben Sie trotz Joschka Fischer nicht!)

Ich kann nur sagen, Sie trauen uns viel zu, in diesem Fall zu Unrecht!

Was Ihnen eingefallen ist, Herr Rohmeyer, ich habe ziemlich genau zugehört, sind vor allem Maßnahmen, die etwas mit Zwang zu tun haben. Rauchen verbieten und verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen! Sehen Sie, das ist genau der Unterschied in dem Weltbild, das Sie für Familienpolitik vertreten und das die Grünen vertreten. Für die Grünen geht es um Wertschätzen, um Unterstützen und um Zutrauen, Vertrauen in Menschen, dass sie ihre Angelegenheiten mit Unterstützung selbst regeln können. Das ist etwas ganz anderes, als eine Welt von Verboten und Maßnahmen aufzubauen.

Eltern erziehen, damit sie ihre Kinder erziehen können! Du lieber Himmel, ich würde nie auf die Idee kommen, Erwachsene zu erziehen! Da ist nämlich dann irgendwann Schluss. Was wir aber machen müssen, ist, den grünen Vorschlag weiterzuentwickeln, nämlich die Kindergärten in Familienzentren zu entwickeln, in die Eltern gehen, sich Rat holen können und wo man sich austauschen kann über Erziehungsprobleme oder was noch gerade so los ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ihre ewige Leier mit den Investitionen! Ich habe Friedensangebote in der Rede von Herrn Sieling wahrgenommen, ich will sie noch ein einziges Mal nicht annehmen, 24 000 weniger sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in Bremen im Sanierungszeitraum. Sie stellen sich hier hin und sagen, das ganze Investieren war überhaupt nur einem Ziel geschuldet, nämlich die Situation armer Menschen hier zu verbessern. Das ist einfach lächerlich, genauso wie Ihre Forderung, das hört sich vielleicht klasse an, ein Kinderressort zu gründen. Es geht doch gerade darum, das haben uns die Niederlande voraus, dass ein gesamter Politikansatz sich den Interessen von Kindern und Jugendlichen widmet.

Ich will ein Bauressort, das eine kindgerechte Verkehrsplanung macht, ich will eine Spielplatzplanung, die die besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen im Stadtteil berücksichtigt, und ich will eine Wirtschaftspolitik, die die Innenstadt so entwickelt, dass sie attraktiv für Familien mit Kindern ist. Das können Sie mit in einem Kinderressort überhaupt nicht machen, sondern Sie verschärfen doch die Tendenz, es dahin abzuschieben, und dann ist man das ganze Problem los! Dann kann man Frau Rosenköt

ter oder wen auch immer dafür verantwortlich machen, wenn es nicht klappt!

(Bürgermeister R ö w e k a m p : Warum haben wir dann ein Frauenressort?)

Frauenressort!

(Bürgermeister R ö w e k a m p : Ja, war- um haben wir das, wenn es eine Quer- schnittsaufgabe ist?)

Es gibt immer Querschnittsaufgaben, das ist doch auch klar! Aber es ist doch nicht sinnvoll, Familienpolitik auseinanderzunehmen mit Kinderpolitik! Das ist doch wirklich aberwitzig! Wissen Sie denn nicht, dass es den Kindern nur dann gut gehen kann, wenn man die gesamte Familie im Blick hat?

Der Familienstreit in der CDU! Herr Sieling hat ja ganz gekonnt, um von Bremen abzulenken, ziemlich viel über Bundespolitik geredet. Schade, dass ich das nicht auch durfte, das kann einen ja wirklich reizen! Ich finde, es kommt ein ganz falscher Zungenschlag in die Debatte. Alle Eltern, Männer wie Frauen, Väter wie Mütter, sollten ein Recht darauf haben, in den ersten Lebensjahren nicht zu arbeiten, um mit Ihren Kindern zusammen zu sein, ein Recht darauf haben! Aber, das ist nicht das Beste! Oder es ist auch nicht das Beste, die Kinder wegzugeben, sondern es gibt ein Recht auf einen eigenen Lebensentwurf. Wir sind verpflichtet, das so zu unterstützen, dass Eltern, die ihr Kind –

(Zuruf des Abg. R o h m e y e r [CDU])

Moment, Herr Rohmeyer, Moment – gern kollektiv erziehen möchten, nämlich die gern möchten, dass auch kleine Kinder mit anderen Kindern zusammen sein können, diesen Wunsch zu erziehen so umsetzen können, ohne denunziert zu werden!

Wenn ich meinen einjährigen Sohn in die Kinderkrippe gebracht habe – Herr Imhoff, für Ihr Kind trifft das vielleicht nicht zu, Sie können Ihr Kind gern auch anders erziehen –, dann hat der sich gefreut. Da können Sie hier sagen, klar, die Alte, der hatte ja auch eine schlimme Rabenmutter zu Hause, der ist froh, wenn er mit anderen Kindern zusammen ist. Aber auch wenn mein Mann unser Kind in die Kinderkrippe gebracht hat, hat es sich gefreut. Es hat sich darüber gefreut, mit anderen Kindern zusammen zu sein und sich zu entwickeln. Das ist eine moderne Erziehung, und Eltern haben ein Recht darauf, sich dafür zu entscheiden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. R o h m e y e r [CDU]: Das entspricht überhaupt nicht dem, was wir gesagt haben! Das widerspricht Herrn Dr. Sieling!)

Da geht es nicht um Gut und Böse! Wenn Sie hier gebetsmühlenhaft erzählen, das Beste, was einem Kind passieren kann, ist, drei Jahre lang nur mit seiner Mutter zusammen zu sein, dann ist das ein völlig antiquiertes Weltbild und folgt nur einem einzigen Lebensstil und sorgt dafür, dass man den Müttern, die, aus welchen Gründen auch immer, das nicht können oder wollen, auch noch ein schlechtes Gewissen einjagt! Das will ich auch aus frauenpolitischen Gründen nicht!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Einen Satz will ich noch zur Finanzierung sagen! Es ist richtig, die Kommunen sind mit der Finanzierung, vor allen Dingen arme Kommunen wie Bremen und Bremerhaven, von weiteren Ganztagsangeboten und Unter-Dreijährigen-Angeboten überfordert. Deshalb ist es richtig, was Frau von der Leyen macht und sagt.

(Glocke)

Man muss schauen, wie kann man die Kommunen bei der Finanzierung – letzter Satz, Herr Präsident, Ehrenwort! – unterstützen. Hartz IV folgt auch dem Gedanken, dass man die Kommunen bei solchen Aufgaben, die für die Entwicklung Deutschlands wichtig sind, unterstützt, und die Vorschläge, die hier vor allem von Herrn Sieling gekommen sind, was das Ehegattensplitting betrifft, waren ja schon ein richtiger Schritt. – Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Sieling.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unzweifelhaft ist, dass die schwierige soziale Lage der Familien und Kinder nicht von heute auf morgen zu verändern sein wird, sondern es wird in der Tat ein längerer Prozess werden. Aber der entscheidende politische Punkt ist doch, wir müssen damit anfangen, wir müssen Konsequenzen ziehen und Schritte machen. Darum dränge ich sozusagen so auf diesen Punkt, dass es an der Stelle losgeht.

Ich will einen ersten Punkt hier aus der Debatte noch einmal aufnehmen, das betrifft dieses Familienmodell. Ich finde, das geht völlig fehl, Herr Rohmeyer, Frau Schmidtke für Ihre verfehlten, veralteten Vorstellungen heranzuziehen.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Ich habe sie nur zitiert!) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Ja, Sie haben sie wahrscheinlich falsch und einseitig zitiert! (Abg. R o h m e y e r [CDU]: Nein, das steht so hier! – Zurufe von der SPD)